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Gleitender Ruhestand | Rentenpolitik | bpb.de

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Gleitender Ruhestand

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 3 Minuten zu lesen

Aus verschiedenem Blickwinkel spricht viel für einen gleitenden Übergang in den Ruhestand mit schrittweise reduzierter Arbeitszeit.

Ein Installateur repariert eine Mischbatterie. Durch ein langsames "Hinübergleiten" in den Ruhestand wird ein "Verrentungsschock" vermieden. (© picture-alliance, imageBROKER)

Gesundheitliche Aspekte

Der zentrale Gedanke bei solchen Forderungen ist einerseits, den älteren Beschäftigten mehr Wahlfreiheit hinsichtlich des Altersübergangs zu gewähren, andererseits steht dahinter auch der Gedanke, dass ein reduzierter Arbeitszeitumfang eventuellen Verschleißerscheinungen und Belastungsfolgen Rechnung tragen kann und die/der Beschäftigte so einigermaßen gesund das nicht mehr ganz so fixe Rentenalter erreichen kann. Aber auch für die Lebenssituation nach dem Ausscheiden aus der Erwerbstätigkeit wird in einem gleitenden Übergang ein Vorteil gesehen (vgl. Kasten).

Vorteile eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand

Mittels eines gleitenden Ausstiegs aus dem Erwerbsleben soll die Möglichkeit zur individuellen schrittweisen Reduzierung der Arbeitszeit je nach dem Verhältnis zwischen physischen und psychischen Arbeitsanforderungen einerseits und individuellen Kompetenzen und (physischen, psychischen sowie materiellen) Ressourcen andererseits ermöglicht werden.

Der graduelle Abbau beruflicher Aufgaben wird zudem als Chance gesehen, gleichzeitig kontinuierlich außerberufliche Interessen und Aktivitäten zu entwickeln oder zu vertiefen. Damit soll die Anpassung an das Leben ohne Beruf erleichtert und negative Folgen für den weiteren Alternsprozess vermieden werden.

Quelle: Kruse (2000), S. 84 f.


Durch ein langsames "Hinübergleiten" in den Ruhestand wird ein "Verrentungsschock" vermieden. