Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Analyse: Der innere Kampf: Korruption und Korruptionsbekämpfung als Hürde und Gradmesser für den EU-Beitritt der Ukraine | Ukraine-Analysen | bpb.de

Ukraine Wirtschaft / Rohstoffe / Kriegsschäden und Wiederaufbau Analyse: Wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit in einer schwierigen Gesamtlage Analyse: Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung Analyse: Schäden und Wiederaufbau der ukrainischen Infrastruktur Chronik: 11. Januar bis 21. Februar 2024 Zwei Jahre Angriffskrieg: Rückblick, aktuelle Lage und Ausblick (23.02.2024) Analyse: Zwei Jahre russischer Angriffskrieg. Welche politischen, militärischen und strategischen Erkenntnisse lassen sich ziehen? Kommentar: Die aktuelle Lage an der Front Kommentar: Wie sich der russisch-ukrainische Krieg 2024 entwickeln könnte Kommentar: Die Ukraine wird sich nicht durchsetzen, wenn der Westen seine eigene Handlungsfähigkeit verleugnet Kommentar: Wie funktioniert das ukrainische Parlament in Kriegszeiten? Kommentar: Wie die Wahrnehmung des Staates sich durch den Krieg gewandelt hat Umfragen: Stimmung in der Bevölkerung Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Statistik: Russische Raketen- und Drohnenangriffe, Verbrauch von Artilleriegranaten, Materialverluste im Kampf um Awdijiwka Folgen des russischen Angriffskriegs für die ukrainische Landwirtschaft (09.02.2024) Analyse: Zwischenbilanz zum Krieg: Schäden und Verluste der ukrainischen Landwirtschaft Analyse: Satellitendaten zeigen hohen Verlust an ukrainischen Anbauflächen als Folge der russischen Invasion Statistik: Getreideexporte Chronik: 17. Dezember 2023 bis 10. Januar 2024 Kunst, Musik und Krieg (18.01.2024) Analyse: Ukrainische Künstler:innen im Widerstand gegen die großangelegte Invasion: Dekolonialisierung in der Kunst nach dem 24. Februar 2022 Analyse: Musik und Krieg Dokumentation: Ukrainische Musiker:innen, die durch die russische Invasion umgekommen sind Statistik: "De-Russifizierung" der ukrainischen Youtube-Musik-Charts Umfragen: Änderung des Hörverhaltens seit der großangelegten Invasion Chronik: 21. November bis 16. Dezember 2023 Eintritt in eine neue Kriegsphase? / Selenskyjs Appelle an Russland (19.12.2023) Interview: "Dieser Krieg bleibt in erster Linie ein Artilleriekrieg, der die Munitionslieferungen zu einem sehr wichtigen Faktor macht" Statistik: Geländegewinne seit Beginn der Großinvasion Kommentar: Deutschland: Ein Schlüsselakteur in der neuen Kriegsphase? Statistik: Internationale Hilfen für die Ukraine Analyse: Selenskyjs Appelle an russische Staatsbürger:innen im ersten Jahr des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine Dokumentation: Ansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an das russische Volk am Vorabend der großangelegten Invasion Chronik: 28. Oktober bis 20. November 2023 Der Globale Süden und der Krieg (24.11.2023) Analyse: Der Blick aus dem Süden: Lateinamerikanische Perspektiven auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Krieg gegen die Ukraine und Afrika: Warum die Afrikanische Union zwar ambitioniert, aber gespalten ist Analyse: Eine Kritik der zivilisatorischen Kriegsdiplomatie der Ukraine im Globalen Süden Umfragen: Umfragedaten: Der Globale Süden und Russlands Krieg gegen die Ukraine Dokumentation: Abstimmungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Chronik: 16. bis 27. Oktober 2023 Zwischen Resilienz und Trauma: Mentale Gesundheit (02.11.2023) Analyse: Mentale Gesundheit in Zeiten des Krieges Karte: Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur der Ukraine Analyse: Den Herausforderungen für die psychische Gesundheit ukrainischer Veteran:innen begegnen Umfragen: Umfragen zur mentalen Gesundheit Statistik: Mentale Gesundheit: Die Ukraine im internationalen Vergleich Chronik: 1. bis 15. Oktober 2023 Ukraine-Krieg in deutschen Medien (05.10.2023) Kommentar: Der Kampf um die Deutungshoheit. Deutsche Medien zu Ukraine, Krim-Annexion und Russlands Rolle im Jahr 2014 Analyse: Die Qualität der Medienberichterstattung über Russlands Krieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Aggression gegenüber der Ukraine in den deutschen Talkshows 2013–2023. Eine empirische Analyse der Studiogäste Chronik: 1. bis 30. September 2023 Ökologische Kriegsfolgen / Kachowka-Staudamm (19.09.2023) Analyse: Die ökologischen Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine Analyse: Ökozid: Die katastrophalen Folgen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms Dokumentation: Auswahl kriegsbedingter Umweltschäden seit Beginn der großangelegten russischen Invasion bis zur Zerstörung des Kachowka-Staudamms Statistik: Statistiken zu Umweltschäden Zivilgesellschaft / Lokale Selbstverwaltung und Resilienz (14.07.2023) Von der Redaktion: Sommerpause – und eine Ankündigung Analyse: Die neuen Facetten der ukrainischen Zivilgesellschaft Statistik: Entwicklung der ukrainischen