Analyse: Die Qualität der Medienberichterstattung über Russlands Krieg gegen die Ukraine
Ukraine-Analyse Nr. 289
Marcus MaurerDr. Jörg HaßlerPablo Jost
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Der Beitrag analysiert die Medienberichterstattung in acht deutschen Leitmedien über Russlands Krieg gegen die Ukraine in den ersten drei Kriegsmonaten.
Zusammenfassung
Der Beitrag analysiert die Medienberichterstattung über den Krieg in der Ukraine in den ersten drei Kriegsmonaten. Dazu wurde eine Inhaltsanalyse von über 4.000 Beiträgen in acht deutschen Leitmedien durchgeführt. Die Analysen zeigen, dass die deutschen Medien die Kriegsverantwortung eindeutig bei Russland sahen, während die Ukraine überwiegend positiv dargestellt wurde. Sie plädierten eher für Waffenlieferungen als für diplomatische Verhandlungen. Die Bundesregierung und Kanzler Scholz wurden überwiegend kritisiert. Während die verschiedenen Medien in einigen Punkten eher einheitlich berichteten, zeigten sich in anderen Punkten deutliche Unterschiede.
Einleitung
Am 24. Februar 2022 fielen russische Truppen in die Ukraine ein. Die folgenden Wochen waren in Deutschland vor allem von Diskussionen darüber geprägt, mit welchen Maßnahmen sich der Krieg möglichst schnell beenden ließe. Dabei ging es vor allem um diplomatische Verhandlungen, Wirtschaftssanktionen und die Lieferung von (schweren) Waffen an die Ukraine. Besonders ab Mitte April verschärfte sich dann die Diskussion um die Lieferung schwerer Waffen. In der deutschen Bevölkerung war die Unterstützung für harte Maßnahmen gegen Russland im Allgemeinen seit Kriegsbeginn groß (z. B. ARD DeutschlandTrend März–Juni 2022). Im Detail vollzogen sich in diesem Zeitraum aber auch zwei bemerkenswerte Stimmungsumschwünge: Nachdem vor Kriegsausbruch im Februar noch eine deutliche Mehrheit (71 %) allgemein gegen Waffenlieferungen an die Ukraine war, war nach Kriegsausbruch im März eine deutliche Mehrheit (67 %) dafür. Die Zustimmung zur Lieferung schwerer Waffen änderte sich mit einem Monat Verzögerung: War im März noch eine deutliche Mehrheit (63 %) dagegen, votierte ab April die Mehrheit der Deutschen (56 %) dafür (Forschungsgruppe Wahlen/Politbarometer).
Der russische Krieg gegen die Ukraine ist nach der "Flüchtlingskrise" und der Corona-Pandemie aber auch das dritte große Thema innerhalb der letzten Jahre, bei dem sich die Nachrichtenmedien in Deutschland massiver Kritik ausgesetzt sahen: Die Berichterstattung befürworte einseitig die militärische Unterstützung für die Ukraine und die Lieferung von (schweren) Waffen, obwohl dies mit wirtschaftlichen und militärischen Risiken für die deutsche Bevölkerung und die ganze Welt verbunden sei. Die Berichterstattung von Medien mit eigentlich unterschiedlichen redaktionellen Linien unterscheide sich in diesem Fall kaum voneinander. Ob diese Vorwürfe zutreffen, ist bislang unklar, weil sie auf subjektiven Eindrücken Einzelner basieren, die stark durch ihre eigene Konfliktsicht geprägt sind. Eine Antwort auf die Frage, ob die Inhalte von Nachrichtenmedien den publizistischen Grundsätzen von Vielfalt und Ausgewogenheit entsprechen, ist aber aus unterschiedlichen Perspektiven bedeutsam: Zum einen können Erkenntnisse darüber dazu beitragen, journalistische Berichterstattung kritisch zu reflektieren. Zum anderen können sie aber auch dazu beitragen, den Journalismus vor ungerechtfertigten Angriffen zu schützen.
In der vorliegenden Studie untersuchen wir deshalb die Qualität der journalistischen Berichterstattung über den Ukraine-Krieg. Dazu haben wir eine quantitative Inhaltsanalyse der Berichterstattung von acht deutschen Leitmedien durchgeführt. Die Methode der Inhaltsanalyse ermöglicht es, mithilfe eines ausgearbeiteten Messinstruments (Codebuch) weitgehend objektive (intersubjektiv prüfbare) Aussagen über große Mengen von Nachrichtenbeiträgen zu machen. Im Zentrum der Analyse steht die Frage, wie vielfältig und ausgewogen deutsche Nachrichtenmedien über den Krieg und unterschiedliche Positionen zum Krieg berichtet haben.
