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Betriebliche und private Altersvorsorge | Rentenpolitik | bpb.de

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Betriebliche und private Altersvorsorge

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 9 Minuten zu lesen

Im Mittelpunkt der Rentenreformen im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts steht ein Paradigmenwechsel, der auf eine Reduzierung der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung und auf einen Ausbau der betrieblichen und privaten Vorsorge hinausläuft. Wie funktionieren diese Formen der Absicherung und welche Risiken haben sie?

Ein Skelett mit einem Schild "Ich brauche keine Betriebsrente mehr" wird am 26.03.2015 in Kiel (Schleswig-Holstein) während eines Warnstreiks von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes geschoben. (© picture-alliance/dpa)

Die umlagefinanzierte Alterssicherung soll partiell durch (geförderte) kapitalmarktabhängige Alterssicherung ersetzt werden. Betriebliche und private Alterssicherung dienen also nicht mehr nur der Ergänzung der umlagefinanzierten Alterssicherung. Private und betriebliche Vorsorge werden durch das sinkende Leistungsniveau in der Rentenversicherung notwendig, um im Alter annähernd die Absicherung zu erreichen, die sonst durch die Rentenversicherung zu erwarten war.

Betriebliche Altersversorgung

Die betriebliche Altersversorgung hat bislang nie den Stellenwert einer umfassenden, zur Lebensstandsicherung ausreichenden Alterssicherung gehabt. Ihre Aufgabe war es, als freiwillige betriebliche Sozialleistung die Leistungen der Rentenversicherung aufzustocken − nicht für die Gesamtzahl der Beschäftigten, sondern für die Beschäftigten einzelner Betriebe − in der Regel Großbetriebe. Seit der Riester-Reform hat die betriebliche Altersversorgung ein verändertes, erweitertes Sicherungsziel: Die Leistungen sollen gemeinsam mit der privaten Vorsorge einen Ausgleich für die sinkenden Renten darstellen und werden durch Entlastungen bei den Steuer- und Beitragsabzügen oder durch Zuwendungen gefördert, um einen möglichst großen Verbreitungsgrad zu erreichen. Die betriebliche Altersversorgung beruht zwar nach wie vor auf dem Grundsatz der Freiwilligkeit, das Unternehmen entscheidet, ob die Mitarbeiter eine betriebliche Altersversorgung erhalten. Seit 2002 haben die Beschäftigten allerdings gegenüber dem Unternehmen das Recht auf den Aufbau einer Betriebsrente, soweit sie die Finanzierung durch eine Entgeltumwandlung selbst übernehmen.

Ausgestaltungsformen der Betriebsrenten

Die privatrechtliche Grundlage der betrieblichen Altersvorsorge führt dazu, dass nicht von "der" Betriebsrente gesprochen werden kann. Im Unterschied zur gesetzlichen Rentenversicherung, bei der das Leistungs- und Finanzierungsrecht exakt festgelegt ist, ergeben sich vielfältige Ausgestaltungsformen. Dies betrifft nicht nur die Frage, welche Beschäftigten in welchen Betrieben und Branchen Ansprüche erwerben, sondern auch die Art der abgedeckten Risiken (Alter, Erwerbsminderung, Tod), die Anspruchsvoraussetzungen sowie die Höhe der Rente und das Verfahren ihrer Berechnung und Anpassung. Schließlich gibt es verschiedene Organisationsformen der betrieblichen Altersvorsorge, die wiederum mit je spezifischen steuer- und beitragsrechtlichen Vorschriften verbunden sind.

Das Charakteristikum der betrieblichen Altersversorgung, die Bindung der Leistung an ein Arbeitsverhältnis und an einen Betrieb, führt zu einer Reihe von Problemen, die die Reichweite und Tragfähigkeit dieser Art der Alterssicherung einschränken: Da die betriebliche Altersvorsorge auf dem Kapitaldeckungsverfahren beruht, hängt die Leistungshöhe der Betriebsrente und ihre Anpassung an die Einkommens- und Preisentwicklung maßgeblich von der Entwicklung auf den Finanz- und Kapitalmärkten ab.

Bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nicht sichergestellt, dass die erworbenen Ansprüche erhalten bleiben und bei einem Wechsel des Arbeitgebers stellt sich die Frage, ob die Rentenansprüche "mitgenommen" und übertragen werden können oder verfallen (Problem der Portabilität). Die Sicherheit der betrieblichen Rentenleistungen ist eng an die Leistungskraft des Unternehmens geknüpft. Da es sich um sehr langfristige Verpflichtungen handelt, lassen sich wirtschaftliche Risiken, die die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens gefährden oder im Fall einer Insolvenz sogar ganz beenden, nicht ausschließen. Insofern bedarf es eines Insolvenzschutzes. Durch rechtliche Regelungen ist sichergestellt, dass die Pflicht zur Insolvenzsicherung besteht und (unter bestimmten Bedingungen) erworbene Anwartschaften übertragbar und unverfallbar sind.

