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Renten in Ostdeutschland | Rentenpolitik | bpb.de

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Renten in Ostdeutschland

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 4 Minuten zu lesen

Sowohl Fachexperten wie auch Sozialpolitiker sind überzeugt, dass eine gesetzliche Regelung zur Beendigung der noch bestehenden Unterschiede − bei dem im Übrigen heute schon gleichen Rentenrecht − sinnvoll und erforderlich ist. Eine Lösung hierzu ist wegen der Komplexität der Sache und der finanziellen Auswirkungen noch nicht gefunden. Was bedeutet das?

"Für die vormalige DDR war charakteristisch, dass die Bevölkerung eine hohe und dauerhafte Erwerbsbeteiligung aufwies. So kann es nicht verwundern, dass die durchschnittlichen Zahlbeträge der Bestandsrenten insbesondere für Frauen in den neuen Ländern höher liegen als in den alten Ländern. Verkehrspolizistin in Ostberlin." (© picture-alliance, Klaus Rose)

Die deutsche Wiedervereinigung liegt inzwischen mehr als 25 Jahre zurück. Die vormals unabhängig voneinander existierenden staatlichen Alterssicherungssysteme der BRD und der DDR sind zu einem gesamtdeutschen Alterssicherungssystem auf der Grundlage der westdeutschen Regelungen zusammengeführt worden. Nach wie vor gibt es aber im Rentenrecht spezifische, nur für die neuen Bundesländer geltende Bestimmungen, denn aufgrund der erheblichen Abweichungen im Lohnniveau zwischen alten und neuen Bundesländern war eine direkte und vollständige Angleichung des Rentenversicherungsrechts nicht möglich. Deshalb wurden mit der Rentenüberleitung mehrere Ausnahmeregelungen eingeführt, die bis zur Herstellung gleicher Einkommens- und Lebensbedingungen gelten sollten. Dies betrifft vor allem zwei Bereiche des Rentenrechts:

  1. die unterschiedliche Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte in Ost- und Westdeutschland sowie

  2. die unterschiedliche Höhe des aktuellen Rentenwerts.

Hochrechnung und aktueller Rentenwert Ost

  1. Die persönlichen Entgeltpunkte errechnen sich nach der Rentenformel als Verhältnis des individuellen Arbeitsentgelts zum Durchschnittseinkommen. Da nach dem Rentenrecht als Maßstab für die Durchschnittseinkommen die westdeutschen Entgelte gelten, würden sich für die Versicherten in den neuen Bundesländern angesichts der dort niedrigen Löhne und Gehälter nur sehr geringe Entgeltpunkte ergeben. Deshalb gilt die Regelung, dass die individuellen Arbeitsentgelte im Osten auf das Westniveau hochgewertet werden. Der Hochrechnungswert entspricht dabei in jedem Jahr dem Verhältnis, in dem das Durchschnittsentgelt West zum Durchschnittsentgelt Ost steht. Allerdings zeigt sich, dass die durchschnittliche Lohndiskrepanz zwischen Ost- und Westdeutschland im Zeitverlauf deutlich geringer geworden ist. So wurden die in der DDR realisierten durchschnittlichen Arbeitseinkommen des Jahres 1985 noch mit einem Faktor von 3,3129 multipliziert, was bedeutet, dass die durchschnittlichen Arbeitsentgelte in Westdeutschland die entsprechenden Arbeitseinkommen in Ostdeutschland um mehr als das Dreifache überstiegen.


  2. Die Entgeltpunkte (EP) in Ost- und Westdeutschland werden beim Rentenzugang und bei der Rentenanpassung mit einem unterschiedlichen aktuellen Rentenwert (aRw) multipliziert. Höhe und Anpassung des aktuellen Rentenwerts Ost orientieren sich dabei an der Lohnentwicklung in den neuen Ländern. In den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung verlief die Lohnentwicklung im Osten stürmisch, so dass es bis 1996 zweimal im Jahr Rentenanpassungen gab, um den wirtschaftlichen Aufschwung auch für die Rentner wirksam werden zu lassen. Im Ergebnis hat sich der aktuelle Rentenwert Ost in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung sehr deutlich erhöht. Der Lohnanstieg in den neuen Ländern hat sich seit den 1990er-Jahren allerdings verlangsamt − mit der Folge, dass der aktuelle Rentenwert Ost immer noch etwa 5 Prozent unter dem aktuellen Rentenwert (West) liegt.

