Nach den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (Basis Mikrozensus) lag im Jahr 2017 die Armutsrisikoquote der über 65-Jährigen bei 14,6 Prozent. Dass damit die Quote der Gesamtbevölkerung von 15,8 Prozent noch leicht unterschritten wird, ist nur ein schwacher Trost. Denn es ist immer zu bedenken, "dass für ältere Menschen die Möglichkeiten, eine bereits eingetretene Hilfebedürftigkeit aus eigenen Mitteln und Kräften dauerhaft zu überwinden, sehr begrenzt sind"
QuellentextKampf gegen Altersarmut
Schon im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD vom Dezember 2013 heißt es: "Altersarmut verhindern − Lebensleistung würdigen". Und im Koalitionsvertrag vom März 2018 wird bekräftigt: „Die Rente muss für alle Generationen gerecht und zuverlässig sein. Dazu gehören die Anerkennung der Lebensleistung und ein wirksamer Schutz vor Altersarmut."
Was ist Altersarmut? Maßstäbe, Indikatoren und Messverfahren
Um die Frage nach Existenz und Ausmaß von Altersarmut zu beantworten, muss zunächst definiert werden, was unter Armut verstanden wird. Erst wenn die Armutskriterien benannt worden sind, lässt sich empirisch ermitteln, welche quantitativen Dimensionen Armut im Alter derzeit hat und voraussichtlich in Zukunft aufweisen wird. Diese Kenntnis wiederum ist Voraussetzung für eine Diskussion über Erfordernis und Zielrichtung von Reformstrategien.
Aus der Armutsforschung ist bekannt, dass bei der Suche nach diesen Kriterien nicht auf vermeintliche objektive Merkmale zurückgegriffen werden kann. Da es sich bei der Armut in wohlhabenden Gesellschaften um ein relatives Problem handelt, sind immer normative Entscheidungen notwendig: Entschieden werden muss, ab welchem Maß der Unterschreitung des durchschnittlichen Lebens- und Einkommensstandards der Zustand der Einkommensarmut besteht. Unstrittig ist, dass zur Bestimmung von Einkommensarmut nicht das individuelle, sondern das verfügbare und nach Bedarf gewichtete pro Kopf-Haushaltseinkommen als Maßstab dient.
Struktur der Gesamteinkommen der älteren Bevölkerung, Männer und Frauen 2015 (Interner Link: Grafik zum Download) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Struktur der Gesamteinkommen der älteren Bevölkerung, Männer und Frauen 2015 (Interner Link: Grafik zum Download) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Zu berücksichtigen sind also sämtliche um Abzüge bereinigte Einkommenszuflüsse, die in einem Haushalt zusammenfallen. Gesetzliche Renten, Betriebsrenten, private Leibrenten, Beamtenpensionen, Renten aus Versorgungswerken der freien Berufe, Wohngeld, Kapitaleinkünfte und auch Hinterbliebenenrenten müssen addiert und um Steuern und Beiträge gemindert werden.
Die in aller Regel niedrigen Renten von Ehefrauen sind deshalb nur begrenzt mit Einkommensproblemen bis hin zur Altersarmut verbunden, da die Alterseinkommen, die dem Mann zufließen, meist den Hauptbestandteil des Haushaltseinkommens ausmachen. Allerdings: Die Eigenständigkeit der Alterssicherung von Frauen ist damit nicht gegeben; die Frauen bleiben in ihrem Lebensstandard - in der Erwerbsphase wie in der Altersphase - auf Unterhaltsleistungen ihrer Ehemänner angewiesen (vgl.
Zwei Konzepte
Ob nun ein niedriges Haushaltseinkommen das Kriterium "Armut" erfüllt, hängt entscheidend von der Festlegung der Armutsschwelle ab. Es muss ein Grenzwert bestimmt werden, der "arm" von "nicht arm" unterscheidet. Zwei Vorgehensweisen haben sich in der Armutsforschung etabliert (vgl. Kasten). Zum einen kann Bezug genommen werden auf die empirisch gemessene Einkommensverteilung, aus der dann ein Schwellenwert abgeleitet wird. Zum anderen lässt sich das politisch-institutionell festgelegte Bedarfsniveau der Grundsicherung (SGB XII und SGB II) als Maßstab verstehen. Beiden Vorgehensweisen ist gemeinsam, dass sie nur auf die monetäre Einkommensdimension abstellen (d. h. andere Aspekte wie die Verfügung über private und öffentliche Güter oder soziale Inklusion/Exklusion außer Acht lassen) und dass sie nicht auf Individualeinkommen, sondern auf den Haushalt als Wirtschaftseinheit abstellen.
Zudem existieren verschiedene Datengrundlagen, mit denen man Armut messen kann. Entscheidend ist, ob alle Bevölkerungsgruppen sowie deren verfügbare Haushaltseinkommen repräsentativ erfasst werden und was unter "Einkommen" verstanden wird. Wichtigste Datengrundlagen zur Ermittlung von Armutsrisikoquoten sind in Deutschland neben den Großerhebungen der amtlichen Statistik Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), Mikrozensus (MZ), "Leben in Europa" (EU-SILC) noch das sog. "Sozioökonomische Panel" (SOEP). Da diese Erhebungen Stichproben sind und unterschiedliche Grundgesamtheiten abbilden, kommt es zu statistischen Unsicherheiten und methodischen Ergebnisdifferenzen, so z. B. wenn höhere Einkommen ab 18.000 Euro/Monat in einem Teil dieser Erhebungen gar nicht oder untererfasst werden.
QuellentextZwei Definitionen und Messverfahren von Einkommensarmut
Die beiden wichtigsten Definitionen und Grenzen zur Ermittlung des Bevölkerungsanteils in Armut sind:
Die politisch normative Setzung eines Betrages, der zur Deckung des soziokulturellen Existenzminimums eines Haushalts nötig ist.
Dies ist der Satz der Sozialhilfe bzw. der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (vgl.
Datengrundlage zur Ermittlung von Zahl und Struktur der Bezieher ist die amtliche Sozialhilfestatistik. Arme im Sinne dieser Betrachtungsweise sind dann die Personen, die in Bedarfsgemeinschaften/Haushalten leben, in denen das Einkommen unterhalb dieses Betrages liegt und aufgestockt werden muss.
Die Ableitung einer Einkommenshöhe als Armutsgrenze aus den Daten der Einkommensverteilung.
Diese in der Politik und Wissenschaft üblich gewordene Messung der sog. relativen Armut bezeichnet als Arme diejenigen, die mit ihrem aus dem Haushaltseinkommen abgeleiteten pro-Kopf-Einkommen unterhalb der sog. Armutsrisikoschwelle/-grenze liegen. Diese Schwelle bzw. Grenze wird üblicherweise bei 60 Prozent des Medianeinkommens der Bevölkerung festgesetzt. Der Median in einer Einkommensverteilung ist derjenige Wert, der genau in der Mitte liegt. 50 Prozent der Haushalte haben ein Einkommen über, 50 Prozent eines unterhalb des Medians. Personen in Haushalten mit einem Einkommen unterhalb dieser Grenze gelten als arm; ihr Anteil an der jeweiligen Population ist die Armuts(risiko)quote.
Bei den Einkommen handelt es sich um Nettoäquivalenzeinkommen: Aus dem verfügbaren Haushaltseinkommen werden nach dem Bedarf gewichtete Einkommen berechnet, die berücksichtigen, dass mehrere Personen beim gemeinsamen Wirtschaften Kostenvorteile erzielen. Gemäß der heute üblichen sog. "neuen OECD-Skala" werden dem ersten Haushaltsmitglied ein Punktwert von 1,0, jeder weiteren Person im Haushalt über 14 Jahren 0,5 und jedem Kind unter 14 Jahren 0,3 Punkte zugeordnet. Das gesamte Haushaltsnettoeinkommen dividiert durch die gesamte Punktzahl ergibt dann das so genannte Nettoäquivalenzeinkommen. Diese Nettoäquivalenzeinkommen werden dann mit dem durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommen der Bevölkerung verglichen.