Entgeltumwandlung

Die Zusage auf eine betriebliche Altersversorgung kann in den einzelnen Arbeitsverträgen, im Rahmen von Betriebsvereinbarungen oder in Tarifverträgen gemacht werden. Neben der Möglichkeit einer freiwilligen Versorgungszusage seitens des Arbeitgebers haben alle Beschäftigten einen individuellen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung in Form der Entgeltumwandlung. Eine Entgeltumwandlung liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer die Beiträge (die technisch der Arbeitgeber einzahlt) selbst durch (Bar-)Lohnverzicht finanziert. Der Anspruch auf eine Entgeltumwandlung besteht bis zu einer Grenze von vier Prozent (steuerfreie Umwandlung seit 2018 bis zu 7 Prozent) der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung unterliegt einem Tarifvorbehalt. Tarifgebundene Arbeitnehmer können eine Entgeltumwandlung aus Tariflohnbestandteilen nur vornehmen, wenn der Tarifvertrag das zulässt. Dieser Tarifvorrang hat den Anstoß für eine Fülle von speziellen Tarifverträgen gegeben, die seit 2002 abgeschlossen wurden und die Entgeltumwandlung regeln. Verträge finden sich nicht nur in den großen Industriebranchen (Metall- und Elektroindustrie, Stahlindustrie, chemische Industrie, Bauwirtschaft) mit einer hohen Zahl von Beschäftigten, sondern auch in vielen kleineren Tarifgebieten (wie u.a. in einzelnen Bereichen des Handwerks) und im Dienstleistungssektor (wie u.a. im Einzel- und Großhandel, im Hotel- und Gaststättengewerbe). Um die Abwicklung der Entgeltumwandlung zu erleichtern, haben die Tarifvertragsparteien in einer Reihe von Tarifbereichen branchenspezifische und zum Teil branchenübergreifende Versorgungswerke gegründet − beispielsweise die "MetallRente" oder das "Chemie-Versorgungswerk".

Zur betrieblichen Altersversorgung zählen sowohl die betriebliche Altersversorgung in der Privatwirtschaft als auch die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst. Die betriebliche Altersversorgung in der Privatwirtschaft beruht überwiegend auf freiwilligen Zusagen der Arbeitgeber oder − mit zunehmender Bedeutung − auf der arbeitnehmerfinanzierten Entgeltumwandlung. Sie erfasst allerdings nur einen Teil der Beschäftigten. Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst bezieht hingegen alle Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes und vergleichbarer Bereiche durch tarifvertragliche Regelungen ein.

Verbreitung und Höhe der Betriebsrenten

Die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung hängt in einem hohen Maße von der Größe und der Branchenzugehörigkeit der Betriebe ab: Je größer der Betrieb, umso häufiger finden sich bei den Beschäftigten Versorgungsanwartschaften. Der Verbreitungsgrad der bereits ausgezahlten Betriebsrenten liegt jedoch deutlich niedriger als der Verbreitungsgrad der Anwartschaften: Von den über 65-Jährigen bezogen im Jahr 2015 46 Prozent der Männer und8 Prozent der Frauen eine eigene Betriebsrente der Privatwirtschaft/alte Länder. In den neuen Ländern waren es nur fünf Prozent der Männer und ein Prozent der Frauen. Unterscheidet man nach Altersjahrgängen, steigen die Betriebsrentenzahlungen bei den jüngeren Kohorten.

Wie die bisher verfügbaren Daten belegen, kommt der Ausbau der betrieblichen Altersversorgung trotz der Förderung durch die beitrags- und steuerfreie Entgeltumwandlung nur langsam voran. Dies hängt auch mit den Strukturverschiebungen auf dem Arbeitsmarkt und bei den Beschäftigungsverhältnissen zusammen, denn die Zahl und der Anteil der Beschäftigten, die Niedriglöhne erhalten und/oder unter prekären Verhältnissen arbeiten, steigt. Gleichzeitig hat sich der Anteil der Betriebe und der Beschäftigten, die noch durch Tarifverträge erfasst werden, verringert. Das gilt insbesondere für die neuen Bundesländer.

