Auch der Arbeitsmarkt in Deutschland ist von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Er muss sich an veränderte politische Rahmenbedingungen zur Reduzierung von Treibhausgasen anpassen genauso wie an neue ökologische Rahmenbedingungen wie extreme Wettersituationen und Naturkatastrophen.
Ein sich änderndes Klima in der Welt hat direkte Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Menschen. Unsere Lebens- und Verhaltensweisen werden sich diesen neuen Rahmenbedingungen anpassen (müssen). Dies bedeutet, dass sich die zukünftig in Deutschland nachgefragten Produkte und Dienstleistungen im Vergleich zu heute verändern werden, was unmittelbare Auswirkungen auf die am Arbeitsmarkt nachgefragten Fähigkeiten und Fertigkeiten haben wird. Dabei sind zwei Entwicklungen zu berücksichtigen: Zum einen erhöht die globale Erderwärmung das Risiko von extremen Wettersituation und Naturkatastrophen. Hier müssen Anpassungsmaßnahmen ergriffen werden, wie z.B. der Bau von Dämmen oder Schutzmaßnahmen an Gebäuden vor Hitze, Starkregen und Hochwasser. Zum anderen bedarf es einer Reduktion von Treibhausgasen, die als ursächlich für den Klimawandel angesehen werden. Die meisten Treibhausgase (THG) entstanden erst durch die industrielle Entwicklung, welche Deutschland zugleich Beschäftigung und Wohlstand gebracht hat. Die Herausforderung besteht nun darin, die THG-Emissionen zu reduzieren, dabei aber die Wirtschaftsleistung zu erhalten. Es ist Aufgabe der Politik hierfür ordnungsrechtliche Regelungen zu erarbeiten und wirtschaftliche Anreize zu setzen.
In diesem Text wird erläutert, welche politischen Rahmenbedingungen aus dem Klimawandel hervorgegangen sind, wie Beschäftigung und Klimawandel zusammenhängen und wie sich der Arbeitsmarkt im Zuge des Klimawandels entwickeln könnte.
Politische Rahmenbedingungen
Am 12. Dezember 2015 vereinbarten 195 Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen im Übereinkommen von Paris die globale Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen (BGBl. 2016 II S. 1082, 1083). In der Folge erarbeitete Deutschland, wie andere Länder auch, einen Klimaschutzplan 2050 (KSP 2050), um die Ziele der Pariser Klimakonferenz umzusetzen. Der am 14. November 2016 vom Bundeskabinett beschlossene KSP 2050 strebt an, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 im Vergleich zu 1990 um 80 bis 95 Prozent zu vermindern. In einem Zwischenschritt sollen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden. Der KSP 2050 gibt nur den Prozess zur Erreichung der nationalen Klimaziele vor, benennt jedoch keine Einzelmaßnahmen. Diese wurden am 9. Oktober 2019 vom Bundeskabinett im Klimaschutzprogramm 2030 (KSPr 2030) beschlossen. Das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) vom 12. Dezember 2019, bildet schlussendlich die Grundlage zur Umsetzung der Ziele aus dem Pariser Abkommen, dem KSP 2050 und dem KSPr 2030. Es definiert eine Minderungsquote der Kohlendioxid (CO2)-Emissionen von 55 Prozent gegenüber dem Jahr 1990.
Am 24. März 2021 kam der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts zu dem Beschluss, dass Teile des KSG mit den Grundrechten unvereinbar sind. Denn um die Freiheiten künftiger Generationen zu schützen, muss der Übergang zur Klimaneutralität rechtzeitig eingeleitet werden. Der Gesetzgeber wurde deshalb verpflichtet, spätestens bis zum 31. Dezember 2022 die Fortschreibung der Minderungsziele für die Zeiträume ab dem Jahr 2031 zu regeln.
Ziel: Erreichen einer Netto-Treibhausgasneutralität bis 2045
Der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes vom 11. Mai 2021 sieht deshalb vor, die THG-Emissionen bis zum Jahr 2030 nun um 65 Prozent und bis zum Jahr 2040 um mindestens 88 Prozent zu reduzieren. Bis zum Jahr 2045 sind die Treibhausgasemissionen so weit zu mindern, dass Netto-Treibhausgasneutralität erreicht wird. Als Netto-Treibhausgasneutralität wird nach KSG das Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von THG aus Quellen und dem Abbau solcher Gase durch Senken bezeichnet. Das „Klimaschutz-Sofortprogramm 2022“ der Bundesregierung vom 23. Juni 2021 ergänzt die 65 Maßnahmen des KSPr 2030 um weitere Punkte.
Sektorziele
Um die gesteckten Ziele zu erreichen, werden zum einen übergreifende Ziele und Maßnahmen definiert, zum anderen werden nach dem Quellprinzip der internationalen THG-Berichterstattung sechs Sektoren als THG-Emittenten definiert. Für diese werden jeweils Zielgrößen an zukünftigen Tonnen an CO2-Äquivalenten vorgegeben. Eine Tonne CO2-Äquivalent entspricht einer Tonne CO2 oder der Menge eines anderen THG, die in ihrem Potenzial zur Erwärmung der Atmosphäre einer Tonne CO2 entspricht. Die sechs Sektoren sind:
Energiewirtschaft: Die Energiewirtschaft umfasst alle Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger in Kraftwerken der öffentlichen Strom- und Wärmebereitstellung. Somit wird auch der Strom- und Wärmebedarf anderer Sektoren, z.B. der Haushaltsgeräte in Wohnungen, nach dem Quellprinzip der Energiewirtschaft zugerechnet.
Industrie und Wirtschaft: Der Sektor Industrie umfasst alle Emissionen aus Verbrennungsprozessen und der Eigenstromversorgung des verarbeitenden Gewerbes sowie Emissionen aus industriellen Prozessen und der Produktverwendung fluorierter Gase (direkte Emissionen), z.B. bei der Kalk-, Zement-, Stahlherstellung oder Grundstoffchemie
Gebäude: Zum Gebäudebereich werden Emissionen gerechnet, die aufgrund des Betriebs von Wohn- und Nichtwohngebäuden entstehen (Raumwärme-, Kühlung, Warmwasser).
Verkehr: Hierzu werden die CO2-Emissionen von Verkehrsmitteln gerechnet. Diese sind zwar pro Fahrzeug über die Zeit zurückgegangen, jedoch ist das Verkehrsaufkommen insgesamt gestiegen.
Landwirtschaft: In der Landwirtschaft sind die größten Emittenten die Lachgasemissionen als Folge des Stickstoffeinsatzes bei der Düngung, Methan-Emissionen bei der Verdauung von Wiederkäuern, Emissionen aus dem Güllemanagement und Kraftstoffeinsatz bei landwirtschaftlichen Maschinen und Fahrzeugen.
Abfallwirtschaft: In der Abfallwirtschaft entstehen bei der Zersetzung Methangase, die durch Belüftung und optimierte Deponiegasfassung reduziert werden können. Auch die Vermeidung von (Lebensmittel)abfällen trägt zur Reduktion von THG-Emissionen des Sektors bei. Zudem soll die Wiederverwertung von Abfällen erhöht werden (Kreislaufwirtschaft)
Die folgende Tabelle gibt die Emissionsminderungsziele des Gesetzesentwurfs zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes vom 11. Mai 2021 für die Sektoren bis 2030 wieder. Im Jahr 2020 sollten über alle Sektoren hinweg 813 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente emittiert werden. Mit 34 Prozent hat die Energiewirtschaft hier den größten Anteil, gefolgt von der Industrie und dem Verkehr. Über die in dieser Tabelle definierten Ziele hinausgehend wird im Sektor Landnutzung und Forstwirtschaft (LULUCF) angestrebt die Emissionen bis 2030 um 25 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent zu verringern. Denn aufgrund der höheren CO2-Speicherung durch Wälder und Holzprodukte stellt der Sektor derzeit eine Nettosenke dar. Allerdings emittiert in landwirtschaftlich genutzten, entwässerten Moorböden fortwährend CO2. Durch die Reduktion des Torfabbaus und Wiederbewässerung von Mooren wird erhofft diese Senkungswirkung weiter zu erhöhen.
Sektorkopplung
Trotz des Einzelausweises an CO2-Äquivalenten pro Sektor ist es wichtig zu verstehen, dass eine Dekarbonisierung (Abkehr vom Kohlenstoff) der Sektoren, insbesondere der Energiewirtschaft, nur über eine Sektorkopplung gelingen kann. Der Schlüssel hierzu ist Stromerzeugung über regenerative Energien, wie z.B. Windkraft- und Photovoltaikanlagen. Ist Mobilität im Verkehrssektor oder die Wärmeerzeugung in Gebäuden über erneuerbare Energien möglich, trägt dies in allen betroffenen Sektoren zur Dekarbonisierung bei. Zudem ergeben sich bei einer Konzentration auf mehrere Sektoren effizientere Speichermöglichkeiten. So kann der einfach zu transportierende Strom beispielsweise zur Wärmeerzeugung genutzt werden und diese Wärme dann vor Ort gespeichert werden. Diese Kopplungselemente werden mit „Power-to-X“ beschrieben und bezeichnen beispielsweise den Einsatz von Strom zur Erzeugung von beispielsweise Wärme („Power-to-Heat“) oder Gas („Power-to-Gas“).
Auswirkungen der Abkehr vom Kohlenstoff auf die Beschäftigung
Eine direkte Zuordnung der Erwerbstätigen in Wirtschaftsbereichen oder Berufen zu den Sektoren der CO2-Emissionen ist schwierig, weil ihre Systematik einer unterschiedlichen Logik unterliegt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine Dekarbonisierung in einem Sektor, wie beispielsweise Gebäude, auch Auswirkungen auf die Dekarbonisierung in einem anderen Sektor, z.B. Energie, haben kann (Sektorkopplung – siehe Kasten). Im Folgenden werden deshalb die möglichen Beschäftigungsentwicklungen in den CO2-intensiven Sektoren anhand einzelner Studien skizziert.
Energiesektor
Marlene O’Sullivan, Dietmar Edler und Ulrike Lehr kamen in einer Analyse aus 2018 zu dem Schluss, dass die Beschäftigung im klassischen Energiesektor ohne Einbeziehung der erneuerbaren Energien seit dem Jahr 2000 von ca. 348.000 Personen auf 218.000 Personen im Jahr 2016 gesunken ist (siehe folgende Abbildung). Der stärkste Beschäftigungsrückgang kann hier mit -87 Prozent dem Steinkohlebergbau zugerechnet werden. Die Beschäftigung in Betrieb und Wartung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien hat sich hingegen von rund 17.000 im Jahr 2000 auf 75.500 im Jahr 2016 erhöht. Den höchsten Beschäftigtenanteil im Jahr 2016 hat die Windenergie an Land (33 Prozent), vor Biogasanlagen (17 Prozent), Photovoltaik (13 Prozent) und Windenergie auf See (11 Prozent). Ein Anstieg zeigt sich auch in der Beschäftigung durch die Bereitstellung biogener Brenn- und Kraftstoffe. Insgesamt bleibt das Beschäftigungsniveau in der Energiewirtschaft zwischen den Jahren 2000 und 2016 damit relativ stabil zwischen 340.000 und 370.000 Personen. Damit wären weniger als ein Prozent aller Erwerbstätigen direkt oder zum Teil indirekt in der vorgelagerten Produktion durch Zulieferungen der Energiewirtschaft zuzurechnen. Durch Investitionstätigkeiten der Energiewirtschaft ergeben sich jedoch weitere Beschäftigungseffekt außerhalb der Energiewirtschaft, insbesondere bei der Herstellung von Erzeugungsanlagen der Elektrizitätsversorgung, wie erneuerbare Strom- oder Wärmeerzeugung. Im Jahr 2016 ließen sich hier rund 331.000 Erwerbstätig zurechnen.
Das Kohleverstromungsbeendigungsgesetz (KVBG) legt die schrittweise Reduzierung und Beendigung der Stein- und Braunkohleverstromung bis zum Jahr 2038 fest. Es wurde als Art. 1 des Kohleausstiegsgesetzes vom 8. August 2020 erlassen. Hierdurch ist zu erwarten, dass sich die Beschäftigtenanzahl von rund 19.500 (2020) in der Braunkohle- und rund 4.900 in der Steinkohlewirtschaft (2018) weiter reduzieren wird. Dies sind zwar nur 0,1 Prozent aller Erwerbstätigen, jedoch hat die Kohlegewinnung für einige Regionen wie die Lausitz, das Rheinland und Helmstedt eine hohe Bedeutung. Die betroffenen Bundesländer erhalten deshalb 40 Mrd. Euro vom Bund um den Verlust dieser Industrien abzufedern. Es ist aber auch zu erwarten, dass die Energiewirtschaft der Erneuerbaren Energien regional unterschiedlich profitiert. Bei Küstenbundesländern entfallen mehr als die Hälfte der Beschäftigten in 2016 in erneuerbaren Energien auf die Windenergie. Bioenergie ist hingegen in den Flächenländern, insbesondere Bayern, von Bedeutung, Solarenergie findet sich eher im Süden und Westen (siehe folgende Abbildung).
Verkehrssektor
Im Verkehrsbereich soll zum einen die Elektromobilität gefördert werden. Über das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität vom 12.12.2019 wird das Ziel verfolgt die Anzahl der neu zugelassenen Elektrofahrzeuge bis 2030 auf 7 bis 10 Mio. Fahrzeuge zu erhöhen. Zum andern soll die Mobilitätswende von der Straße auf die Schiene gelingen. Mit dem KSPr 2030 wurden Bahnfahrten über eine Mehrwertsteuersenkung auf 7 Prozent günstiger und Fliegen über die Luftverkehrssteuer ab dem 1. April 2020 teurer gemacht. Zudem soll die Infrastruktur für Fahrradfahrer verbessert werden. Ein langfristiges Szenario von Mönnig u.a. 2021 zeigt, dass eine Veränderung der Mobilität zu emissionsärmeren Fahrzeugen und eine veränderte Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsträger oder Verkehrsmittel (Modi), die Nachfrage nach Bauberufen durch Infrastrukturinvestitionen (Installation von Ladestationen, Schienenumrüstung und –ausbau), Verkehrs- und Logistikberufe, insbesondere in der Verkehrssteuerung, erhöht. Die Nachfrage nach Personal in der Fahrzeugführung im Straßenverkehr und im Kfz-Handel könnte hingegen im Vergleich zu einem Szenario, das kein verändertes Verkehrsverhalten unterstellt, zurückgehen. Insgesamt rechnen die Autoren bei einem CO₂-vermeidendem Verkehrsverhalten mit einem leicht steigenden Bedarf an Erwerbstätigen, vorwiegend bei Tätigkeiten, die ein höheres Qualifikationsniveau voraussetzen.
Gebäudesektor
Die Energiewende wird nach aktuellen Schätzungen nicht ohne die klimafreundliche Sanierung von Gebäuden gelingen. Mit dem KSPr 2030 wurde deshalb der Einbau von Ölheizungen ab 2026 untersagt. Zudem werden Sanierungsmaßnahmen an Gebäudehülle und der Einbau regenerativer Energieträger über Zuschüsse, günstige Kredite und Steuererleichterungen gefördert. Um die gesteckten Sektorziele zu erreichen, müsste die derzeitige langfristige Sanierungsrate von Bestandgebäuden in Höhe von einem Prozent pro Jahr mindestens verdoppelt werden. Dies bedarf nicht nur an Investitionen, sondern auch an entsprechenden Fachkräften der Bau-, Ausbau- und anlagentechnischen Gewerke, um die Sanierungsmaßnahmen durchzuführen. Im Neubau sieht das am 1.1.2009 in Kraft getretene Bundesgesetz Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) vor, dass der Wärmebedarf bei neu errichteten Gebäuden anteilig mit erneuerbaren Energien zu decken ist. Eine klimafreundliche Ausstattung von Alt- und Neubauten wirkt sich insofern auch auf den aktuellen und zukünftigen Arbeitskräftebedarf aus.
Landwirtschaft
In der Landwirtschaft wird angestrebt, den Flächenanteil des ökologischen Landbaus auf 20 Prozent zu erhöhen. Die Reduktion des Torfabbaus und die Wiederbewässerung von Mooren ist vor allem für die moorreichen Bundesländer Bayern, Brandenburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein relevant. Das Thünen-Institut zeigte 2019 auf, dass bei einer geringeren Tiermast und einer Einschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung bei der Wiederbewässerung von Mooren eine geringere Beschäftigungsnachfrage ergeben könnte. Da der Ökolandbau arbeitsintensiver ist, würden dort aber auch mehr Arbeitskräfte benötigt, ebenso bei einer Aufforstung. Vermutlich wird sich hierdurch die Art der nachgefragten Berufe verändern. Ob es insgesamt zu einer Beschäftigungszunahme oder –abnahme kommt ist hingegen unklar.
EU Emission Trading System (EU-ETS)
Bereits im Jahr 2005 wurde in der Europäischen Union das erste internationale Emissionshandelssystem eingeführt. In diesem System wird für alle EU-Länder sowie für Island, Liechtenstein und Norwegen eine Obergrenze für das Gesamtvolumen der Emissionen an Kohlendioxid (CO2), Stickoxis (N20) und perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFKW) im Stromsektor, in der verarbeitenden Industrie und in der gewerblichen Luftfahrt festgelegt. Innerhalb der Obergrenze können Anlagenbetreiber Emissionszertifikate handeln. Zum Jahresende müssen die emittierten, oben genannten Treibhausgase über die Menge an Zertifikaten abgedeckt sein. Ist dies nicht der Fall, ist eine Geldstrafe zu zahlen. Spart eine Anlage THG-Emissionen ein, können die überfälligen Zertifikate für künftige Zwecke behalten oder an andere Anlagen verkauft werden. Da die Anzahl der Zertifikate über die Zeit reduziert wird, wird sich der Zertifikatspreis erhöhen und damit immer weniger Anreize für die Verursachung der genannten THG-Emissionen bieten. Das Handelssystem deckt rund 40 Prozent der THG-Emissionen der EU ab. Bislang werden Anlagen nur ab einer bestimmten Größe einbezogen, im Luftfahrtsektor fallen nur Flüge zwischen Flughäfen des Westeuropäischen Wirtschaftsraums unter das EU-ETS.
Nach der Energiewirtschaft verursacht die Industrie die meisten CO2-Emissionen. Im Rahmen des KSPr 2030 gilt in Deutschland seit 2021 ein nationales Emissionshandelssystem, welches den europäischen Emissionshandel (EU-ETS - siehe Kasten) ergänzt. Unternehmen, die fossile Rohstoffe erzeugen, müssen für jede erzeugte Tonne CO2 ein Emissionszertifikat abgeben, können diese Preise aber direkt an die Verbraucher weitergeben. Für die Konsumenten werden fossile Energieerzeugnisse wie Heizöl, Gas, Benzin oder Diesel somit teurer. Die CO2-Bepreisung wirkt wie eine Verbrauchssteuer und erhöht entsprechend die Anschaffungskosten für private Haushalte, Staat und Unternehmen. Dadurch geht in der Regel die Nachfrage nach den entsprechenden Produkten und Dienstleistungen zurück, was sich dann auch negativ auf die damit verbundene Zahl an Erwerbstätigen auswirkt. Eindeutig sind die zu erwartenden Beschäftigteneffekte im Verarbeitenden Gewerbe aber nicht, da hier auch der Entwicklung von Schlüsseltechnologien und daraus ergebender Fertigungsmöglichkeiten eine Rolle spielen.
Deutlich wird diese Entwicklung am Beispiel der Produktion von Autos mit Verbrennermotor im Vergleich zu Elektroautos: So kommt die Boston Consulting Group zu dem Schluss, dass zwar für die Herstellung eines Motors mit Dieselantrieb drei Beschäftigte, für den Elektromotor hingegen nur einer benötigt wird, für den Bau eines kompletten Elektroautos sind es jedoch annähernd gleich viele Arbeitsstunden wie für ein Auto mit Verbrennermotor. Denn es fallen neue Arbeitsschritte rund um die Batterie, wie beispielsweise die Batteriezell- und Batteriemodulfertigung, das Batteriepackaging, die Leistungselektronik und Thermomanagement der Batterie an. Offen ist jedoch, wo die Batteriezellenfertigung stattfindet. So kann sie bei Automobilzulieferern im Inland aber auch Ausland erfolgen. Fällt sie im Ausland an, gehen Wertschöpfung und damit auch Arbeitsplätze im Inland verloren. Facharbeiter und Ingenieure, die auf Verbrennungsmotoren geschult sind müssen zudem auf andere Anforderungsprofile umgeschult werden.
Auch der Herstellung und dem Einsatz von Wasserstoff (siehe Kasten) wird eine hohe Bedeutung zugeschrieben. Insgesamt ist der Sektor – und auch die Entwicklung der Beschäftigung – somit stark von der Innovationskraft in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) abhängig.
Wasserstoff als Game-Changer?
In energieintensiven Branchen, wie der Kalk-, Zement-, Stahlherstellung oder Grundstoffchemie wird zukünftig auch Wasserstoff eine hohe Bedeutung erhalten, weil er ein vielfältig einsetzbarer Energieträger und ein wesentliches Element der Sektorkopplung ist. Er kann als „grüner Wasserstoff“, durch Wasserelektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. „Grauer Wasserstoff“ wird hingegen aus Erdgas erzeugt, wobei ebenfalls CO2 freigesetzt wird. Wird das CO2 nicht abgeschieden, sondern gespeichert, handelt es sich um „blauen Wasserstoff“. Die unterschiedlichen Herstellungsverfahren zeigen, dass auch die Forschungsleistungen und Infrastrukturen darüber entscheiden werden, wie und zu welchen Kosten Klimaneutralität erreicht werden kann. Denn wenn Deutschland zum Erreichen der Klimaziele grauen Wasserstoff importieren muss, wäre damit nur eine lokale Klimaneutralität erreicht, die jedoch keine positiven Auswirkungen auf das Klima insgesamt hätte („Carbon-Leakage“). Würden hingegen Elektrolyseure verstärkt in den voraussichtlich wachsenden Weltmarkt exportiert werden, könnten Arbeitsplätze im Maschinen- und Anlagenbau entstehen. Zudem könnte bei einer teilweise heimischen Produktion auch das Volumen der Öl- und Gasimporte verringert und damit Kosten gespart werden.
Arbeitsmarkteffekte insgesamt
Das KSP 2050 schreibt eine Folgenabschätzung von entsprechenden Handlungsentscheidungen vor. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) hat deshalb das Konsortium aus Öko-Institut, Fraunhofer ISI, Prognos, IREES, M-Five und FiBL beauftragt eine „Folgenabschätzung zu den ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgewirkungen der Sektorziele für 2030 des Klimaschutzplans 2050 der Bundesregierung“ zu erarbeiten. Der Forscherverbund stellte die Auswirkungen zweier Zielpfade dar, mit welchen die damals vorläufigen Sektorziele einer CO2-Reduktion von 55 Prozent bis 56 Prozent bis zum Jahr 2030 erreicht werden sollten. Ein Zielpfad A fokussierte auf die Energieeffizienz, ein Zielpfad B auf den Ausbau erneuerbarer Energien. In beiden Zielpfaden wurde ein positiver Arbeitskraftbedarf im Vergleich zu einem Szenario „business as usual“ erkannt. Wie die folgende Abbildung zeigt, wird zwar Beschäftigung in den Wirtschaftsbereichen, Kohle, Erdöl und Erdgas, Kraftwagen und sonstige Fahrzeuge sowie Gasversorgung abgebaut, jedoch entsteht ein weitaus höherer Bedarf an Arbeitskräften im sonstigen Verarbeitenden Gewerbe, in elektrischen Ausrüstungen, im Baugewerbe, in Verkehrsdienstleistungen und im Handel und sonstigen Dienstleistungen. In Bezug auf die THG-Emissionen kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass das Erreichen der Klimaschutzziele den Produktionsstandort Deutschland nicht gefährdet. Allerdings reichten die zum damaligen Zeitpunkt angedachten Maßnahmen auch nicht aus, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen.
