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Die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf den Arbeitsmarkt | Arbeitsmarktpolitik | bpb.de

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Die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf den Arbeitsmarkt

Wenke Klingbeil-Döring

/ 9 Minuten zu lesen

KI gehört zu den wichtigsten Treibern des Wandels von Arbeit. KI entwickelt sich auf Basis der Digitalisierung, in deren Folge sich etwa Berufsbilder, Tätigkeiten und Arbeitsformen, aber auch Ansprüche an gute Arbeit wandeln.

Ein von der Künstlichen Intelligenz DALL-E generiertes Bild zum Prompt: "Fabrikhalle mit Ingenieuren, die künstliche Intelligenz nutzen."

Die Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) gehören ohne Zweifel zu den wichtigsten Treibern des Wandels von Arbeit. KI entwickelt sich auf Basis der Digitalisierung,Interner Link: in deren Folge sich etwa Berufsbilder, Tätigkeiten und Arbeitsformen, aber auch Ansprüche an gute Arbeit wandeln. Die schon wahrnehmbaren Veränderungen sind in erster Linie auf Automatisierung und Vernetzung zurückzuführen. Das Potenzial von KI geht deutlich darüber hinaus: Ihre fortschreitende Einführung in Unternehmen wird den allermeisten Prognosen zufolge einen deutlich tiefgreifenderen Wandel bewirken, mit entsprechenden Folgen für den Arbeitsmarkt. Der Befürchtung, dass bestimmte Tätigkeiten künftig nicht mehr von Menschen erledigt werden und damit Arbeitsplätze wegfallen, weil KI-gestütze Systeme bestimmte Aufgaben besser, effizienter und damit kostengünstiger erledigen können, steht die Hoffnung gegenüber, dass – wie bei vorangegangenen technologiegetriebenen Transformationen – neue Tätigkeitsfelder, Kooperationsformen und damit eine neue Qualität von Arbeit entstehen werden.

Was ist KI?

Mit dem Begriff KI verbinden wir im Allgemeinen bestimmte Technologien. Tatsächlich ist KI vielmehr ein Konzept der Informatik, genauer das informationstechnische Projekt, Maschinen in die Lage zu versetzen, bei der Bewältigung von Aufgaben Intelligenz zu gebrauchen und zu lernen. Dabei ist nicht genau bestimmt, was Intelligenz hier heißt. Die unterschiedlichen Definitionen heben im Kern auf die Fähigkeit ab, auf der Basis von Wissen und Erfahrung Probleme zu lösen und bestimmte Ziele zu erreichen. Die allermeisten Autor*innen grenzen maschinelle Intelligenz von menschlicher Intelligenz ab, vor allem mit Blick auf deren Flexibilität. Einige bestreiten sogar, dass Maschinen wirklich intelligent sein können. Begrifflich ist KI also weder unumstritten noch klar festgelegt.

Welche Verfahren und Technologien durch maschinelles Lernen möglich werden, lässt sich gegenwärtig kaum absehen. Die bereits existierenden Systeme sowie diejenigen, die sich noch in der Entwicklung befinden, sind sogenannte schwache KIs. Diese sind noch auf ganz bestimmte Einsatzbereiche beschränkt, hier aber – anders als automatisierte Systeme – in der Lage, zu lernen und gewisse Elemente menschlicher Intelligenz zu imitieren. Sie können etwa Voraussagen treffen, Lösungen für Probleme finden, Regeln ableiten und anwenden, generative KIs können Inhalte erzeugen. Noch bleiben die Systeme aber mehr oder weniger auf jeweils bestimmte Anwendungsfälle festgelegt. So können komplementäre KIs Beschäftigte unterstützen, während substituierende KIs bestimmte Tätigkeiten vollkommen selbstständig ausführen. Die oft in der Diskussion stehenden sogenannten starken KIs, die Menschen intellektuell ebenbürtig oder gar überlegen sind, ein Bewusstsein entwickeln und sich über einen bestimmten Bereich hinaus flexibel einsetzen lassen, haben gegenwärtig eher den Status eines philosophischen Konzepts.

Vor allem die Fähigkeit von KI-Technologien zum Selbstlernen macht es wahrscheinlich, dass sie sich tiefgreifender und umfassender auf Arbeit auswirken als vernetzte oder automatisierte Systeme. Diese sind nicht flexibel, können keine Urteile fällen oder aus Erfahrung lernen, nicht kommunizieren oder mit Menschen interagieren. Auch bedürfen intelligente Systeme weniger menschliche Eingriffe und Steuerung und sind potenziell in der Lage, mehr Aufgaben wirklich selbstständig zu erledigen.

Welche Rolle spielt KI heute schon in der Arbeitswelt?

Die Erwartungen an die wirtschaftliche Nutzung von KI sind deutlich größer als ihre tatsächliche Verbreitung in Unternehmen, entsprechend hat KI gegenwärtig noch wenig Einfluss auf den Arbeitsmarkt. Ein schneller, disruptiver Wandel, wie er oft befürchtet wird, zeichnet sich nicht ab, eher die Fortsetzung der bisher langsamen und schrittweisen Einführung für ganz bestimmte Anwendungsfälle. Eine Rolle spielen hier sicher Kosten-Nutzen-Abwägungen der Unternehmen: Dem möglichen Innovations- und Einsparpotenzial stehen die für manche Anwendungsgebiete noch sehr hohen Kosten für die Entwicklung und Implementierung der oftmals spezifischen KI-Lösungen gegenüber. Die allermeisten digitalen Anwendungen in den Unternehmen sind aktuell vernetzte und automatisierte Systeme. Nur vereinzelt wird schon KI eingesetzt, in der Regel in Großunternehmen, und hier zumeist Systeme für KI-gestützte Automatisierung. Eine 2020 veröffentlichte Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat ermittelt, dass bis zum Jahr 2019 nur knapp 6 % der Unternehmen in Deutschland KI in Produktion, Dienstleistungen oder internen Prozessen eingesetzt haben. Bei nur 12 % dieser Unternehmen ist KI ein wesentlicher Teil des Geschäftsmodells. KI wird etwa für die Verarbeitung und Analyse von Daten in der Produktentwicklung und Fertigung oder im Materialmanagement genutzt, zur Unterstützung beim Verkauf, in der Kundenbetreuung, zur Personalisierung von Werbung sowie in der Personalarbeit und zum Teil zur Überwachung der Mitarbeitenden.

Beispiele aus der Praxis: Wo wird KI schon eingesetzt?

Zur Bearbeitung von Anträgen im Versicherungsfall
Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, nutzt die Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM), eine Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung, bereits seit 2019 ein KI-basiertes System zur Ermittlung möglicher Regressfälle. Eine Software prüft jede neue Unfallaufnahme anhand bereits bearbeiteter Fälle und gibt eine Empfehlung, ob der Sachverhalt auf einen möglichen Regress geprüft werden sollte, sowie eine Kostenschätzung ab. Die abschließende Entscheidung, ob ein Regressverfahren begonnen wird, obliegt aber weiterhin den Mitarbeitenden.

Zur Verbesserung der Abläufe bei der Flugabfertigung
Bis ein Flugzeug starten kann, müssen von ganz unterschiedlichen Dienstleistern viele Handgriffe getan werden. Zur Analyse, Koordinierung und Optimierung dieser komplexen Abläufe setzt die Lufthansa-Tochter CityLine eine Software ein. Sie hilft dem Unternehmen in nahezu allen Bereichen dabei, die eigenen Prozesse besser zu verstehen, Probleme abzusehen und rechtzeitig geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die Airline verbesserte damit eigenen Aussagen zufolge ihre Pünktlichkeit erheblich.

Zur Vermeidung von Überproduktion in Bäckereibetrieben
Einige Bäckereibetriebe begegnen Fachkräftemangel, steigenden Rohstoffpreisen und Lebensmittelverschwendung mit KI: Eine Software unterstützt sie dabei, Einkauf, Produktion, Verkauf und Personaleinsatz effizient zu planen. Dabei werden nicht nur Daten zu Kosten oder Verkaufszahlen einbezogen, sondern etwa auch geplante Baustellen oder Ferienzeiten berücksichtigt; alle Dinge also, die sich auf den Warenabsatz auswirken können.