Weitere Armutsdimensionen
Neben den beiden genannten einkommensbezogenen Armutsdefinitionen sind in der Literatur auch weitere Indikatoren gängig, auf die hier aber nur kurz eingegangen werden soll, so z. B. zur materiellen Deprivation und subjektive Bewertungen. Zu ersteren gehören Angaben zur Verbreitung und Defiziten bei Lebensstandardmerkmalen (wie z. B. die Verfügung über WC und Bad/Dusche in der Wohnung, über ein Telefon oder ob man sich z. B. mindestens jeden zweiten Tag eine warme Mahlzeit mit Fleisch, Fisch oder Gemüse leisten könne etc.). Zu letzteren gehören Angaben aus Befragungen, ob man sich (große) Sorgen um die eigene wirtschaftliche Situation mache, ob man mit dem Haushaltseinkommen ganz und gar unzufrieden sei oder ob man glaube, sehr viel weniger als einen gerechten Anteil am Lebensstandard zu erhalten etc.
Insgesamt gesehen schneiden Ältere bei den Kennziffern zur materiellen Deprivation besser ab als Jüngere (vgl.
Bei der subjektiven Bewertung der finanziellen Absicherung in verschiedenen Lebenssituationen zeigte sich in der Befragung zum Sozio-oekonomischen Panel z. B. für Westdeutschland ein klarer und stabiler Einfluss eines niedrigen Einkommens auf das Urteil der Befragten. Die Bewertung der finanziellen Absicherung im Alter ist deutlich schlechter als diejenige im Krankheitsfall und liegt etwa gleichauf mit der Bewertung der Absicherung bei Arbeitslosigkeit. Noch schlechter wird die Absicherung bei Pflegebedürftigkeit bewertet. Insgesamt urteilen ab 65-Jährige im Durchschnitt zwar bei der Absicherung im Alter positiver als alle ab 18-Jährigen. Besonders negativ fällt aber das Urteil bei den Befragten im Armutsrisiko aus.
Bevölkerungsanteil mit Sorgen im persönlichen Leben (Interner Link: Grafik zum Download) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Bezieht man solche subjektiven Indikatoren mit ein, wofür sehr viel spricht, so ist zunächst der folgende deutschlandweite Befund aus einer repräsentativen Umfrage bei ab 18-Jährigen aus dem Jahr 2012 besonders beachtenswert. Befragt nach den Sorgen im persönlichen Leben rangieren zwei Befürchtungen mit Anstand an erster Stelle (vgl. Abbildung "Bevölkerungsanteile mit Sorgen im persönlichen Leben"). Dies sind erstens die Angst, im Alter pflegebedürftig zu werden und zweitens die Furcht vor einer unzureichenden finanziellen Altersversorgung. Andere Ängste wie die vor einer schweren Erkrankung oder Arbeitslosigkeit, diejenige Opfer einer Straftat oder eines Anschlags zu werden, sind dagegen deutlich weniger verbreitet.
In einer Umfrage unter 30- bis 59-Jährigen ermittelte das Institut für Demoskopie Allensbach im Jahr 2016 für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (2016), dass aus einer längeren Liste von Zukunftssorgen die Angst "Dass meine Rente unsicher ist, bzw. dass ich meinen Lebensstandard nicht halten kann" von 60 Prozent der Befragten geteilt wird. Das ist der dritthöchste Anteil nach der Sorge, selbst gesundheitliche Probleme zu bekommen (65 %) und der Angst, dass dem Partner, den Kindern oder anderen engen Familienangehörigen etwas zustößt (61 %).
Erwartungen und Erfahrungen positiver Veränderungen im Ruhestand (Interner Link: Grafik zum Download) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Derartige Befunde korrespondieren mit einem Ergebnis, das sich in verschiedensten Befragungen von älteren Personen bzw. Beschäftigten in Betrieben findet
Es verwundert daher beispielsweise auch nicht, dass in einer europaweiten Vergleichsstudie vom Jahr 2016 fast die Hälfte (47 %) der Befragten ab 18 Jahre in Deutschland angeben, sich Sorgen um ein ausreichendes Einkommen im Alter machen
Altersarmut und Grundsicherung
Wird Einkommensarmut im Alter am Grundsicherungsstandard (Grundsicherung im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung) gemessen, bleibt strittig, ob die Angewiesenheit auf (in der Regel aufstockende) Grundsicherungsleistungen Ausdruck von Armut oder nur von erfolgreich "bekämpfter" Armut ist.