Zivilgesellschaft Analyse: Der Beitrag lokaler Selbstverwaltungsbehörden zur demokratischen Resilienz der Ukraine Wissenschaft im Krieg (27.06.2023) Kommentar: Zum Zustand der ukrainischen Wissenschaft in Zeiten des Krieges Kommentar: Ein Brief aus Charkiw: Ein ukrainisches Wissenschaftszentrum in Kriegszeiten Kommentar: Warum die "Russian Studies" im Westen versagt haben, Aufschluss über Russland und die Ukraine zu liefern Kommentar: Mehr Öffentlichkeit wagen. Ein Erfahrungsbericht Statistik: Auswirkungen des Krieges auf Forschung und Wissenschaft der Ukraine Innenpolitik / Eliten (26.05.2023) Analyse: Zwischen Kriegsrecht und Reformen. Die innenpolitische Entwicklung der Ukraine Analyse: Die politischen Eliten der Ukraine im Wandel Statistik: Wandel der politischen Elite in der Ukraine im Vergleich Chronik: 5. April bis 3. Mai 2023 Sprache in Zeiten des Krieges (10.05.2023) Analyse: Die Ukrainer sprechen jetzt hauptsächlich Ukrainisch – sagen sie Analyse: Was motiviert Ukrainer:innen, vermehrt Ukrainisch zu sprechen? Analyse: Surschyk in der Ukraine: zwischen Sprachideologie und Usus Chronik: 08. März bis 4. April 2023 Sozialpolitik (27.04.2023) Analyse: Das Sozialsystem in der Ukraine: Was ist nötig, damit es unter der schweren Last des Krieges besteht? Analyse: Die hohen Kosten des Krieges: Wie Russlands Krieg gegen die Ukraine die Armut verschärft Chronik: 22. Februar bis 7. März 2023 Besatzungsregime / Wiedereingliederung des Donbas (27.03.2023) Analyse: Etablierungsformen russischer Herrschaft in den besetzten Gebieten der Ukraine: Wege und Gesichter der Okkupation Karte: Besetzte Gebiete Dokumentation: Human Rights Watch: Torture, Disappearances in Occupied South. Apparent War Crimes by Russian Forces in Kherson, Zaporizhzhia Regions (Ausschnitt) Dokumentation: War and Annexation. The "People’s Republics" of eastern Ukraine in 2022. Annual Report (Ausschnitt) Dokumentation: Terror, disappearances and mass deportation Dokumentation: Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) gegen Wladimir Putin wegen der Verschleppung von Kindern aus besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland Analyse: Die Wiedereingliederung des Donbas nach dem Krieg: eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung Chronik 11. bis 21. Februar 2023 Internationaler Frauentag, Feminismus und Krieg (13.03.2023) Analyse: 8. März, Feminismus und Krieg in der Ukraine: Neue Herausforderungen, neue Möglichkeiten Umfragen: Umfragen zum Internationalen Frauentag Interview: "Der Wiederaufbau braucht einen geschlechtersensiblen Ansatz" Statistik: Kennzahlen und Indizes geschlechterspezifischer Ungleichheit Korruptionsbekämpfung (08.03.2023) Analyse: Der innere Kampf: Korruption und Korruptionsbekämpfung als Hürde und Gradmesser für den EU-Beitritt der Ukraine Dokumentation: Statistiken und Umfragen zu Korruption Analyse: Reformen, Korruption und gesellschaftliches Engagement Chronik: 1. bis 10. Februar 2023 Kriegsentwicklung / Jahrestag der Invasion (23.02.2023) Analyse: Unerwartete Kriegsverläufe Analyse: Die Invasion der Ukraine nach einem Jahr – Ein militärischer Rück- und Ausblick Kommentar: Die Unterstützung der NATO-Alliierten für die Ukraine: Ursachen und Folgen Kommentar: Der Krieg hat die Profile der EU und der USA in der Ukraine gefestigt Kommentar: Wie der Krieg die ukrainische Gesellschaft stabilisiert hat Kommentar: Die existenzielle Frage "Sein oder Nichtsein?" hat die Ukraine klar beantwortet Kommentar: Wie und warum die Ukraine neu aufgebaut werden sollte Kommentar: Der Krieg und die Kirchen Karte: Kriegsgeschehen in der Ukraine (Stand: 18. Februar 2023) Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Chronik: 17. bis 31. Januar 2023 Meinungsumfragen im Krieg (15.02.2023) Kommentar: Stimmen die Ergebnisse von Umfragen, die während des Krieges durchgeführt werden? Kommentar: Vier Fragen zu Umfragen während eines umfassenden Krieges am Beispiel von Russlands Krieg gegen die Ukraine Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine zu Kriegszeiten: Zeigen sie uns das ganze Bild? Kommentar: Meinungsforschung während des Krieges: anstrengend, schwierig, gefährlich, aber interessant Kommentar: Quantitative Meinungsforschung in der Ukraine zu Kriegszeiten: Erfahrungen von Info Sapiens 2022 Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine unter Kriegsbedingungen Kommentar: Politisches Vertrauen als Faktor des Zusammenhalts im Krieg Kommentar: Welche Argumente überzeugen Deutsche und Dänen, die Ukraine weiterhin zu unterstützen? Dokumentation: Umfragen zum Krieg (Auswahl) Chronik: Chronik 9. bis 16. Januar 2023 Ländliche Gemeinden / Landnutzungsänderung (19.01.2023) Analyse: Ländliche Gemeinden und europäische Integration der Ukraine: Entwicklungspolitische Aspekte Analyse: Monitoring der Landnutzungsänderung in der Ukraine am Beispiel der Region Schytomyr Chronik: 26. September bis 8. Januar 2023 Weitere Angebote der bpb Redaktion

