Die föderale Finanzverfassung im Grundgesetz - hohes Konfliktpotenzial und Einigungsdruck
Die Finanzverfassung ist in einem föderalen Staat wohl das komplexeste aller Regelwerke, die Mehrebenensysteme aufzuweisen haben. Sie regelt die finanzielle Lastentragung für die Aufgaben, die den jeweiligen Ebenen zukommen, ferner die Rechte auf Steuergesetzgebung und Steuererhebung sowie die Verteilung und gegebenenfalls Umverteilung der Einnahmen. Für die Bundesrepublik ist die Finanzverfassung in Abschnitt X des Grundgesetzes geregelt und umfasst die Art. 104a bis 115. Sie hat sich in ihren Grundzügen in den 1950er-Jahren entwickelt, ist aber einer der am häufigsten geänderten Teile des Grundgesetzes, da sie viele detaillierte Regelungen bis hin zu Prozentsätzen der Steuerverteilung zwischen den föderalen Ebenen enthält.
Da die Einnahmeverteilung zugleich eines der am intensivsten umkämpften Themen in Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern darstellt, verwundert es nicht, dass solche Details regelmäßig an sich ändernde Anforderungen (oder auch Machtverteilungen) angepasst werden müssen. Daher wäre es aus Sicht der "Gesetzgebungshygiene" im Prinzip sinnvoll, die Detailreglungen nicht ins Grundgesetz selbst aufzunehmen, sondern wie an vielen anderen Stellen auch hier auf die geniale Formel 'das Nähere regelt ein Bundesgesetz' zurückzugreifen. Andererseits wird über die Normierung auf Verfassungsebene sichergestellt, dass jede Änderung mit verfassungsändernder Zweidrittelmehrheit beschlossen werden muss und daher auf einem breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens ruht. Diese Konstellation aus hohen Änderungshürden einerseits und hohem Konfliktpotenzial andererseits erklärt, weshalb zwar die Finanzverfassung in der 70-jährigen Geschichte des Grundgesetzes häufig im Detail geändert wurde, aber substanzielle Reformen nur sehr selten und nach langwierigen multilateralen Verhandlungen erreicht werden konnten.
Einnahmen der Länder zwischen Autonomie und Solidarität
Die Finanzverfassung des Grundgesetzes bemüht sich um einen Ausgleich zwischen zwei prinzipiell widersprüchlichen Prinzipien: dem Prinzip der (fiskalischen) Autonomie und Leistungsfähigkeit der föderalen Einheiten einerseits und dem Prinzip der Solidarität zwischen den föderalen Einheiten andererseits (Behnke 2015). Gemäß dem Prinzip der Autonomie müssen die Länder (und auch der Bund und die Gemeinden) für die von ihnen zu vollziehenden Aufgaben finanziell selbst aufkommen. Dieses so genannte Konnexitätsprinzip nach der Logik der Vollzugskausalität ist in Art. 104a Abs. 1 GG geregelt.
Dafür stehen den föderalen Einheiten jeweils eigene Steuermittel zur Verfügung. Die Steuermittel fließen ihnen einerseits aus so genannten Trennsteuern zu, andererseits aus so genannten Gemeinschaftsteuern. Die Trennsteuern sind von vornherein einzelnen Ebenen zugeordnet. Bei einer Ländersteuer vereinnahmt also jedes Bundesland diese Steuer so, wie sie auf seinem Territorium anfällt. Gemeinschaftsteuern werden von den Finanzämtern der Länder vereinnahmt, dann aber in einen großen Topf geworfen und zunächst vertikal zwischen dem Bund und der Ländergesamtheit, in einem zweiten Schritt horizontal zwischen den Ländern aufgeteilt (vgl. Abbildung 1). Die Einkommen- und die Körperschaftsteuer werden horizontal nach dem örtlichen Aufkommen und damit nach dem Leistungsprinzip verteilt. Die Umsatzsteuer wird zwischen den Ländern teilweise nach Finanzkraft und teilweise nach Einwohnerzahl verteilt. Beides sind Kriterien, die den Finanzbedarf der Länder ausdrücken, nicht ihre finanzielle Leistungsfähigkeit. Insofern folgt die Verteilung der Umsatzsteuer dem Solidarprinzip. Die horizontale Verteilung der Gemeinschaftsteuern verbindet somit das Autonomie- und das Solidarprinzip und entspricht in ihrer Logik dem hochgradig verflochtenen deutschen Föderalismus, in dem kaum klar getrennte autonome Handlungssphären existieren.
