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Die stationäre Versorgung | Gesundheitspolitik | bpb.de

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Die stationäre Versorgung

Thomas Gerlinger

/ 12 Minuten zu lesen

Nach welchen Modellen wurde und wird die stationäre Behandlung in Krankenhäusern vergütet? Welche Kompetenzen übernimmt der Staat bei der Organisation der Krankenhausversorgung?

Die Länder erstellen in ihrem Zuständigkeitsbereich einen Krankenhausplan und entscheiden damit über die Anzahl der erforderlichen Krankenhäuser und Betten. (© picture-alliance, ZB)

Die stationäre Versorgung war in den vergangenen rund vier Jahrzehnten in besonderem Maße Gegenstand von Kostendämpfungsbestrebungen, denn sie entfällt ein gutes Drittel der Leistungsausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Sie ist damit quantitativ die bei Weitem bedeutendste Leistungsart in der GKV. 1972 wurde die Vergütung und Finanzierung von Krankenhäusern mit dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) umfassend reformiert. Damit wurde das Selbstkostendeckungsprinzip als Grundsatz für die Vergütung von Krankenhausleistungen festgeschrieben: Demzufolge müssen die Pflegesätze so bemessen sein, dass sie einem sparsam wirtschaftenden und leistungsfähigen Krankenhaus eine wirtschaftliche Betriebsführung ermöglichen und die medizinisch und wirtschaftlich rationelle Versorgung durch die Krankenhäuser sichern. Die Vergütung von Krankenhäusern erfolgte seit 1972 nach tagesgleichen voll pauschalierten Pflegesätzen. Dies bedeutet, dass der Finanzierungsträger dem Krankenhaus für jeden Behandlungstag einen Pauschalbetrag erstattete, der für jede Patientin und jeden Patienten und für jede Abteilung unabhängig vom jeweiligen Behandlungsaufwand der Patientin oder des Patienten gleich war. Dabei wurden den Krankenhäusern bis 1984 die Betriebskosten im Nachhinein erstattet ("retrospektive Selbstkostendeckung"). Statistiken zur stationären Versorgung: Siehe auch Datenreport 2016 (bpb.de).

Die Erstattung der Selbstkosten durch einen tagesgleichen, vollpauschalierten Pflegesatz schuf einen Anreiz zur Verlängerung der Verweildauer, denn mit jedem stationären Behandlungstag konnte das Krankenhaus seine Einnahmen erhöhen. Schon bald nach seiner Einführung wurden das Selbstkostendeckungsprinzip und die Vergütung mit tagesgleichen Pflegesätzen als unwirtschaftlich kritisiert: Es begründe ein Interesse der Krankenhäuser an einer über das Maß des medizinisch Notwendigen hinausgehenden Verlängerung der Verweildauer. Deshalb wurden recht frühzeitig Überlegungen für eine grundlegende Reform des Vergütungssystems angestellt.

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Was versteht man unter der Vergütung von Krankenhäusern nach voll pauschalierten, tagesgleichen Pflegesätzen?

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Einführung flexibler Budgets

Zunächst aber dominierten eher vorsichtige Modifikationen am bestehenden Vergütungssystem. Bis zum Beginn der 1990er-Jahre stellte das Krankenhaus-Neuordnungsgesetz von 1984 die wichtigste Reform der Krankenhausvergütung dar. Dieses Gesetz und die auf seiner Grundlage mit Wirkung zum 1. Januar 1986 veränderte Bundespflegesatzverordnung (BPflV) setzten an die Stelle dieses Verfahrens eine prospektive Selbstkostendeckung: Nunmehr schlossen die Verbände der Krankenkassen und die Krankenhausträger im Vorhinein für das kommende Jahr eine Budgetvereinbarung, der eine bestimmte Bettenbelegung und damit ein bestimmtes Pflegetagevolumen zugrunde lag. Das Prinzip der prospektiven Selbstkostendeckung wurde mit der Einführung eines flexiblen Budgets verknüpft, das für das einzelne Krankenhaus nunmehr Gewinn- und Verlustmöglichkeiten zuließ: Wich die tatsächliche Belegung von der kalkulierten ab, ersetzte die Kasse 75 Prozent der Mindereinnahmen des Krankenhauses, während Mehreinnahmen zu 75 Prozent an die Kasse abgeführt werden mussten. Auf diese Weise wollte der Gesetzgeber die Anreize zur wirtschaftlichen Betriebsführung und zur Verkürzung der Verweildauer verstärken.