Analyse: Der innere Kampf: Korruption und Korruptionsbekämpfung als Hürde und Gradmesser für den EU-Beitritt der Ukraine Ukraine-Analyse Nr. 280

Eduard Klein Mattia Nelles

/ 13 Minuten zu lesen

Verteidigungsminister Oleksij Resnikow steht nach einem Korruptionsskandal in seinem Ministerium, der Ende Januar 2023 publik wurde, in der Kritik. (© picture-alliance, AA | Oleksii Chumachenko)

Zusammenfassung

Korruption wird in der Ukraine von vielen als der größte "innere Feind" angesehen, den es ebenso wie den aktuellen äußeren Feind zu besiegen gilt. In den letzten Jahren wurden zahlreiche Antikorruptionsreformen durchgeführt. Aktuell werfen mehrere Korruptionsskandale jedoch die Frage nach der Wirksamkeit dieser Reformen auf. Vor allem im Hinblick auf den anvisierten EU-Beitritt und den Wiederaufbau nach Kriegsende, der mit enormen internationalen Geldern finanziert werden muss, muss die Ukraine den nach dem Maidan eingeschlagenen Reformkurs konsequent fortsetzen und vor allem die Justiz umfassend reformieren. Andernfalls droht nicht nur ein Vertrauensverlust der eigenen Bevölkerung, sondern auch der internationalen Gemeinschaft, auf die die Ukraine derzeit stärker denn je angewiesen ist.

Einleitung

Korruption, also der Missbrauch anvertrauter Macht zum persönlichen Vorteil, ist ein globales Problem. Die Ukraine zählt in Europa zu den korruptesten Ländern, wie der kürzlich erschienene Externer Link: Corruption Perceptions Index 2022 zeigt, wo das Land den 116. Platz einnimmt. Die jüngsten Korruptionsskandale gleich in zwei Ministerien scheinen das Bild von einem durchweg korrupten Land zu bestätigen. Dennoch greift diese Vorstellung zu kurz; in den letzten Jahren gab es durchaus eine positive Dynamik. Der Kampf gegen die Korruption war eine zentrale Forderung der Maidan-Proteste und der Revolution der Würde 2014. Seitdem wurden weitreichende Reformen umgesetzt und unabhängige und effektive Institutionen zur Korruptionsbekämpfung geschaffen. Diese ermitteln gegen einflussreiche Entscheidungsträger:innen, die früher als unantastbar galten.

Dennoch stellt der Kampf gegen die Korruption neben dem russischen Angriffskrieg die größte Herausforderung dar, vor allem vor dem Hintergrund des immensen Wiederaufbauprogramms nach dem Krieg, der viele Korruptionsopportunitäten schaffen wird. Daher gilt es jetzt, die Erfolge der neu geschaffenen Antikorruptionsinfrastruktur zu festigen und auf weitere Bereiche auszuweiten. Das gilt besonders für die bis heute zum Großteil unreformierte Justiz. Dass die Europäische Union in fünf ihrer sieben Konditionen für Beitrittsgespräche an die Ukraine Korruptionsbekämpfung bzw. Justizreformen thematisiert, ist daher kein Wunder. Damit wird die Erwartung sowohl seitens der EU als auch der ukrainischen Gesellschaft an die Politik verstärkt, sich auf den bisherigen Errungenschaften nicht auszuruhen, sondern sie weiter substanziell auszubauen.

Schaffung einer umfassenden Antikorruptionsinfrastruktur nach dem Maidan

Die weitverbreitete Korruption in der Ukraine hat viele Ursachen. Eine davon ist, dass es seit der Unabhängigkeit des Landes 1991 keine starken rechtsstaatlichen Institutionen und keine Antikorruptionsinfrastruktur gab, die Korruption strafrechtlich verfolgten und ahndeten. Das änderte sich erst nach dem Euromaidan: Die landesweiten Proteste Ende 2013, die sich zunächst gegen Wiktor Janukowytschs Last-Minute Abkehr vom EU-Assoziierungsvertrag richteten, wandelten sich zunehmend in Proteste gegen das korrupte Janukowytsch-Regime. Nach dem Sturz des kleptokratischen Machthabers trafen die gesellschaftlichen Forderungen, endlich gegen Korruption vorzugehen, auf eine (zunächst) reformorientierte politische Führung unter Präsident Petro Poroschenko. Hinzu kam, dass die Ukraine wegen der russischen Annexion der Krim und dem Krieg im Donbas auf finanzielle Hilfen angewiesen war und die internationale Kreditgeber die Auszahlung von Krediten an Reformfortschritte knüpften. Dieses "window of opportunity" ermöglichte einen generellen Reformschub im Land. Dazu zählte auch der Aufbau einer umfassenden Antikorruptionsinfrastruktur, wie es sie in der Ukraine bis dahin nicht gegeben hatte (und in anderen Staaten des postsowjetischen Raums bis heute nicht gibt).

Der Grundstein für die Reformen wurde 2014 mit einem Externer Link: neuen Antikorruptionsgesetz gelegt. Die neuen Institutionen sollten weitgehend unabhängig von den bestehenden Behörden als "Inseln der Integrität" aufgebaut werden. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf integres neues Personal gelegt. Die Führungsspitze der neuen Behörden wurde in hoch kompetitiven, transparenten Externer Link: Auswahlverfahren mit Unterstützung (und Vetorecht) internationaler Expert:innen rekrutiert.

Das 2015 gegründete Nationale Antikorruptionsbüro (NABU) spielt als Ermittlungsbehörde eine zentrale Rolle: Es untersucht solche Fälle der Korruption, in die ranghohe Staatsvertreter:innen verwickelt sind oder große Korruptionsfälle mit einem Schaden von mehr als einer Million Hrywnja. Das NABU hat bereits mehr als 850 Ermittlungsverfahren eingeleitet, auch gegen Externer Link: einflussreiche Personen, und setzt die Arbeit trotz der russischen Invasion unvermindert fort.

Die Anklageerhebung bei Ermittlungen, die in die Zuständigkeit des NABU fallen, erfolgt durch die ebenfalls 2015 geschaffene Sonderstaatsanwaltschaft für Korruptionsbekämpfung (SAPO), eine unabhängige Einheit innerhalb der Generalstaatsanwaltschaft. Während früher Korruptionsermittlungen oft in der selbst korruptionsanfälligen Staatsanwaltschaft versandeten, zeigen 380 Anklagen, dass die SAPO effektiv arbeitet.

Eine große Schwachstelle in der Antikorruptionsinfrastruktur war lange Zeit die Justiz, die trotz mehrerer Anläufe weitgehend unreformiert und damit extrem korruptionsanfällig blieb. Erst mit der Einrichtung des unabhängigen Obersten Antikorruptionsgerichts der Ukraine (HACC) im Jahr 2019, die nicht zuletzt auf massiven internationalen Druck hin erfolgte, wurde es möglich, dass die vom NABU untersuchten und von der SAPO zur Anklage gebrachten Fälle auch tatsächlich vor einem unabhängigen und kompetenten Gericht landeten. Das HACC Externer Link: fällte 2022 insgesamt 37 Urteile und verurteilte 33 Richter, Politiker und andere hochrangige Amtsträger.

Neben diesen institutionellen Reformen wurden zahlreiche weitere Maßnahmen in verschiedenen Bereichen ergriffen. Zu den effektivsten zählt die Einführung der zentralen elektronischen Beschaffungsplattform ProZorro, die von Externer Link: zivilgesellschaftlichen Akteuren entwickelt wurde und dem Staat durch transparente Auftragsvergabe bis heute mehr als 7 Milliarden US-Dollar eingespart hat. Auch die Einführung der E-Declarations, der elektronischen Vermögenserklärung für Staatsbeamte und ihre engsten Verwandten, schafft eine in Europa einmalige Dimension der Transparenz. Aktivist:innen und die 2015 ebenfalls neu gegründete Nationale Agentur zur Korruptionsprävention (NAZK) können so mutmaßlich illegal erworbenes Vermögen aufspüren. Dies sind nur zwei von vielen Beispielen, die die Ukraine transparenter machen und dabei helfen, Korruption aufzudecken.