Gemäß dem Prinzip der Solidarität werden ergänzend zu den Einnahmen, die die Länder aus eigenen Steuern und leistungsbezogenen Anteilen an den Gemeinschaftsteuern schöpfen, die einnahmeschwachen Länder durch zusätzliche Finanzmittel unterstützt, damit sie in der Lage sind, finanziell für ihre Aufgaben aufzukommen. Dies kann entweder horizontal erfolgen – finanzstarke Länder zahlen für finanzschwache – oder vertikal, dann gibt der Bund zusätzliche Mittel an die finanzschwachen Länder. Beide Umverteilungsschritte waren im bis 2019 gültigen Finanzausgleichssystem enthalten – der horizontale Finanzausgleich von den Geberländern an die Nehmerländer und die vertikalen Ergänzungszuweisungen des Bundes an finanzschwache Länder. Mit dem Inkrafttreten der Reform zum 1. Januar 2020 wurde der horizontale Ausgleich abgeschafft.
Das Budget eines einzelnen Landes setzt sich also aus verschiedenen Einnahmeteilen zusammen: erstens aus eigenen Einnahmen, die es aus landeseigenen Steuern schöpft (Autonomie); dazu kommen noch Steueranteile, welche die Kommunen an die Länder abgeben; zweitens aus Anteilen aus Gemeinschaftsteuern (teils Autonomie- und teils Solidarprinzip); drittens erhält es gegebenenfalls vertikale Finanztransfers vom Bund (Solidarprinzip). Die Balance zwischen den Prinzipien der Autonomie einerseits und der Solidarität andererseits lässt sich solange gut herstellen, wie die Unterschiede in der ökonomischen und fiskalischen Leistungsfähigkeit zwischen den einzelnen Ländern nicht zu groß sind. Bestehen jedoch große Finanzkraftunterschiede, müssen in einem Staat, der das Prinzip der föderalen Solidarität ernst nimmt, die Einnahmen der schwachen Länder gesteigert werden. Mit der Notwendigkeit, das regionale Gefälle bei der Steuerkraft auszugleichen, ist zugleich eine der großen Herausforderungen für die innerdeutschen Finanzbeziehungen nach der Wiedervereinigung benannt.
Prinzipiell bieten sich verschiedene Wege an. Man kann a) die Steuerautonomie erhöhen und damit den Ländern die Möglichkeit geben, über Steuererhöhung (oder über strategische Steuersenkung als Anreiz für Steuersubjekte) die Einnahmen zu steigern. Man kann b) die Schuldenautonomie erhöhen, so dass fehlende Einnahmen über Schuldenaufnahme gedeckt werden können. Oder man kann c) höhere Transferzahlungen zu Lasten der finanziell leistungsstärkeren föderalen Einheiten festsetzen. Die Möglichkeiten der Steuererhebung und Steuererhöhung (Variante a) sind für die Länder sehr gering. Einen gewissen Spielraum bei den Steuersätzen haben sie bei der Grunderwerbsteuer, der in den vergangenen Jahren zur flächendeckenden Erhöhung weit ausgeschöpft wurde (Heinemann 2014).
Abbildung 3: Steueraufkommen 2016 (Bundesministerium der Finanzen (2017))
Die Gesetzgebungskompetenz für die meisten Steuern und insbesondere für die ertragsstarken Gemeinschaftsteuern liegt beim Bund (vgl. Abbildung 3). Zwar sind sie durch den Bundesrat zustimmungspflichtig und ermöglichen so der Ländergesamtheit, nicht jedoch einzelnen Ländern, einen starken Einfluss auf die Ausgestaltung der Steuergesetze.