Budgetierung und Vergütungsreform (Einführung eines Mischsystems)

Das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) leitete schließlich einen grundlegenden Wandel in der Krankenhausvergütung ein. Neben der grundlohnorientierten Budgetierung, die nicht nur für den Sektor insgesamt, sondern auch für jedes einzelne Krankenhaus galt, wurde ein neuartiges Vergütungssystem eingeführt. Es verfolgte das Ziel, die Entgelte entsprechend dem realen Behandlungsaufwand zu differenzieren, für die Krankenhäuser einen Anreiz zur Ausgabenbegrenzung zu schaffen, den Krankenhauswettbewerb zu stärken und die Transparenz des Leistungsgeschehens zu erhöhen. Bei dem nun geschaffenen Vergütungssystem handelte es sich um ein Mischsystem aus fortbestehenden tagesbezogenen Pflegesätzen und neu eingeführten leistungsbezogenen Pauschalentgelten.

Es wurde zum 1. Januar 1996 für alle Krankenhäuser verbindlich eingeführt und beinhaltete folgende Komponenten:

  1. Sonderentgelte für chirurgische Eingriffe und aufwendige diagnostische Maßnahmen;

  2. Fallpauschalen, die die gesamten Leistungen des Krankenhauses für die Behandlung einer Patientin oder eines Patienten vergüten sollten;

  3. abteilungsspezifische Pflegesätze, die nach Versorgungsstatus und nach Abteilungen differenziert wurden;

  4. einen Basispflegesatz, der für alle Abteilungen des Krankenhauses gleich war und die nicht medizinischen und nicht pflegerischen Kosten eines Krankenhauses (zum Beispiel für Verwaltung, Unterkunft und Verpflegung) vergütete.

Die Fallpauschalen und Sonderentgelte vergüteten die betreffenden Krankenhausleistungen nunmehr pauschal, also unabhängig von der Verweildauer und dem individuellem Behandlungsbedarf der Patientin oder des Patienten. Die Abteilungspflegesätze und der Basispflegesatz wurden aufgrund der krankenhausspezifischen Kosten kalkuliert, die Fallpauschalen und Sonderentgelte wurden extern vorgegeben. Allerdings erfassten sie nur etwa 25 Prozent der stationären Behandlungskosten. Etwa drei Viertel der Behandlungskosten wurden nach wie vor mit tagesbezogenen Pflegesätzen vergütet.

Einführung diagnosebezogener Fallpauschalen

Das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 knüpfte an die Einführung von Fallpauschalen und Sonderentgelten an und sah vor, sämtliche Krankenhausleistungen zum 1. Januar 2003 auf der Grundlage diagnosebezogener Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups – DRGs) zu vergüten. Das deutsche DRG-System besteht aus zwei Grundelementen: dem Patientenklassifikationssystem, also den Kriterien für die Zuordnung einzelner Patientinnen und Patienten zu einer bestimmten Fallgruppe, und den Bewertungsrelationen, die die relativen Kostengewichte der Fallgruppen festschreiben. Die GKV-Gesundheitsreform schreibt vor, dass das Patientenklassifikationssystem einerseits Komplexitäten und Komorbiditäten, also Nebenerkrankungen, abbilden soll, um eine möglichst weitgehende Kostenhomogenität der einzelnen Fallgruppen zu gewährleisten. Andererseits soll es aber auch praktikabel sein, also nicht zu stark differenziert werden, um den Aufwand für die Fallgruppenzuordnung von Patientinnen und Patienten nicht ausufern zu lassen. Hauptmerkmale einer Fallgruppe sollen die Hauptdiagnose und die Nebendiagnose sowie die Hauptleistung und die Nebenleistungen sein.

