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Angebot und Nachfrage: Entwicklungstrends des Arbeitskräfteangebotes bis 1990 | Arbeitsmarktpolitik | bpb.de

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Angebot und Nachfrage: Entwicklungstrends des Arbeitskräfteangebotes bis 1990

Frank Oschmiansky

/ 19 Minuten zu lesen

Das Zusammenspiel von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage auf dem Arbeitsmarkt verläuft nicht immer reibungslos. Das Problem verschärft sich umso mehr, je beschleunigter der Strukturwandel verläuft. Zunächst wird die Entwicklung bis 1990 dargestellt.

Urabstimmung der IG Metall zur 35-Stunden-Woche 1984. (© AP)

Arbeitsplätze erfordern oft andere Berufe und Qualifikationen als sie die Bewerber aufweisen. Unternehmen, die Arbeitskräfte suchen, sind häufig nicht dort ansässig, wo passende Bewerber wohnhaft sind. Dazu gesellt sich seit Mitte der siebziger Jahre das Problem, dass die Zahl der angebotenen Stellen und die Zahl der Arbeitsuchenden weit auseinanderliegen. Nicht zuletzt ist die Zahl der Arbeitsuchenden keine statische Größe. Im Gegenteil: Hier gab es in den letzten Jahrzehnten erhebliche Entwicklungen, beispielsweise durch Zuzüge von Ausländern oder dem stärkeren Eintritt von Frauen in das Erwerbsleben.

Arbeitskräfteangebot – Entwicklung bis 1990

Die Entwicklung des Arbeitskräfteangebotes in der alten Bundesrepublik bis zur Vereinigung zeigte einige generelle Trends:

  • Die Zahl der potentiell Erwerbstätigen (Bevölkerung zwischen 15 und 65 Jahren) war kontinuierlich steigend.

  • Die Zahl der Erwerbstätigen stieg aber nur bis Mitte der 1960er Jahre. Von Mitte der 1960er bis Mitte der 1980er Jahre betrug die Zahl der Erwerbstätigen mit wenigen Ausnahmen immer zwischen 26 und 27 Millionen Personen. Von 1986 bis zur Vereinigung zeigte sich dann eine konstant steigende Zahl an Erwerbstätigen, die 1989 in dem Nachkriegshoch von 27,76 Millionen Erwerbstätigen gipfelte.

  • Die Anteile an der Erwerbstätigkeit haben sich extrem verschoben. In den 1950er Jahren war jeder zweite Erwerbstätige Arbeiter. Der Anteil der Selbständigen (inklusive mithelfender Familienangehöriger) lag bei über einem Viertel, während nicht einmal jeder Fünfte ein Angestellter war. Ende der 1980er Jahre hatten die Angestellten mit knapp 42% den höchsten Anteil an der Erwerbstätigkeit. Der Anteil der Selbständigen (inklusive Mithelfender Familienangehöriger) war auf elf Prozent und der der Arbeiter auf unter 39 Prozent geschrumpft. Siehe hierzu den Artikel Selbständigkeit.

  • Noch deutlicher zeigt sich ein genereller Trend, wenn die Anteile der Erwerbstätigen nach Sektoren betrachtet werden. Der Anteil der im primären Sektor Beschäftigten sinkt von fast 25 Prozent im Jahr 1950 auf unter vier Prozent im Jahr 1989. Umgekehrt stieg der Anteil der im tertiären Sektor Beschäftigten von 32,5 Prozent im Jahr 1950 auf fast 60 Prozent im Jahr 1990 (siehe hierzu die Externer Link: Grafik „Erwerbstätige nach Sektoren“). Der Anteil der im sekundären Sektor Beschäftigten steigt bis in die sechziger Jahre und fällt seitdem stetig.

  • Kontinuierlich zugenommen hat die Erwerbsbeteiligung von Frauen, insbesondere von Frauen mit Kindern. Insgesamt stieg die Erwerbsquote der Frauen von 44,4 Prozent (1950) auf 56,4 Prozent (1989). Dagegen sanken die Erwerbsquoten der Männer im gleichen Zeitraum von 97,4 Prozent auf 82,2 Prozent. Zur Entwicklung der Erwerbsquote der Frauen siehe Externer Link: hier.

  • Deutlich zugenommen hat der Anteil der Ausländer an den Erwerbstätigen. Im Jahr 1957 lag der Anteil der ausländischen Erwerbstätigen an allen Erwerbstätigen bei gerade einmal 0,4 Prozent. Dieser stieg bis zum Höhepunkt im Jahr 1974 auf 11,2 Prozent an. Im Jahr 1989 betrug er noch 7,7 Prozent.

Auswirkungen des Mauerbaus auf das Arbeitskräfteangebot

Mit dem Einsetzen der Vollbeschäftigung gewannen sowohl DDR-Flüchtlinge als auch -Pendler eine wichtige Bedeutung für die Volkswirtschaft der Bundesrepublik. Das Versiegen des Flüchtlingsstromes infolge des Mauerbaus verschärfte die Situation nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Bei den 3,6 Millionen Deutschen, die bis dahin aus der DDR in die Bundesrepublik übergesiedelt waren, handelte es sich in den meisten Fällen um gut qualifizierte und regional sehr mobile Arbeitskräfte. Es wechselten überdurchschnittlich viele Ingenieure, Ärzte und andere hochqualifizierte Arbeitskräfte in die Bundesrepublik. Die Erwerbsquote der Zuwanderer bzw. Flüchtlinge lag deutlich über der Erwerbsquote der Bevölkerung im Bundesgebiet. Wissenschaftlichen Schätzungen zufolge lag der Wert des Humankapitals des Ost-West-Transfers weit höher als das Ausmaß der Marshallplanhilfe für den Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg.

Ausweitung des Arbeitskräfteangebotes durch die Anwerbung von ausländischen Arbeitskräften

Mit dem Übergang zur Vollbeschäftigung begann die Bundesrepublik, systematisch ausländische Arbeitskräfte anzuwerben. Bereits 1955 hatte es ein erstes Abwerbeabkommen mit Italien gegeben. Anfang der sechziger Jahre folgten weitere mit Spanien, Griechenland und der Türkei. In dem kurzen Zeitraum von 1958 zu 1966 verzehnfachte sich die Zahl ausländischer Erwerbstätiger von 127.000 auf 1,3 Millionen. Bei der Anwerbung von Ausländern spielte die Arbeitsverwaltung eine entscheidende Rolle, da die Anwerbung nur über ihre Außenstellen möglich war. Die Bundesanstalt für Arbeit hatte in den jeweiligen Anwerbeländern Vermittlungsstellen (Deutsche Kommissionen) eingerichtet. Siehe hierzu das Externer Link: bpb-Dossier Migration.

Eine grundsätzliche politische Auseinandersetzung um die Ausländerbeschäftigung fand in den frühen sechziger Jahren praktisch nicht statt, da die Alternativmaßnahmen zur Überwindung des Arbeitskräftemangels (Ausweitung der Frauenerwerbstätigkeit; Arbeitszeitverlängerung) als wenig realistisch eingeschätzt wurden. Zu diesem Zeitpunkt, also bereits vor dem Bau der Mauer, war die Grundentscheidung über die staatlich organisierte Massenanwerbung ausländischer Arbeiter bereits gefallen. Der Bau der Mauer führte dann allerdings noch zu einer Intensivierung der Anwerbung.

Von grundlegender Bedeutung war ferner die am 1. September 1961 in Kraft getretene Verordnung Nr.15 der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die ersten Maßnahmen zur Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft. Insbesondere Italiener nutzten die Möglichkeit der problemlosen Einreise in die Bundesrepublik.

Die Ausländermigration erreichte aber bei weitem nicht das Ausmaß der Zuwanderung durch Vertriebene und DDR-Flüchtlinge, faktisch stellte sie aber eine dritte Migrationswelle in die Bundesrepublik dar. Auf dem Arbeitsmarkt füllten die ausländischen Arbeitnehmer eine den Vertriebenen analoge Funktion aus: Sie besetzten Arbeitsplätze mit unterdurchschnittlichen Arbeitsbedingungen, und sie entsprachen den Anforderungen an nahezu absoluter Mobilität. Sie stellten zudem in der Regel die Arbeitskraft ihrer besten Jahre zur Verfügung. Sie leisteten nicht zuletzt einen großen Beitrag zur Sicherung der Finanzierung der deutschen Rentenversicherungsträger, da ihre Beiträge äquivalent zu denen der deutschen Arbeitnehmer waren, die Ausgaben für Renten an ausländische Arbeitnehmer jedoch gering waren. Allerdings konnten durch die ausländischen Arbeitnehmer nicht alle Spannungen auf dem Arbeitsmarkt beseitigt werden. Dies galt insbesondere für den Bedarf an Facharbeitern, da ausgebildete Fachkräfte auch in den Anwerbeländern nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung standen und ein beruflicher Aufstieg der ausländischen Arbeitnehmer zu Facharbeitern die Ausnahme war.

In dieser Phase beurteilten nahezu alle damit befassten Stellen die Ausländerbeschäftigung positiv. Den Unternehmen war durch die Ausländerrekrutierung die Möglichkeit gegeben worden, auf eine Ausweitung der Beschäftigung von Teilzeitkräften oder nicht voll leistungsfähigen Arbeitnehmern (Behinderte, Rehabilitanden) verzichten zu können. Zudem war die Beschaffung von Arbeitskräften für Anlerntätigkeiten einfacher geworden, und ein Lohndruck in den unteren Lohngruppen konnte vermieden werden. Auch die Gewerkschaften standen in dieser Phase der Ausländerbeschäftigung positiv gegenüber, waren doch dadurch die Voraussetzungen für die von ihnen angestrebten Arbeitszeitverkürzungen günstiger. Für die damalige Bundesregierung stand im Vordergrund, dass die Ausländerbeschäftigung weiteres Wirtschaftswachstum ermöglichte und durch die hohe Sparquote der Gastarbeiter die Konsumgüternachfrage gedämpft und die Preise stabilisiert wurden. Den deutschen Arbeitnehmern wurde durch die Beschäftigung von Ausländern auf wenig qualifizierten Arbeitsplätzen ein Aufstieg in qualifiziertere und bessere Positionen ermöglicht. Andererseits bestand die Gefahr, dass durch die Ausländerbeschäftigung an sich rationalisierungsbedürftige Arbeitsplätze konserviert würden.

Die Ausländerbeschäftigung verteilte sich in dieser Phase sowohl sektoral als auch regional sehr unterschiedlich. Im Einzelnen nahm die Ausländerbeschäftigung in Sektoren zu, die insgesamt einen Rückgang der Arbeitsnachfrage aufwiesen. Dieser führte zusätzlich zu einer freiwilligen Abwanderung von inländischen Arbeitskräften, so z.B. in der Landwirtschaft sowie im Steinkohlenbergbau. Ende September 1966 waren ein Drittel aller in der Bundesrepublik beschäftigten ausländischen Arbeitnehmer in der Eisen- und Metallerzeugung und -verarbeitung tätig, ein Viertel war im verarbeitenden Gewerbe beschäftigt und ein knappes Fünftel in der Baubranche. Insgesamt waren weit über 70 Prozent im sekundären Sektor beschäftigt. Der Anteil der Ausländer an den unselbständig Beschäftigten erhöhte sich bis Mitte der 1960er Jahre auf 6,2 Prozent. Dies war damals verglichen mit anderen westlichen Industriestaaten nicht ungewöhnlich hoch (Belgien: 6 Prozent, Frankreich 8 Prozent, Schweiz 26 Prozent). Die regionalen Schwerpunkte der Ausländerbeschäftigung waren Baden-Württemberg (10 Prozent aller unselbständig Beschäftigten), Hessen (7 Prozent), Südbayern (6,5 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (5,6 Prozent). Der Anteil der ausländischen Arbeitnehmerinnen an der gesamten Ausländerbeschäftigung war anfangs sehr gering; er stieg bis Mitte der sechziger Jahre zwar auf 25,3 Prozent an, lag damit aber immer noch deutlich unter dem Frauenanteil an der Gesamtzahl der in der Bundesrepublik beschäftigten Arbeitnehmer (34 Prozent).

In der ersten kleinen Rezessionsphase der Nachkriegszeit (1966/67) reduzierte sich die Ausländerbeschäftigung insbesondere durch Rückzüge in die Heimat um ca. 400.000 Personen. Damit hatte die Gastarbeiterbeschäftigung geradezu den Rang eines konjunkturellen Ausgleichsinstrumentes angenommen. Daher schien in der konjunkturellen Aufschwungphase eine erneute Aktivierung der Ausländerbeschäftigung unbedenklich.

Die Rekordzuwächse an ausländischen Arbeitnehmern in den Folgejahren führten aber auch dazu, dass seit Beginn der siebziger Jahre die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer nicht mehr nur als Wirtschafts- und Beschäftigungsproblem betrachtet wurde. Insbesondere die starke regionale Konzentration der Ausländer in den Ballungsgebieten schuf erhebliche soziale und infrastrukturelle Probleme, die allmählich ins Zentrum der öffentlichen Diskussion rückten.

Vom ausschließlich arbeitsmarktpolitischen Ansatz der Ausländerbeschäftigung wurde nunmehr zunehmend abgewichen. Den ersten Schritt zur Begrenzung der Zuwanderung hatte es bereits im November 1972 mit der Sperrung des so genannten „Zweiten Weges“ gegeben. Danach konnten ausländische Arbeitnehmer, die Staatsangehörige von Nicht-EG-Ländern waren und mit deren Herkunftsländern bilaterale Anwerbevereinbarungen bestanden, nur noch über die Auslandsdienststellen der Bundesagentur für Arbeit (BA) vermittelt werden. Dadurch war eine genaue Abstimmung der Zuwanderung mit vorliegenden Arbeitsangeboten möglich.

Mit dem Ausbruch der „Ölpreiskrise“ 1973 kam es zu einer politischen Kehrtwende und einem rigorosen „Anwerbestopp“. Auf Anweisung des Bundesministers für Arbeit (der genaue Wortlaut der Anweisung findet sich im bpb-Dossier Migration Interner Link: hier) mussten die Auslandsdienststellen der Bundesanstalt für Arbeit – außer in Italien – die Vermittlung ausländischer Arbeitnehmer einstellen. Auch galt fortan das „Inländerprimat“ für die Arbeitsvermittlung. Zu diesem Zeitpunkt waren rund 2,45 Millionen Ausländer sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Anders als 1966/67 kehrten nun aber nur wenige Ausländer in ihre Heimatländer zurück. Als sich die Arbeitsmarktsituation Ende 1974 immer mehr verschlechterte, wurde die Praxis für eine Beschäftigung von Ausländern weiter verschärft. Sie führte dazu, dass Ausländer in der Krise 1974/75 fast fünfmal so stark vom Arbeitsmarkt verdrängt wurden wie Inländer. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten ausländischen Arbeitnehmer sank von 1973 bis 1978 um knapp 600.000 (-25 Prozent).