Diese Frage ist nicht ohne die Setzung von Wertmaßstäben zu klären. Denn eine pauschale Gleichsetzung des Bezugs von Grundsicherung auf der einen und Armut auf der anderen Seite ist unangemessen, da jede Erhöhung des Leistungsniveaus zu einer Erhöhung der Armut und eine Absenkung des Niveaus zu einer Absenkung der Armut führen würde. Entscheidend kommt es deshalb darauf an, ob die Höhe der Grundsicherung als ausreichend angesehen wird, um das sozio-kulturelle Existenzminimum zu sichern.
Die andauernde Debatte um die verfassungsrechtliche Angemessenheit einer aus dem sog. Statistik-Modell ermittelten Höhe des Regelbedarfs weist darauf hin, wie vage und ergebnisoffen das aktuell angewendete Verfahren ist. Letztlich spielen hierbei gerade auch Budgetüberlegungen der politischen Entscheidungsträger eine zentrale Rolle.
Der Grundsicherungsstandard kennt keinen exakten Grenzwert. Zwar sind die Regelbedarfe bundeseinheitlich festgelegt, aber die anerkannten Kosten der Unterkunft (Warmmiete) variieren erheblich zwischen den Bundesländern, zwischen Stadt und Land und auch zwischen den Stadtteilen und den Wohnungsstandards. Zusätzlich können Mehrbedarfe anfallen, so dass es sich beim Grundsicherungsstandard um ein vergleichsweise breites Band unterschiedlicher Grundsicherungsniveaus handelt.
Diese Berücksichtigung unterschiedlicher, lebenslagespezifischer Gegebenheiten reflektiert, dass ein exakter, für die gesamte Bevölkerung geltender Grenzwert der (Alters-)Armut kaum problemangemessen ist. Gerade bei älteren Menschen treten aufgrund des schlechter werdenden Gesundheitszustandes auch häufig besondere Bedarfe und Kosten auf, die nicht einfach vernachlässigt werden können.
Auch haben ältere Menschen kaum noch eine Chance, ihre Einkommenshöhe aktiv zu gestalten - wenn man von dem problematischen Weg absieht, Einkommensarmut durch die Weiterführung einer Beschäftigung auch über das Rentenalter hinaus zu vermeiden - bis hin zur vollständigen körperlichen Erschöpfung (vgl.
Grundsicherung im Alter: Strukturen und Trends
Hinsichtlich der Inanspruchnahme der Grundsicherung im Alter lassen sich folgende Befunde zusammenfassen (vgl.
Die Zahl der Leistungsempfänger steigt seit 2003 (dem Jahr der Einführung der Grundsicherung im Rahmen des SGB XII) kontinuierlich an, zunächst stark, ab 2008 abgeflacht und umfasst im Jahr 2017 etwa 1.000.000 Personen.
Die Leistungsempfänger untergliedern sich etwa je zur Hälfte in Ältere (65 Jahre und älter) und in voll Erwerbsgeminderte.
Beim Grundsicherungsbezug werden andere Einkommen wie vor allem eigene und abgeleitete Renten und Wohngeld vorrangig angerechnet, so dass in aller Regel nicht der volle Bedarfssatz zur Auszahlung kommt, sondern die Grundsicherung nur eine Aufstockungsfunktion wahrnimmt.
Immerhin ein Viertel aller älteren Grundsicherungsempfänger verfügen aber über keinerlei anzurechnendes Einkommen. Hier dürfte es sich vor allem um AusländerInnen und vormalige Selbstständige handeln, die keine Rentenanwartschaften erworben haben bzw. erwerben konnten oder wollten und auch ansonsten kein anderes Einkommen aufweisen. Zwei Drittel verfügen über eine eigene, allerdings zu geringe Altersrente.
Setzt man die Zahlen der Grundsicherungsempfänger ins Verhältnis zur entsprechenden Bevölkerung, so errechnen sich lediglich geringe Empfängerquoten: Im Jahr 2017 müssen insgesamt nur 3,1 Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre (Männer 3,0; Frauen 3,2 Prozent) auf die Grundsicherung zurückgreifen (vgl.