Mit dem Aufbau einer umfassenden institutionellen Infrastruktur zur strafrechtlichen Verfolgung von Korruption, verbunden mit flankierenden Präventions- und Transparenzmaßnahmen, hat die Ukraine seit 2014 einen großen Schritt in Richtung effektiver Korruptionsbekämpfung gemacht. Diese Entwicklung trägt allmählich Früchte und die Korruption geht messbar zurück: Gaben 2011 noch 60 Prozent der Ukrainer:innen an, dass sie oder ihre Familienmitglieder im vergangenen Jahr eine Bestechung gezahlt haben, waren es 2022 nur noch 34 Prozent (siehe Grafik 2). Auch im Corruption Perceptions Index (CPI) von Transparency International konnte sich die Ukraine in den letzten Jahren im internationalen Vergleich langsam, aber stetig verbessern (siehe Grafik 1) und liegt im CPI in etwa gleichauf mit anderen EU-Beitrittskandidaten wie Serbien, Albanien oder Bosnien und Herzegowina.

Selenskyjs ambivalente Korruptionsbekämpfung

Mit der Aufhebung der Abgeordnetenimmunität, die in der Ukraine gerne genutzt wurde, um sich vor Strafverfolgung zu schützen, hat Selenskyj gleich kurz nach seinem Amtsantritt ein zentrales Wahlversprechen umgesetzt, wohl um zu zeigen, dass er es mit dem Kampf gegen die Korruption ernst meint. Für die Bürger:innen, die Bestechungen im Umgang mit staatlichen Behörden leid waren, Externer Link: digitalisierte Selenskyjs Team mit großem Eifer die öffentliche Verwaltung. So ersetzt die E-Services-App "Dija" viele Behördengänge und macht die Verwaltung nicht nur moderner und effizienter, sondern reduziert auch die Korruption im Alltag spürbar. Die Anwendung ist so erfolgreich, dass sie nun auch Externer Link: in andere Länder exportiert werden soll.

Gleichzeitig scheint Selenskyj entschlossen zu sein, den Einfluss der Oligarchen auf Politik und Medien zu begrenzen. Im Juli 2021 setzte er gegen große Widerstände ein Gesetz zur De-Oligarchisierung durch. Ob die Entmachtung der Oligarchen – die durch den russischen Angriffskrieges tatsächlich einen Großteil ihres Vermögens und auch ihres Einflusses verloren haben – tatsächlich das vorrangige Ziel Selenskyjs ist, oder nicht vielleicht die Ausschaltung politischer Gegner zur politischen Machtsicherung (so ging Selenskyj Externer Link: besonders hart gegen seinen Amtsvorgänger und wahrscheinlichen Herausforderer bei den nächsten Präsidentschaftswahlen Petro Poroschenko vor), wird sich zeigen.

Kritiker:innen werfen Selenskyj zudem vor, die Kontrolle über zentrale Institutionen durch die gezielte Besetzung mit loyalen Personen zu sichern. So tauschte er im März 2020 den als unabhängig und kompetent geltenden Generalstaatsanwalt Ruslan Rjaboschapka gegen Iryna Wenedyktowa aus, deren Externer Link: Unabhängigkeit von Antikorruptionsaktivist:innen angezweifelt wird. Wenedyktowa war bereits kurz nach ihrer Ernennung in die Kritik geraten, weil sie nach Korruptionsvorwürfen gegen den Abgeordneten Pawlo Chalimon von Selenskyjs Partei "Diener des Volkes" die Ermittlungen gegen diesen blockiert haben soll (Anfang 2023 wurde Chalimon wegen einer anderen Korruptionsaffäre als stellvertretender Fraktionsvorsitzender Externer Link: entlassen). Wenedyktowa war es auch, die dafür sorgte, dass die NABU-Ermittlungen gegen den umstrittenen stellvertretenden Leiter des Präsidentenbüros, Oleh Tatarow, Externer Link: eingestellt wurden. Wenedyktowa wurde im Juli 2022 entlassen und durch Andrij Kostin ersetzt – einen weiteren loyalen Gefolgsmann Selenskyjs, dem Externer Link: Sabotage der Justizreform vorgeworfen wurde. Im Lichte der aktuellen Korruptionsaffären könnte Selenskyjs ambivalente Personalpolitik auch für den Präsidenten selbst noch zum Problem werden.

Verschleppte Justizreform und Verfassungskrise

Versuche, die ukrainische Justiz umfassend zu reformieren, scheiterten bereits nach dem Maidan am mangelnden politischen Willen und massivem Widerstand aus der Justiz selbst. Ende 2020 kam es dann zu einer Verfassungskrise, als das Verfassungsgericht am 27. Oktober zentrale Elemente der Antikorruptionsgesetzgebung (E-Declarations und die Strafbarkeit der illegalen Bereicherung) für Externer Link: verfassungswidrig erklärte. Daraufhin ersuchte Selenskyj am 29. Oktober das Parlament (erfolglos), das Verfassungsgericht aufzulösen. Im Dezember setzte das Parlament die Antikorruptionsgesetze wieder in Kraft. Selenskyj suspendierte per Dekret den Vorsitzenden Verfassungsrichter Oleksandr Tupizkyj, gegen den selbst Externer Link: wegen Bestechung ermittelt wird, und annulierte schließlich dessen Ernennung 2013 durch Wiktor Janukowytsch. Dagegen wiederum ging das Verfassungsgericht vor und erklärte im Juli 2021 Selenskyjs Vorgehen für verfassungswidrig. Bis heute ist die Verfassungskrise nicht gelöst.

