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Das Ziel- und Wirkungssystem der Arbeitsmarktpolitik | Arbeitsmarktpolitik | bpb.de

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Das Ziel- und Wirkungssystem der Arbeitsmarktpolitik

Frank Oschmiansky

/ 8 Minuten zu lesen

Arbeitsmarktpolitik will Angebot und Nachfrage auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt ausgleichen. Das Ziel- und Wirkungssystem ist jedoch hoch komplex.

Hinweistafel mit Berufen in einem Hamburger Arbeitsamt. (© AP)

Betrachten wir den § 1 des Sozialgesetzesbuches III (Arbeitsförderung), der die Ziele der Arbeitsförderung definiert, so sollen die Leistungen der Arbeitsförderung dazu beitragen, dass ein hoher Beschäftigungsstand erreicht und die Beschäftigungsstruktur ständig verbessert wird. Die Leistungen der Arbeitsförderung sind insbesondere darauf auszurichten, das Entstehen von Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verkürzen. Dabei ist die Gleichstellung von Frauen und Männern als durchgängiges Prinzip zu verfolgen. Mit den so genannten Hartz-Gesetzen ist durch die Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe mit dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) ein weiteres Sozialgesetzbuch entstanden, das wichtige Zieldimensionen der Arbeitsmarktpolitik formuliert. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll es Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht. Sie soll die Eigenverantwortung stärken und bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbsfähigkeit unterstützen und den Lebensunterhalt sichern. Auch im SGB II ist die Gleichstellung von Männern und Frauen als durchgängiges Prinzip zu verfolgen (§ 1 SGB II). Die Grundsicherung für Arbeitsuchende kombiniert arbeitsmarktpolitische und sozialpolitische Aspekte. Als Sozialhilfesystem ist das SGB II vor allem dem Prinzip der Bedarfsgerechtigkeit verpflichtet, wonach für jede Person im Notfall gewährleistet sein muss, dass ihre Grundbedürfnisse gesichert werden. Als Sondersystem für Erwerbsfähige will das SGB II mit den Förderleistungen zugleich das Prinzip der Chancengerechtigkeit realisieren.

Arbeitsmarktpolitik wird üblicherweise definiert als die Gesamtheit der Maßnahmen, die das unmittelbare Ziel haben, die Funktionsweise von Arbeitsmärkten zugunsten von mehr Beschäftigung und besseren Beschäftigungsbedingungen zu beeinflussen. Die beiden zentralen Nebenziele sind die Vermeidung hoher Arbeitslosigkeit und offener Stellen. Treten beide Ereignisse gleichzeitig auf, ist dies ein Zeichen großer Ungleichgewichte, die vor allem die übergeordneten Ziele soziale Sicherheit und hohe Produktivität beeinträchtigen. Andauernd hohe Arbeitslosigkeit bei einer geringen Zahl offener Stellen, oft unscharf als strukturelle Arbeitslosigkeit oder als Massenarbeitslosigkeit bezeichnet, verletzt vor allem das Partizipations- und Integrationsziel, da sie einer substantiellen Minderheit der Gesellschaft die aktive Teilnahme am Erwerbsleben verwehrt. Dies kann bei geringer sozialer Absicherung und bei langer Dauer zur sozialen Ausgrenzung führen, denn die Teilhabe am Erwerbsleben dient nicht nur der Erzielung von Einkommen und materieller Wohlfahrt, sondern auch der Einbettung in Prozesse der sozialen Kommunikation und politischen Artikulation. Eine andauernd hohe Zahl offener Stellen bei niedriger Arbeitslosigkeit würde bedeuten, dass die Unternehmen ihren Arbeitskräftebedarf nachhaltig nicht befriedigen können, was nicht nur zu Einbußen in der volkswirtschaftlich möglichen Wertschöpfung (Wachstum) führt, sondern auch das Stabilitätsziel gefährdet. Es käme zu einer Lohn-Preis-Spirale, die langfristig auch das Beschäftigungsniveau tangieren, zu Verteilungsungerechtigkeiten führen und schließlich auch die Arbeitslosigkeit erhöhen würde.