Mehrere Ursachen hierfür sind zu beachten:
Die am durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommen bemessene relative Armutsgrenze (60% vom Median = Armutsrisikoschwelle) liegt deutlich über dem Bedarfsniveau der Grundsicherung. So beziffern die statistischen Ämter des Bundes und der Länder den 60 Prozentwert vom Median für einen Einpersonenhaushalt für das Jahr 2017 auf 999 Euro. Im selben Jahr liegt der durchschnittliche Grundsicherungsbetrag (Regelbedarf und durchschnittliche Kosten der Unterkunft) für eine Einzelperson bei etwa 750 Euro. Relativ viele Einkommen von Älteren befinden sich im Bereich zwischen dem Existenzminimum der Grundsicherung und der etwas höheren Armutsrisikoschwelle (vgl. unten).
Bei der an der Einkommensverteilung gemessenen relativen Armutsbetroffenheit bleiben Vermögensbestände (nicht aber Vermögenserträge) unberücksichtigt, während bei der Grundsicherung verwertbares Vermögen der Betroffenen (und des Partners bzw. der Partnerin) vorrangig eingesetzt werden muss.
Die Grundsicherungsstatistik erfasst als Prozessstatistik naturgemäß nur jene, die tatsächlich einen Antrag stellen und diesen bewilligt erhalten. Aus der Armuts- und Sozialhilfeforschung ist aber bekannt, dass ein erheblicher Teil der Bezugsberechtigten von dem Recht auf aufstockende Grundsicherungsleistungen keinen Gebrauch macht. Zwar war es Ziel der 2003 neu eingeführten Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, den Zustand einer verdeckten Altersarmut zu vermeiden, dies insbesondere durch den weitgehenden Verzicht auf den Rückgriff auf das Einkommen und Vermögen der Kinder. Aber offensichtlich ist Nicht-Inanspruchnahme aus Gründen von Scham, Scheu oder fehlenden Informationen weiterhin − und gerade bei Älteren − ein Problem.
Es ist daher unzulänglich, sich bei Aussagen zur Verbreitung von (Alters-)Armut nur allein auf die Empfängerquoten der Leistungen des Fürsorgesystems − die "bekämpfte Armut" − zu beziehen, wie es z. B. der Sachverständigenrat (2008, S. 378) oder die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände machen, wenn etwa letztgenannte auf dieser Basis schreibt: "Altersarmut ist in Deutschland erfreulicherweise selten" (BDA 2008, S. 1). Dazu sind die Befunde der relativen Armutsmessung zu eindeutig und dazu ist diese Indikatorik auf nationaler wie internationaler Ebene zu elaboriert und vor allem − nicht nur in der Wissenschaft sondern auch in der Politik − zu etabliert. (vgl. relatives Armutsmaß: Armutsrisikoquoten)
Relatives Armutsmaß: Armutsrisikoquoten
Armut ist immer relativ - zum Wohlstandsniveau der jeweiligen Gesamtpopulation. Als Standard in der Politik wie in der Wissenschaft gilt dabei, wenn es um die Messung der Bevölkerungsanteile in Armut (bzw. im Armutsrisiko) geht, die zwischen den EU-Mitgliedsstaaten vereinbarte Definition des relativen Armutsrisikos, die vorrangig mit dem Indikator der Armutsrisikoquote abgebildet wird. Sie ist definiert als Anteil der Personen in Haushalten, deren bedarfsgewichtetes Nettoäquivalenzeinkommen weniger als 60 Prozent des Mittelwertes (Median) aller Einkommen der jeweiligen Gesamt- oder Teilpopulationen beträgt.
Wenn es um die empirische Erfassung einer so definierten Armuts- bzw. Altersarmutsquote geht, zeigt sich, − hier für das Jahr 2013 dargestellt, in dem zuletzt Zahlen aus den vier wichtigsten Erhebungen vorliegen − dass die Befunde je nach Datenquelle leicht differieren (vgl. Tabelle "Armutsrisikoquoten nach verschiedenen Datenquellen"). Ursache ist, neben dem statistischen Unsicherheitsbereich bei Stichproben, die leicht unterschiedliche Definition der Grundgesamtheit bei den betrachteten Repräsentativerhebungen.