Eine weitere Grenze des Abbaus der Ausländerbeschäftigung bestand in der Segmentierung des Arbeitsmarktes in einen In- und einen Ausländermarkt. Gerade aufgrund ihrer spezifischen Einsatzfelder und Einsetzbarkeit ließen sich die ausländischen Arbeitnehmer nicht einfach aus den Betrieben hinausdrängen, ohne dass es zu enormen Beschäftigungsengpässen kam.

In Folge der zweiten Ölkrise Anfang der achtziger Jahre wurde erneut versucht, das ausländische Arbeitsangebot zu beschränken. Durch finanzielle Anreize verschiedenster Art wurden rückkehrwillige arbeitslose und kurzarbeitende Ausländer unterstützt. 11.000 Arbeitslose und 2.000 Kurzarbeiter machten davon Gebrauch. Angesichts der 1983 fast 300.000 gemeldeten arbeitslosen Ausländer war der Erfolg der Maßnahme als nicht sehr groß anzusehen. Nicht zuletzt deshalb wurde diese Art der Arbeitsmarktpolitik nicht mehr weiter verfolgt.

Eine andere Migrationswelle wurde durch die politischen Umwälzungen in Osteuropa ausgelöst. Ende der achtziger Jahre stieg die Zahl der Aussiedler drastisch an, von 78.000 im Jahr 1987 auf 203.000 im Jahr 1988 und 377.000 im Jahr 1989. 1989 nahmen allein über 150.000 Personen an Deutschlehrgängen teil, was zu einer enormen Belastung der Arbeitsämter führte. Weiterführende Informationen zu diesem Thema finden Sie in diesem Artikel .

Verknappung des Arbeitskräfteangebotes durch Frühverrentung

Die Ausgliederung älterer Arbeitnehmer aus dem Arbeitsmarkt hatte bereits Anfang der siebziger Jahre infolge der Einführung der flexiblen Altersgrenze (63. Lebensjahr) und Vorruhestandsregelungen ein erhebliches Ausmaß angenommen. Allerdings lagen die Gründe hierfür im Bereich der Sozialpolitik und nicht im Bereich der Arbeitsmarktpolitik. Mit Beginn der Massenarbeitslosigkeit wurde die flexible Altersgrenze allerdings als arbeitsmarktpolitischer Hebel im Interesse der Vermeidung hoher Arbeitslosenzahlen auf dem Gesamtarbeitsmarkt eingesetzt.

Daher sank der Anteil der Älteren an der Arbeitslosigkeit, obwohl ihre Quote weiter deutlich über der Quote der Gesamtarbeitslosigkeit lag und die Wiedereingliederungschancen gering waren. Diese Entwicklung war auch Ausdruck einer personalpolitischen Instrumentierung der Regelungen in den Unternehmen, wo versucht wurde, in Zeiten ökonomischer Krisen bevorzugt ältere Arbeitnehmer aus dem Produktionsprozess auszugliedern. Der andere Aspekt dieser Entwicklung war der des Kostenträgers der Arbeitslosigkeit. Die Unterhaltszahlungen der Ausgegliederten wurden zunehmend von der Arbeitslosenversicherung auf die Rentenversicherung übertragen.

Arbeitsmarktpolitisch gezielt eingesetzt wurde die Verkürzung der Lebensarbeitszeit mit dem Vorruhestandsgesetz vom 13. April 1984. Danach bestand für Arbeitnehmer die Möglichkeit auf einzel- und tarifvertraglicher Basis, bereits mit Vollendung des 58. Lebensjahres in den Ruhestand zu treten. Bis zum Erreichen des Alters, ab dem die flexible Altersgrenze in Anspruch genommen werden konnte, erhielten die Vorruheständler ein Vorruhestandsgeld von mindestens 65 Prozent des vorherigen Bruttoentgelts. Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung waren weiterhin abzuführen. Die Kosten wurden von den Unternehmen getragen; diese erhielten jedoch bei Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes durch Arbeitslose oder Jugendliche von der Bundesanstalt für Arbeit (BA) einen Zuschuss von 35 Prozent.

Die Maßnahme wurde von rund 160.000 Personen in Anspruch genommen; rund 88.000 Anträge auf Zuschuss zum Vorruhestand waren bewilligt worden. Die Zahl der Anträge wies auf die Wiederbesetzung der freigewordenen Arbeitsplätze hin. Rund 70.000 wurden mit registrierten Arbeitslosen, der Rest mit Jugendlichen oder Auszubildenden besetzt. Damit blieb das Instrument weit hinter den Erwartungen der Bundesregierung zurück. Diese hatte mit einer Inanspruchnahme von 600.000 Personen kalkuliert.