Das Ziel- und Wirksystem der Arbeitsmarktpolitik. Quelle: Schmid, Wiebe, Oschmiansky(2005): Arbeitsmarktpolitik und Arbeitslosenversicherung 1949-1957. In: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945. Hrsg.: Bundesministerium für Arbeit und Soziales und Bundesarchiv. Band 3: Bewältigung der Kriegsfolgen, Rückkehr zur sozialpolitischen Normalität. Bandherausgeber: Prof. Dr. Günther Schulz. S. 271. (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de

Da die Zusammenführung von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage mit Zeit und Transaktionskosten verbunden ist, wird ein gewisses Maß an Arbeitslosigkeit immer vorhanden sein. Das Ziel, diese „friktionelle Arbeitslosigkeit“ in Grenzen zu halten, ist die klassische Aufgabe der Arbeitsmarktpolitik in Form des Arbeitsmarktausgleichs. Zentrale Instrumente dafür sind die Arbeits- und Berufsberatung sowie die Arbeitsvermittlung.

Darüber hinaus kann die Nachfrage nach Arbeit aus konjunkturellen Gründen stocken, das Arbeitsangebot kann aus demografischen Gründen stark schwanken oder Migrationsbewegungen können Angebotsschocks auslösen. Deshalb kann es zeitweise zu höheren Ausschlägen an Arbeitslosigkeit kommen, so dass das Ziel eines stetigen Einkommensstroms (und damit ökonomische und soziale Sicherheit) gefährdet ist. Dieses Risiko soll insbesondere die Arbeitslosenversicherung abdecken.

Ein spezifisches Problem der Arbeitsmärkte ist die unauflösbare Gebundenheit der Arbeitsleistung an die Person ihres Trägers. Dies hat zwei Konsequenzen: Erstens muss die Freiheit der Arbeitsvertragsgestaltung bewahrt bleiben, die ihrerseits eines Rechtsschutzes entsprechender Vereinbarungen bedarf. Darüber hinaus muss die Vertragsfreiheit in die Schranken elementarer Menschenrechte (Persönlichkeitsschutz, Gesundheitsschutz) verwiesen werden und sich an den kulturell üblichen Standards menschenwürdiger Lebensführung (zum Beispiel ein landesübliches Mindesteinkommen bzw. ein Mindestlohn) orientieren. Die Gewährleistung dieser Ziele von Freiheit und Rechtsschutz sind allerdings nur im weiteren Sinne Aufgaben der Arbeitsmarktpolitik.

Das Aufgabenspektrum im engeren Sinne ergibt sich, wenn das Augenmerk auf die zweite Konsequenz der unauflöslichen Gebundenheit der Arbeitsleistung an Persönlichkeiten gerichtet wird. Anlagen, Begabungen und Leistungsfähigkeit der Menschen sind unterschiedlich. Dazu kommen zufällige Einflüsse, die entweder zu glücklichen oder unglücklichen Umständen führen und so die Arbeitsmarktchancen ohne das Zutun der Einzelnen beeinflussen. Deshalb liegt es nahe, in einer mehr oder weniger ambitionierten Weise eine ausgleichende Rolle zwischen den unterschiedlichen Beschäftigungsfähigkeiten zu spielen (z. B. Ausgleich von Qualifikationsdefiziten durch Weiterbildung), Chancengleichheit herzustellen (z. B. die Wiedereingliederung von Frauen oder Männern nach einer längeren Familienphase zu fördern) oder auf die Faktoren Einfluss zu nehmen, welche die Beschäftigungsfähigkeit beeinträchtigen (z.B. Ausgleich von Lohnstarrheiten durch Lohnsubventionen oder gerechte Gestaltung von Arbeitsplätzen für Behinderte).

