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Leistungen und Finanzierung der Rentenversicherung | Rentenpolitik | bpb.de

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Leistungen und Finanzierung der Rentenversicherung Rentenpolitik kompakt

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 4 Minuten zu lesen

Finanziert werden die Rentenzahlungen durch Beiträge der Versicherten, der Arbeitgeber und Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt. Die Rentenberechnung berücksichtigt auch Kindererziehungszeiten. Unter welchen Voraussetzungen können Erwerbsgeminderte eine Erwerbsminderungsrente bekommen? Haben Witwen, Witwer und Waisen Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente?

Gehbehinderte Menschen üben den Einstieg in den Bus. Erst bei einer Restleistungsfähigkeit von unter drei Stunden Arbeitszeit täglich wird eine volle Erwerbsminderungsrente gewährt. (© picture-alliance/dpa)

Altersrenten und Altersgrenzen

Der Anspruch auf eine Altersrente ist an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (sog. Wartezeiten) und an das Erreichen von Altersgrenzen geknüpft. Der Eintritt des Versicherungsfalls ist also unabhängig von der tatsächlichen Erwerbsfähigkeit des betreffenden Versicherten. Vielmehr wird eine Weiterarbeit zwar nicht ausgeschlossen, aber auch nicht mehr zugemutet. Betrachtet man die Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung, so bildete seit 1916 in der Arbeiterrenten- und bereits seit 1912 in der Angestelltenrentenversicherung das 65. Lebensjahr grundsätzlich die für alle gültige Regelaltersgrenze.

Diese Regelaltersgrenze wird seit Beginn des Jahres 2012 schrittweise auf das 67. Lebensjahr heraufgesetzt: Es besteht jedoch die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen bereits vorzeitig eine Rente zu beziehen. Dies betrifft Schwerbehinderte (ebenfalls schrittweise Anhebung von 60 auf 62 Jahre) sowie sogenannte langjährig Versicherte (63 Jahre) und besonders langjährig Versicherte (63 bzw. 65 Jahre). Bei einem vorzeitigen Rentenbeginn werden die Renten durch Abschläge (0,3 Prozent je vorgezogenem Monat) gekürzt. Eine Verschiebung des Rentenbezugs und eine Weiterarbeit auch über die Regelaltersgrenze hinaus sind durch das Rentenrecht ausdrücklich vorgesehen. Für jeden über die Regelaltersgrenze hinaus (bis maximal zwei Jahre) versicherungspflichtig länger gearbeiteten Monat wird ein monatlicher Rentenzuschlag von 0,5 Prozent gezahlt. Neben dem Bezug einer Altersrente kann weiterhin einer Erwerbsarbeit nachgegangen werden. Dieser Hinzuverdienst ist bei vorgezogenen Altersrenten durch Hinzuverdienstgrenzen limitiert; ab Erreichen der Regelaltersgrenze aber uneingeschränkt möglich.

Erwerbsminderungsrenten

Rentenzahlungen aufgrund von Erwerbsminderung gliedern sich in Renten wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Entscheidend dafür ist der Zeitumfang, in dem eine Tätigkeit noch ausgeübt werden kann. Wer weniger als sechs Stunden (aber mindestens drei Stunden) täglich arbeitsfähig ist, erhält eine teilweise Erwerbsminderungsrente. Bei einer Restleistungsfähigkeit von unter drei Stunden wird eine volle Erwerbsminderungsrente gewährt. Erwerbsminderungsrenten und Rehabilitation stehen dabei in einem unmittelbaren Zusammenhang. Nach dem Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" geht es darum, Heilbehandlungen für Erwerbsgeminderte bzw. von Erwerbsminderung bedrohte Versicherte zu übernehmen, um ihre Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen oder zu erhalten. Zur Beurteilung der Schwere der Erkrankung erfolgt eine ärztliche Prüfung. Im Rahmen des Antragsverfahrens (auf Basis ärztlicher Gutachten und Unterlagen, auch z. B. von der Krankenkasse) wird seitens eines Amtsarztes zu allererst geprüft, ob durch Maßnahmen der medizinischen und/oder beruflichen Rehabilitation die Erwerbsfähigkeit wiederhergestellt oder zumindest verbessert werden kann.

Hinterbliebenenrenten

Die Berufstätigkeit von Frauen, gerade von Ehefrauen und Müttern, nimmt seit Jahren zu. Das traditionelle Modell der Hausfrauen- und Versorgerehe, bei dem die Frau sich ausschließlich um den Haushalt und die Kindererziehung kümmert und kein eigenes Einkommen hat, dominiert heute nicht mehr. Aber von der Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt sind wir noch weit entfernt. Der Mann ist immer noch hauptzuständig für den Einkommenserwerb, die Frau verdient deutlich weniger und ergänzt − häufig auf der Basis von Teilzeitarbeit − das Familieneinkommen. Entfällt durch den Tod des Mannes sein Einkommen oder seine Rente, geraten die Familienangehörigen, die Ehefrau und die Kinder, in eine existentielle Notlage. Diese Lücke füllt die Hinterbliebenenrente. Hinterbliebenenrenten werden an Waisen, Witwen oder Witwer gezahlt.