Die Möglichkeiten der Verschuldung (Variante b) haben sich die Länder aber durch die Verfassungsreform von 2009 und die Aktualisierung des Fiskalpaktes in Anpassung an die europäische Schuldenbremse 2012 selbst genommen: seit dem 1.Januar 2020 gilt für die Länder eine Netto-Neuverschuldung von 0% des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Somit bleiben effektiv nur Finanztransfers (Variante c) in horizontaler und vertikaler Richtung. Auf diese Transfers baut das deutsche Finanzausgleichssystem hauptsächlich – mit allen Schwierigkeiten, die dies mit sich bringt. Diese werden im Folgenden beleuchtet.
Entwicklung der Finanzverfassung seit 1990 im Lichte großer regionaler Disparitäten
Das gestufte System der Finanzverteilung zwischen den westdeutschen Ländern funktionierte bis 1990 leidlich. Zwar gab es deutliche Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit zwischen einnahmestarken Ländern wie Baden-Württemberg, Hessen oder Hamburg und etwa dem finanzschwachen Saarland. Doch diese Unterschiede konnten im Wege der Verhandlung aufgefangen werden, und insgesamt blieb das Volumen der Finanztransfers moderat (vgl. Abbildung 4). Bayern galt als das Paradebeispiel eines Landes, das mit Hilfe des Finanzausgleichs von einem so genannten Nehmerland gegen Ende der 1980er Jahre zum Geberland heranwuchs.
Mit der Wiedervereinigung erhielt das System jedoch eine starke Schlagseite, da auf einmal fünf neue Länder integriert werden mussten , deren Finanzkraft weit unter der Hälfte der Finanzkraft der westdeutschen Länder lag. Bei einer unveränderten Übernahme des Systems hätte das bedeutet, dass praktisch alle westdeutschen Länder im horizontalen Ausgleich schlagartig zu Geberländern geworden wären. Eine solche Verschiebung der Belastungen wäre politisch nicht tragbar gewesen. Daher einigte man sich nach der Wiedervereinigung auf Übergangslösungen, in der Hoffnung, dass der wirtschaftliche Aufschwung im Osten schnell die Finanzkraft der ostdeutschen Länder an das West-Niveau annähern würde. So wurden die neuen Länder zwar rückwirkend ab 1991 in die Verteilung der Umsatzsteuer nach Einwohnerzahl einbezogen; der horizontale Finanzausgleich blieb jedoch bis 1995 ausgesetzt. Stattdessen erhielten die ostdeutschen Länder vertikale Transfers aus dem neu gegründeten 'Fonds Deutsche Einheit', der gemeinsam vom Bund und von den westdeutschen Ländern finanziert wurde. Ergänzend legte der Bund ab 1991 unter dem Namen 'Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost' ein 12 Mrd. DM-Förderprogramm für Investitionsmittel für die ostdeutschen Länder auf (Häde 1996: 263). Ab 1995 wurden die ostdeutschen Länder dann auch in das System des horizontalen Finanzausgleichs eingegliedert.
Abbildung 4: Entwicklung des Volumens des Länderfinanzausgleichs 1950-2018
Abbildung 4 verdeutlicht, dass sich das Volumen des horizontalen Finanzausgleichs mit der Einbeziehung der ostdeutschen Länder und Gesamt-Berlins 1995 mehr als verdreifachte, nämlich von knapp 1,5 Mrd. Euro 1994 auf knapp 6 Mrd. Euro 1995. Auch relativ finanzschwächere westdeutsche Länder wie Nordrhein-Westfalen und sogar Schleswig-Holstein wurden kurzfristig zu Geberländern, für die traditionellen Geberländer erhöhte sich die Belastung dramatisch. Erschwerend kam hinzu, dass die relative Finanzkraft der ostdeutschen Länder im Vergleich zu Westdeutschland sich sogar noch weiter verschlechterte, von 47 Prozent 1995 auf 31 Prozent 2002.