Hauptgrund für die nicht den Erwartungen entsprechenden Inanspruchnahme war die Konkurrenz durch die 59er Regelung. Diese war für die Arbeitgeber interessanter, weil sie ihnen die alleinige Entscheidung darüber offenließ, wer ein Angebot zum Ausscheiden erhalten und zu welchem Zeitpunkt dies geschehen sollte. Bei der Vorruhestandsregelung bestand dagegen ein Anspruch seitens des Arbeitnehmers. Außerdem wurde in der Metallindustrie als dem weitaus größten Wirtschaftszweig eine nur wenig attraktive Vorruhestandsvereinbarung ohne ein Anspruchsrecht der Arbeitnehmer getroffen, und im öffentlichen Dienst wurde überhaupt keine Vorruhestandsregelung zwischen den Tarifparteien vereinbart. Ende Januar 1988 beschloss die Bundesregierung, das Gesetz zum Jahresende nicht zu verlängern. Von Arbeitgeberseite war seit Anbeginn auf eine für sie zu hohe Kostenbelastung durch diese Regelung hingewiesen worden, während die Gewerkschaften eine Verlängerung des Gesetzes unter verbesserten Bedingungen, u.a. einen höheren Zuschuss der BA, forderten.

Am 1. Januar 1989 trat mit dem Altersteilzeitgesetz eine Nachfolgeregelung zum Vorruhestandsgesetz in Kraft. Arbeitgeber, die ihren über 57-Jährigen eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die Hälfte (mindestens jedoch 18 Stunden) anboten und ihnen einen Zuschuss von 25 Prozent des Teilzeit-Nettolohnes zuzüglich entsprechender Rentenversicherungsbeiträge zahlten, erhielten diese zusätzlichen Kosten von der BA erstattet, wenn der durch die Altersteilzeitarbeit frei gewordene Arbeitsplatz durch einen Arbeitslosen neu besetzt wurde. Das Altersteilzeitgesetz stieß auf noch geringeres Interesse. Im Jahr 1989 gingen ganze 300 Anträge auf Zuschussleistungen bei den Arbeitsämtern ein.

Als weitere Maßnahme war ab 1. Januar 1986 der § 105c in das Arbeitsförderungsgesetz (AFG) eingefügt worden. Danach bestand für Arbeitnehmer, die nach Vollendung des 58. Lebensjahres arbeitslos waren, die Möglichkeit Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe auch dann zu beanspruchen, wenn sie nicht mehr bereit waren, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder an zumutbaren beruflichen Bildungsmaßnahmen teilzunehmen.

Mit der Inanspruchnahme der neuen „58er Regelung“ verbunden war die gleichzeitige Verpflichtung des Arbeitnehmers zum frühestmöglichen Zeitpunkt (also meist mit 60 Jahren) in Rente zu gehen. Dies galt selbst dann, wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld länger gegolten hätte und das Arbeitslosengeld höher wäre als die Rente. Die Bezieher von Leistungen nach § 105c fielen aus der Statistik der Arbeitslosen heraus, aber nicht aus der Statistik der Leistungsempfänger. Sie erhöhten damit den Anteil der Empfänger von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe an der Gesamtzahl der registrierten Arbeitslosen. 1988 und 1989 wurde dadurch die registrierte Arbeitslosigkeit um jeweils ca. 60.000 vermindert.

Verknappung des Arbeitskräfteangebotes durch Arbeitszeitverkürzung

DGB-Plakat zum Tag der Arbeit 1956 (© picture-alliance/akg)

Die Forderung nach einer Reduzierung der Arbeitszeit stand bereits in den fünfziger Jahren auf der Agenda der Gewerkschaften. 1953 hatte der DGB seine langfristig angelegte Kampagne für die Fünf-Tage-Woche mit täglich achtstündiger Arbeitszeit begonnen. 1956 folgte die Maikampagne des DGB unter der Parole „Samstags gehört Vati mir“. Im gleichen Jahr wurde in der Metallindustrie eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 48 auf 45 Stunden vereinbart, der 1960 ein Stufenplan zur schrittweisen Einführung der 40 Stunden Woche folgte, die schließlich 1967 eingeführt wurde.

Die Frage, wie viel Arbeitszeitverkürzung bei der herrschenden Arbeitskräfteknappheit vertretbar sei, wurde in den sechziger Jahren kontrovers diskutiert. Dabei darf nicht übersehen werden, dass die effektiven Arbeitszeiten deutlich über den tariflich vereinbarten lagen, was in erster Linie auf die hohen Überstundenzahlen in der Industrie zurückging. Die starke Verbreitung von Überstunden war eine der Begleiterscheinungen der Vollbeschäftigung und der tariflichen Arbeitszeitverkürzungen.

Die enormen Produktivitätssteigerungen und Wachstumsraten schufen einen ungewöhnlich großen Verteilungsspielraum für die Tarifparteien. Höhere Reallöhne und kürzere Arbeitszeiten waren gleichzeitig durchsetzbar. Dies erklärt, weshalb eine massive Arbeitszeitverkürzung möglich war, obgleich sie aus beschäftigungspolitischer Perspektive nicht nötig war. Nicht zuletzt ging es auch um die politische Wirkung der Arbeitszeitverkürzung, als Zeichen der Überlegenheit der marktwirtschaftlichen Ordnung gegenüber der „Systemkonkurrenz im Osten“.