In einer ersten Analyse zu den Beschäftigungseffekten des Klimaschutzpaketes modellierten Mönnig u.a. 2020 nur die Auswirkungen von elf der 65 Einzelmaßnahmen. Im Ergebnis zeigen sich im Projektionszeitlauf bis zum Jahr 2035 nur geringe positive Auswirkungen auf die Erwerbstätigkeit insgesamt im Vergleich zu einer Basisprojektion, in der keine Umsetzung der elf Klimaschutzpunkte berücksichtigt werden. Der Umschlag an Arbeitsplätzen ist jedoch höher. So gehen im Verarbeitenden Gewerbe aufgrund der CO2-Steuer Arbeitsplätze verloren, im Baugewerbe entsteht hingegen ein höherer Bedarf an Erwerbstätigen.
Auch eine neuere Studie, die von der Stiftung Klimaneutralität in Auftrag gegeben wurde und einen Pfad zur Erreichung des 65-Prozent-Ziels in 2030 modelliert, kommt zu dem Ergebnis, dass der Arbeitskräftebedarf aufgrund der notwendigen Investitionen zukünftig vermutlich steigen wird, insbesondere in den Bauberufen und in Verkehr und Logistik. Jürgen Blazejczak und Dietmar Edler schließen aufgrund dieser Ergebnisse in einer Analyse im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass zum Erreichen der Klimaneutralität ein erheblicher Fachkräftebedarf entsteht. Für rund 40 Prozent der zusätzlich benötigten Arbeitskräfte wurden hingegen bereits im Jahr 2019 Engpässe bei Fachkräften, Spezialisten oder Experten seitens der Bundesagentur für Arbeit festgestellt.
Der wirtschaftliche Nutzen
Die Langfristszenarien verdeutlichen, dass für die Erreichung der Klimaziele eine Reihe an Investitionen notwendig sind. So kommt die Boston Consulting Group und Prognos im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) im Jahr 2018 zu der Einschätzung, dass ca. 1,8 Prozent des Bruttoinlandproduktes pro Jahr investiert werden müssten, um im Jahr 2050 ein 95-Prozent-Ziel zu erreichen. Unter Berücksichtigung der einhergehenden Energieeinsparungen entstehen dadurch Mehrkosten von bis zu 30 Milliarden Euro pro Jahr. In 2019 und 2020 hat die Bundesregierung bereits 80 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt, die sich den Klimaschutzmaßnahmen zurechnen lassen. Mit dem „Klimaschutz-Sofortprogramm 2022“ werden weitere 8 Mrd. Euro bereitgestellt. Angesichts der bislang entstandenen enormen Kosten ist jedoch auch zu beachten, dass ein Nicht-Handeln weitaus teurer werden kann, da bei Nichterreichen der Klimaziele EU-rechtlich verbindliche Strafzahlungen drohen. Zudem könnte auch an Innovationskraft eingebüßt und damit Wirtschaftsleistung verloren gehen. Darüber hinaus sind auch aufgrund der ökologischen Folgen eines ungebremsten Klimawandels entstehende Kosten derzeitig nicht überschaubar. Unabhängig davon, ob das Erreichen der Klimaziele gelingt, wird die Beschäftigung für den Umweltschutz weiter an Bedeutung gewinnen.
Beschäftigte im Umweltschutz
Die nächsten Abbildungen zeigen die Entwicklung von Beschäftigten, die sowohl direkt mit Umweltschutzaufgaben betraut sind oder in den dafür notwendigen vorgelagerten Produktionsbereichen. D.h., dass hier nicht nur die Herstellung von Turbinen, Katalysatoren, Recyclinganlagen im Verarbeitenden Gewerbe berücksichtigt wird, sondern auch umweltorientierte Dienstleistungen, wie Energiemanagement oder Finanzierung von Umweltschutzprojekten (siehe Kasten). Im Jahr 2017 werden rund 2,8 Mio. Erwerbstätige (rund 6,4 Prozent aller Erwerbstägigen) hierzu gerechnet. Der Großteil (56 Prozent) ist in umweltorientierten Dienstleistungen tätig, rund 20 Prozent in der energetischen Gebäudesanierung, 11 Prozent in erneuerbaren Energien und 13 Prozent in der Nachfrage nach Umweltschutzgütern in den klassischen Bereichen. Der Kasten zu umweltorientierten Dienstleistungen gibt einen Überblick, über die entsprechenden Tätigkeitsbereiche und verdeutlicht die zunehmende Wichtigkeit von Umweltaspekten in Arbeitsplätzen unterschiedlichen Branchen.