Vor dem Hintergrund dieser Finanzkraftunterschiede bröckelte die Solidarität zwischen den Ländern. 1998 entschieden sich die Geberländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen zu einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das System des Finanzausgleichs, insbesondere gegen die horizontale Umsatzsteuerverteilung und den horizontalen Finanzausgleich im engeren Sinne. Die Klage wurde 1999 vom Bundesverfassungsgericht salomonisch beschieden. Das bestehende System wurde nicht direkt für verfassungswidrig erklärt, aber für zu ungenau. Infolge des Urteils wurden 2001 erst das so genannte 'Maßstäbegesetz' verabschiedet, das Maßstäbe zur Bemessung der Steuerverteilung und der Ausgleichszahlungen enthalten sollte, und dann das in Teilen fast wortgleiche 'Finanzausgleichsgesetz', das 2004 in Kraft trat und bis zum 31. Dezember 2019 Gültigkeit hatte.
Mit der neuen Gesetzeslage schien der Konflikt zunächst befriedet, jedoch nicht auf Dauer. Das Ausgleichsvolumen und die Belastung der wenigen Geberländer stiegen nahezu jährlich an, wie Abbildung 5 verdeutlicht. Der Anteil Bayerns am Ausgleichsvolumen vergrößerte sich ebenfalls. Hatte Bayern 2005 noch mit 2,2 von 6,9 Mrd. € 32 Prozent der Lasten getragen, waren es 2016 mit 5,9 von 10,8 Mrd. € fast 55 Prozent. In der Folge wurden die hohen Ausgleichszahlungen in Bayern in Landtagswahlkämpfen ein Thema.
Wenngleich die absoluten Zahlen ausweisen, dass die Belastung auf wenige Schultern verteilt stieg, zeigt Abbildung 5 auch, dass das Ausgleichsvolumen in etwa proportional mit der Entwicklung der Steuereinnahmen stieg, die in der Abbildung durch das Pro-Kopf-Aufkommen angenähert werden. Die relative Belastung blieb im Vergleich zu den Einnahmen also in etwa gleich. Ein Großteil der horizontalen Ausgleichszahlungen ging allein an Berlin, seit 2010 sogar mehr als an alle ostdeutschen Länder zusammen. Die Finanzkraft der ostdeutschen Länder hingegen entwickelte sich zwar langsam, aber stetig positiv und erreichte 2016 gemeinsam über 58 Prozent der Finanzkraft des Westens.
Ein letzter wichtiger Aspekt darf bei der Entwicklung der Transfers nicht unberücksichtigt bleiben: Zwar stand der horizontale Finanzausgleich zwischen den Ländern immer stärker im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Aber in vergleichbarem Umfang leistete der Bund Ergänzungszuweisungen an die Länder, ohne die die gewaltigen Finanzkraftunterschiede gar nicht aufgefangen werden könnten. Wie Abbildung 6 zeigt, lagen die BEZ bis 2015 deutlich über den horizontalen Zahlungen. Auch gingen die Verhandlungen für die verschiedenen Runden der Neuordnung der Finanzbeziehungen nach 1990, für 2004 und auch für 2020 wesentlich zu Lasten des Bundes, der mit dem Zugeständnis, von seinem Anteil an den Gemeinschaftsteuern Teile an die Länder abzugeben und / oder vertikale Zahlungen auszuweiten, regelmäßig den nötigen Konsens erkaufte. Mit der seit 2020 gültigen Regel sind die vertikalen Transfers noch einmal deutlich gestiegen, nicht zuletzt, da die horizontalen Transfers abgeschafft wurden.
Abbildung 6: Entwicklung der horizontalen und vertikalen Transferzahlungen 1995-2018
Insgesamt blieb ein Unbehagen an der Finanzverfassung bestehen. Die Höhe der zu leistenden Ausgleichszahlungen, aber auch die Komplexität der Finanzströme werden als reformbedürftig angesehen. Schon in der ersten Föderalismuskommission, die 2004 und 2005 tagte, stand die Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen auf der Tagesordnung, ohne dass dieser Auftrag jedoch durch die Kommission eingelöst wurde. Das wiederholte sich in der zweiten Föderalismuskommission 2007-2008, die, anstatt einen neuen Finanzausgleich zu verhandeln, unter dem Eindruck der weltweiten Immobilien-, Kredit und Währungskrise die Schuldenbremse einführte (Kropp und Behnke 2016). Befeuert wurde der Reformdruck durch eine weitere Verfassungsklage von Bayern und Hessen, die 2013 vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht wurde. So einigten sich schließlich nach langjährigen Verhandlungen zwischen den Regierungschefs von Bund und Ländern am 14. Oktober 2016 alle Beteiligten auf eine Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, die das am 31. Dezember 2019 auslaufende Gesetz zum 1. Januar 2020 ablöste.