Die skandalösen Urteile des Verfassungsgerichts stehen sinnbildlich für die ukrainische Justiz, die formal unabhängig ist und durch die Verfassung großen Schutz genießt, informell aber von politischen Gruppen beeinflusst wird.

Im Sommer 2021 brachte Selenskyj Gesetze zur Neuaufstellung des Hohen Justizrats (HJC), dem wichtigsten Organ der Selbstverwaltung der Justiz, und der Hohen Qualifizierungskommission für Richter (HQCJ) ins Parlament ein. Nach anfänglicher Blockade durch Vertreter:innen des HJC begann die Neubesetzung beider Räte – und zwar wie schon zuvor bei den neuen Antikorruptionsinstitutionen unter Einbeziehung internationaler Expert:innen, die neben der fachlichen Eignung auch die Integrität der Kandidat:innen prüfen. Der neubesetzte HCJ hat bereits seine Arbeit aufgenommen, während der Auswahlprozess der HGCJ noch läuft. Inwiefern es nun zu einer verbesserten Auswahl, Disziplinierung und Sanktionierung korrupter Richter führt, wird sich zeigen.

Für große Kritik sorgte das Gesetz zur Reform des Verfassungsgerichts. Entgegen den Empfehlungen der ukrainischen Zivilgesellschaft und der Venedig-Kommission wurde den drei internationalen Mitgliedern der Auswahlkommission kein Veto-Recht eingeräumt. Anders als bei der Auswahl der NABU-Führung oder des HACC könnten bei einer Patt-Situation die ukrainischen die internationalen Kommissionsmitglieder überstimmen. Ukrainische Expert:innen aus der Zivilgesellschaft warnten mehrfach, dass die Regierung so ihre Kandidat:innen durchsetzen könnte. Zuletzt wurde politisch über nachträgliche Änderungen gerungen.

Korruption im Krieg, Krieg gegen Korruption?

Dass der Krieg die Korruptionsproblematik zwar thematisch in den Hintergrund gedrängt, nicht aber verdrängt hat, zeigen die jüngsten Korruptionsfälle, in denen Krieg und Korruption sogar miteinander verwoben sind. Am 21. Januar 2023 veröffentlichte das Online-Medium Externer Link: Serkalo Tyschnja eine Recherche, derzufolge die Beschaffung von Lebensmitteln für die Armee teilweise zu überhöhten Preisen erfolgte. Kurz danach wurde in einem anderen, davon unabhängigen Fall der stellvertretende Infrastrukturminister Wassyl Losynskyj wegen der Annahme einer Schmiergeldzahlung von 400.000 US-Dollar vom Externer Link: NABU festgenommen. Bereits zuvor hatte die Externer Link: Ukrajinska Prawda über den luxuriösen Lebensstil des Vize-Chefs des Präsidentenbüros, Kyrylo Tymoschenko, berichtet, der unter anderem in die Kritik geriet, weil er mit einem für humanitäre Zwecke im Kriegsgebiet gespendeten SUV unterwegs war.

Gerade in Zeiten des Krieges gilt Korruption im Militär oder auch bei der humanitären Hilfe sowohl in der eigenen Bevölkerung als auch bei der internationalen Gemeinschaft als besonders problematisch. Laut einer aktuellen Umfrage (Grafik 10) waren die Ukrainer:innen noch nie so gewillt, gegen Korruption vorzugehen. Vor dem Krieg waren 44 Prozent bereit, Korruptionsfälle zu melden, heute sind es 84 Prozent. Gleichzeitig drohen die beschriebenen Korruptionsskandale das Vertrauen in die Ukraine und somit die wichtige Unterstützung im Westen zu schwächen.

Das Präsidialamt war sich der brisanten Lage bewusst und reagierte umgehend. In seiner abendlichen Ansprache dankte Präsident Selenskyj den Journalist:innen und den Ermittlungsbehörden für die Enthüllungen und kündigte weitreichende personelle Konsequenzen an. Insgesamt wurden vier Vizeminister, darunter auch der Vize-Verteidigungs- und Vize-Infrastrukturminister, fünf Gouverneure, der wichtige Vize-Chef des Präsidentenbüros Tymoschenko und der Vize-Generalstaatsanwalt Symonenko sowie der Leiter der Beschaffungsabteilung im Verteidigungsministerium entlassen. Anfang Februar wurde auch das Haus von Ihor Kolomojskyj durchsucht in Zusammenhang mit Ermittlungen wegen Unterschlagung von fast 1 Mrd. Euro beim wichtigen Öl- und Gasförderer Ukrnafta und dem Pipelinebetreiber Ukrtransnafta, an denen der Oligarch bis zu deren Verstaatlichung letztes Jahr beteiligt war. Und Ende Februar Externer Link: verlor Oleksandr Truchin von der Präsidentenpartei sein Mandat, nachdem er zuvor vom HACC für Korruption in Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall schuldig gesprochen wurde.