Rentenhöhe

Die Unterschiede in der Rentenberechnung sagen allerdings wenig über die tatsächlich gezahlten Renten in den neuen Ländern aus. Bei der Rentenhöhe kommt es nicht nur auf die Höhe des aktuellen Rentenwerts und auf die Berechnung der Entgeltpunkte an, sondern auch auf die Erwerbs- und Versicherungsbiografien der Rentner. Für die DDR war es charakteristisch, dass die Bevölkerung eine hohe und dauerhafte Erwerbsbeteiligung aufwies. Eine kontinuierliche Vollzeitbeschäftigung in der Zeit zwischen Schulabschluss bis zum Renteneintrittsalter war üblich. Im grundlegenden Unterschied zu den alten Bundesländern galt dies auch für Frauen und wurde durch Vereinbarkeitsregelungen ermöglicht. Die durchschnittlichen Zahlbeträge der Bestandsrenten liegen daher insbesondere für Frauen in den neuen Ländern höher als in den alten Ländern, trotz des niedrigeren aktuellen Rentenwerts.

Betrachtet man jedoch die neu zugehenden Renten, kehren sich die Verhältnisse teilweise um. Angesichts der in den zurückliegenden Jahren besonders massiven Arbeitsmarktprobleme in den neuen Ländern erhalten mehr und mehr Rentnerinnen und Rentner aus den nachrückenden Kohorten nur noch niedrige Renten: Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit, Niedriglöhne, prekäre Beschäftigungsverhältnisse und die sich ausweitende Teilzeitarbeit machen sich hier bemerkbar. Hinzu kommt die Wirkung der Rentenabschläge.

Erschwerend kommt außerdem hinzu, dass in den neuen Ländern die zweite und dritte Schicht der Alterssicherung immer noch schwächer ausgeprägt ist als in den alten Ländern. Für die Rentnerinnen und Rentner im Rentenbestand wie für die Neuzugänge aus den rentennahen Jahrgängen gilt, dass Ansprüche aus einer betrieblichen Altersversorgung so gut wie nicht vorhanden sind. Auch für die private Altersvorsorge gab es angesichts der Verhältnisse in der DDR und der Umwälzungen durch die Wiedervereinigung weniger Möglichkeiten. Im Ergebnis leben die Rentnerinnen und Rentner in den neuen Ländern nahezu ausschließlich von den Leistungen der Gesetzlichen Rentenversicherung. Insgesamt sind die Alterseinkommen von Älteren in den neuen Ländern deshalb geringer als im Westen.

Es ist nicht abzusehen, ob und wann sich das Lohnniveau in den neuen Ländern mehr oder minder vollständig an das Lohnniveau im Westen angleicht. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass sich in Westdeutschland die ökonomischen Verhältnisse regional ebenfalls deutlich unterscheiden. Die abschließende Vereinheitlichung des Rentenrechts erweist sich deshalb als schwierig. Auf der anderen Seite lässt sich die Ungleichbehandlung zwischen Ost und West nach einem Vierteljahrhundert der Wiedervereinigung nicht mehr begründen.

Nach langwierigen Auseinandersetzen hat der Deutsche Bundestag im Jahr 2017 ein Gesetz zum Abschluss der Rentenüberleitung beschlossen. Damit hat die Debatte, wie die Überleitung geregelt werden soll, ein Ende gefunden. Im Ergebnis wird es im Jahr 2022 keine rechtlichen Unterschiede mehr zwischen West und Ost geben. Der aktuelle Rentenwert (Ost) wird in sieben Schritten an den aktuellen Rentenwert (West) angeglichen, beginnend ab 1. Juli 2018, endend am 1. Juli 2024. Ab Januar 2019 erfolgt zugleich die schrittweise Abschmelzung des Umrechnungsfaktors für die Hochwertung der Entgelte von Beschäftigten in den neuen Bundesländern bis zum Jahr 2025.

Auf einen Blick: Renten in Ostdeutschland

Stand: 2017/2018

Mehr als 40 Versicherungsjahre (Ost)
Männer90,3 %
Frauen72,5 %
Höhe des aktuellen Rentenwerts 2018, 2. Halbjahr neue Länder29,69 Euro
Verhältnis aktueller Rentenwert Ost zu aktueller Rentenwert West95,8 %
Rentenanpassung 2018 (Ost)3,2 %
Höhe der Nettostandardrente vor Steuern
45 Entgeltpunkte
1.189 Euro
Durchschnittliche Höhe der Altersrenten (Ost)
Männer1.198 Euro
Frauen828 Euro
Rentenschichtung (Ost)
weniger als 450 Euro (Männer/Frauen)3,1 % / 5,0 %
mehr als 1.500 Euro (Männer/Frauen)17,1 % / 4,1 %

Weitere Inhalte

Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee ist Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.