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Rentenversicherung im Detail: Rentenberechnung, Rentenanpassung, Rentenhöhe Rentenpolitik kompakt

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 6 Minuten zu lesen

Wie sehen die wesentlichen Grundzüge der Berechnung einer neuen Rente für die in den Ruhestand gehenden Versicherten aus? Weiterhin wird die "Rentenanpassungsformel" erläutert, der entsprechend die bestehenden Renten jährlich angepasst werden. Wie hoch sind die Rentenzahlbeträge und wie haben sie sich in der jüngeren Vergangenheit entwickelt?

Die Rentenformel dient zur Berechnung der Höhe einer jeden Rente aus drei bzw. vier Faktoren. (© picture alliance / blickwinkel/McPHOTOs)

Rentenformel

Da die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung beitrags- und leistungsbezogen sind, also dem Äquivalenzprinzip folgen, unterscheiden sie sich je nach Einzelfall in ihrer Höhe. Grundsätzlich bestimmen zwei Faktoren die Höhe und damit die Sicherungsqualität der Rente: Die Relation des beitragspflichtigen Arbeitseinkommens, das die/der Versicherte im Verlauf des gesamten Arbeitslebens erzielt hat, im Verhältnis zum jeweiligen Durchschnittseinkommen aller Versicherten und die Dauer der versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit. Je höher das zurückliegende beitragspflichtige Arbeitseinkommen und je länger die Versicherungs- und damit Beitragszahlungsdauer, desto höher fällt die individuelle Rente aus. Bei einem geringen Verdienst und/oder wenigen Beitragsjahren kann die Rente nur wenige Euro betragen, umgekehrt errechnet sich für Arbeitnehmer in einer guten Einkommensposition, die zudem noch langjährig versichert waren, eine höhere Rente. Relevant für die individuelle Rentenberechnung ist also die lebensdurchschnittliche Einkommensposition des Versicherten während seiner gesamten Erwerbsbiographie. Diese bestimmt zugleich seine Position in der "Rentenhierarchie" und wird in "Entgeltpunkten" ausgedrückt. Ein Entgeltpunkt von 1,0 in einem Versicherungsjahr bedeutet, dass der/die Beschäftigte genau im Durchschnitt verdient hat. Bei einem Entgeltpunkt von 0,5 hat der/die Beschäftigte hingegen nur die Hälfte des Durchschnitts verdient.

Über die absolute, in Euro gemessene Rentenhöhe sagt die Summe der persönlichen Entgeltpunkte noch nichts aus. Um einen Zahlbetrag zu erhalten, muss diese relative Größe mit einer absoluten, in Euro bezifferten Größe verknüpft werden. In die Rentenberechnung wird deshalb ein Euro-Betrag eingeführt, der die aktuelle Lohn- und Gehaltssituation aller versicherungspflichtig Beschäftigten wiedergeben soll. Er wird im Prinzip jährlich neu ermittelt, so dass stets ein bestimmtes Verhältnis zwischen den Renten und den Einkommen der Erwerbstätigen garantiert ist. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Rentenanwartschaften aus den zurückliegenden Jahren nicht ständig an Wert verlieren. Dieser Betrag ist der aktuelle Rentenwert (aRW). Er gibt an, wie viel ein Entgeltpunkt in Euro pro Monat "wert" ist.

Die Rentenformel zur Berechnung einer monatlichen Bruttorente

Entgeltpunkte (EP) x Zugangsfaktor (ZF) = Summe der persönlichen Entgeltpunkte (pEp)
x Rentenartfaktor (RaF)
x aktueller Rentenwert (aRw) = monatliche Bruttorente

Der Zugangsfaktor berücksichtigt die Ab- bzw. Zuschläge wegen vorzeitigen bzw. späteren Renteneintritts.

Der Rentenfaktor beträgt:

  • 1 bei Altersrenten und Renten wegen voller Erwerbsminderung sowie Erziehungsrenten

  • 0,5 bei Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung

  • 0,55 bei einer großen Witwen-/Witwerrente (60 % bei Übergangsfällen)

  • 0,25 bei einer kleinen Witwen-/Witwerrente

  • 0,2 bei einer Vollwaisenrente

  • 0,1 bei einer Halbwaisenrente

Auf dieser Grundlage lässt sich die Höhe einer Monatsrente leicht berechnen. Bei 40 Entgeltpunkten und einem aktuellen Rentenwert von 37,60 Euro (2. Halbjahr 2023/alte Bundesländer) kommt es zu einer Rente von 40 x 1 x 1 x 37,60 Euro = 1.504 Euro. Es handelt sich hierbei um Bruttobeträge. Auch Rentnerinnen und Rentner müssen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entrichten. Die sich aus der Rentenformel errechnenden Bruttorenten sind daher von den Nettorenten zu unterscheiden.