In der Ukraine und von der Externer Link: Bundesregierung und Externer Link: der EU wurde die schnelle Reaktion Selenskyjs und das entschiedene Vorgehen der ukrainischen Behörden positiv bewertet. Entscheidend wird jetzt die Frage sein, wie die Ukraine ihre hohe Transparenz mit berechtigten Sicherheitsaspekten im Krieg in Einklang bringen kann, sodass Ermittler:innen, Investigativjournalist:innen und Expert:innen der Zivilgesellschaft weiter gegen Korruption vorgehen können. Das umfasst staatliche Verträge, wie die des Verteidigungsministeriums, genau wie die E-Declarations, die nach der vollumfänglichen Invasion wegen Sicherheitsbedenken vorerst ausgesetzt wurden (was inzwischen aber auf immer mehr Kritik stößt). Externer Link: Ankündigungen des unter Druck stehenden Verteidigungsministers, das Beschaffungswesen schnell zu optimieren und auch weitere personelle Konsequenzen zu ziehen, können dabei nur der erste Schritt sein. Im Lichte der jüngsten Korruptionsskandale ist zudem die Externer Link: Ernennung von Mustafa Najem zum neuen Chef der ukrainischen Behörde für den Wiederaufbau und Infrastruktur ein positives Zeichen. Der ehemalige Investigativjournalist und Politiker genießt einen integren Ruf und konnte die letzten Jahre bereits wichtige Erfahrungen im Infrastrukturministerium sammeln.

EU-Beitrittsperspektive als Reformanreiz

Kurz nach Beginn der russischen Invasion beantragte die Ukraine offiziell die EU-Mitgliedschaft. Im Juni vergangenen Jahres kam es dann zur historischen Entscheidung, trotz Skepsis einiger Mitgliedsstaaten, der Ukraine den Kandidatenstatus zu gewähren. Daran geknüpft waren sieben Konditionen, von denen fünf direkt oder indirekt mit Korruptionsbekämpfung bzw. der Justizreform zu tun haben. Die EU-Kommission prüft derzeit, wie weit die Ukraine mit der Umsetzung gekommen ist. Erste Ergebnisse sollen im Frühling vorgestellt werden. Das ukrainische New Europe Center Externer Link: bescheinigt spürbare Fortschritte in den letzten Monaten, sieht aber auch noch viel Verbesserungsbedarf.

Für die Antikorruptionsbemühungen hat der EU-Kandidatenstatus bereits eine positive Dynamik gebracht. Die Besetzung des lange vakanten Postens des wichtigen Sonderstaatsanwalts für Antikorruption (SAPO), eine der 7 EU-Konditionen, wurde endlich bestätigt. Oleksandr Klymenko war lange zuvor von der Auswahlkommission ausgewählt worden, seine Ernennung wurde aber politisch und juristisch blockiert. Klymenko war zuvor NABU-Detektiv und machte sich durch seine Ermittlungen gegen hochrangige Politiker und Oligarchen, wie Roman Nasirow, Oleksandr Onyschtschenko oder Oleh Tatarow einen Namen.

Auch die Auswahl des NABU-Chefs ist eine der EU-Forderungen. Dem bisherigen Leiter, Artem Sytnyk, wurde eine gute Arbeit nachgesagt, seine Amtszeit endete jedoch vergangenes Jahr. Nach einem mehrstufigen Auswahl­verfahren, bei dem außer den fachlichen Qualifikationen auch die Integrität und Führungserfahrung der Bewer­ber:innen geprüft wurde, ernannte das Ministerkabinett am 6. März 2023 Semen Krywonos zum neuen Leiter. Externer Link: Laut Kyiv Independent gibt es einerseits Zweifel hinsichtlich seiner Integrität und seine Nähe zum Präsidialamt und geringe Erfahrung werden von der Zivilgesellschaft kritisch beäugt. Andererseits soll er sich im Team von Michail Saakaschwili, der als Premier in Georgien erfolgreich gegen Korruption vorgegangen war und 2015–16 Gouverneur der Oblast Odesa war, einen Ruf als Reformer erarbeitet haben. Auch gegenüber Krywonos’ Vorgänger gab es anfangs Zweifel, die Sytnyk mit seiner entschlossenen Art, auch gegen politische Widerstände vorzugehen, ausgeräumt hat. Nun muss Krywonos sich beweisen, denn die Leitung des NABU gilt als elementar, um der politischen Korruption den Kampf anzusagen.

