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Die Finanzierung des Gesundheitswesens in Schweden | Gesundheitspolitik | bpb.de

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Die Finanzierung des Gesundheitswesens in Schweden

Thomas Gerlinger Renate Reiter

/ 3 Minuten zu lesen

Zentralkrankenhaus in Kristianstad, Region Skåne (flickr/ Håkan Dahlström) Lizenz: cc by/2.0/de

Ausgaben und Ausgabenentwicklung

Im Jahr 1970 lagen die schwedischen Gesundheitsausgaben bei 6,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Bis 1982 stiegen sie – bei nachlassendem Wirtschaftswachstum – auf 9,3 Prozent an. In den folgenden Jahren gingen sie zunächst leicht zurück, bevor sie 2002 erneut über neun Prozent lagen. Als Anteil am BIP entsprachen die schwedischen Gesundheitsausgaben mit 9,4 Prozent im Jahr 2011 in etwa denen in Großbritannien. Sie waren niedriger als etwa in Deutschland oder der Schweiz. Im Jahr 2011 beliefen sie sich auf 3.830 Euro pro Kopf (Vereinigtes Königreich: 2.592 Euro, Niederlande: 4.307 Euro, Deutschland: 3.502 Euro, Schweiz: 4.393 Euro).

Den größten Anteil an den Gesamtgesundheitsausgaben in Schweden hatte im Jahr 2005 der Bereich der ambulanten Leistungen. 48,5 Prozent der Ausgaben gingen auf diesen Sektor zurück. Zu den ambulanten Leistungen werden in der schwedischen Statistik allerdings auch die Aufwendungen für Prävention, Gesundheitsförderung und Public-Health-Maßnahmen gerechnet. Dies erschwert den internationalen Vergleich der Daten. Zweitgrößter Sektor ist die stationäre Versorgung mit einem Anteil von 31,2 Prozent der Gesamtgesundheitsausgaben. Die Ausgaben für Arzneimittel liegen dagegen lediglich bei zwölf Prozent. Die Investitionsaufwendungen für medizinische Einrichtungen machen 4,5 Prozent der Ausgaben aus.

Finanzierung der Gesundheitsausgaben

Die Landtage sind sowohl für die Finanzierung als auch für die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung von zentraler Bedeutung. Sie stehen im Zentrum eines überwiegend steuerfinanzierten Gesundheitssystems, dessen Einrichtungen sich zum größten Teil in öffentlicher Hand befinden.

Innerhalb gewisser Grenzen können die Landtage Einkommenssteuern für die Bewältigung ihrer Aufgaben und Gebührensätze für die Inanspruchnahme medizinischer Dienstleistungen festlegen. Dementsprechend variieren die Steuern und Gebühren zwischen ihnen. Aus ihren Steuereinnahmen finanzieren sie circa 70 Prozent der Gesundheitsausgaben. Dazu kommen weitere Ressourcen aus Gebühren und dem Verkauf von Leistungen an andere Landtage (siehe unten). Die nicht über die Provinziallandtage abgedeckten Gesundheitsausgaben werden vom schwedischen Staat durch Transfers zu den Landtagen finanziert. Durch die Transfers werden unter anderem regionale Unterschiede in der ökonomischen Leistungsfähigkeit und dem Versorgungsbedarf ausgeglichen.

Die Haushaltsmittel der Landtage fließen zu 90 Prozent in die medizinische Versorgung. Im Jahr 2005 entfielen von den Gesundheitsausgaben der Landtage:

  • 16 Prozent auf die Primärversorgung,

  • 52 Prozent auf die spezialisierte physische Versorgung,

  • neun Prozent auf die spezialisierte psychiatrische Versorgung,

  • drei Prozent auf die zahnmedizinische Versorgung,

  • elf Prozent auf Medikamente im Rahmen der Positivliste,

  • acht Prozent auf andere Posten und

  • ein Prozent auf politische Aktivitäten.