Rentenanpassung

Angesichts eines steigenden Preisniveaus würde eine einmal errechnete und nicht mehr angepasste Rente im Laufe der Jahre ihren Wert verlieren; die Kaufkraft der Renten würde sinken und damit auch der Lebensstandard der Rentner. Durch die jährliche Anpassung der Rente an die Lohnentwicklung wird dieses Problem vermieden. Jährlich – üblicherweise zur Jahresmitte − wird deshalb der aktuelle Rentenwert nach der Rentenanpassungsformel neu berechnet. Da jede einzelne Rente durch die Multiplikation der Entgeltpunkte mit dem aktuellen Rentenwert ermittelt wird, führt die Erhöhung des aktuellen Rentenwerts zu einer entsprechenden Erhöhung aller Renten. Nicht nur die neu zugehenden Renten, sondern auch die sogenannten Bestandsrenten werden von der Erhöhung des aktuellen Rentenwerts erfasst.

Die Ausgestaltung der jährlichen Rentenanpassungen an die allgemeine Lohnentwicklung hat in den zurückliegenden Jahren mehrfache Veränderungen erfahren. Stets ging es dabei um die Frage, welche konkrete Maßgröße bei der Lohnentwicklung als Maßstab für die Anpassung dienen soll. Es gab immer wieder Jahre, in denen diese Anpassung ausgesetzt wurde, um Finanzierungsproblemen in der gesetzlichen Rentenversicherung zu begegnen und Beitragssatzanhebungen zu vermeiden.

Durch die Riester-Reformen kam es zu einer grundlegenden Veränderung der Rentenanpassungsformel. Die Anhebungen des Beitragssatzes zur Rentenversicherung sowie der private Beitrag für die staatlich geförderte zusätzliche Altersvorsorge (Riester-Faktor) führen zu einer Anpassungsminderung. Mit der Rentenreform 2005 wurde zusätzlich ein "Nachhaltigkeitsfaktor" in die − höchst komplizierte (und daher hier nicht wiedergegebene) − Rentenanpassungsformel eingebaut. Dadurch wird auch die Entwicklung des zahlenmäßigen Verhältnisses von Rentenbeziehern und versicherungspflichtig Beschäftigten anpassungsmindernd berücksichtigt. Sinkt dieses Verhältnis − wie aus demografischen Gründen zu erwarten − fallen die Rentenerhöhungen niedriger aus.

Für das Verständnis der veränderten Rentenanpassung sind nicht die Details der Formel entscheidend. Wichtig ist hingegen das Ergebnis: Die Rentenerhöhungen werden mehr und mehr abgebremst und von den Einkommenszuwächsen der Aktiven abgekoppelt. Grundlegendes Ziel ist es dabei, die demografisch bedingte Erhöhung des Beitragssatzes zu begrenzen. Als Maxime der Rentenpolitik seit 2001 gilt die Maßgabe, den Beitragssatz bis zum Jahr 2025 unter 20 Prozent und bis 2030 unter 22 Prozent zu halten. Das bisherige Verständnis, durch die Anpassung der Einnahmen sicherzustellen, dass das Sicherungsziel (Lebensstandardsicherung) erreicht wird, ist durch den Grundsatz einer "einnahmeorientierten Ausgabenpolitik" abgelöst worden: Die vorgegebenen Einnahmen, d.h. die fixierten Beitragssätze, begrenzen die Ausgaben und erzwingen eine Veränderung des Sicherungsziels.

Rentenniveau

Diese Dämpfung der Anpassungsdynamik führt zu einem kontinuierlichen Absinken des Leistungsniveaus der Rentenversicherung, ausgedrückt im Rentenniveau. Das Rentenniveau beruht auf einer Modellrechnung und gibt das Verhältnis von Renten zu den Arbeitnehmereinkommen wieder. So kann z.B. die Rente eines Durchschnittsverdieners mit 45 Versicherungsjahren (das ist der sog. Standardrentner) mit dem durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen verglichen werden. Verglichen werden beim Rentenniveau Nettogrößen. Da aber die Besteuerung der Renten nach Zugangsjahren variiert, also von keiner für alle Rentner gleichen Steuerbelastung ausgegangen werden kann, werden die Nettogrößen vor Steuern, aber nach Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen einander gegenübergestellt.

Diese Nettostandardrente vor Steuern weist seit Jahren nach unten. Sie lag 2000 noch bei 52,9 Prozent und wird nach den Vorausberechnungen der Bundesregierung und entsprechend den Zielen der Alterssicherungspolitik weiter absinken − bis 2035 auf 45,1 Prozent. Dieser "Fall nach unten“ soll durch ein Mindestniveau von 48 Prozent bzw. 43 Prozent, das bis zum Jahr 2025 bzw. 2030 nicht unterschritten werden soll, begrenzt werden (Haltelinie/Niveausicherungsklausel). Diese Klausel greift jedoch nur bis zum Jahr 2030, in den Jahren danach ist ein weiterer Rückgang des Rentenniveaus aber vorprogrammiert. Allerdings hat die Ampel-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, dass diese Haltelinie auch über 2025 hinaus bei 48 Prozent gehalten werden soll.

Höhe der Renten

Wie aus der Übersichtstabelle zu entnehmen ist, fällt die Höhe der Nettorenten − in Abhängigkeit von der Länge der rentenrechtlichen Zeiten und der Einkommenshöhe − sehr unterschiedlich aus. Eine nur geringe Zahl von rentenrechtlichen Zeiten (Beitragszeiten und beitragsfreie Zeiten) kann mehrere Ursachen haben, so vor allem ein später Erwerbseintritt und/oder ein früher Erwerbsaustritt, lange Ausbildungs- und Weiterbildungszeiten, lange Phasen der Arbeitslosigkeit, insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit, unterbrochene oder frühzeitig beendete Erwerbsbiografien vor allem wegen längerer Kindererziehungs-, Familien- und Pflegephasen, ein beruflicher Statuswechsel und ein entsprechender Wechsel in ein anderes Alterssicherungssystem (Beamtenversorgung, berufsständische Versorgung, private Vorsorge). Die Ursache für niedrige Entgeltpunkte je Jahr kann vor allem bei Niedriglöhnen und Teilzeitarbeit liegen. Viele dieser Einflussfaktoren können sich überlagern und verstärken. Wie oben beschrieben, kann eine niedrige Rente ein Indiz für ein Einkommensproblem sein, muss es aber nicht, da niedrige Renten durch hohe Versorgungsansprüche aus anderen Systemen und andere Alterseinkommen ergänzt werden können. Anders herum muss eine vergleichsweise hohe gesetzliche Rente kein Indiz für eine gute Versorgungslage sein, wenn diese die einzige Einkommensquelle im Alter ist und keine ergänzenden Ansprüche aus anderen Systemen (betriebliche und private Vorsorge) vorhanden sind.

Angesichts der großen Spannweite bei der Höhe individueller Renten und der Vielschichtigkeit ihrer Bestimmungsgründe hat der Verweis auf die Höhe der Durchschnittsrenten nur eine begrenzte Aussagekraft. Der Ausweis von Durchschnittsrenten ist aber dann sinnvoll, wenn zwischen Rentenarten, dem Geschlecht und Regionen unterschieden wird. Für die alten Länder gilt, dass Frauen wesentlich niedrigere Renten erzielen als Männer. Das liegt vor allem an ihren kürzeren Beitragszeiten und niedrigeren Löhnen. Besonders hoch sind die durchschnittlichen Zahlbeträge bei den Altersrenten mit 63 Jahren (für langjährig und besonders langjährig Versicherte). Dafür gibt es zwei Gründe: Diese Rentenarten können nur in Anspruch genommen werden, wenn lange Versicherungszeiten vorliegen. Lange Versicherungszeiten gehen wiederum häufig mit einer mittleren oder höheren Einkommensposition einher. Einen differenzierteren Einblick über die Höhe der Renten gewinnt man, wenn aufgeschlüsselt wird, wie sich die Zahlbeträge der einzelnen Renten in ihrer Höhe verteilen: Wie hoch ist der Anteil der Niedrigrenten? Welche Bedeutung haben höhere Renten? Die Befunde sind eindeutig und wenig überraschend: Frauen beziehen viel häufiger sehr niedrige Renten als Männer.

Auf einen Blick: Rentenberechnung, Rentenanpassung, Rentenhöhe

Stand: 2021/2022

Mehr als 40 Versicherungsjahre (West)
Männer74,9 %
Frauen30,5 %
Höhe des aktuellen Rentenwerts
(2023, 2. Halbjahr)
37,60 Euro
Rentenanpassung 2023 (alte Bundesländer)4,39 %
Höhe der Nettostandardrente vor Steuern (West) 45 Entgeltpunkte1.500 Euro
Nettorentenniveau vor Steuern48,2 %
Durchschnittliche Höhe der Altersrenten (West)
Männer1.279 Euro
Frauen789 Euro
Rentenschichtung/Versichertenrenten (West)
weniger als 600 Euro (Männer/Frauen)18,1% / 31,8 %
mehr als 1.500 Euro (Männer/Frauen)37,3 % / 9,0 %

Weitere Inhalte

Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee, verstorben 2021, war Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.