Die anderen EU-Kriterien umfassen die Prüfung der Kandidat:innen für HCJ und HQCJ, eine Anpassung der Gesetze gegen Geldwäsche, eine Strategie zur Reform der gesamten Strafverfolgungsbehörden sowie die Umsetzung des Anti-Oligarchen-Gesetzes und die Neuaufstellung des Verfassungsgerichts. Bei den letzten zwei Punkten werden bestehende Gesetze nachgebessert werden müssen. Die Umsetzung der Kriterien und die Externer Link: genaue Bewertung von Seiten der EU und ukrainischen Expert:innen werden zeigen, ob der erste positive Impuls, der vom EU-Beitrittskandidatenstatus ausgeht, sich fortsetzt und als Anreiz für weitere Reformen zur Korruptionsbekämpfung dienen kann. Präsident Selenskyj sollte das Momentum nutzen – die Gesellschaft ist geeint wie nie, das internationale Interesse und die Unterstützung so groß wie nie – um seinen rhetorischen Ankündigungen, dass es "Externer Link: kein zurück mehr gebe" in die alten Zeiten, auch weitere Taten folgen zu lassen. Nur wenn es weitere energische Maßnahmen und erfolgreiche Schritte bei der Korruptionsbekämpfung geben wird, wird man die EU-Verantwortlichen davon überzeugen können, dass die Ukraine tatsächlich ein ernsthafter EU-Kandidat ist.

Fazit und Ausblick

Trotz eines holprigen Reformprozesses, bei dem auf einen Schritt vor oft auch ein Schritt zurück folgte, hat die Ukraine im Bereich der Korruptionsbekämpfung in den letzten 10 Jahren große Fortschritte gemacht. Was vor dem Maidan als undenkbar galt, ist heute Realität: Neu geschaffene Antikorruptionsinstitutionen ermitteln gegen einst unantastbare einflussreiche Poltiker:innen, Richter:innen oder Geschäftsleute. Korruptionsermittlungen und -verfahren sind jedoch oft kompliziert und kommen daher nur langsam voran, weshalb man die Ergebnisse von Antikorruptionsreformen oft erst verzögert sieht. Auch wenn es dauert und noch viel zu machen ist: Die Richtung stimmt.

Es gilt nun, diesen Weg zu verstetigen, erneute Roll-Backs zu verhindern und die aufgebauten "Inseln der Integrität" wie NABU, SAPO oder HACC zu "Landschaften der Integrität" auszubauen. Das bedeutet z. B., dass bei Reformen und Besetzung anderer wichtiger Behörden und Gerichte die Lehren aus den letzten Jahren berücksichtigt werden sollten: Neben der fachlichen Eignung spielt die Integrität der Kandidat:innen die zentrale Schlüsselrolle und die Einbeziehung externer, internationaler Expert:innen bei der Auswahl sollte zum Standard werden. Auch bereits vor dem anvisierten EU-Beitritt, der vermutlich Jahre dauern wird, gibt es bereits jetzt viel Potenzial für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen der EU und der Ukraine. Zum einen hat die EU bereits Erfahrungen gemacht mit früheren Beitrittskandidaten, die im Bereich der Korruptionsbekämpfung Reformen umsetzen mussten, und zum anderen verfügt sie über hilfreiche Institutionen (Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA), Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (Olaf)) und Einflusshebel (Konditionierung), um den weiteren Reformprozess in der Ukraine aktiv zu unterstützen. Die Ukraine kann gleichzeitig den EU-Staaten in Form von Prozorro oder Dija praktikable Lösungen für mehr Transparenz und effektive staatliche Dienstleistungen anbieten, so dass beide Seiten von der engeren Zusammenarbeit profitieren können.

Mit Unterstützung der EU kann die Ukraine es schaffen, aus dem postsowjetischen "Sumpf" von Korruption, Informalität und Oligarchie auszubrechen. Es wäre nicht nur ein wichtiger innerer Sieg für die Ukraine, sondern auch einer gegen den äußeren Aggressor Russland, von dem man sich abgrenzen möchte, und wo Autokratie und Korruption sich immer stärker verankern. Der Neu- und Wiederaufbau bietet der Ukraine dank der etablierten Antikorruptionsinfrastruktur, der aktiven Zivilgesellschaft, der präzedenzlosen internationalen Unterstützung und nicht zuletzt dem hohen Blutzoll, der Bereicherung durch Korruption nicht mehr duldet, eine einmalige Chance, die die Politik nutzen sollte.

Weitere Inhalte

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen und Redakteur der Ukraine-Analysen.

ist Ukraine-Experte und arbeitete unter anderem im Ukraine-Programm beim Zentrum Liberale Moderne in Berlin sowie für die GIZ in Kyjiw. Er interessiert sich insbesondere für den ukrainischen Reform- und Wiederaufbauprozess und den zivilgesellschaftlichen Kampf gegen Korruption.