Das gilt insbesondere für die Beitragsfinanzierung, die das wohl bekannteste deutsche oder "bismarcksche" Element der Alterssicherung hierzulande ist. Weniger bekannt ist, dass verschiedene andere - heute geforderte - Systemelemente auch schon einmal bestanden (und sozusagen erprobt worden waren, wie etwa die Kapitaldeckung statt dem Umlageverfahren; (vgl.
Chronik der Rentenversicherung bis 1945
Diese und die beiden in diesem Abschnitt folgenden Zeittafeln zur Chronik der Rentenversicherung in Deutschland können nur einen sehr groben Überblick über die wichtigsten Meilensteine geben. Mehr Angaben mit jeweils einigen wichtigen Details finden sich z. B. in den jährlichen Berichten "Rentenversicherung in Zeitreihen" der Externer Link: Deutschen Rentenversicherung Bund
Chronik der Rentenversicherung bis 1945
1881 | "Kaiserliche Botschaft"/Ankündigung Sozialgesetze |
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1889/91 | Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung |
1911 | Reichsversicherungsordnung (Einführung von Witwen- und Waisenrenten) und Gründung der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte |
1913 | Inkrafttreten Versicherungsgesetz für Angestellte |
1916 | Einheitliche Altersgrenze 65 für die Altersrenten von Angestellten und Arbeitern |
1923 | Reichsknappschaftsgesetz |
1924 | Übergang vom Anwartschaftsdeckungsverfahren zum Umlageverfahren |
1929 | Einführung der Rente an Arbeitslose 60-Jährige in der Angestelltenversicherung |
1929/32 | Rentenkürzungen bei laufenden Renten (Wirtschaftskrise) |
1933 | Übergang vom Umlage- zum Anwartschaftsdeckungsverfahren |
1934 | Aufbau-Gesetz (Abschaffung der Selbstverwaltung, Führerprinzip) |
1941 | Einführung der Krankenversicherung der Rentner |
Die erste Teilepoche dieser Entwicklungen kann noch in der Kaiserzeit zwischen 1889 und dem Ende des Ersten Weltkriegs identifiziert werden. Zunächst konzentrierten sich die Reformen auf eine Verbreiterung des Versichertenkreises und eine Vereinheitlichung der Rechtsgrundlagen. In dieser Phase wurden aber auch einige wichtige Leistungsausweitungen Gesetz, ohne dass aber das noch sehr bescheidene Leistungs-/Absicherungsniveau insgesamt deutlich verbessert worden wäre.
Rechtsvereinheitlichung und Leistungsausweitungen auf niedrigem Niveau
Beispiele für die Vereinheitlichung des Rechts bzw. die Rechtsanwendung beziehen sich einerseits auf die Absicherung der damaligen besonders prekären Formen atypischer Beschäftigung (Heimarbeiter, Heimgewerbe), mit denen Arbeitgeber versuchten, die Versicherung ihrer Beschäftigten zu umgehen. Vereinheitlichung und Ausweitung des Versichertenkreises beziehen sich aber vor allem auf die Einführung der - ausschließlich beitragsfinanzierten - Rentenversicherung für Angestellte durch die Reichsversicherungsordnung von 1911, die ab 1913 eine Invaliditäts- und Rentenversicherungspflicht der Angestellten einführte.
Während Arbeiter zu diesem Zeitpunkt bereits unbesehen ihres Einkommens versicherungspflichtig waren, wurde für Angestellte eine Pflichtversicherungsgrenze eingeführt. Als Altersgrenze für Angestelltenrenten wurde das 65. Lebensjahr festgelegt − ab 1916 wurde dies auch für Arbeiter die Regelaltersgrenze (auch zur Förderung der Loyalität der Arbeiterbewegung gegenüber dem kriegführenden System).
Eine wesentliche Leistungsausweitung bestand ab 1911/13 in der Einführung einer Hinterbliebenenversicherung (bei Arbeiterwitwen zunächst nur an solche, die selbst erwerbsunfähig waren; bei den Arbeitern erst ab 1927, bei den Angestellten von Anfang an in vollem Umfang).
Währungsreform verstärkt Altersarmut
Bettelnder Kriegsinvalide in Berlin, 1923: Trotz einiger Rentenerhöhungen blieben die Renten gering und konnten mit den Preissteigerungsraten nicht mithalten, ein Problem, das sich in der Nachkriegszeit potenzierte. (© Bundesarchiv, Bild 146-1972-062-01 / Fotograf: o.A.)
Bettelnder Kriegsinvalide in Berlin, 1923: Trotz einiger Rentenerhöhungen blieben die Renten gering und konnten mit den Preissteigerungsraten nicht mithalten, ein Problem, das sich in der Nachkriegszeit potenzierte. (© Bundesarchiv, Bild 146-1972-062-01 / Fotograf: o.A.)
Trotz einiger Rentenerhöhungen, v. a. in der Zeit des Ersten Weltkrieges, blieben die Renten gering und konnten mit den Preissteigerungsraten nicht mithalten, ein Problem, das sich dann in der Nachkriegszeit potenzierte.
Betrachtet man die Zeit der Weimarer Republik, so ragt die Inflationsproblematik als Hauptproblem in den sozialpolitischen Debatten und Maßnahmen heraus − und in Verbindung damit eine dramatische Verschlechterung der Einkommenslage der Rentnerinnen und Rentner. Zunächst war 1921 eine spezielle Sozialrentnerfürsorge eingeführt worden.
Eine wesentliche Verbesserung der Einkommenslage der Rentner wurde jedoch nicht erreicht - im Gegenteil: Die Weltwirtschaftskrise 1931 und der dann dominierende Sparkurs der Politik verschlimmerte die Lage auch und besonders für die Rentner.
Die Rentenversicherung überlebt das Dritte Reich
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten war nicht nur, was oft im Vordergrund steht, eine Zerschlagung der bereits 1889 eingeführten Selbstverwaltung in den Sozialversicherungen verbunden. Die andere wichtige Veränderung betraf die schrittweise (Wieder-)Einführung eines Kapitaldeckungsverfahrens in der Rentenversicherung. Die angesammelten Überschüsse wurden dabei gezielt und konsequent zur Rüstungsfinanzierung verwendet. Ziel war eine Volksversicherung für die "arischen" Bevölkerungsteile, während jüdische Mitbürger, Deportierte, Zwangsarbeiter etc. ihre Ansprüche verloren (und − soweit sie es noch erlebten − von der Bundesrepublik Deutschland z. T. erst sehr spät entschädigt wurden).
Bezogen auf das Leistungsniveau der Renten während des Dritten Reiches kann auch nicht von größeren Leistungsverbesserungen gesprochen werden.