Quelle: Glenngård u. a. 2005, S. 48
Interner Link: Infografik als PDF-Download

Die Patientinnen und Patienten sind über verschiedene Gebühren, Zuzahlungen und selbst zu tragende Ausgabenanteile an der Finanzierung der medizinischen Versorgung beteiligt. Insgesamt trugen private Gesundheitsausgaben laut Weltbank im Jahr 2012 mit etwa 18 Prozent zur Finanzierung der Gesundheitsausgaben bei, nachdem sich der Anteil nach 14 Prozent im Jahr 1970 bis 1980 bei wachsenden Gesundheitsausgaben und aufgrund von sozialstaatlichen Reformen auf 7,5 Prozent verringert hatte. Im internationalen Vergleich ist der Anteil der privaten Gesundheitsausgaben dennoch immer noch relativ niedrig. In Deutschland lag er im Jahr 2005 um fünf Prozentpunkte höher. In den Niederlanden und der Schweiz belief er sich 2002 auf circa 40 Prozent. Um eine Überforderung von Patientinnen und Patienten zu vermeiden, existieren mehrere Obergrenzen (siehe Tabelle "Übersicht über Gebühren und Überforderungsgrenzen in der medizinischen Versorgung (2004)").

Es ist ein über die Parteigrenzen hinweg weitverbreiteter Konsens, dass die Finanzierung der Gesundheitsausgaben weitgehend aus öffentlichen Mitteln erfolgen soll. Wesentliche Finanzierungsgrundlage ist die von den Landtagen erhobene Einkommenssteuer. Insofern orientiert sich die Finanzierung am Prinzip der Leistungsfähigkeit der abgesicherten Einwohnerinnen und Einwohner Schwedens. Gebühren und Zuzahlungen haben in einigen Bereichen weniger eine Finanzierungs- als eine Steuerungsfunktion. So ist ihr Anteil an der Finanzierung der medizinischen Versorgung relativ gering. Hier sollen in erster Linie Anreize geschaffen werden, im Rahmen der ambulanten Versorgung zunächst Einrichtungen der Primärversorgung und nicht eine Spezialistin oder einen Spezialisten in einem Krankenhaus aufzusuchen. Dennoch können sich für Patientinnen und Patienten insbesondere in der zahnmedizinischen Versorgung erhebliche Kosten ergeben. In der Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sind den individuellen Belastungen Grenzen gesetzt. Dennoch tragen Patientinnen und Patienten insgesamt zu circa 25 Prozent zur Finanzierung der Arzneimittelversorgung bei.

Die schwedische Sozialversicherung ist primär für die finanzielle Absicherung gegenüber sozialen Risiken zuständig, das heißt unter anderem für Einkommensersatzleistungen im Krankheitsfall. Die Anzahl privater Zusatzkrankenversicherungsverträge ist bei einem leichten Anstieg gering. Im Jahr 2003 hatten circa 200.000 Personen eine private Zusatzkrankenversicherung abgeschlossen. Bedingt durch mitunter lange Wartezeiten sind die Hauptanreize ein schnellerer Zugang zu einer Spezialistin oder einem Spezialisten in der ambulanten Versorgung und eine kürzere Wartezeit auf eine planbare (elektive) Behandlung. Für Finanzierung des schwedischen Gesundheitswesens sind private Krankenversicherungen von marginaler Bedeutung.

Quellen / Literatur

Alban, Anita/Chistiansen, Terkel (Hrsg.) (1995): The Nordic Lights: New Initiatives in Health Care Systems. Odense

Glenngård Anna H./Hjalte, Frida/Svensson, Marianne/Anell, Anders/Bankauskaite, Vaida (2005): Health Systems in Transition: Sweden. Copenhagen, WHO Regional Office for Europe on behalf of the European Observatory on Health Systems and Policies

Heidenheimer, Arnold J./Elvander, Nils (Hrsg.) (1980): The Shaping of the Swedish Health System. London

Schwedisches Institut (2007): Das schwedische Gesundheitswesen. Tatsachen über Schweden (Ts 76r)

Fussnoten

Weitere Inhalte

Prof. Dr. Dr. Thomas Gerlinger ist Professor an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld, AG 1: Gesundheitssysteme, Gesundheitspolitik und Gesundheitssoziologie.

Dr. Renate Reiter, Institut für Politikwissenschaft der FernUniversität in Hagen