Eine Parallele zum Ziel, die Beschäftigungsfähigkeit zu beeinflussen, kann auch das Ziel sein, auf die Bereitschaft der Unternehmen einzuwirken, Arbeitskräfte nachzufragen. Ein zentraler Hebel dazu ist die Arbeitsmarktregulierung, d.h. die Veränderung der Spielregeln der Arbeitsverträge. Diese kann sich auf Einstellungen beziehen, etwa in Form von Vorschriften über Bevorzugung oder Benachteiligung bestimmter Personengruppen (Diskriminierung), auf die Terminierung von Verträgen (Befristungsregeln), auf die Auflösung von Arbeitsverträgen (Kündigungsschutz, Sozialpläne), auf einschränkende oder ausweitende Regelungen zur Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit), auf das gesetzliche Einziehen einer Lohnuntergrenze (Mindestlohn), auf Höchst- oder Mindestarbeitszeiten und auf die Lage der Arbeitszeiten (z.B. Verbot von Nachtarbeit). Solche Regelungen können auch den Arbeitsmarktausgleich tangieren, etwa durch Gebote der Meldung offener Stellen oder Verbote von Stellenausschreibungen, die nach Geschlecht, Alter oder ethnischer Herkunft differenzieren. Aber auch die Arbeitsmarktpolitik kann direkt auf die Einstellungsbereitschaft zielen, vor allem durch Lohnkostenzuschüsse an private oder öffentliche Unternehmen, um bestimmte Personengruppen (z.B. Langzeitarbeitslose) zu fördern oder zusätzliche Einstellungen zu stimulieren.

Maßnahmen, die auf die Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit oder auf die Erhöhung der Einstellungsbereitschaft zielen, werden als „aktive Arbeitsmarktpolitik“ bezeichnet. Darunter fallen Maßnahmen der direkten Arbeitsförderung wie berufliche Weiterbildung, die früheren Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Maßnahmen zur Förderung von Teilhabe am Arbeitsmarkt, Lohnsubventionen oder Lohnkostensubventionen zur Wiedereingliederung von Arbeitslosen oder zum Erhalt von Arbeitsplätzen (wie Kurzarbeit). Das Spektrum dieser „aktiven“ – in den Sozialgesetzbüchern II und III normierten - Maßnahmen ist vielfältigen und dauerhaften Veränderungen unterworfen (siehe hierzu das Kapitel Interner Link: Förderung in diesem Dossier).

Dahingegen hat sich für die Zahlung von bloßen Lohnersatzleistungen an Arbeitslose, zum Teil auch für die zeitweise stark genutzten Maßnahmen zur Frühverrentung, der Begriff „passive Arbeitsmarktpolitik“ eingebürgert. Allerdings ist die Zahlung von Arbeitslosengeld nicht in jedem Fall „passiv“, sondern kann höchst „aktivierende“ Wirkungen haben. Ein gesichertes Einkommen kann bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz Nöte und Ängste beseitigen, und damit auch die Erpressbarkeit verhindern, jedes x-beliebige Arbeitsangebot anzunehmen. Das kann die Sucheffizienz steigern, d.h. erneute Arbeitslosigkeit wegen mangelnder Passfähigkeit (Fluktuationsarbeitslosigkeit) senken und damit auch die volkswirtschaftliche Effizienz steigern. Darüber hinaus stabilisieren Lohnersatzleistungen die Kaufkraft und damit makroökonomisch die effektive Nachfrage.

Im Wirkungsgefüge des Arbeitsmarkts ist schließlich zu berücksichtigen, dass Niveau und Struktur der Beschäftigung nicht nur von der Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik und der Arbeitslosenversicherung abhängig sind, sondern auch (wenn nicht überwiegend) vom technischen Wandel, dem Außenhandel und von wirtschaftspolitischen Eingriffen. Maßnahmen, die auf die Beeinflussung des Beschäftigungsniveaus zielen, werden unter dem Begriff Beschäftigungspolitik zusammengefasst. Dabei handelt es sich um die Lohnpolitik, Fiskalpolitik und Geldpolitik sowie um deren Koordination.