Bildungssystem
Auch im Bildungssystem zeigt sich der Wandel. So wird mittlerweile eine Vielzahl an Studiengängen angeboten, die das Thema Nachhaltigkeit aufgreifen. Für alle Auszubildenden des dualen Systems ist zudem ab August 2021 eine gemeinsame Standardberufsbildposition zu "Umweltschutz und Nachhaltigkeit" verpflichtend. Dies bedeutet, dass in allen Ausbildungsberufen Aspekte von Umweltschutz und Nachhaltigkeit aufgegriffen werden sollen, sie Prüfungsgegenstand sind und deshalb auch eine entsprechende Kompetenzvermittlung in allen Ausbildungsbetrieben sichergestellt werden muss. Dies fordert nicht nur die Auszubildenden sich mit Umweltschutz und Nachhaltigkeit zu befassen, sondern auch die Ausbildungsbetriebe. Somit sind auch zukünftige Generationen in der Arbeitswelt gefordert, sich mit den Themen Klimawandel und Nachhaltigkeit bereits in ihrer Ausbildung zu befassen.
Umweltorientierte Dienstleistungen
Die umweltorientierten Dienstleistungen umfassen ein sehr breites Spektrum, lassen sich jedoch näherungsweise den folgenden Wirtschaftszweigen zuordnen:
Dienstleistungen in der Land- und Forstwirtschaft, darunter Direktvermarktung in der ökologischen Landwirtschaft, im Garten- und Landschaftsbau und in der Forstwirtschaft
Dienstleistungen im Produzierenden Gewerbe und im Baugewerbe, darunter interne Umweltschutzdienstleistungen wie Betrieb, Instandhaltung und Reparatur von Umweltschutzanlagen
Dienstleistungen im Handel, darunter Naturkost und Naturwarenhandel, Großhandel mit Altmaterial und Reststoffen, Reparatur, Leasing, Sharing
Dienstleistungen umweltverträglicher Verkehrsträger, darunter Beförderungsdienstleistungen von Bussen und Bahnen sowie Güterbeförderung auf Binnenschiffen und mit der Bahn
Dienstleistungen für Unternehmen, darunter umweltorientierte Datenbanken und Informationssysteme, umweltorientierte Rechts- und Wirtschaftsberatung, Architektur- und Ingenieurbüros, technische, physikalische und chemische Untersuchungen, Schornsteinfegerhandwerk
Dienstleistungen der öffentlichen Hand, z.B. Umweltgesetzgebung und -vollzug auf jeweils unterschiedlichen Ebenen der Gebietskörperschaften, Umweltberatung, Umweltplanung sowie Kontroll-, Prüf- und Messtätigkeiten
Dienstleistungen in Form von Umweltbildung/ -erziehung, darunter schulische und außerschulische Umweltbildung
Sonstige öffentliche und private Dienstleistungen, darunter Entsorgungsdienstleistungen und Dienstleistungen von Nicht-Regierungsorganisationen
Energie- und Gebäudemanagement, darunter umweltorientierte Dienstleistungen von Anbietern wie Stadtwerken oder Energieagenturen in Tätigkeitsbereichen wie Planung, Vertrieb, Finanzierung, Installation, Wartung und Betrieb energieeffizienter Anlagen oder Handel mit Öko-Strom
Neue Mobilitätsdienstleistungen, darunter Marketing, Forschung, Vermittlung, Information, Beratung und Beförderung rund um eine effizientere und umweltverträglichere Gestaltung des Verkehrs
Umweltorientierte Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, darunter Finanzierung von Umweltschutzprojekten oder Versicherung und Regulierung von Umweltschäden
Ökotourismus, darunter ökologische Beherbergungs- und Verpflegungsdienstleistungen
Dr. rer.soc Tobias Maier arbeitet in der Abteilung Berufsbildungsforschung und Berufsbildungsmonitoring, Arbeitsbereich Qualifikation, berufliche Integration und Erwerbstätigkeit des Bundesinstituts für Berufsbildung in Bonn.
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