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Wirtschaft im Schock Auswirkungen von Grenzöffnung und deutscher Vereinigung auf die DDR-Wirtschaft
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Wettbewerb, Angebot, Löhne: Mit Wucht schlug der Einigungsprozess ein in die wirtschaftlichen Strukturen im Osten. In der Unternehmenslandschaft hat dies deutliche Spuren hinterlassen, die heute noch klar zu erkennen sind.
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Die Schock-Transformation der DDR-Wirtschaft
Die mit der deutschen Vereinigung einhergehende Marktöffnung im Jahr 1990 war in vielerlei Hinsicht mit abrupten Veränderungen der Rahmenbedingungen für die ostdeutsche Wirtschaft verbunden. Dies hatte zur Folge, dass der wirtschaftliche Strukturwandel in Ostdeutschland sehr umfassend und sehr schnell erfolgte. Die vorhandenen Betrieben mussten enorme Anpassungsleistungen vollbringen, was nur in geringem Maß gelangen. Die Folge war ein massiver Beschäftigungsrückgang, der durch staatlich unterstützte Sanierungsmaßnahmen und Beschäftigungsgesellschaften nur zu einem Teil abgemildert werden konnte (Abbildung 1). Zwischen 1989 und 1993 sank die Zahl der Beschäftigten in Ostdeutschland von 7,8 auf 5,8 Millionen. Entsprechend lag die durchschnittliche Arbeitslosenquote im Jahr 1993 bei ca. 15 Prozent.
Bei näherer Betrachtung lassen sich verschiedene Arten solcher schockartig eintretenden Brüche unterscheiden, die in unterschiedlicher Weise auf die ostdeutsche Wirtschaft wirkten. Im Folgenden unterscheiden wir den Wettbewerbsschock, den Angebotsschock, den Lohnschock sowie die plötzliche Veränderung der institutionellen Rahmenbedingungen und die damit verbundenen mentalen Herausforderungen.
Der Wettbewerbsschock
Bereits die Öffnung der innerdeutschen Grenze für ostdeutsche Besucher im November 1989 war mit einer erheblichen Verschärfung des Wettbewerbs für ostdeutsche Betriebe verbunden. Mit der Währungsunion am 1. Juli 1990 und der formellen Vereinigung am 3. Oktober 1990 hatten Anbieter aus anderen Ländern schlagartig ungehinderten Zugang zum ostdeutschen Markt, was für die in der DDR ansässigen Anbieter zu einem Nachfrage- und Produktionsrückgang dramatischen Ausmaßes führte. So sank die Industrieproduktion im Jahr 1991 auf 35% des Wertes, der im Jahr 1989 erzielt wurde. Auch die Nachfrage aus anderen osteuropäischen Ländern, die bis dahin die bevorzugten Handelspartner gewesen waren, brach weitestgehend zusammen. Dies lag an dem Tauschkurs zwischen Ostmark und D-Mark im Zuge der deutschen Währungsunion, der nicht den wahren Wert der Ostmark widerspiegelte und dadurch die Produkte für die osteuropäischen Handelspartner massiv verteuerte. Die osteuropäischen Handelspartner mussten die Waren nun in DM und nicht mehr in Ostmark bezahlen. Für den Tausch einer DM mussten seitens der osteuropäischen Handelspartner jedoch wesentlich mehr Einheiten der jeweiligen Landeswährung aufgebracht werden als für eine Ostmark.
Auch die Nachfragestruktur änderte sich mit der Marktöffnung grundlegend. Hatten die ostdeutschen Firmen vor dem Systemumbruch vorwiegend Massenware gefertigt, so wurde die Nachfrage nun wesentlich differenzierter und vor allem anspruchsvoller, denn die Kunden konnten auf qualitativ hochwertige andere Erzeugnisse ausweichen. Für viele ostdeutsche Betriebe war es, um überhaupt etwas verkaufen zu können, notwendig, sehr schnell die Qualität der Produkte zu verbessern oder völlig neue Produkte zu entwickeln. Zudem galt es, neue Abnehmerkreise in den ehemals weitestgehend unzugänglichen alten Bundesländern zu erschließen.
Der Angebotsschock
Die DDR-Betriebe waren durch eine außerordentlich hohe Fertigungstiefe gekennzeichnet, da die Betriebe versuchten, möglichst viele Produktionsstufen selbst durchzuführen. Dies hatte im Wesentlichen zwei Ursachen. Zum einen machte ein hoher Anteil an Eigenfertigung die Betriebe weitgehend unabhängig von Zuliefer-Engpässen, die aufgrund von Fehlplanungen innerhalb der Zentralverwaltungswirtschaft relativ häufig auftraten. Zum anderen ergab sich die hohe Fertigungstiefe daraus, dass die extern verfügbaren Vorleistungen meist von niedriger Qualität und in nur geringem Maße auf die Erfordernisse der Betriebe zugeschnitten waren, was häufig aufwendige Bearbeitungsschritte notwendig werden ließ. Durch die mit der deutschen Vereinigung einhergehende Marktöffnung sahen sich die ostdeutschen Betriebe einem wesentlich differenzierteren Angebot an hochwertigen Vorprodukten bzw. Vorleistungen gegenüber, das grundlegende Veränderungen im Produktionsprozess erforderte. Da sich die Eigenfertigung unter diesen Bedingungen häufig als nicht profitabel erwies, mussten viele Betriebe ihre Fertigungstiefe wesentlich reduzieren. Konkret führte dies zur Schließung ganzer Produktionsstufen und zu einem entsprechenden Beschäftigungsabbau.