Die Arbeitsmarktpolitik und die Arbeitslosenversicherung stehen mit der Beschäftigungspolitik in einem Austauschverhältnis. Daher muss insbesondere die Schnittstelle zwischen Lohnpolitik und Arbeitsmarktpolitik betrachtet werden, weil bei ungenügender Abstimmung Zielkonflikte oder Unverträglichkeiten zwischen beiden auftreten können. Wie bei der Beschäftigungspolitik sind auch die Wirkungen der Arbeitsmarktpolitik auf die Arbeitslosigkeit umstritten.

Aktive Arbeitsmarktpolitik kann zunächst den Wettbewerb auf der Arbeitsangebotsseite erhöhen: Wenn die Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitslosen durch Qualifizierung verbessert wird, werden die noch Beschäftigten ihre Lohnforderungen dämpfen, so dass die Nachfrage nach Arbeitskräften steigt. Dieser Effekt kann jedoch dadurch zunichte gemacht werden, dass die Beschäftigten und potentiellen Arbeitslosen sich auf eine solche Unterstützung verlassen und selbst keine oder unzureichende Vorsorge treffen, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden (sog. „moral hazard“). Mit den sinkenden Risiken der Arbeitslosigkeit kann also der Zustrom an Arbeitslosigkeit steigen. Außerdem wird während der Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen die Suche nach Arbeit eingestellt oder vernachlässigt, so dass sich der Übergang in reguläre Beschäftigung verzögert. Auch die Betriebe können durch generöse Arbeitslosengelder in die „moralische Versuchung“ (moral hazard) geraten, sorgloser und schneller zu entlassen und so die Folgekosten von Arbeitslosigkeit auf die Gemeinschaft abzuwälzen.

Diese negativen Effekte können aber dadurch kontrolliert werden, dass die Zahlung von Arbeitslosengeld z.B. von der Bereitschaft abhängig gemacht wird, an sinnvollen Arbeitsfördermaßnahmen teilzunehmen, und dass während der Maßnahmen schon alle erdenklichen Schritte unternommen werden, einen neuen Arbeitsplatz zu suchen, beispielsweise durch wirtschaftsnahe Qualifizierung oder durch Praktika an potentiellen Arbeitsorten. Es gibt auch Möglichkeiten, die Versuchung der Betriebe in Grenzen zu halten, das System auszunutzen, beispielsweise dadurch, dass die Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung von der Kündigungshäufigkeit abhängig gemacht wird (sog. „experience rating“).

Aktive Arbeitsmarktpolitik kann auch den Arbeitsmarktausgleich („matching“) beschleunigen. Wenn es gelingt, durch Verbesserung von Information und Wissen den Arbeitsmarkt transparenter zu machen, dann sind die Unternehmer nicht mehr gezwungen, durch hohe Lohnangebote attraktive Arbeitskräfte anzuziehen; sie werden dann mehr freie Stellen melden als ohne Markttransparenz, auch deswegen, weil die Besetzung der Stellen schneller und billiger erfolgt.