Unter dem Druck der Arbeitsmarktkrise ab Mitte der siebziger Jahre wurde die tarifpolitische Durchsetzung von Arbeitszeitverkürzung schwieriger, wie nicht zuletzt die gewerkschaftlichen Niederlagen im Kampf um die 35-Stunden-Woche 1978/79 zeigten. In der Ablehnung gegen weitere Arbeitszeitverkürzungen stimmten die politischen Parteien und das Arbeitgeberlager in dieser Phase überein.

Gerade in der Phase anhaltend hoher Arbeitslosigkeit verlangsamte sich die Entwicklung der gesamten tariflichen Arbeitszeitverkürzung. Anfang der 1980er Jahre war die tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit in der Bundesrepublik zusammen mit Irland im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EG) am höchsten.

Den gewerkschaftlichen Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung stellten die Arbeitgeber Forderungen nach Arbeitszeitflexibilisierung entgegen. Die Arbeitgeber vertraten die Auffassung, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft würde unter Arbeitszeitverkürzungen leiden und qualifikatorische Engpässe auf dem Arbeitsmarkt verstärken. Die Bundesregierung stellte sich dabei deutlich auf die Seite der Arbeitgeber.

Als die IG-Metall im Dezember 1983 bei den Gesprächen über einen neuen Manteltarifvertrag in der Metallindustrie die 35-Stunden-Woche forderte, war dies der Beginn einer der härtesten Tarifauseinandersetzungen in der bundesdeutschen Geschichte, in deren Verlauf 57.500 Arbeitnehmer streikten, 155.000 direkt und 195.000 kalt ausgesperrt wurden. Die Auseinandersetzung endete durch einen von den Tarifparteien akzeptierten Schiedsspruch des früheren Gewerkschaftsvorsitzenden und SPD-Bundesministers Georg Leber. Der inhaltliche Kern dieses sog. „Leber-Kompromisses“ war eine Verbindung der Forderungen der Gewerkschaften nach Arbeitszeitverkürzung (Einstieg in die 38,5 Stunden Woche) und der Forderung der Arbeitgeber nach Arbeitszeitflexibilisierung. Diese Verbindung prägte spätere Tarifrunden. Im Unterschied zu 1984 einigten sich die Tarifvertragsparteien 1987 sowohl in der Metall- als auch in der Druckindustrie, ohne Streik und ohne Aussperrungen, die Arbeitszeit weiter von 38,5 auf 37 Stunden zu verkürzen.

In der Bilanz verringerte sich die tarifliche Wochenarbeitszeit (eines Arbeiters) von 44 Stunden im Jahr 1960 auf 40 Stunden im Jahr 1980 bis auf 38,3 Stunden 1989. Gleichzeitig stieg der durchschnittliche Jahresurlaub von 15,5 Tagen im Jahr 1960 auf 27 Tage 1980 und knapp 31 Tage im Jahr 1989.

Entwicklung der Frauenerwerbstätigkeit

Die nach dem Ende des 2. Weltkrieges zunehmende Frauenerwerbstätigkeit wurde als eine Reaktion auf die ökonomische Notlage eines Großteils der Bevölkerung und als eine Notwendigkeit zur Versorgung der Kriegswitwen und ihrer Kinder gedeutet. In Grenzen wurde sie auch als wünschenswerte Kompensation fehlender männlicher Arbeitskräfte begrüßt. Es wurde vermutet, dass bei einer Verbesserung der sozialen Lage die hohe weibliche Erwerbsbeteiligung wieder überwunden werden könne. Zu dieser Zeit wurden „Frauenaufgaben“ im Haushalt mit der Berufstätigkeit als unvereinbar angesehen. Entsprechend wurde im Verlauf der fünfziger Jahre versucht, Frauen systematisch aus bestimmten Berufsbereichen hinauszudrängen. So wurden z.B. aus der Zeit des Nationalsozialismus stammende Beschäftigungsverbote für Frauen in den Bauberufen und im Landverkehr wieder in Kraft gesetzt, bei verheirateten Beamtinnen wurde auf die „Zölibatsklausel“ zurückgegriffen, die eine Kündigung von Ehefrauen erlaubte, deren Ehemänner im öffentlichen Dienst beschäftigt waren.

Allerdings schwankten die Meinungen über Zweckmäßigkeit und Wert der Frauenarbeit, je nachdem ob Arbeitskräfteüberschuss oder Arbeitskräftemangel herrschte. Traditionsgebundene Ideen und ökonomische Interessen standen teilweise im Konflikt.

Die Verknappung der Arbeitskräftereserven zu Beginn der 1960er Jahre löste eine verstärkte Mobilisierung von Frauen aus. Da jedoch die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit gesellschaftspolitisch nach wie vor angezweifelt wurde, waren die Rekrutierungspotentiale von vornherein erheblich eingeschränkt. Die berufstätige Mutter entsprach nicht dem Idealbild, das sich insbesondere die konservativen Kräfte in der BRD von der Rolle der Frau machten. Die Frauen sollten vor der Geburt des ersten Kindes und nach der Zeit der Erziehung erwerbstätig sein (sog. „Drei-Phasen-Modell“). Die Erwerbsquoten dieser beiden Gruppen waren aber in den fünfziger Jahren bereits hoch.

Die Ausweitung der Teilzeitarbeit erschien als gelungener Kompromiss zwischen Familienpolitik und Arbeitsmarkterfordernissen und wurde in dieser Zeit von der Bundesanstalt für Arbeit offensiv propagiert. Aber trotz dieser Bemühungen nahm die Erwerbstätigkeit von Frauen in den 1960er Jahren insgesamt sogar ab. Die günstige Konjunkturentwicklung und die steigenden Löhne hatten auch dazu geführt, dass ein Haushaltseinkommen in der Regel die ökonomische Existenz bereits sicherte. Da Frauen in der Mehrzahl an wenig qualifizierten Arbeitsplätzen und zu geringeren Löhnen ihr Geld verdienen mussten, reduzierten sie insgesamt in der Phase der Hochkonjunktur die Lohnarbeit.


Erst Anfang der siebziger Jahre stieg sowohl die Erwerbsquote als auch die absolute Zahl der erwerbstätigen Frauen. Im Trend setzte sich dies trotz der Konjunktureinbrüche bis 1989 fort. Im Vergleich zu den siebziger Jahren beschleunigte er sich sogar. Allerdings fielen die Zuwächse im internationalen Vergleich eher gering aus, so dass die Frauenerwerbsquote in der Bundesrepublik immer deutlicher hinter anderen Industrieländern zurückfiel. Dies lag nicht zuletzt daran, dass arbeitsmarkt- und sozialpolitisch versucht wurde, die hohe Arbeitslosigkeit mit einer Verringerung der Erwerbstätigkeit von Frauen zu bekämpfen. Als Anreize für die Nichterwerbstätigkeit dienten die Anerkennung von Erziehungs- und Pflegezeiten bei der Rente sowie die Einführung des Bundeserziehungsgeldes. Die Ausgrenzung von Erziehenden aus dem Arbeitsmarkt war jedoch vor allem auf die unzureichende Versorgung mit Einrichtungen zur Kinderbetreuung zurückzuführen. Der Versorgungsgrad mit Kinderkrippenplätzen lag 1986 bei lediglich zwei Prozent; für weitere ein bis zwei Prozent der Kinder standen Tagespflegestellen zur Verfügung. Weiterführende Informationen hierzu im Interner Link: bpb-Dossier Familienpolitik.

Die großen Nachfrageschocks: Erste und zweite Ölpreiskrise

Wirtschaftspolitisch waren die 1970er Jahre geprägt von zwei Ölpreiskrisen. Die erste Ölpreiskrise wurde im Herbst 1973 anlässlich des Jom-Kippur-Krieges (6. bis 26. Oktober 1973) ausgelöst. Die Organisation der arabischen Erdölexportierenden Staaten (OAPEC) drosselte bewusst die Fördermengen, um die westlichen Länder bezüglich ihrer Unterstützung Israels unter Druck zu setzen. Nach einem Rückgang der Ölpreise fanden während der zweiten Ölpreiskrise 1979/1980 wieder kurzzeitige Preissteigerungen statt. Ausgelöst wurde sie insbesondere durch Förderungsausfälle und Verunsicherung nach der Islamischen Revolution im Iran und dem folgenden Angriff des Iraks auf den Iran (Erster Golfkrieg).

Die drastische Ölpreiserhöhung verstärkte in der BRD Ende 1973 den Konflikt zwischen Geldwertstabilität und Beschäftigung. Die Preiserhöhung wurde zum Auslöser der bis dahin längsten und tiefsten weltwirtschaftlichen Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Für die im hohen Maße außenwirtschaftlich orientierte Bundesrepublik blieb dies nicht ohne Rückwirkungen. Allerdings sind Erklärungsversuche, die sich verschlechternde Beschäftigungslage allein auf die weltwirtschaftliche Krise und deren Ausstrahlung auf die Bundesrepublik zurückzuführen, wenig plausibel. Der Anteil der Warenausfuhr am Bruttoinlandsprodukt stieg 1974 sogar auf die damalige Rekordmarke von 26,4 Prozent. Wie im Jahr 1967 war es auch 1974 gelungen, einen Teil des binnenwirtschaftlichen Beschäftigungsproblems über den Außenhandel zu lösen. Dieser „Export von Arbeitslosigkeit“ kaschierte jedoch teilweise den massiven Strukturwandel und verschob die Lösung anstehender Anpassungsprobleme in die Zukunft. Zwar schrumpfte in Folge der weltweiten Rezession das Bruttosozialprodukt in der Bundesrepublik im Jahr 1975 um real 1,6 Prozent und die Zahl der Arbeitslosen überschritt die Millionenmarke. Im internationalen Vergleich ging die Bundesrepublik aber relativ unbeschädigt aus der Krise hervor. 1976 wurde bereits wieder ein Wirtschaftswachstum von über fünf Prozent erreicht. Der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt kreierte den Begriff „Modell Deutschland“. Gemeint war damit, dass die Bundesrepublik besser als die meisten anderen Länder die Wirtschaftskrise gemeistert hatte.