Diese abnehmende Bindekraft durch Tarifverträge führt verstärkt zu der Forderung, die betriebliche Altersversorgung obligatorisch zu gestalten, wie dies in einigen anderen Ländern der Fall ist. Denkbar wäre eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung der entsprechenden Tarifverträge, so dass auch nicht tarifgebundene Betriebe und Beschäftigte unter die Regelungen fallen. Weiterreichend wäre ein gesetzliches Obligatorium, mit dem das Prinzip der Freiwilligkeit aufgehoben wird und die Beschäftigten wie die Betriebe verpflichtet werden, eine betriebliche Altersvorsorge abzuschließen.

Aber auch solche Wege führen nicht zu einer flächendeckenden Absicherung. Denn Personen, die wegen Krankheit, Kindererziehung, Pflege oder Arbeitslosigkeit zwischenzeitlich nicht berufstätig sind, bleiben im Alter unversorgt oder unterversorgt. Die betriebliche Altersversorgung sieht im Unterschied zur Gesetzlichen Rentenversicherung keinen sozialen Ausgleich vor. Schwierig ist zudem, neben dem Alter auch die Risiken Erwerbsminderung und Tod in der betrieblichen Altersversorgung abzudecken.

Offen bleibt schließlich, mit welcher Rentenhöhe und Rentenanpassung auf der Basis des Kapiteldeckungsverfahrens gerechnet werden kann. Die Erfahrungen seit Beginn der Finanzkrise haben gezeigt, dass die Unsicherheiten und Risiken auf den Finanzmärkten gestiegen sind. Wie hoch die Betriebsrenten im Leistungsfall sein werden, lässt sich deshalb nicht allgemeingültig feststellen, zumal die Berechnung der Rente von den jeweiligen betriebsspezifischen bzw. tarifvertraglichen Vereinbarungen abhängt. Grundsätzlich gilt die Regel, dass die Leistungshöhe von der Beschäftigungsdauer und der Einkommensposition der Beschäftigten abhängt und ob es sich um eine Leistungszusage handelt oder aber um eine Beitragszusage, bei der die Arbeitnehmer alleine die Risiken tragen.

Um den Wert von Betriebsrenten vor den Folgen einer Inflation zu sichern, ist nach dem Betriebsrentengesetz vorgesehen, dass die Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Renten an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten überprüfen müssen. Der Maßstab für die Überprüfung ist die wirtschaftliche Lage des Unternehmens, was im Ergebnis leicht zum Verzicht auf die Anpassung führen kann. Für Neuzusagen gilt die Anpassungsverpflichtung schon dann als erfüllt, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, die Betriebsrenten jährlich um ein Prozent anzupassen. Eine regelgebundene Anpassung an die Entwicklung der Einkommen, wie dies bei der gesetzlichen Rente (Dynamisierung) der Fall ist, existiert bei der Betriebsrente nicht.

Private Altersvorsorge (Riester-Rente)

Die private Altersvorsorge beruht auf den Prinzipien der Freiwilligkeit und der Kapitalanlage: Im jüngeren und mittleren Lebensalter werden durch Konsumverzicht und Spartätigkeit Vermögensbestände angesammelt, die sich durch Wertzuwächse (Zinseszinseffekte oder Kurssteigerung von Wertpapieren) in ihrer Summe kontinuierlich erhöhen (sollen). Anbieter für Altersvorsorgeprodukte sind Banken, Versicherungen und Finanzdienstleister und die entsprechenden Vermittlungsagenturen. Auf die reine Vermögensbildung und die Bereitstellung einer möglichst hohen Kapitalsumme konzentrieren sich Bankprodukte (Spareinlagen, Sparverträge), Wertpapiere (Aktien, festverzinsliche Anleihen) und Investment-Fonds. Eine weitere wichtige und verbreitete Form von Vorsorgeprodukten stellen Lebensversicherungen und private Rentenversicherungsverträge dar. Auch der Erwerb von Wohneigentum (selbst genutztes Wohneigentum, vermietete Eigentumswohnung, Immobilienfonds) kann als Altersvorsorge dienen.

Der Abschluss eines Vertrages setzt voraus, dass sowohl die Bereitschaft als auch die finanzielle Fähigkeit bestehen, über Jahre hinweg kontinuierlich Sparbeiträge oder Versicherungsprämien zu zahlen. Die Ausgestaltung der Verträge obliegt (begrenzt durch einige gesetzliche Vorschriften) den Vertragsparteien. Einen umfassenden Überblick über die private Vorsorge gibt es deshalb im Unterschied zur gesetzlichen Rente nicht. Wenn allerdings mit der privaten Vorsorge zu spät begonnen wird, lassen sich keine relevanten Leistungen mehr erwarten, da der Zinseszinseffekt entsprechend gering ausfällt. Auch gibt es bei der privaten Altersvorsorge keinen an sozialen Maßstäben orientierten Ausgleich für fehlende Zahlungsfähigkeit infolge von Notlagen oder besonderen Lebenslagen. Eine automatische Anpassung der Leistungen an die Einkommensentwicklung oder an die Preisentwicklung ("Dynamisierung") ist in den Verträgen nicht vorgesehen, daher kann eine fehlende oder unzureichende Dynamisierung schon bei einer niedrigen Inflationsrate zu einem erheblichen Kaufkraftverlust führen.

