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Einleitung | Lange Wege der Deutschen Einheit | bpb.de

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Einleitung

Everhard Holtmann

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Die deutsche Einheit ist in der Bilanz ihrer ersten dreißig Jahre eine Erfolgsgeschichte. Diese Einschätzung teilt die große Mehrheit der Bevölkerung. Neueren Umfragedaten zufolge meinen jeweils vier von fünf Ostdeutschen und Westdeutschen, dass die Vorteile der Wiedervereinigung überwiegen. Tatsächlich zeigen viele Fakten eine langfristige Tendenz zur Angleichung der Lebensqualität, der politischen Einstellungen und der Sozialkultur in beiden Teilen des Landes. Dennoch fühlen sich viele Menschen in Ostdeutschland persönlich zurückgesetzt. Deutlich mehr Bürgerinnen und Bürger als im Westen des Landes sagen im Osten, ihnen werde in der Gesellschaft nicht der verdiente Respekt entgegengebracht.

Die zwiespältige Gefühlslage spiegelt den tatsächlichen Stand der Transformation wider, die seit 1989/90 stattgefunden hat. Einerseits fällt die Bilanz der Erneuerung beachtlich aus, was etwa in der nachgeholten Modernisierung der Infrastruktur und des Bildungswesens, in der Beseitigung von Umweltschäden und im Aufbau einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft erkennbar ist. Andererseits veranschaulicht eine im Juli 2019 veröffentlichte "Disparitätenkarte" der Bundesrepublik, dass zwar auch Ostdeutschland Groß- und Mittelstädte hat, die sich dynamisch entwickeln, aber zugleich nahezu flächendeckend ländliche Regionen aufweist, die unter einer dauerhaften Strukturkrise leiden.

Für Ostdeutschland ist zudem kennzeichnend, dass die dortige Bevölkerung einen "doppelten Transformationsschock" zu verarbeiten hat. Der Schock wurde erstmals bewirkt durch die ökonomischen und gesellschaftlichen Umbrüche der frühen 1990er Jahre und sodann verdoppelt durch die globale Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008/2009. Diese schockartige Erfahrung entfaltet psychologische Langzeitwirkungen, die sich auch in politischen Einstellungen niederschlagen. Nicht nur im Wahlverhalten, sondern auch bei der Demokratiezufriedenheit und bei dem Vertrauen in politische Akteure und Institutionen hat sich die Ost-West-Schere nach einer 25 Jahre währenden Schließungstendenz in der letzten Zeit wieder deutlich geöffnet. Auch die Zufriedenheit mit der Entwicklung, die Deutschland nach der Vereinigung genommen hat, sinkt sichtbar. Im Sommer 2019 äußerten sich gut zwei Drittel der Ostdeutschen wohlwollend, nach rund 80 Prozent im November 2017.

Auftrag der Politik ist es, in ganz Deutschland für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen. Dank der in vielen Bereichen positiv verlaufenen ostdeutschen Entwicklung orientiert sich die Erfüllung dieses Auftrags nicht mehr automatisch an der Scheidelinie zwischen West und Ost. Dennoch bleiben in Ostdeutschland auch künftig besondere Herausforderungen zu bewältigen, weil dort einigungsbedingte Probleme nachwirken und durch strukturelle Krisen jüngeren Datums überlagert und verstärkt werden. Beispiele hierfür sind die Überalterung, der Fachkräftemangel, die ausgedünnte Grundversorgung in ländlichen Räumen sowie der industrielle Umbruch in den Braunkohlerevieren.

Das hier präsentierte Angebot basiert auf einem Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Jena und Halle, in welchem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen erstmals vor knapp zehn Jahren die "langen Wege" der deutschen Einigung nachgezeichnet haben.

Fussnoten

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Professor (a.D.) für Politikwissenschaft der Universität Halle-Wittenberg, Forschungsdirektor am Zentrum für Sozialforschung Halle e.V. (ZSH) an der Universität Halle-Wittenberg. Zu seinen Schwerpunkten gehören Parteien(system)forschung, Lokale Politikforschung, Demokratie- und Partizipationsforschung, Historische Politikforschung und Transformationsforschung.