Quelle: acatech Deutsche Akademie der Technikwissenschaften: Externer Link: Plattform lernende Systeme

Insgesamt zielt der Einsatz von KI darauf, Fehler zu vermeiden, Effizienz, Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und Lohnkosten zu senken. Obwohl die meisten Unternehmen das Potenzial von KI sehen, sind viele noch unsicher, welche Anwendungsbereiche möglich und vor allem lohnenswert sind. Die BMWi-Studie lässt außerdem den Schluss zu, dass noch geeignetes Personal fehlt: So blieben im Jahr 2019 43% der offenen Stellen mit KI-Bezug unbesetzt.

Wie wird KI den Arbeitsmarkt in Zukunft beeinflussen?

Verlässliche Aussagen zu Beschäftigungseffekten eines wachsenden Einsatzes von KI lassen sich derzeit nicht formulieren. Noch lässt sich nicht absehen, welche technischen Möglichkeiten KI birgt oder wie sich die einzelnen Branchen mit ihren zudem sehr heterogenen Voraussetzungen, Möglichkeiten und Anforderungen entwickeln werden. Entsprechend vage ist die Studienlage. Immerhin lässt die wachsende Zahl von Prognosen, die sich vor allem auf mathematische Modelle stützen, erste vorsichtige Beschreibungen zu, wobei die Untersuchungen zum Teil zu unterschiedlichen oder sogar kontroversen Einschätzungen kommen. Wieder erschweren die Neuartigkeit und die Offenheit des Feldes verlässliche Aussagen: Einerseits spielen die genannten unternehmensbezogenen Gründe eine Rolle, andererseits fokussieren die Studien zum Teil auf verschiedene Handlungsfelder, legen unterschiedliche Begriffe von KI zugrunde, beziehen jeweils wenige oder viele andere Einflussfaktoren in ihre Prognosen ein, nehmen nur bestimmte Technologien in den Blick oder gehen von einem flächendeckenden Einsatz aus, der sich so noch gar nicht absehen lässt. Hinzu kommt, dass technische Entwicklungen nicht isoliert Einfluss auf Arbeit nehmen, sondern immer auch soziale und arbeitspolitische Faktoren eine Rolle spielen.

Vergleichsweise gut untersucht ist der Einfluss von Sprachmodellen (LLM; Large Language Modell) wie ChatGPT auf Arbeit und Produktivität. Diese KI-Form ist schon relativ weit entwickelt und kann potenziell für viele Aufgaben eingesetzt werden, deshalb ist davon auszugehen, dass LLMs künftig zu den prägenden Technologien zählen und ihr Einsatz Arbeit entsprechend beeinflussen wird. Wenn sich die Ergebnisse auch nur bedingt auf andere Technologien übertragen lassen, bieten sie doch immerhin Orientierung und ermöglichen Prognosen als Tendenzaussagen.

Bemerkenswert ist etwa, was Noy und Zhang mit Hilfe eines Online-Experiments gezeigt haben: Demnach lassen sich durch den Einsatz von ChatGPT bei Schreibaufgaben nicht nur die Arbeitsqualität steigern und der Zeitaufwand verringern. Es verbessern sich auch die Fähigkeiten der Mitarbeitenden so, dass geringer qualifizierte Personen bessere Ergebnisse erzielen können und die Ungleichheit zwischen den Mitarbeitenden abnimmt. Auch auf die Arbeitszufriedenheit und das Gefühl der Selbstwirksamkeit hatte die Arbeit mit der KI in der Studie einen positiven Einfluss. Zur Vorhersage von Beschäftigungseffekten haben Eloundou, Manning, Mishkin und Rock im Jahr 2023 in einer Modellierung zum Einfluss von LLMs auf den Arbeitsmarkt in den USA erhoben, wie viele Arbeitnehmende aktuell Tätigkeiten ausführen, die künftig vollständig oder teilweise von LLMs erledigt werden könnten. Die Studie verweist auf enorme wirtschaftliche, soziale und politische Auswirkungen, die aber weniger auf die LLMs selbst zurückzuführen sind als vielmehr auf Technologien und Werkzeuge, die die KI ermöglicht. Der Prognose zufolge werde LLM-basierte Software künftig bei 47–56 % der Arbeitsaufgaben zum Einsatz kommen. 10 % der Arbeitsaufgaben von 80 % der Beschäftigten in den USA könnten von einem LLM erledigt werden, bei 19 % der Arbeitnehmenden ließen sich sogar 50 % der Tätigkeiten durch die KI ausführen. Von der Veränderung seien der Studie zufolge alle Beschäftigungs- und Lohnniveaus betroffen, wobei im Unterschied zur bisherigen Auswirkung der Digitalisierung von Arbeit höhere Einkommensgruppen und Berufe, die einen Studien- oder Berufsabschluss erfordern, stärker betroffen sein werden. LLMs werden künftig vor allem in den Bereichen Programmieren und Schreiben eine Rolle spielen, während Tätigkeiten, die einen stärkeren naturwissenschaftlichen Bezug haben oder kritisches Denken erfordern, weniger betroffen sein werden. Die Forschenden zählen etwa Autor*innen, Mathematiker*innen, Steuerfachleute, Finanzanalyst*innen, Nachrichtenanalyst*innen sowie Reporter*innen und Webdesigner*innen als stark betroffene Berufsgruppen auf. Eine Studie von Felten, Raj und Seamans bestätigt diese Ergebnisse und benennt außerdem Rechtsdienstleistungen und Bildungsberufe als Arbeitsbereiche, die sich durch den Einfluss von KI voraussichtlich besonders stark verändern werden. Die Forschenden erklären die stärkere Betroffenheit mittlerer bis hoher Qualifikations- und Lohnniveaus damit, dass KI im Allgemeinen und LLMs im Besonderen Fachwissen breiter zugänglich machen und andererseits KIs zwar komplexe Aufgaben erledigen, dafür aber eine gewisse und zum Teil routinemäßige Zuarbeit benötigen. Insgesamt, so zeigen die Untersuchungen, wird KI in den verschiedenen Branchen bzw. Arbeits- und Tätigkeitsbereichen in ganz unterschiedlicher Art und Weise und Stärke Einfluss nehmen.

Dass die Entwicklung von aktuell nicht absehbaren Faktoren abhängt und verlässliche Aussagen derzeit auch deshalb kaum möglich sind, unterstreicht eine 2023 von Briggs und Kodnani veröffentlichte Studie, die im Gesamten die Auswirkungen von KI auf Wirtschaftswachstum und volkswirtschaftliche Produktivität in den USA und Europa betrachtet. Ihrer Modellierung legten die Forschenden die Annahme zugrunde, dass KI ihre absehbaren Fähigkeiten voll entfalten kann. Sie stellten fest, dass in diesem Fall etwa ⅔ der aktuell existierenden Arbeitsplätze potenziell dem Zugriff von KI ausgesetzt sind, wenn auch in unterschiedlichem Maße. ¼ der Arbeitsplätze könnte durch generative KI ersetzt werden. Demnach wären in den USA und in Europa etwa 300 Millionen Vollzeitarbeitsplätze bedroht, wenn KI vollumfänglich zum Einsatz kommt. Die Forschenden führen zugleich an, dass große technologische Innovationen in der Vergangenheit immer neue Branchen und Beschäftigungsmöglichkeiten hervorgebracht und damit eine Arbeitskräfteverlagerung bewirkt haben, was aller Voraussicht nach auch für die Weiterentwicklung von KI gelte. Für Deutschland lässt sich dieser Trend laut BMWi-Studie schon erkennen: Hier hat der noch sehr begrenzte Einsatz von KI in den Jahren 2016 bis 2018 bereits dafür gesorgt, dass rund 48.000 neue Arbeitsplätze entstanden sind.

Wovon hängt der Einfluss von KI auf Arbeit und den Arbeitsmarkt ab?