Der Lohnschock
Zu Beginn des Jahres 1990 lagen die Löhne und Gehälter in der DDR bei ca. 7 Prozent des westdeutschen Niveaus. Diese niedrige Relation ergab sich zu einem wesentlichen Teil daraus, dass die Beschäftigten zu dieser Zeit noch in DDR-Währung bezahlt wurden und die DDR-Mark im Vergleich zur DM wesentlich weniger wert war. Durch die Einführung der DM in der DDR zur Währungsunion im Juli 1990 und entsprechende Tarifabschlüsse betrug die Ost-West-Relation der Löhne und Gehälter am Ende des Jahres 1990 bereits ca. 39 Prozent, was eine Steigerung innerhalb eines Jahres um mehr als 500 Prozent bedeutete. Ein Jahr später, Ende des Jahres 1991, waren die ostdeutschen Löhne auf ca. 50 Prozent des westdeutschen Niveaus angestiegen, und Ende des Jahres 1992 erreichten sie fast 60 Prozent.
Aufgrund der relativ geringen Arbeitsproduktivität der ostdeutschen Wirtschaft führten diese Lohnsteigerungen sehr schnell dazu, dass die Herstellungskosten vieler ostdeutscher Betriebe deutlich über denen der westdeutschen Konkurrenz lagen. Relativ geringe Produktivität in Verbindung mit stark gestiegenen Lohnkosten trugen wesentlich zum dramatischen Arbeitsplatzabbau in Ostdeutschland in den ersten Jahren nach dem Umbruch bei.
Veränderte Regulierungen und mentale Schocks
Nicht zu vernachlässigen sind die mentalen Anforderungen, mit denen die Menschen in Ostdeutschland durch den Transformationsprozess konfrontiert waren. Allein die mit der deutschen Vereinigung am 3. Oktober 1990 buchstäblich über Nacht erfolgte Übernahme des westdeutschen Rechtssystems (Institutionentransfer) erforderte enorme Anpassungsleistungen. Nicht nur, dass sich die institutionellen Rahmenbedingungen schlagartig und grundlegend änderten, auch die Regulierungsdichte des westlichen Systems war erheblich höher als in der DDR. Hiervon sind insbesondere die vielfältigen Außenbeziehungen von Betrieben (Kunden, Lieferanten, Gewerbeaufsicht etc.) gemeint, welche nun nicht mehr zentral vorgegeben waren, sondern aktiv selbst gestaltet werden mussten. Ein weiterer Unterschied bestand darin, dass die neuen Regeln sehr viel energischer durchgesetzt wurden. Das kann anhand des Beispiels Umweltschutz verdeutlicht werden. In der DDR wurden die massenhaften Verstöße gegen etwaige Umweltschutzvorschriften selten bis überhaupt nicht geahndet.
Neben diesen Änderungen ist auch der mentale Schock nicht zu vernachlässigen, der mit dem Zusammenbruch der alten Systems und der Übernahme des westdeutschen Systems verbunden war. Insbesondere die höheren Anforderungen an Eigeninitiative, Eigenverantwortlichkeit und Selbstvorsorge bedeuteten für viele, die im DDR-System sozialisiert worden waren, eine erhebliche Umstellung. Hinzu kam die Erfahrung, dass Teile der unter den alten Rahmenbedingungen erworbenen Qualifikationen nun unter Umständen erheblich weniger wert waren.
Fazit
Der spezifisch deutsche Weg des abrupten Übergangs von der DDR-Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft hat viele ostdeutsche Betriebe überfordert, so dass sie trotz zum Teil massiver finanzieller Unterstützung aus dem Markt ausscheiden mussten. Dies hat in der ostdeutschen Unternehmenslandschaft deutliche Spuren hinterlassen, die heute noch klar erkennbar sind. Der Anpassungs- und Angleichungsprozess an die Verhältnisse in den alten Bundesländern ist auch nach 30 Jahren noch lange nicht abgeschlossen.
Die schockartige Transformation hatte allerdings auch Vorteile: Erstens herrschte sehr schnell Gewissheit über die zukünftige Ausgestaltung des Wirtschaftssystems. Zweitens kamen die neuen Bundesländer hierdurch in den Genuss sehr umfangreicher sachlicher und finanzieller Unterstützung bei der Bewältigung des Wandels.
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Prof. Dr. Michael Fritsch ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Prof. Dr. Michael Wyrwich, Universität Groningen (Niederlande) und Friedrich-Schiller-Universität Jena.
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