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Verkehrsinfrastruktur in Ostdeutschland | Lange Wege der Deutschen Einheit | bpb.de

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Verkehrsinfrastruktur in Ostdeutschland Voraussetzungen, Transformation und Entwicklungsstand

Tobias Jaeck

/ 7 Minuten zu lesen

Die Infrastruktur in der DDR war zum Zeitpunkt des Mauerfalls und der Wiedervereinigung stark überholungs- und erneuerungsbedürftig. Besonders im Bereich Verkehr und Telekommunikation, aber auch im Städte- und Wohnungsbau war der Modernisierungs- und Nachholbedarf außerordentlich hoch.

Ein neues Teilstück der Autobahn 14 ist vor der Eröffnung des Teilstücks zu sehen, während auf der Bundesstraße 189 (links) Fahrzeuge fahren (Luftaufnahme mit einer Drohne). (© picture-alliance/dpa, dpa-Zentralbild, Ronny Hartmann)

Das Erbe der älteren und jüngeren Vergangenheit

Die Infrastruktur in der DDR war zum Zeitpunkt des Mauerfalls und der Wiedervereinigung stark überholungs- und erneuerungsbedürftig. Besonders im Bereich Verkehr und Telekommunikation, aber auch im Städte- und Wohnungsbau war der Modernisierungs- und Nachholbedarf außerordentlich hoch.

Die Ursachen für die große Infrastrukturlücke in der DDR reichen bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. Die Reparationspolitik in der sowjetischen Besatzungszone (spätere DDR) unterschied sich insofern von der in den westlichen Zonen, als Demontagen von Industrieanlagen, Abtransport von Maschinen und massiver Abbau des Schienennetzes ein sehr viel größeres Ausmaß hatten. So wurden auf dem Gebiet der DDR bis 1947 rund 11.800 km des Schienennetzes demontiert und aus dem Gebiet gebracht. Dies entsprach etwa der doppelten Distanz zwischen Paris und New York. Dementsprechend fehlte in der DDR in weiten Teilen das zweite Gleis für den Gegenverkehr, mit entsprechend nachteiligen Auswirkungen auf die Transportleistung im Land.

Der Wert der Demontagen belief sich in der späteren DDR auf 2,6 Mrd. US-Dollar; im Vergleich damit waren es in den drei westlichen Besatzungszonen (spätere BRD) zusammen gerade einmal 0,6 Mrd. US-Dollar (vgl. Informationen zur Politischen Bildung, Heft 259). In den 40 Jahren der Existenz der DDR gelang es nur in geringem Maße, diese Lücken in der Verkehrsinfrastruktur zu schließen. Stattdessen gab die Regierung und speziell das Ministerium für Verkehr (MfV) aus politischen Erwägungen hauptsächlich wenigen punktuellen Großprojekten (z.B. dem Berliner Ring, der Trasse Berlin-Rostock, der Berliner S-Bahn, der Elektrifizierung des Gesamtnetzes, Halle-Neustadt) Vorrang.

Viele so genannte Fernverkehrsstraßen waren am Ende der DDR noch über weite Teile gepflastert. Die Autobahnen waren baulich auf dem Stand der 1940er Jahre, mit Ausnahme einzelner Transitstrecken, deren Sanierung allerdings durch die BRD finanziert wurde (z.B. A24 Hamburg - Berlin). Die Autobahnen wiesen größtenteils weder Beschleunigungs- noch Verzögerungsstreifen auf und verfügten zum Großteil auch nicht über mittige Leitplanken. Beim Eisenbahnnetz verhielt es sich ähnlich. Viele Strecken mussten 1989 langsamer befahren werden, als in den 1930er Jahren möglich gewesen war.

Verkehrsnetze zu Lande, zu Wasser und in der Luft

Viele dieser Probleme der Verkehrsinfrastruktur konnten mit Hilfe der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (VDE) , welche insbesondere den lange vernachlässigten Ost-West-Strecken, aber auch den Nord-Süd-Verbindungen (Thüringen-Bayern) zugewiesen wurden, inzwischen behoben werden. Bisher wurden im Rahmen der VDE rund 36,8 Mrd. Euro investiert (Gesamtvolumen aktuell 42 Mrd. €).

Die Verkehrswegeinfrastruktur umfasst alle Transportwege sowohl für Güter- als auch Personenverkehr, auf dem Land, auf dem Wasser und in der Luft. Moderne und weiträumig ausgebaute Verkehrswege sind für eine funktionierende Volkswirtschaft unverzichtbar. Eine flächendeckend gut ausgebaute Infrastruktur – wie beispielsweise ein nahegelegener Autobahnanschluss oder Flughafen – ist aber auch ein Indikator für die Lebensqualität und die Mobilitätschancen der Bevölkerung, da sie sowohl das Berufsleben (Pendler) als auch das Freizeitverhalten (Tourismus, Konsum) beeinflussen kann. Verkehr hat zweifellos auch Effekte auf die Auftragslage der Wirtschaft und den Arbeitsmarkt (Straßenbau, ÖPNV) und ist Gegenstand politischer Steuerung (Verkehrs- und Mobilitätspolitik). Gerade für den überwiegend ländlich geprägten Raum im Osten Deutschlands ist dies von Bedeutung. Nachstehend wird – vergleichend – der physische Ist-Stand der Verkehrsinfrastruktur dargestellt.

Die im Folgenden präsentierten Daten zur Straßen-, Schienen-, Wasser- und Flughafen-Infrastruktur veranschaulichen, wie weit bis heute die aus der DDR überkommene Infrastrukturlücke in den ostdeutschen Bundesländern geschlossen worden ist. Der Ausbau des ostdeutschen Straßennetzes zeigt zunächst eine nachholende bzw. aufholende Modernisierung bis etwa 2004. Um die Länge des Straßennetzes vergleichbar zu machen, sind in der abgebildeten Grafik zusätzlich noch die Kilometer insgesamt und pro km² angegeben.

Die Entwicklung des überörtlichen Straßennetzes seit 1989 (km und km/km²) (Grafik zum Download) (Quelle: Statistische Jahrbücher (ab 2008 ohne Berlin, Hamburg und Bremen)) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Im Zeitverlauf wird erkennbar, dass das überörtliche Straßennetz in Gesamtdeutschland in den frühen 1990er Jahren kontinuierlich ausgebaut worden ist. Seit 1995 stagniert indessen diese Entwicklung in Westdeutschland. In Ostdeutschland steigt der Ausbau des überörtlichen Straßennetzes noch bis etwa 2004 auf eine Gesamtlänge von 57.055 km und scheint auch hier dann weitgehend abgeschlossen zu sein. Während in den westlichen Bundesländern der Bestand an überörtlichen Straßen über die Jahre hinweg in etwa gleich bleibt, erweiterte sich in Ostdeutschland seit dem Mauerfall die Länge des überörtlichen Straßennetzes von 47.201 km auf 57.055 km. Das entspricht einem Zuwachs von über 20 Prozent.

Betrachtet man die Straßenkilometer pro Quadratkilometer, so zeigt sich, dass in den alten Bundesländern bereits 1989 eine höhere Flächendeckung erreicht war, die sich in den letzten 30 Jahren nicht verändert hat (0,7 km/m²). Doch in Ostdeutschland verbesserte sich dieser Deckungsgrad seit der Einigung kontinuierlich, nämlich von 0,44 km/km² im Jahr 1989 auf 0,53 km/km² im Jahr 1998, und bleibt dann in etwa gleich. Der in Ostdeutschland deutlich niedrigere Wert (km/km²) erklärt sich zum Teil durch die weniger dichte Besiedelung. Die Ländlichkeit des Ostens spiegelt sich auch in der geringeren Anzahl von Ballungsgebieten und Großstädten wider, welche miteinander verbunden werden müssen. So stehen 16 ostdeutschen Großstädten 66 westdeutsche gegenüber.

Diese Daten lassen den Schluss zu, dass der Ausbau des überörtlichen Straßennetzes in Gesamtdeutschland weitgehend abgeschlossen ist. Ein zusätzlicher Indikator für die Qualität der allgemeinen Verkehrsinfrastruktur sind die Zahlen der Unfälle mit Todesfolge im Straßenverkehr (Abbildung 2).

Getötete im Straßenverkehr seit 1989 (Todesfälle/100.000 Einw.) (Grafik zum Download) (Quelle: Statistische Jahrbücher Deutschland) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Im Zeitverlauf ist erkennbar, dass die Anzahl der Verkehrstoten in Ost- wie Westdeutschland seit den frühen 1990er Jahren kontinuierlich abnimmt. In den alten Bundesländern hat sich die Zahl seit 1989 von 7.995 um fast 80 Prozent auf 1.799 verringert. In Ostdeutschland beträgt der Rückgang seit 1992 sogar fast 90 Prozent, von 3.333 auf 461 Verkehrstote. Während dieser Trend in Westdeutschland kontinuierlich linear verläuft, war in den neuen Bundesländern nach 1989 zunächst ein starker Anstieg an Verkehrstoten zu verzeichnen. Bis 1992 verdoppelte sich die Anzahl mit 3.333 Toten fast, während sie 1989 noch unter dem westdeutschen Niveau (ca.10 Tote pro100.000 Einwohner) gelegen hatte. Ursächlich dafür waren zum einen die schlagartig erhöhte Verkehrsdichte mit einer Vielzahl schnellerer Autos und zum anderen die nunmehr völlig überlasteten und in desolatem Zustand befindlichen Nord- und Ost-West-Verbindungen, welche die wiedervereinten Territorien miteinander verbanden. Seit 1995 sinkt die Zahl der Toten im Straßenverkehr allerdings auch in Ostdeutschland wieder deutlich. Gemessen an der Rate der Verkehrstoten pro 100.000 Einwohner liegen Ost-und Westdeutschland seit 2009 nahezu gleichauf. Auch bei der Zahl der im Straßenverkehr Verletzten gibt es inzwischen keine innerdeutschen Unterschiede mehr. Die vom Straßenverkehr ausgehenden Gefahren sind somit in beiden Teilen des Bundesgebietes gleich hoch.

Bei der Betrachtung der Schieneninfrastruktur-Entwicklung zeigt der Verlauf (Abbildung 3) in der Zeit: Was die Länge des Schienennetzes betrifft, ist nach der Wiedervereinigung zunächst ein leichter gesamtdeutscher Trend des Rückbaus bzw. der Stagnation erkennbar, welcher sich erst in den letzten Jahren leicht gedreht hat. Bei der vergleichbaren Länge pro km² zeigen sich kaum Unterschiede (ca. 0,11 km/km²).

Die Entwicklung des Schienennetzes seit 1983 (km und km/m²) (Grafik zum Download) (Quelle: Statistische Jahrbücher (ab 2008 ohne Straßenbahn /Berlin zu Ostdeutschland)) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Ein Großteil der Gleisanlagen, des Signalwesens und auch der Bahnhöfe in den neuen Bundesländern musste (und muss) jedoch komplett erneuert werden, da die Gleisbetten verrottet und die veralteten Trassen vornehmlich für Hochgeschwindigkeitszüge wie den ICE nicht geeignet waren; diese Reparaturarbeiten spiegeln sich nicht in der reinen Streckenlänge wider. Der Einschnitt von 1991 auf 2005 liegt an der Umstellung der amtlichen Statistik; bis 1991 wurde noch das Straßenbahnnetzt mit berücksichtigt.

