Die Messung von Reichtum erfolgt häufig mit spiegelbildlichen Kennziffern zur Armutsmessung (vgl. "Reichtumsquoten"). Zu nennen sind zunächst auf die absolute Zahl von Haushalten oder Personen bezogene Statistiken: Wie viele Personen mit einem Einkommen oberhalb bestimmter Grenzen gibt es (über Hunderttausend Euro, einer Million, zehn Millionen usw.). Eine Alternative besteht darin, Dezil- oder Perzentilanteile zu berechnen: Wie viel Prozent des gesamten Einkommens in einem Land entfallen auf die obersten zehn Prozent oder das oberste Prozent der Haushalte. Daraus werden weitere Indikatoren abgeleitet, z. B.: Um das Wie Vielfache liegt das durchschnittliche Einkommen des obersten Dezils über dem des untersten Dezils?
Schließlich werden immer häufiger Reichtumsquoten verwendet. Dabei wird untersucht wie viel Prozent aller Haushalte/Personen ein Einkommen erzielen, das über dem Zweifachen, Dreifachen, Vierfachen, usw. des mittleren Einkommens liegt (Median). Am häufigsten findet dabei die 200 Prozent-Schwelle Anwendung. D. h.: Bei wie vielen Haushalten beträgt das Nettoäquivalenzeinkommen mindestens das Doppelte des Medians?
Die 200 Prozent-Reichtumsschwelle liegt danach, bezogen auf den Mikrozensus 2019, für einen Einpersonenhaushalt bundesweit bei netto 3.580 Euro. Für einen Paarhaushalt mit zwei Kindern unter 14 Jahren beispielsweise beträgt die Reichtumsschwelle 7.518 Euro (vgl. "Äquivalenzeinkommen und Reichtumsschwellen nach Region und Haushaltstyp"). Wie bei den Armutsrisikoschwellen bzw. -quoten gibt es auch bei der Berechnung der Reichtumsschwelle prinzipiell die Möglichkeiten, sich auf den Bundesmedian oder auf den jeweiligen regionalen Median zu beziehen (vgl. "Interner Link: Einkommensarmut"). Die Verwendung der regionalen Mediane ist ein Weg, um so regionale Unterschiede in den Lebenshaltungskosten, Wohnkosten (Immobilienpreise) etc. näherungsweise zu berücksichtigen.
3.580 Euro Nettoeinkommen für eine alleinlebende Person sind zweifellos ein ganz ordentlicher Betrag, ebenso wie die 7.518 Euro für den beschriebenen Vierpersonenhaushalt. Aber: Ist das Reichtum?
QuellentextWo beginnt Einkommensreichtum?
Um die Frage etwas plastischer zu beantworten ist es dienlich, den Reichtumsschwellen von ca. 3.580 € für Einpersonenhaushalte bzw. 7.518 Euro im Monat für einen Haushalt mit 2 Erwachsenen und 2 Kindern unter 14 Jahren die folgenden Zahlen für die Vergütung von Mitgliedern der Vorstände in deutschen DAX-Unternehmen gegenüberzustellen (vgl. DSW, TUM 2020):
Im Durchschnitt der deutschen DAX-Unternehmen verdienten die Vorstandsmitglieder inklusive der Vorsitzenden im Jahr 2019 3,446 Millionen Euro (fixe plus variable Gehaltsbestandteile). Bei den Vorstandsvorsitzenden waren es 5,270 Millionen Euro. Der Vorstandsvorsitzende beispielsweise der Volkswagen AG konnte sich über 9,851 Millionen freuen. Hinzu kommen jährliche Pensionsrückstellungen von 1,354 Millionen Euro.
Diese Zahlen sollen hier nicht weiter bewertet werden. Hinzugefügt sei nur, dass man die DAX-Vorstände – im Übrigen waren im Jahr 2019 alle Vorstandsvorsitzenden Männer! – auch als Bezieher eher mittlerer Einkommen bezeichnen kann. Ähnlich auch nicht wenige Sportler, Showstars etc. Im Verhältnis zu den leistungslosen Jahreseinkommen von Vermögensmilliardären, laut Presseberichten zum Teil eine Milliarde Euro im Jahr, sind sie dann doch "arme Schlucker".
Wirklich Reiche mit Millioneneinkommen pro Jahr freuen sich natürlich, wenn derartige einigermaßen gut Verdienende sich selbst als "reich" sehen (würden) und z. B. Parteien wählen, die ganz besonders die Interessen der Reichen vertreten. Analytisch sollte sich die Reichtumsforschung (und Politik) aber wohl eher auf den engeren Kreis der wirklich Reichen konzentrieren. Anzumerken bleibt andererseits, dass bereits die Schwelle von 200 Prozent des mittleren Äquivalenzeinkommens die abgegrenzte Gruppe von "Reichen" auf 7,9 Prozent der Personen in Westdeutschland im Jahr 2019 begrenzt. Hochgerechnet − vom Baby bis zum Greis − entspricht das ca. 6,5 Millionen Personen.