Kalkulationsgrundlage für die Bewertungsrelationen sind die durchschnittlichen Ist-Leistungen und Ist-Kosten der Krankenhäuser für die jeweilige Fallgruppe. Die GKV-Gesundheitsreform sieht vor, dass die Bewertungsrelationen als Relativgewichte auf eine Bezugsleistung zu definieren sind. Demzufolge wird für eine bestimmte Leistung eine Punktzahl festgelegt, und die Punktzahlen für alle übrigen Fallgruppen werden entsprechend ihrem Leistungsaufwand in Relation zu dieser Leistung gesetzt. Auf Landesebene werden diese Punktzahlen mit einem einheitlichen Basisfallwert (Punktwert) in Form eines Euro-Betrags multipliziert. Das Produkt aus Punktzahl und Punktwert ergibt den Preis für die Fallpauschale. Wie in anderen Bereichen auch müssen die Vereinbarungen in der Summe gewährleisten, dass der Aufwand nicht zu Beitragssatzerhöhungen führt, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auf anderem Wege nicht zu gewährleisten. Generell sollen alle Leistungsbeschreibungen und -kalkulationen regelmäßig überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. Zu diesem Zweck gründeten die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V. (DKG) im Jahr 2001 das Institut für die Anpassung, Pflege und Weiterbildung des DRG-Systems.

Die Vorgaben zur Einführung der DRGs wurden mit dem im April 2002 in Kraft getretenen Fallpauschalengesetz konkretisiert. Demzufolge sollte die Einführung des Fallpauschalensystems in zwei Stufen erfolgen. 2003 und 2004 sah das Fallpauschalengesetz eine "budgetneutrale" Phase vor, in der die DRGs auf der Grundlage der krankenhausspezifischen Selbstkosten berechnet werden. Die Patientinnen und Patienten wurden also bereits zu einheitlichen Fallgruppen zusammengefasst und die Leistungen dementsprechend abgerechnet. Es gab aber noch keine einheitliche Vergütung von Fallpauschalen. Wie zuvor wurde in diesem Zeitraum auf der Grundlage dieser Selbstkosten zwischen dem Krankenhausträger und den Krankenkassen ein Budget vereinbart, das sich aus den fallgruppenspezifischen Selbstkosten des Krankenhauses und den vorauskalkulierten Behandlungsfallzahlen ergab. Wurde die der Budgetvereinbarung zugrunde gelegte Fallzahl erreicht, so hatte das Krankenhaus sein Budget erlöst. Mehr- oder Mindererlöse, die sich aus einer gegenüber der Vorauskalkulation höheren oder geringeren Fallzahl des Krankenhauses ergaben, sollten in den Jahren 2003 und 2004 zu einem Großteil ausgeglichen werden, um wirtschaftliche Nachteile für die betreffenden Einrichtungen zu vermeiden. Insofern wurde den Krankenhäusern in diesem Zeitraum ein Erlösbudget garantiert. Diese budgetneutrale Phase sollte den Krankenhäusern helfen, sich unter geschützten Bedingungen auf den neuen Vergütungsmodus einzustellen. Dabei erfolgte die Umstellung auf das neue System seit dem 1. Januar 2003 auf freiwilliger Grundlage.

Im DRG-System spielte die Erhaltung und Weiterentwicklung der medizinischen Qualität der erbrachten Leistungen eine stark untergeordnete Rolle. Die Zuordnung von Patientinnen, Patienten und Behandlungen zu typisierten diagnoseorientierten Fällen – und damit die Vergütung – erfolgte unabhängig von der Leistungsqualität. Bis zu einem gewissen Grad musste umgekehrt sogar davon ausgegangen werden, dass Fehlanreize bezüglich der Leistungsqualität gegeben wurden. Hinweise auf Qualitätsdefizite gaben die weitgehend ungebrochene Abschottung der ambulanten und rehabilitativen von der stationären Versorgung, Technikeinsatz, dessen medizinischer Nutzen schwer nachweisbar erschien, sowie eine unzureichende Befolgung international anerkannter Behandlungsleitlinien und Standards.

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Welche Aufgabe haben die Länder bei der Organisation der Krankenhausversorgung?

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Krankenhausplanung und Krankenhausfinanzierung

Bei der Organisation der Krankenhausversorgung verfügt der Staat – und hier insbesondere die Länder – über erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten. Die Länder haben den Auftrag, die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhausleistungen sicherzustellen. Zu diesem Zweck erstellen sie in ihrem Zuständigkeitsbereich einen Krankenhausplan und entscheiden damit über die Anzahl der erforderlichen Krankenhäuser und Betten. Die Krankenkassen unterliegen einem Kontrahierungszwang mit allen Plankrankenhäusern. Gleichzeitig sind die Länder für die Investitionsfinanzierung im Krankenhaussektor verantwortlich.

Der Bund und die Krankenkassen sind spätestens seit Ende der 1980er-Jahre bestrebt, den Einfluss der Länder auf die Krankenhausplanung und die Investitionsfinanzierung zurückzudrängen. Aus ihrer Sicht erhalten die Länder aus politischen Gründen Überkapazitäten im Krankenhaussektor aufrecht, und die Krankenkassen werden zum Abschluss von Versorgungsverträgen mit Krankenhäusern gezwungen, die unwirtschaftlich oder zumindest nicht notwendig sind. Daher hat der Bund wiederholt versucht:

  • die Möglichkeiten der Krankenkassen zur einseitigen Kündigung von Versorgungsverträgen zu erweitern und

  • eine monistische Finanzierung der Krankenhäuser (also Finanzierung sowohl der Investitionen als auch der Pflegesätze) durchzusetzen.

Allerdings waren die betreffenden Initiativen bisher nicht sonderlich erfolgreich, weil die Länder angesichts der notwendigen Zustimmung des Bundesrats solche Regelungen entweder abschwächten oder verhinderten:

  • Das GSG von 1992 schuf für die Krankenkassen zwar die Möglichkeit, Versorgungsverträge mit unwirtschaftlichen Krankenhäusern zu kündigen. Da die Kündigung letztlich nur mit Zustimmung der zuständigen Landesbehörde wirksam werden konnte, entfaltete die Bestimmung aber kaum Wirksamkeit.

  • Das GKV-Gesundheitsreformgesetz von 1999 sah die Einführung einer monistischen Krankenhausfinanzierung vor, jedoch wurde dieses Vorhaben von der Bundesratsmehrheit abgelehnt.

Bis Ende 2011 erfolgte die Investitionsfinanzierung in allen Bundesländern auf der Basis einer Pauschalförderung und einer Einzelförderung der Länder (siehe oben). Seit 2012 können die Bundesländer das bisherige System der Investitionsfinanzierung durch leistungsorientierte Investitionspauschalen ersetzen.

Diese Option wurde mit dem 2008 verabschiedeten Krankenhausfinanzierungsreformgesetz (KHRG) eingeführt (§ 10 Abs. 1 KHG). Leistungsorientierte Investitionspauschalen koppeln die Investitionsfinanzierung an die Vergütung durch diagnosebezogene Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups – DRGs). Sie werden als Aufschlag auf die DRG-Vergütung entrichtet. Insofern beinhaltet diese Umstellung die Einführung einer monistischen Finanzierung. Die Höhe der Investitionspauschale ergibt sich aus der Multiplikation bundeseinheitlicher Investitionsbewertungsrelationen mit einem landesspezifischen Investitionsfallwert. Ausführlichere Informationen zum DRG-System: Siehe Kapitel Interner Link: "Die Vergütung von Krankenhausleistungen" sowie umfangreich im Rahmen des Datenreports 2013 auf der Seite der bpb.

Aus Sicht des Bundes, der Krankenhäuser und der Krankenkassen bringt die Umstellung auf leistungsbezogene Investitionspauschalen eine Reihe von Vorteilen mit sich:

  • Die bisherige Abhängigkeit der Krankenhäuser vom Antragsverfahren entfällt.

  • Die Investitionsmittelzuweisung ist gerechter, weil sie sich an den Leistungen der Krankenhäuser orientiert.

  • Die Investitionsmittelzuweisung ist verlässlicher und erleichtert den Krankenhäusern die Planung.

Die Länder können sich aber auch für die Beibehaltung des bisherigen Systems der Investitionsfinanzierung auf der Basis von Pauschal- und Einzelförderung entscheiden.

Der Übergang zu leistungsorientierten Investitionspauschalen ist ein Versuch dar, die Investitionsfinanzierung an die Bedingungen der DRG-Vergütung anzupassen. Damit soll die Investitionsfinanzierung wettbewerbskonform ausgestaltet werden.

Qualitätsorientierte Reform der Krankenhausversorgung

Sowohl die Krankenhausplanung als auch die Krankenhausvergütung wurden Ende 2015 mit dem "Gesetz zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung" (Krankenhausstrukturgesetz) reformiert. Die Reform trat zum 1.1.2016 in Kraft. Ihr zentrales Anliegen ist die Stärkung der Qualität von Krankenhäusern. Sowohl bei der Vergütung von Krankenhausleistungen als auch bei der Krankenhausplanung wird die Versorgungsqualität als Kriterium aufgewertet:

  • In der Krankenhausvergütung sollen qualitätsorientierte Zu- und Abschläge zu einer Verbesserung der Qualität von Leistungen führen. In der Vergangenheit erfolgte die Vergütung ohne Berücksichtigung der Qualität.

  • In der Krankenhausplanung soll das Kriterium der Qualität künftig stärker berücksichtigt werden. Wie dieses Vorhaben verwirklicht wird, entscheidet sich in den Ländern, weil diese für die Krankenhausplanung zuständig sind. Eine Folge dieser Qualitätsorientierung bei der Krankenhausplanung könnte sein, dass sich die Krankenhäuser weiter aus der Fläche zurückziehen.

Darüber hinaus sollen die Mindestmengenregelungen, die bereits seit längerem bestehen, mit größerer Rechtssicherheit ausgestattet werden. Mindestmengenregelungen legen fest, dass Ärzte oder Fachabteilungen bestimmte Untersuchungen, Behandlungen oder Eingriffe nur noch dann zu Lasten der Krankenkassen erbringen dürfen, wenn sie pro Jahr in einer bestimmten Mindestzahl erbracht werden. Dahinter steht die Annahme, dass die Qualität einer medizinischen Leistung steigt, wenn sie in einer bestimmten Häufigkeit erbracht wird. In der Vergangenheit hatten Krankenhäuser des Öfteren erfolgreich gegen Mindestmengenregelungen geklagt, die sie von der Vergütung und damit auch von der Leistungserbringung ausschlossen. Die Krankenhausstrukturreform dürfte zu einer weiteren die Spezialisierung von Krankenhäusern führen.

Die vorgesehenen Veränderungen des Vergütungssystems sind aus mehreren Gründen Gegenstand der Kritik:

  • So ist der Zusammenhang von Leistungsmenge und Qualität bei vielen Behandlungen im Grundsatz zwar plausibel und auch statistisch belegbar, jedoch handelt es sich nicht immer um einen zwingenden Zusammenhang. Auch Leistungen, die selten erbracht werden, können in hoher Qualität erbracht werden. Ebenso kann eine hohe Leistungsfrequenz mit Fehlern und schlechter Versorgung der Patienten einhergehen. Daher ist es schwierig, die neuen Vorgaben präzise und rechtssicher auszugestalten. Diese Aufgabe wurde dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) übertragen.

  • Des Weiteren entstehen durch die Mindestmengen erhebliche Fehlanreize: Um Patienten (weiterhin) behandeln zu dürfen, könnten Krankenhäuser versuchen, die vorgeschriebene Mindestmenge auch durch Erbringung medizinisch nicht notwendiger Leistungen zu erreichen.

  • Schließlich ist es schwer, den Erfolg medizinischer Eingriffe objektiv zu messen, auch weil der Erfolg oftmals von zahlreichen Patientenmerkmalen abhängt. Die Gewährung von Zu- und Abschlägen kann so einen Anreiz zur Manipulation von Behandlungsdaten durch Krankenhäuser schaffen.