Im Zeitraum von 1991 bis 2018 wurden neben den VDE in die Schienenwege des Bundes, in den Ausbau von Bundesfern- und Bundeswasserstraßen sowie aus Mitteln des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) Investitionen von insgesamt rund 296 Mrd. Euro getätigt. Auf die ostdeutschen Länder entfielen davon annähernd 97 Mrd. €, also gut ein Drittel, bei einem Bevölkerungsanteil von ca. 20 Prozent und einem Flächenanteil von ca. 34 Prozent (vgl. Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2018, S. 55).

Erreichbarkeit von Oberzentren mit PKW und Bahn (in Minuten) (Grafik zum Download) (Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2018): Verkehrsbild Deutschland – Raumordnerische Beurteilung von Verkehrsprojekten. BBSR-Analysen KOMPAKT. Bonn, S. 11) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

(2018) werden in den neuen Bundesländern ca. 1.222.000 t umgeschlagen; dies entspricht einem Anteil von fast genau einem Viertel (24,6 %) des gesamten Luftgüterverkehrs. Allein auf dem in Leipzig/Halle 2008 eröffneten DHL-Europadrehkreuz werden 1.209 Mio. t umgeschlagen. Beim Personenaufkommen ist die Differenz deutlich größer. Im Osten des Landes werden lediglich sieben Prozent aller Fluggäste befördert, und diese hauptsächlich über Berlin-Schönefeld. Rechnet man Berlin-Tegel mit ein, sind es etwa 16 Prozent. Insgesamt haben die Ost-West-Unterschiede in den letzten 10 Jahren aber deutlich abgenommen. Gebiete mit einer schlechteren Erreichbarkeit (Pkw-Fahrzeit zum nächsten internationalen Flughafen) überwiegen in den ostdeutschen Ländern gleichwohl deutlich (vgl. Abbildung 4). Zudem können die Flughäfen Dresden und Erfurt nicht als gleichrangig beispielsweise zu Berlin und Frankfurt/M. gesehen werden. Besonders betroffen sind Mecklenburg-Vorpommern und der Norden von Sachsen-Anhalt. Will man mit der Bahn den nächsten internationalen Flughafen erreichen, gestaltet sich das im nördliche Brandenburg, in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen deutlich zeitaufwendiger. Allerdings sind auch Gebiete im Westen Deutschlands betroffen (ebd.).

Erreichbarkeit von Flughäfen mit PKW und Bahn (in Minuten) (Grafik zum Download) (Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2018): Verkehrsbild Deutschland – Raumordnerische Beurteilung von Verkehrsprojekten. BBSR-Analysen KOMPAKT. Bonn, S. 11) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Die Betrachtung des Schiffsverkehrs zeigt ein ähnliches, jedoch stärker ausgeprägtes Bild, welches sicherlich auch durch die geografischen Gegebenheiten beider Landesteile bestimmt wird. Hier ist vor allem die Lage von Ost- und Nordsee für die Seeschifffahrt und die von Rhein und Elbe für die Binnenschifffahrt bedeutsam. So laufen fast 93 Prozent (von 263,5 Mio. t.) der gesamten Binnenschifffahrt über westdeutsche Häfen, vor allem in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Bei der Seeschifffahrt sind es 85 Prozent (von 299,5 Mio. t.), hier spielen fast ausschließlich Hamburg, Bremen und Wilhelmshaven eine Rolle. Der größte Hafen im Osten des Landes ist Rostock (20,4 Mio. t.).

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Dipl.-Soz. Tobias Jaeck ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Sozialforschung Halle e.V. (ZSH) an der Universität Halle-Wittenberg. Er ist als Diplomsoziologe wissenschaftlich in Projektarbeit am ZSH tätig. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Stadtsoziologie, Segregation und Gentrification, Quartier- und Nachbarschaftsforschung, Stadtentwicklung, Transformationsforschung, Demografischer Wandel, Demokratieforschung, politische Einstellungen, Partizipation und Bürgerschaftliches Engagement.