Die im Frühjahr 2020 weltweit einsetzende Covid-19 Pandemie hat auch in Deutschland zu nachhaltigen Problemen geführt. Zwar lässt sich seit 2022 von einer Entwarnung reden und auch sind im April 2023 die letzten verbliebenen Schutzmaßnahmen weggefallen, aber durch den andauernden russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist eine neue Krise ausgelöst worden. Deren Folgen, insbesondere die gefährdete Energieversorgung und die hohe Inflation, belasten bis heute die deutsche Gesellschaft und Wirtschaft. Diese multiplen Krisen wirken sich negativ auf die Lebensbedingungen der gesamten Bevölkerung aus. Der gesamten Bevölkerung? Eine nähere Analyse zeigt, dass Krisen keine „Gleichmacher“ sind. Bestimmte soziale Gruppen der Gesellschaft sind im besonderen Maße betroffen und andere weniger stark. Die sozialen Ungleichheiten der deutschen Gesellschaft spiegeln sich nicht nur wider, sondern wurden und werden auch verstärkt. Der Widerspruch zwischen „arm“ und „reich“ tritt gerade in schwierigen Zeiten offen in Erscheinung.
Dies gilt gleichermaßen für die unmittelbare und mittelbare Betroffenheit durch den Virus: So unterliegen Menschen aus den unteren Einkommens- und Bildungsgruppen, kurz: mit einem niedrigen sozialen und ökonomischen Status bis hin zu Armut und Deprivation, einem besonders hohen Infektions-, Morbiditäts- und auch Mortalitätsrisiko. In beengten Wohnverhältnissen ist die Ansteckungsgefahr groß. Und wer aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit keine Möglichkeit zum Home-Office hat, insbesondere dann, wenn es wie in den Pflegeberufen um Nähe zu anderen Menschen geht, kann sich nur schwer schützen. Die Zahlen zeigen, dass die Arbeit zu Hause vor allem von den Beschäftigten im oberen Einkommensbereich wahrgenommen worden ist (und noch wahrgenommen wird). Eindeutig ist, dass vor allem bei älteren Menschen das Infektionsrisiko größer und der Krankheitsverlauf schwerwiegender ist als bei Menschen im jüngeren und mittleren Lebensalter. Aber es ist nicht das Alter allein; zur „vulnerablen“ Gruppe zählen in erster Linie jene älteren Menschen in einer sozial benachteiligten Position, sie leiden häufiger unter einschlägigen Vorerkrankungen, sind häufiger pflegebedürftig und haben eine geringere Lebenserwartung.
Auch die Maßnahmen zur (letztlich ja erfolgreichen) Bekämpfung der Pandemie waren in ihren sozialen Folgen keineswegs gleichgewichtet:
Der mehrfache Lockdown in weiten Bereichen der Wirtschaft, und hier in erster Linie im Dienstleistungssektor (Einzelhandel, Hotel- und Gaststättengewerbe) hat zum Abbau vor allem von schlechter bezahlten, häufig prekären Arbeitsverhältnissen geführt. Zu nennen ist der starke Rückgang von Minijobs, von Leiharbeit, von (studentischen) Nebenjobs. Einen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Kurzarbeitergeld haben diese Personen nicht, so dass die Einkommenseinbußen drastisch ausgefallen sind.
Die mehrfachen Schließungen von Schulen und Kitas und die entsprechend notwendig werdende häusliche Betreuung von Kindern haben nicht nur zum (zeitweiligen) Rückzug von Müttern vom Arbeitsmarkt geführt und ebenfalls Einkommensausfälle nach sich gezogen. Zugleich sind die Möglichkeiten zu einem mindestens einigermaßen erfolgreichen Homeschooling stark abhängig von den Wohnbedingungen, dem Bildungsstatus der Eltern und der Ausstattung mit digitalen Geräten. Kinder von Eltern, die wenig verdienen, alleinerziehend sind, in einer kleinen Wohnung leben, Probleme mit der deutschen Sprache haben, weisen größere Lernrückstände und -defizite auf als Kinder aus besser gestellten Elternhäusern.
Da die sozialen Dienste und Einrichtungen wie Beratungs- und Stadtteilzentren, Mittagstische, Vermittlungsagenturen usw. ebenfalls schließen mussten, hat die Bekämpfung von Armutslagen, die sich ja nicht auf Geldzahlungen begrenzen lässt, deutlich gelitten. Nicht zuletzt die Tafeln mussten ihre Arbeit für längere Zeiten einstellen.
Diese Krise hat aber auch gezeigt, welche Bedeutung ein ausgebauter Sozialstaat für die Sicherstellung der Lebens- und Einkommensbedingungen der Bevölkerung hat, und dies insbesondere wiederum für sozial benachteiligte Gruppen. Durch ein breites Bündel von Maßnahmen und Entlastungen sind in den Sozialschutzpaketen der Bundesregierung nicht nur die sozialen Folgen der Pandemie abgefedert worden, zugleich wurde auch erfolgreich vermieden, dass sich die Gesundheitskrise zu einer mit Massenarbeitslosigkeit und drastischen Einkommensrückgängen verbundenen großen Wirtschaftskrise entwickelt hat. Ob dies ausreichend oder auf der anderen Seite überdimensioniert war, bleibt kritisch zu diskutieren.
Die Maßnahmen, dazu zählen auch die Wirtschaftshilfen für große Unternehmen (bis hin zu Dax-Konzernen) und für kleine (Solo)Selbstständige, lassen sich nicht im Einzelnen aufzählen. Von besonderer Bedeutung im sozialen Bereich sind jedoch folgende Maßnahmen: