Manchmal erleben Menschen Dinge in ihrem Alltag, die mit Vorurteilen zu tun haben.
Menschen, die Bürgergeld beziehen, berichten, dass sie für faul gehalten werden.
Frauen berichten zum Beispiel, dass Handwerker ihnen nicht erklären wollen, was sie repariert haben. Sie wollen dann lieber mit dem Mann sprechen.
Manche Menschen werden als Fachkräfte nach Deutschland geholt. Sie werden in den Firmen dringend gebraucht, können aber noch kein Deutsch. Sie berichten davon, dass sie im Ausländeramt wenig Unterstützung erfahren.
Auch andere Gruppen von Menschen berichten von Erfahrungen, die sie als diskriminierend erleben.
Menschen können sich durch diese Vorurteile diskriminiert fühlen. Sie denken: Die anderen wollen mich benachteiligen. Sie wollen mich diskriminieren.
Das ist manchmal so, manchmal ist es aber auch ein Missverständnis.
Vorurteile sind anstrengend und verletzend. Menschen fühlen sich durch Vorurteile benachteiligt und diskriminiert. Vorurteile haben damit zu tun, wie die Dinge oft sind. Oder damit, wie die Dinge früher waren.
Sie haben auch damit zu tun, was wir gelernt haben. Und sie haben mit der Geschichte von Deutschland, von Europa und der Welt zu tun.
Wir berichten jetzt zwei Erfahrungen von Diskriminierung im Alltag.
Erfahrungen mit Diskriminierung: Andreas
(© bpb)
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Ich bin Andreas, ich bin 43 Jahre alt. Ich habe eine Sprachbehinderung. Manchmal bekomme ich gesagt: „Lern erst mal richtig Deutsch!“ Das finde ich abwertend.
Oder wenn Leute nur so tun, als ob sie mich verstehen und nicht nachfragen. Auch das tut weh.
Ich habe auch eine Körperbehinderung. Man sieht also, dass ich behindert bin.
Manchmal sagt eine Mutter zu ihrem Kind, dass es mich nicht anstarren soll. Ich finde es besser, miteinander zu sprechen und offen zu sein. Kinder stellen manchmal gute Fragen und so kann man voneinander lernen.
Erfahrungen mit Diskriminierung: Gökçe
(© bpb)
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Ich heiße Gökçe. Ich bin Lehrerin. Ich kann zwei Sprachen. Türkisch ist meine Muttersprache. Deutsch kann ich gut. Aber man hört, dass ich Ausländerin bin.
Wenn ich für die Schule einen Ausflug organisiere, fragen mich Menschen oft: Bist du wirklich die Lehrerin?
Sie denken: Eine Lehrerin muss perfekt Deutsch sprechen. Ich fühle mich dann benachteiligt.
Ich habe auch das Gefühl, dass Türkisch als Fremdsprache weniger wert ist.
Menschen in Deutschland finden es toll, wenn jemand fließend Englisch, Französisch oder Norwegisch spricht.
Gewohnheiten können sich ändern
Wir sind es gewohnt, dass behinderte Menschen auf Hilfe angewiesen sind. Wir sind auch gewohnt, dass behinderte Menschen in Sondereinrichtungen sind.
Wenn jemand mit einem Rollstuhl in einem Verein mitmachen möchte und nicht in das Gebäude kommt, ist dies für ihn ein Nachteil. Vielleicht war vorher niemand im Rollstuhl da. Niemand hat sich über einen barrierefreien Zugang Gedanken gemacht.
Vielleicht baut der Verein dann eine Rampe oder er trifft sich an einem anderen Ort.
Das Beispiel zeigt:
Gewohnheiten können sich ändern. Dinge können normal werden, wenn Menschen miteinander reden und darüber sprechen, was sie sich wünschen und brauchen.
Auch die Feuerwehr ist ein Verein, in dem sich Gewohnheiten ändern können. Auf dem Bild ist eine Gruppe der Jugendfeuerwehr. In dieser Gruppe sind behinderte und nicht behinderte Kinder. (© DJF/Haupenthal)
Auch die Feuerwehr ist ein Verein, in dem sich Gewohnheiten ändern können. Auf dem Bild ist eine Gruppe der Jugendfeuerwehr. In dieser Gruppe sind behinderte und nicht behinderte Kinder. (© DJF/Haupenthal)
Vorurteile und Benachteiligungen im Alltag sind nicht immer leicht zu erkennen. Sie werden von Menschen auch unterschiedlich empfunden. Sie entstehen dadurch, dass Menschen nicht miteinander sprechen. Und sie entstehen dadurch, dass alte Gewohnheiten so bleiben, wie sie sind und niemand die Gewohnheiten ändert.
Wenn Menschen immer wieder ähnliche Erfahrungen mit Vorurteilen machen, ist das sehr anstrengend. Sie können sich dadurch diskriminiert fühlen.
Zum Beispiel nehmen viele Menschen an, dass Menschen mit dunkler Haut oder ungewohntem Namen nicht aus Deutschland kommen. Aber viele Menschen mit dunkler Haut oder ungewohntem Namen sind Deutsche. Sie haben einen deutschen Personalausweis und sie sind zum Beispiel in Deutschland geboren.
Vielleicht sind auch ihre Eltern in Deutschland geboren.
Viele dieser Menschen fühlen sich diskriminiert, wenn sie immer wieder gefragt werden: Woher kommst du? Auch wenn das neu für Sie ist und das noch nie jemand zu Ihnen gesagt hat.
Hören Sie den Menschen zu, die sich von dieser Frage angestrengt und verletzt fühlen.
Diskriminierung geschieht oft unabsichtlich
Diskriminierung durch Vorurteile geschieht oft unabsichtlich.
Wenn ein Mensch sagt: „Ich habe keine Vorurteile“ oder „Niemand kann sich von mir diskriminiert fühlen“. Dann kann er Vorurteile nicht erkennen und nichts verändern.
Vielleicht ist es ungewohnt für Sie, wenn Sie hören, von welchen Dingen sich eine andere Person diskriminiert fühlt. Es ist aber ein gutes Zeichen, dass die Person Ihnen das sagt. Es zeigt, dass in Deutschland über Diskriminierung gesprochen werden kann.
Über Diskriminierung reden: Andreas
(© bpb)
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Über Diskriminierung reden ist gar nicht so leicht. Es ist auch nicht leicht, zu entscheiden:
Welche Begriffe soll ich nutzen.
Ich finde schlecht, wenn Menschen einfach so sagen: „Das darfst du so nicht sagen. Den Begriff kannst du nicht nutzen.“ Damit erkennt man doch den betroffenen Menschen das Recht und die Fähigkeit ab, selbst Begriffe zu wählen und selbst zu beurteilen, ob sie sich diskriminiert fühlen.
Ich mag zum Beispiel Handicap nicht – das erinnert mich an Mobiltelefone. Ich mag den Begriff Behinderung.
Ich habe meine Probleme und die sollten beim Namen genannt werden.
Über Vorurteile und Diskriminierung zu sprechen, ist schwierig
(© bpb)
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Manche haben das Gefühl, dass dauernd über Vorurteile und Diskriminierung geredet wird. Sie finden das vielleicht anstrengend. Oder sie denken, dass doch schon viel erreicht ist. Oder sie fühlen sich angegriffen, wenn jemand sagt, dass er sich diskriminiert fühlt.
Vielleicht denken sie auch: Was soll ich denn noch machen? Oder sie denken: Manchmal werde ich selbst auch benachteiligt.
Zum Beispiel wurde ich früher beim Sport immer als Letztes in eine Mannschaft gewählt.
Oder weil ich in der Schule schüchtern war, habe ich oft schlechte Noten bekommen.
Solche Erfahrungen macht jeder Mensch.
Menschen, die diskriminiert werden, machen diese Erfahrungen aber besonders oft. Und sie machen oft ähnliche Erfahrungen. Und sie machen diese Erfahrungen ihr ganzes Leben. Nicht nur, wenn sie jung sind.
Dazu gehören zum Beispiel jüdische Menschen, Menschen mit dunkler Hautfarbe, Ausländer und Ausländerinnen, Muslime, Frauen, trans Menschen, behinderte Menschen, Homosexuelle oder Sinti und Roma.
Sie können einmal darüber nachdenken, zu welchen Gruppen Sie gehören und zu welchen nicht. Und ob Sie diskriminiert werden oder nicht.