Im Kern bleibt hierbei das alte System erhalten, nur dass der Finanzkraftausgleich nun in einem Schritt im Wege der Umsatzsteuerverteilung erreicht werden soll und dafür der zweite Schritt des horizontalen Finanzausgleichs entfällt. Das Bundesverfassungsgericht hat übrigens die zweite Klage von Bayern und Hessen nie verhandelt, da zeitgleich die politischen Debatten über die Reform schon liefen. Mit dem neuen Gesetz ist die Klage hinfällig geworden.
Abschließende Überlegungen
In einem einheitlichen Wirtschafts- und Währungsraum, wo einzelne territoriale Einheiten stark unterschiedliche Wirtschafts- und Finanzkraft aufweisen, ist es sowohl zum Erhalt eines funktionierenden Marktes als auch des gesellschaftlichen Friedens unumgänglich, diese Finanzkraftunterschiede anzugleichen. In welcher Form und welcher Höhe sie angeglichen werden, muss politisch entschieden werden. Hohe Ausgleichszahlungen schaffen gleichwertige Lebensbedingungen, schüren aber potenziell die Unzufriedenheit der finanzstarken Zahler. In der EU war in der Phase der Wirtschafts-, Währungs- und Kreditkrise um 2012 herum zu beobachten, welche Probleme auftreten können, wenn die Disparitäten in einem einheitlichen Wirtschafts- und Währungsraum nicht ausgeglichen werden. Angesichts der riesigen Unterschiede der Wirtschaftskraft zwischen den EU-Mitgliedstaaten konnte man sich zu einem Finanzausgleichssystem (Eurobonds) nicht durchringen.
Deutschland ist seit der Gründung der Bundesrepublik einen anderen Weg gegangen. Hier hat die Politik ein hochgradig verflochtenes System von Transfers geschaffen, das dennoch flexibel genug ist, an veränderte Bedingungen angepasst zu werden. Auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung bestehen massive Unterschiede in der Wirtschafts- und Finanzkraft zwischen den Bundesländern, die sich auch absehbar nur sehr langsam verringern. Soll die Solidargemeinschaft aufrechterhalten werden, wird man weiterhin in großen Mengen Geld umverteilen müssen. Ob dieses Geld nun aber vertikal oder horizontal fließt, ist faktisch wenig bedeutsam, wenn man davon ausgeht, dass zunächst ja die Gemeinschaftsteuern von Bund und Ländern gemeinsam vereinnahmt werden. Letztlich geht es darum, jedes Land finanziell in die Lage zu versetzen, seine Aufgaben für seine Einwohner angemessen zu erfüllen. Für die politische Psychologie allerdings macht es scheinbar einen großen Unterschied, auf welchen Konten das Geld zwischendurch rechnerisch verbucht wurde: War es schon einmal auf den Konten der Länder, entsteht der Eindruck, sie müssten etwas abgeben. War es schon einmal auf dem Konto des Bundes, entsteht der Eindruck, die Länder seien in ihrer Unabhängigkeit eingeschränkt. Beides trifft jedoch faktisch nicht zu, da über den Modus der Verteilung immer von allen gemeinsam entschieden wird.
Prf. Dr. Nathalie Behnke ist Professorin und Leiterin des Arbeitsbereichs "Öffentliche Verwaltung, Public Policy" am Institut für Politikwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt. Ihr Forschungsschwerpunkt verortet sich an der Schnittstelle von empirischer Verwaltungsforschung, vergleichender Föderalismusforschung und Multilevel Governance.
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