  • Auch wenn die Rechtssicherheit von Bewertungsmaßstäben verbessert wird, könnten die Auswirkungen dieser Reform auch problematisch sein. Vor allem kleine Krankenhäuser und Fachabteilungen könnten durch die Reform finanzielle Probleme bekommen und vielleicht sogar schließen müssen, da ihre Kapazitäten nicht ausreichen, um größere Leistungsmengen zu erreichen.

Darüber hinaus enthält das Krankenhausstrukturgesetz weitere Maßnahmen, von denen sich der Gesetzgeber eine Verbesserung der Versorgungsqualität erhofft. Ein wichtiges Instrument sind so genannte "Qualitätsverträge". Dabei handelt es sich um Selektivverträge, die die Krankenkassen ab 2016 bei ausgewählten planbaren Leistungen abschließen können. Der G-BA wählt dafür vier planbare Leistungen bzw. Leistungsbereiche aus. Die Krankenkassen legen die Kriterien für diese Qualitätsverträge auf Landesebene einheitlich und gemeinsam fest. Für die Patienten bleibt die freie Krankenhauswahl erhalten. Die Qualitätsverträge werden evaluiert und nach erfolgter Evaluation gegebenenfalls in die Regelversorgung übernommen.

Neben den neuen Abrechnungs- und Planungsinstrumenten soll die Qualität in den Krankenhäusern auch durch eine Aufstockung des Pflegepersonals verbessert werden. Das Gesetz sieht ein Förderprogramm für die Krankenhauspflege vor, mit dem den Krankenhäusern von 2016 bis 2018 stufenweise bis zu 660 Millionen Euro pro Jahr aus Bundesmitteln zur Verfügung gestellt werden. Die Mittel sollen für die Anstellung zusätzlicher Pflegekräfte eingesetzt werden. Die vorgesehenen Summen würden ausreichen, um bundesweit etwa 6.000 zusätzliche Stellen für Pflegekräfte zu schaffen. Bei insgesamt 2.000 Krankenhäusern wären dies aber nur wenige Pflegekräfte mehr pro Klinik.

Ein weiteres Instrument zur Verbesserung der Situation der Patienten ist das Recht, bei so genannten "mengenanfälligen" Leistungen eine Zweitmeinung einzuholen. "Mengenanfällige" Leistungen sind solche Eingriffe, bei denen die Gewinnspanne besonders groß ist. Die Krankenkassen erheben gegen Krankenhäuser den Vorwurf, bei einigen dieser Leistungen in größerer Zahl medizinisch nicht indizierte Eingriffe vorzunehmen. Zumindest, so der Vorwurf, ließe sich die hohen Zuwachsraten bei diesen Leistungen kaum durch einen medizinischen Fortschritt oder durch einen aufgrund des demographischen Wandels gestiegenen Bedarf erklären. Dies betrifft z.B. Hüft- oder Kniegelenk-Operationen. Patienten können bei derartigen Leistungen ihre Diagnose nun bei einem anderen Arzt überprüfen lassen und anschließend auf Grundlage von zwei, voneinander unabhängigen Einschätzungen über einen mögliche Eingriff zu entscheiden. Die behandelnden Ärzte müssen die Patienten auf dieses Recht hinweisen. Ziel dieser Regelung ist es, unnötige Eingriffe zu verhindern und die Überversorgung bei bestimmten Leistungen einzudämmen.

Auch wenn das Krankenhausstrukturgesetz verschiedene Modifikationen an der Finanzierung der Krankenhäuser vornimmt, bleibt das duale Finanzierungssystem unangetastet. Die Krankenkassen werden in Zukunft weiterhin für die im Krankhaus erbrachten Leistungen aufkommen und die Länder unverändert für die Finanzierung der Infrastruktur zuständig sein. Die Forderung der Kassen nach Einführung einer monistischen Finanzierung (s.o.) haben die Länder mit dem Krankenhausstrukturgesetz abgewehrt. Damit dürfte allerdings das Problem der Unterfinanzierung bei den Investitionskosten fortbestehen.

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Welches der nachfolgend genannten Instrumente ist nicht Bestandteil des Krankenhausstrukturgesetzes?

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Prof. Dr. Dr. Thomas Gerlinger ist Professor an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld, AG 1: Gesundheitssysteme, Gesundheitspolitik und Gesundheitssoziologie.