Kindererziehungszeiten

Die Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung – eingeführt ab 1986 – erfolgt in dem grundsätzlich an der Erwerbstätigkeit (mit Beiträgen) orientierten Versicherungssystem durch vom Staat gezahlte Beiträge. Als Kindererziehungszeiten gelten die Zeiten der Erziehung eines Kindes in den ersten drei Lebensjahren nach der Geburt für Kinder, die ab 1992 geboren wurden. Für vor 1992 geborene wurden lange Jahre nur 12 Monate anerkannt. Durch die Rentenreform seit 2014 ("Mütterrente") ist diese Zeit auf 30 Monate verlängert worden.

Finanzierung

Die Gesetzliche Rentenversicherung verfügt über eine eigene Finanzhoheit. Das heißt, sie führt einen eigenständigen Haushalt, der nicht Teil des Bundeshaushalts ist, sondern getrennt von diesem ist. Die Finanzierung erfolgt über Beiträge und ergänzende Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt. Beiträge und Zuschüsse fließen in den Haushalt der Rentenversicherung und unterliegen dabei einer strengen Zweckbindung. Der Beitragssatz wird im Gesetzgebungsverfahren festgelegt und liegt 2023 bei 18,6 Prozent. Die Beitragszahlung wird je zur Hälfte von den Versicherten und ihren Arbeitgebern übernommen (paritätische Finanzierung). Allerdings unterliegen Einkommensbestandteile, die eine obere Grenze (Beitragsbemessungsgrenze) überschreiten, keiner Beitragspflicht.

Neben den Beiträgen finanziert sich die Gesetzliche Rentenversicherung durch Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt, die aus dem allgemeinen Steueraufkommen getragen werden. Damit sollen die allgemeinen gesellschaftspolitischen Aufgaben der Rentenversicherung finanziert und der Verantwortung des Bundes für die Stabilität dieses wichtigsten Sozialversicherungszweiges Rechnung getragen werden.

Ausgaben

Im Sozialleistungssystem ist die Gesetzliche Rentenversicherung der mit Abstand größte Leistungsträger. Dabei dominieren die Ausgaben für die Versicherten- und Hinterbliebenenrenten. Die Verwaltungs- und Verfahrenskosten haben bei der GRV eine nur geringe Bedeutung (1,4 %); im Unterschied zur privaten Lebens- und Rentenversicherung arbeitet die GRV äußerst "kostengünstig". 

Auf einen Blick: Leistungen und Finanzierung der Rentenversicherung

Stand: 2021/2022

Zahl der Rentenzugänge (Versichertenrenten)1.300.000
Anteil (2022) der Rentenzugänge an allen Zugängen
Altersrenten84,2 %
Erwerbsminderungsrenten15,8 %
Renten im Rentenbestand25,9 Mio.
Altersrenten18,6 Mio.
Hinterbliebenenrenten5,5 Mio.
Erwerbsminderungsrenten1,8 Mio.
Regelaltersgrenze Schrittweise Heraufsetzung
auf 67 Jahre
202366 Jahre
Vorgezogene Altersgrenzen
Langjährig Versicherte (Wartezeit 35 Jahre) mit Abschlägen63 Jahre
Besonders langjährige Versicherte (Wartezeit 45 Jahre) ohne Abschläge65 Jahre
(vorübergehend ab 63 Jahren, ansteigend; 2024: 64 Jahre)
Schwerbehinderte abschlagsfreiSchrittweise Heraufsetzung von 63 auf 65 Jahre
Schwerbehinderte mit AbschlägenSchrittweise Heraufsetzung von 60 auf 62 Jahre
Rentenabschläge in % der RentenzugängeFrauenMänner
Ost42,4 %26,3 %
West26,0 %20,8 %
Rentenausgaben (ohne Knappschaft)353,9 Mrd. Euro
Anteile der Rentenarten an den Rentenausgaben
Altersrenten78,4 %
Hinterbliebenenrenten14,8 %
Erwerbsminderungsrenten6,8 %
Gesamtausgaben der Gesetzlichen Rentenversicherung
in % aller Sozialleistungen29,7 %
in % des Sozialprodukts9,4 %
Beitragssatz 202318,6 %
Bundeszuschuss zur Rentenversicherung
in Euro81 Mrd. Euro
in % der Rentenausgaben22,8 %
Rücklagen in Monatsausgaben1,7

Weitere Inhalte

Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee, verstorben 2021, war Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.