Wie der Einfluss von KI auf Arbeit und Arbeitsmarkt sich tatsächlich entwickelt, hängt von zahlreichen Faktoren ab: Etwa davon, wie autonom und intelligent die Systeme tatsächlich sind, wie gut Arbeitnehmende mit ihnen umgehen können und ob und wie schnell die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Nicht zuletzt spielt es eine Rolle, wie die Unternehmen den Nutzen der Technologien einschätzen und an welchen Stellen diese dann tatsächlich implementiert werden. Auch soziale Effekte sind zu berücksichtigen sowie die Bedingungen in den Branchen, Betrieben und letztlich die Anforderungen jedes einzelnen Arbeitsplatzes. Tätigkeiten, die zwischenmenschliche Interaktion, Kreativität, Bewegung, Intuition, Einfühlungsvermögen oder Fantasie erfordern, werden kaum betroffen sein. Wie schon bei der Automatisierung werden sich Aufgaben und Qualifikationsanforderungen ändern, was zunächst verunsichern kann. Insbesondere müssen Beschäftigte in der Lage sein, mit den Systemen umzugehen, Fehler festzustellen und ihren eigenen Verantwortungsbereich als solchen wahrzunehmen. Die große Mehrheit der Studien geht davon aus, dass KI menschlichem Tun in produktiver Kooperation etwas hinzufügen, sie aber nicht überflüssig machen wird. KI kann menschliche Arbeit durch intelligente Zuarbeit ergänzen – etwa bei Analyse und Diagnose –, ersetzen – das betrifft v. a. kodifizierbare Aufgaben wie Sprach- und Bilderkennung, und zwar auch da, wo Flexibilität gefragt ist – und erweitern, indem sie neue Geschäftsmodelle, Tätigkeitsfelder und Aufgaben erschließt und ermöglicht. Insgesamt hat KI bezogen auf Arbeit und den Arbeitsmarkt ein hohes Innovationspotenzial und kann dazu beitragen, die Qualität von Arbeit zu verbessern. Das betrifft die Arbeitsergebnisse ebenso wie die Inhalte und Organisation von Arbeit, weil höhere Anforderungen Entwicklungschancen bergen und zufriedener machen können; auf diese Weise kann KI zu guter Arbeit beitragen. Eine breite Einführung von KI kann außerdem den Fachkräftemangel verringern und für Arbeitsplatzsicherung sorgen. Andererseits besteht die Gefahr, dass Arbeit weiter verdichtet wird und Arbeitnehmende weniger Kontrolle ausüben, stattdessen ihrerseits weitreichend kontrolliert werden können und stärker belastet sind. Um die Chancen zu nutzen und die Risiken abzumildern, ist es notwendig, die genannten Faktoren zu vergegenwärtigen und die Durchdringung von Arbeit durch KI so zu steuern, dass sie ihr Potenzial, für in vielfacher Hinsicht bessere Qualität, Produktivität und Innovation von Arbeit zu sorgen, voll entfalten kann. Das gilt für die einzelnen Unternehmen wie für politische Entscheidungsträger*innen. Es bedarf einer Regulierung, die jedoch nicht zuletzt aufgrund der Ortsunabhängigkeit von KI-Systemen über die nationale Ebene hinausgehen muss. So hat das EU-Parlament im Juni 2023 das weltweit erste KI-Gesetz verabschiedet. Es definiert verschiedene Risikostufen von KI und entsprechende Regulierungsmaßnahmen, die auch Auswirkungen auf eine Nutzung in Unternehmen haben werden. Dadurch soll sichergestellt sein, dass die Technologie ausschließlich Mensch und Umwelt dienlich weiterentwickelt und genutzt wird.

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Dr. Wenke Klingbeil-Döring lebt und arbeitet als freie Philosophin, Autorin und Lektorin in Berlin.
Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Bedeutung und der Wandel von Erwerbsarbeit, Digitalisierung, die Bedingungen menschenwürdiger Arbeitsgestaltung, die Entwicklungen und Folgen von Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie gesellschaftliche Transformationsprozesse und Krisen.