Arbeitsmarktpolitik erhöht durch Verbesserungen der Qualifikation auch die Leistungsfähigkeit der Arbeitslosen (oder die Produktivität der von Arbeitslosigkeit bedrohten Beschäftigten). Die Vermittlung von Zusatzqualifikationen oder neuen Kompetenzen an Arbeitslose vermindert die Kosten jeder zusätzlich eingestellten Arbeitskraft („Grenzkosten“) und erhöht so die Nachfrage nach Arbeit. Ein Beschäftigungseffekt wird allerdings nur dann erzielt, wenn die Produktnachfrage preiselastisch ist. Bei Massenkonsumgütern können aber Sättigungsgrenzen erreicht werden, so dass die Wirksamkeit der Arbeitsmarktpolitik bei sektoraler Inflexibilität sinken kann. Muss die Wirtschaft mit Billiglohnländern konkurrieren, lohnen sich Qualifizierungsoffensiven daher vor allem in den weitgehend vor dem internationalen Handel geschützten Sektoren wie Bildung, Gesundheit, Umwelt und örtlichem Handwerk sowie in den Sektoren des neuen Massenkonsums (aus heutiger Sicht also im Medien- und Kommunikationsbereich oder im Tourismus). Sind Qualifikationsbedarfe zukunftsträchtiger Technologien bekannt, lohnt sich auch die präventive Förderung entsprechender Humankapitalinvestitionen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

Arbeitsmarktpolitik kann aber auch wegen Politik- und Implementationsversagen schädlich oder bestenfalls wirkungslos sein. Programme können zum einen einfach mitgenommen werden, z.B. wenn Betriebe über Lohnsubventionen Einstellungen vornehmen, die sie ohnehin getätigt hätten (Mitnahmeeffekte). Programme können auch andere beschäftigungswirksame Produktionen oder Dienstleistungen einfach substituieren, so wenn subventionierte Existenzgründungen durch Arbeitslose Selbständige auf dem freien Markt ersetzen (Substitutionseffekte). Das Schicksal der Substitution kann auch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder andere Maßnahmen öffentlich geförderter Beschäftigung treffen, wenn etwa Kommunen ihre Pflichtaufgaben mit Teilnehmern in solchen Programmen erledigen und somit die regulär Beschäftigten ersetzen. Und schließlich können geförderte Arbeitslose nicht geförderte Arbeitslose auskonkurrieren, subventionierte geringfügig Beschäftigte können reguläre Niedriglöhner aus dem Markt drängen oder mit Lohnsubventionen gestützte Getreideproduktion kann nicht subventionierte Kartoffelproduktion vom Markt verdrängen (Verdrängungseffekte). Im Endeffekt können also die Wirkungen durch Effekte der Mitnahme, Verdrängung und Substitution gleich null sein, schlimmer noch, infolge der erhöhten Lohnnebenkosten durch Beitragszahlungen in das Arbeitsmarktbudget sind sogar negative Beschäftigungseffekte denkbar.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Wirksamkeit der Arbeitsmarktpolitik und der Arbeitslosenversicherung stark von den Umständen abhängt und eine effektive Implementation voraussetzt.

Quellen / Literatur

Bäcker, Gerhard / Bosch, Gerhard / Weinkopf, Claudia (2011): Vorschläge zur künftigen Arbeitsmarktpolitik: integrativ – investiv – innovativ. Gutachten für das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie; Duisburg.

Franz, W. (2013): Arbeitsmarktökonomik. 8. Auflage. Berlin, Heidelberg.

Kromphardt, Jürgen (1992): Plädoyer gegen die Reduzierung von Beschäftigungspolitik auf Arbeitsmarktpolitik. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 3; S. 221-231.

Lampert, Heinz / Engelberger, Josef / Schüle, Ulrich: Ordnungs- und prozeßpolitische Probleme der Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin 1991

Schmid, Günther / Bruche, Gert / Reissert, Bernd: Arbeitslosenversicherung und aktive Arbeitsmarktpolitik. Finanzierungssysteme im internationalen Vergleich. Berlin 1987

Fussnoten

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Weitere Inhalte

Frank Oschmiansky ist Diplom Politologe und Partner in der Partnerschaftsgesellschaft ZEP – Zentrum für Evaluation und Politikberatung. Seine Forschungsschwerpunkte sind Implementation und Evaluation der Arbeitsmarktpolitik; Geschichte der Arbeitsmarktpolitik; atypische Beschäftigungen; Entwicklung der Sozialpolitik und Übergangssystem Schule-Beruf.