Auch der Arbeitsmarkt erholte sich. Die Zunahme der Erwerbstätigkeit von 1976 bis 1980 lag weit über eine Million. Allerdings nahm die Arbeitslosigkeit nicht im gleichen Umfang ab, was nicht zuletzt am steigenden Arbeitsangebot lag. Im internationalen Vergleich stand Deutschland aber auch hier vergleichsweise gut dar.

Bevor die Wirtschaft sich auch nur annähernd von den Wirkungen des Ölpreisschocks 1973 erholt hatte, wurde sie 1979/80 durch die zweite Ölpreiserhöhung erschüttert, die durch eine restriktive (prozyklische) Geldpolitik der Deutschen Bundesbank noch verschärft wurde. Trotz des Gewinns der Bundestagswahl durch die sozialliberale Koalition im Herbst 1980 kam es zu einem Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik. Schrittweise erfolgte ein Übergang zu einer Kombination von Angebots- und Konsolidierungspolitik.

Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik führte dazu, dass die Nettorealgewinne von 1982 bis 1989 um 96 Prozent stiegen. Die 1983 einsetzende, ungewöhnlich lange Aufschwungphase wurde durch den hohen Dollarkurs, der zum Exporterfolg wesentlich beitrug, und durch den Verfall der Öl- und weiterer Rohstoffpreise begünstigt. Der wirtschaftliche Aufschwung verlief aber auch in den achtziger Jahren keineswegs homogen. Vielmehr verstärkten sich Ungleichgewichte, vorwiegend auf dem Arbeitsmarkt, aber auch zwischen Wirtschaftszweigen und Regionen. Innerhalb des industriellen Sektors waren die Strukturkrisen der „alten Industrien“ wie Steinkohlenbergbau, Stahlindustrie oder Werften, die durch die Internationale Konkurrenz oder durch den Verdrängungsprozess von Substitutionsprodukten (Atomkraft, Kunststoff) ausgelöst worden waren, von besonderem Gewicht. Die krisenbedingten Verluste an Arbeitsplätzen konnten auch durch das Wachstum in den „modernen“ Industrien wie der Elektronik nicht ausgeglichen werden. Die Industrie sah sich insgesamt einer stagnierenden Nachfrage gegenüber, während ihre Produktivität nicht zuletzt aufgrund des durch die Anwendung der Mikroelektronik verursachten Rationalisierungsschubs nach wie vor beachtlich wuchs. Die sektorale Strukturveränderung verstärkte die regionalen Unterschiede. Industrieregionen in Nordrhein-Westfalen, das Saarland und die Küstenregionen hatten die stärksten Umstrukturierungslasten zu tragen. Daneben musste in ländlichen Regionen der fortschreitende Beschäftigungsrückgang in der Landwirtschaft verkraftet werden. Regional unterschiedliche Arbeitslosenquoten, aber auch Finanzprobleme auf Grund verminderter Steuereinnahmen und notwendiger höherer Infrastrukturinvestitionen führten zu einem immer größeren Entwicklungsgefälle zwischen Nord und Süd.

Der Nachfragerückgang nach ungelernten Arbeitskräften setzte sich fort. Dagegen stieg die Nachfrage nach Facharbeitern und Akademikern. 1987 übertraf die Zahl der Angestellten erstmals die Zahl der Arbeiter. Gerade (aber nicht nur) in den prosperierenden Regionen klagten die Arbeitgeber zunehmend über Fachkräftemangel. Analysen zur strukturellen Arbeitslosigkeit zeigten zwar, dass von einer globalen Qualifikationslücke nicht die Rede sein konnte. Dennoch behinderte die geringe regionale Mobilität, wozu der staatlich stark geförderte Eigenheimbau und der „Ausländerstopp“ einen nicht unwesentlichen Beitrag geleistet hatten, die Chance eines regionalen Arbeitsmarktausgleichs. In einigen florierenden Wirtschaftsräumen wurden Arbeitskräfte gesucht, die anderswo arbeitslos waren.

Quellen / Literatur

Engelen-Kefer, Ursula / Kühl, Jürgen / Peschel, Peter / Ullmann, Hans (1995): Beschäftigungspolitik. 3. Aufl., Köln.

Franke, Heinrich (1987): Arbeit für alle: Wege aus der Krise in die Zukunft der Arbeitslandschaft. Unter Mitarbeit von Franz Prast; Herford.

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Fussnoten

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Weitere Inhalte

Frank Oschmiansky ist Diplom Politologe und Partner in der Partnerschaftsgesellschaft ZEP – Zentrum für Evaluation und Politikberatung. Seine Forschungsschwerpunkte sind Implementation und Evaluation der Arbeitsmarktpolitik; Geschichte der Arbeitsmarktpolitik; atypische Beschäftigungen; Entwicklung der Sozialpolitik und Übergangssystem Schule-Beruf.