Bilanz der Riester-Rente

Die gesetzlichen Regelungen zum Ausbau der privaten Vorsorge − bezeichnet als "Riester-Rente" − sehen zwei Fördermöglichkeiten vor: Die Förderung durch Zulagen oder durch einen steuerlichen Sonderausgabenabzug. Diese beiden Förderungen gibt es nur für solche Anlageformen, die bestimmte Mindestmaßstäbe erfüllen und von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) eine Zertifizierung erhalten. Die Riester-Förderung ist so angelegt, dass sie für die unteren Einkommensgruppen einen höheren Förderanteil bringt als für die mittleren Einkommensgruppen.

Die Frage nach den Ergebnissen der "Riester-Rente" ist schwer zu beantworten. Eine wirkliche Bilanz kann erst dann gezogen werden, wenn eine ausreichend hohe Anzahl von Rentnern neben der gesetzlichen eine Riester-Rente erhält. Das wird aber erst in Jahren der Fall sein. Derzeit befindet sich die überwiegende Zahl der geförderten Verträge noch in der Beitrags- bzw. Ansparphase.

Die Daten zeigen bis 2010 einen starken Anstieg der geförderten privaten Altersvorsorge. Danach flachte der Boom merklich ab, und im Jahr 2013 verringerte sich das erste Mal die Zahl der Verträge. Nach wie vor hat – trotz der anfänglichen Dynamik in den Verbreitungsquoten – eine deutliche Mehrheit der Anspruchsberechtigten keine Riester-Verträge abgeschlossen.

Nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wurden bis Ende 2017 rund 16,5 Millionen (zertifizierte) Verträge abgeschlossen (wobei eine Person auch mehrere Verträge aufweisen kann und die zwischenzeitlichen Kündigungen von Verträgen nicht exakt erfasst sind). Gut jeder fünfte der Verträge war ruhend gestellt, d.h. es werden weder Beiträge einbezahlt, noch die staatlichen Zulagen bezogen.

Auch über die zu erwartende Höhe der Riester-Rente lassen sich keine abschließenden Aussagen treffen: Gesetzlich gewährleistet ist lediglich, dass der Anbieter zu Beginn der Auszahlungsphase mindestens die Summe der eingezahlten Beträge garantieren muss. Eine solche Nominalgarantie ist jedoch mit erheblichen Realverlusten verbunden, wenn die Geldentwertung/Inflation berücksichtigt wird. Die zu Beginn der Riester-Rente verbreitete Einschätzung einer durchschnittlichen Realverzinsung von 4 Prozent wurde in den letzten Jahren durch eine zunehmend skeptische und kritische Einschätzung abgelöst. Aufgrund der Niedrigzinsphase und der Verwerfungen auf den internationalen Kapitalmärkten können die Versicherungsunternehmen nur noch Zinsen in äußerst geringer Höhe erwirtschaften. Darüber hinaus weisen die Riester-Verträge teilweise so hohe Abschluss- und Verwaltungskosten auf, dass die Zulagen dadurch aufgezehrt werden und der verzinste Sparanteil entsprechend gering ausfällt. Diese hohen Kosten werden häufig durch eine intransparente Ausgestaltung der Riester-Produkte verschleiert.

Auf einen Blick: Betriebliche und private Altersvorsorge

Zahl der Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung
in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (2015)
17,7 Mio.
Verbreitungsgrad57,0 %
Verbreitungsgrad der Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung
in der Privatwirtschaft (2015)
Kredit- u. Versicherungsgewerbe81 %
sonstige Dienstleistungen21 %
Großbetriebe (1000 Beschäftigte und mehr)83 %
Kleinbetriebe (1-9 Beschäftigte)28 %
Schichtung der Betriebsrenten in den alten Bundesländern (2015)
weniger als 200 Euro (Männer / Frauen)41,0 % / 67,0 %
mehr als 500 Euro (Männer / Frauen)31,0 % / 14,0 %
Schichtung der Betriebsrenten in den neuen Bundesländern (2015)
weniger als 200 Euro (Männer / Frauen)66,0 % / 81,0 %
mehr als 500 Euro (Männer / Frauen)2,0 % / 9,0 %
Riester-Verträge (2018)16,6 Mio.
Garantieverzinsung
20104 %
20180,9 %

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Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee ist Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.