Methode
Analysiert wurde die Berichterstattung über den Krieg gegen die Ukraine und seine Folgen in acht deutschen Leitmedien (FAZ, Süddeutsche Zeitung, Bild, Spiegel, Zeit, ARD Tagesschau (20 Uhr), ZDF Heute (19 Uhr), RTL Aktuell (18:45 Uhr)) zwischen dem 24. Februar (Tag des russischen Einmarschs) und dem 31. Mai 2022. Die Medien wurden nach ihrer Reichweite, ihrer redaktionellen Linie (politische Ausrichtung) und ihrem vermuteten Einfluss auf die Berichterstattung anderer Medien (Meinungsführermedien) ausgewählt. Wir können mit dieser Untersuchung folglich zwar keine Aussagen über "die Medien" machen, sondern nur über die acht von uns untersuchten Leitmedien. Die Berichterstattung anderer etablierter Nachrichtenmedien (z. B. Regionalzeitungen) ist dieser aber mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit zumindest ähnlich.
Erfasst wurden alle Beiträge (Berichte und Kommentare), die sich mit dem Krieg gegen die Ukraine, dem Kriegsverlauf, Kriegsursachen, Folgen des Krieges für die beteiligten Länder oder Deutschland und/oder Maßnahmen im Kontext des Krieges beschäftigen. Dabei musste es nicht unbedingt um das Kriegsgeschehen selbst gehen. Relevant waren beispielsweise auch Beiträge, die den Krieg in einem politischen oder wirtschaftlichen Kontext thematisierten.
Die Codierung erfolgte auf Beitragsebene, d. h. jedes Merkmal wurde für den gesamten Beitrag erhoben. Erfasst haben wir etwa 20 inhaltliche Textmerkmale, die sich für die Analyse zentraler Kriterien für Medienqualität eignen und in früheren Studien ähnlich verwendet wurden. Dabei haben wir einerseits Kategorien verwendet, in denen wir das Vorkommen von Themen, Akteuren und Maßnahmen erfasst haben. In diesen Fällen haben wir pro Beitrag bis zu drei Codierungen (also z. B. bis zu drei Akteure) zugelassen, sodass die Zahl der Codierungen die Zahl der Beiträge überschreiten kann. Andererseits enthält die Studie eine Reihe von Kategorien, mit denen wir Bewertungen und ähnliche Darstellungsaspekte gemessen haben (z. B. die Bewertung der Maßnahmen, die Bewertung der verantwortlichen Akteure). Solche Bewertungskategorien haben wir auf fünfstufigen Skalen (z. B. eindeutig positiv – eindeutig negativ) erfasst und für die Auswertung der Übersichtlichkeit halber auf drei-stufige Skalen (z. B. positiv, ambivalent, negativ) zusammengefasst. In unseren Analysen weisen wir dabei in der Regel den Saldo aus positiven und negativen Beiträgen in Prozent aus. Dabei ist es für die Codierung unerheblich, ob die Wertungen in einem Beitrag direkt vom Autor oder von Dritten, die im Beitrag zitiert wurden, stammen.
Nach diesen Kriterien haben die sechs an unserer Untersuchung beteiligten und ausführlich geschulten Codiererinnen und Codierer 4.292 Beiträge erfasst. Die Codierungen erreichten in allen Fällen gute bis sehr gute Reliabilitätswerte (Maß für die Übereinstimmung der Codierenden untereinander) zwischen 0,71 und 0,98 (Intercodierreliabilität nach Holsti).
Ergebnisse
Grafik 1 zeigt die Verteilung der 4.292 Beiträge auf die acht untersuchten Medien. Dabei wird deutlich, dass ein großer Teil der Berichte auf die beiden überregionalen Tageszeitungen FAZ (1.166 Beiträge) und Süddeutsche Zeitung (1.071 Beiträge) entfällt. Deutlich weniger Beiträge brachten die Fernsehnachrichten und die Bild. Die wenigsten Beiträge erschienen naturgemäß in den wöchentlich erscheinenden Nachrichtenmedien Spiegel und Zeit.
Grafik 2 zeigt die Entwicklung der Berichterstattungsmenge im Zeitverlauf auf Wochenbasis. Dabei wird erkennbar, dass die wöchentliche Menge der Berichterstattung über den Krieg zwischen Ende Februar und Ende Mai – weitgehend unabhängig von der Relevanz des Kriegsgeschehens und anderer Ereignisse – nahezu kontinuierlich zurückging. Dieses Muster ist aus früheren Krisen bekannt und wird in der Regel mit der Ereignisorientierung von Nachrichtenmedien erklärt: Nachrichtenmedien verlieren im Zeitverlauf zunehmend das Interesse an einem Thema, wenn keine substanziell neuen Ereignisse mehr geschehen.
Für jeden Beitrag haben wir bis zu drei zentrale Akteure codiert. Betrachtet man alle 12.355 erfassten Akteure, wird zunächst deutlich, dass die Medienberichterstattung über den Ukraine-Krieg in erheblicher Weise von politischen Akteuren dominiert wurde (80 % aller Akteursnennungen). Die verbleibenden 20 % setzten sich im Wesentlichen aus Akteuren der Zivilgesellschaft zusammen, also Organisationen und Privatpersonen, die beispielsweise Hilfe für die Ukraine organisieren. Anders als während der Corona-Pandemie spielten wissenschaftliche Akteure in der Berichterstattung kaum eine Rolle. Sie kamen hier nur ähnlich häufig vor wie z. B. Journalisten (jeweils etwa 2 % der Akteursnennungen).
Unter den politischen Akteuren standen vor allem deutsche Politiker und Parteien im Vordergrund (21 %). Russische Politiker kamen doppelt so häufig in den Berichten vor (8 %) wie ukrainische Politiker (4 %). Das Vorkommen russischer und ukrainischer Politiker beschränkte sich insgesamt allerdings weitgehend auf die Präsidenten Putin (7,4 %) und Selenskyj (3,5 %).
Betrachtet man genauer, welche deutschen Parteien und Politiker die Berichterstattung prägten, zeigt sich das aus Studien zu früheren Krisen bekannte Bild, dass die Oppositionsparteien sowie ihre Vertreter in der Berichterstattung allenfalls marginal vertreten sind. Von den Berichten über deutsche Parteien und ihre Politiker entfielen fast die Hälfte (48 %) auf die SPD. Wesentlich seltener kamen die Grünen und ihre Politiker in den Berichten vor (23 %). Die CDU/CSU (17 %) als größte Oppositionspartei kam zumindest noch häufiger vor als die FDP. Linkspartei und AfD hatten in der Kriegsberichterstattung praktisch keine Medienpräsenz. Vergleicht man die Medienpräsenz von Regierungs- und Oppositionsparteien insgesamt, kam die Regierung auf etwa 80 % und somit auf eine mehr als viermal höhere Medienpräsenz als die Opposition.
Für jeden erfassten Akteur konnte anschließend eine Akteursbewertung codiert werden. Grafik 3 zeigt den Saldo aus positiven und negativen Bewertungen für elf besonders häufig bewertete Akteure in Prozent. Nahezu ausschließlich positive Bewertungen erhielten dabei die Ukraine (Saldo 64 %) und ihr Präsident Selenskyj (67 %). Dagegen wurden Russland (−88 %) und Präsident Putin (−96 %) fast ausschließlich negativ bewertet. Noch positiver als die Ukraine und ihr Präsident schnitt im Urteil der von uns untersuchten Medien allerdings Außenministerin Baerbock ab (68 %), während Kanzler Scholz (−31 %) und die Bundesregierung insgesamt (−26 %) überwiegend negativ bewertet wurden. Gleiches galt für Verteidigungsministerin Lambrecht (−35 %), während Oppositionsführer Merz weitgehend ausgeglichen bewertet wurde. Insgesamt zeigt sich nicht, dass die von uns untersuchten Medien gegenüber der Bundesregierung besonders kritiklos waren. Vielmehr bewerteten sie nur die grünen Minister Baerbock und Habeck (19 %) deutlich positiv, während sie die übrigen Regierungsmitglieder überwiegend kritisierten.
Besonders für Bundeskanzler Scholz lohnt sich zudem eine Betrachtung der Bewertungen im Medienvergleich. Dabei zeigt sich zunächst, dass alle von uns untersuchten Medien Scholz überwiegend negativ dargestellt haben. Allerdings zeigen sich zugleich auch Unterschiede im Ausmaß der negativen Darstellung. Besonders negativ wurde Scholz von der Bild (−62 %) und dem Spiegel (−54 %) bewertet. Am wenigsten negativ berichteten die Tagesschau (−13 %), RTL aktuell (−14 %) und etwas überraschend die grundsätzlich konservative und damit Scholz eigentlich eher nicht nahestehende FAZ (−19 %).
Um zu messen, wer in den von uns untersuchten Medien als Verursacher des Ukraine-Krieges bezeichnet wurde, haben wir für jeden Beitrag drei potenzielle Verursacher erfasst: Russland, die Ukraine und "der Westen", also die USA, die NATO usw. Es konnten für jeden Beitrag folglich auch zwei oder alle drei Gennannten als Verursacher codiert werden. Dennoch wurde in nahezu allen Beiträgen (93 %) Russland bzw. Präsident Putin die alleinige Verantwortung für den Krieg zugeschrieben. "Der Westen" wurde in nur 4 % als (mit-)verantwortlich bezeichnet, die Ukraine noch seltener (2 %). Andere Verursacher als Russland wurden zudem allenfalls in den beiden überregionalen Tageszeitungen sowie in Spiegel und Zeit in nennenswerter Häufigkeit erwähnt (je etwa 10 %).
Die vielleicht zentrale Streitfrage im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg war während unseres Untersuchungszeitraums und ist prinzipiell bis heute, welche Maßnahmen am ehesten geeignet sind, den Krieg zu beenden. Um zu messen, wie dies in den von uns untersuchten Medien dargestellt wurde, haben wir zunächst erfasst, welche Hilfsmaßnahmen und Maßnahmen zur Beendigung des Krieges in einem Beitrag erwähnt wurden. Dabei konnten bis zu drei Maßnahmen codiert werden. Für jede dieser Maßnahmen haben wir anschließend auf einer fünfstufigen Skala erfasst, als wie sinnvoll sie bewertet wurden (eindeutig sinnvoll – eindeutig nicht sinnvoll). Für die Analysen konzentrieren wir uns hier auf die fünf Maßnahmen, die am häufigsten thematisiert wurden und die Konfliktlinien am besten abbilden: Humanitäre Maßnahmen (z. B. Lieferung von Lebensmitteln, Medikamenten), diplomatische Maßnahmen, militärische Unterstützung für die Ukraine, wobei wir noch einmal explizit die Lieferung schwerer Waffen unterscheiden, und wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland. Dabei wird erkennbar, dass humanitäre Maßnahmen in den von uns untersuchten Medien mit Abstand am ehesten als sinnvoll bewertet wurden (93 %). Außerdem bewerteten die von uns untersuchten Medien auch die militärische Unterstützung der Ukraine im Allgemeinen (74 %) außerordentlich positiv. Etwas weniger deutlich, aber immer noch als überwiegend sinnvoll wurde auch die Lieferung von schweren Waffen bewertet, wenn diese explizit angesprochen wurde (66 %). Ähnlich häufig als sinnvoll bewertet wurde zudem die Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen (64 %). Diplomatische Verhandlungen wurden dagegen in weniger als der Hälfte der Beiträge (43 %) als sinnvoll erachtet.
Eine zentrale Frage der öffentlichen Diskussion war auch, ob "die Medien" in dieser Frage eine einheitliche Position vertreten oder eher gespalten sind. Unsere Analysen zeigen, dass die Lieferung schwerer Waffen von allen untersuchten Medien mit Ausnahme des Spiegel deutlich überwiegend befürwortet wurde (Saldo aus positiven und negativen Bewertungen jeweils über 50 %). Im Spiegel dagegen hielten sich ablehnende und befürwortende Beiträge in etwa die Waage (Saldo 8 %). Deutlich unterschiedlicher fielen die Urteile über diplomatische Maßnahmen aus. Diese wurden vom Spiegel mit Abstand als am sinnvollsten bewertet (Saldo 53 %), womit der Spiegel auch das einzige der untersuchten Medien war, das diplomatische Verhandlungen positiver bewertete als die Lieferung schwerer Waffen.
Auch die Zeit, die FAZ und die heute-Nachrichten beschrieben diplomatische Maßnahmen deutlich überwiegend als sinnvoll, wohingegen sie von der Tagesschau sogar leicht überwiegend als nicht sinnvoll beschrieben wurden (−10 %). Relativ ähnlich positiv fielen die Urteile der von uns untersuchten Medien über Waffenlieferungen im Allgemeinen aus. Zwar unterstützten Spiegel und Tagesschau diese Maßnahme etwas weniger als z. B. Bild und die heute-Nachrichten. Insgesamt wurden Waffenlieferungen aber in allen untersuchten Medien mehrheitlich als sinnvoll eingeschätzt. Gleiches galt auch für wirtschaftliche Sanktionen, wobei die Urteile im Spiegel und in der Zeit etwas weniger eindeutig ausfielen als in den übrigen Medien, und für humanitäre Maßnahmen.
Fazit
Das Fazit unserer Studie fällt durchaus differenziert aus. In einigen Fällen haben die von uns untersuchten Medien tatsächlich sehr einheitlich über den Krieg berichtet. Das betrifft insbesondere die Zuschreibung der Kriegsverantwortung an Russland und die Bewertung der beiden Kriegsparteien. Dieses Berichterstattungsmuster ist aber wenig verwunderlich, weil Russland – bei allem möglichen Verständnis für eine dort vielleicht als bedrohlich wahrgenommene Ost-Erweiterung der NATO – einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, der wenig Spielraum für andere Bewertungen lässt.
In anderen Fällen ist die Einheitlichkeit der Berichterstattung allerdings weniger trivial. Dies betrifft insbesondere die Bewertung der unterschiedlichen Maßnahmen zur Beendigung des Krieges. Dass die militärische Unterstützung der Ukraine im Allgemeinen und die Lieferung schwerer Waffen im Besonderen in den meisten der untersuchten Medien als deutlich überwiegend sinnvoll und auch als sinnvoller als diplomatische Maßnahmen dargestellt wurden, ist angesichts der schrecklichen Bilder aus der Ukraine und der offensichtlich mangelnden Verhandlungsbereitschaft auf russischer Seite zwar verständlich, ist in früheren vergleichbaren Fällen wie insbesondere dem russischen Einmarsch in die Ukraine 2014 aber dennoch vermutlich (hierzu liegen bislang allerdings keine empirischen Daten vor) anders ausgefallen. Umso bemerkenswerter ist, dass der Spiegel als einziges Medium zumindest über die Lieferung schwerer Waffen sehr abwägend berichtete und eine diplomatische Lösung als sinnvoller darstellte. Vollkommen einheitlich berichteten die untersuchten Medien hier also nicht.
Schließlich fiel die Medienberichterstattung in einigen Fällen auch gar nicht einheitlich und schon gar nicht regierungsfreundlich aus. Auch wenn alle untersuchten Medien Bundeskanzler Scholz überwiegend kritisierten, waren die Urteile doch sehr unterschiedlich stark negativ. Ähnlich negativ wurde insgesamt auch über die Bundesregierung berichtet, wobei aber nicht alle Regierungsmitglieder gleichermaßen von der Kritik betroffen waren. Alles in allem deutet aber vieles darauf hin, dass die Medienberichterstattung nicht regierungsnah war, sondern die Regierung eher für ihre zögerliche Haltung kritisierte.
Zur Einordnung dieser Befunde muss noch einmal darauf hingewiesen werden, dass wir hier nur die ersten drei Monate nach Kriegsbeginn untersucht haben. Es ist durchaus denkbar, dass die Berichterstattung im weiteren Kriegsverlauf noch einheitlicher oder regierungsfreundlicher geworden ist. Andererseits haben wir uns hier auf die Analyse weniger Leitmedien konzentriert. Auch wenn wir davon ausgehen können, dass deren Berichterstattung einen Einfluss auf andere Medien hatte, existieren zugleich am rechten und linken Rand des publizistischen Spektrums weitere Medien, die möglicherweise ganz anders über das Kriegsgeschehen berichtet haben.
Der Beitrag ist eine gekürzte Fassung des Projekt-Abschlussberichts für die Otto Brenner Stiftung: Die Qualität der Medienberichterstattung über den Ukraine-Krieg (otto-brenner-stiftung.de). Wir bedanken uns bei der Stiftung für die finanzielle Unterstützung der Studie.
Prof. Dr. Marcus Maurer ist Professor für Politische Kommunikation am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Dr. Jörg Haßler ist Leiter der Nachwuchsforschungsgruppe "Digital Democratic Mobilization in Hybrid Media Systems (DigiDeMo)" am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Dr. Pablo Jost ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
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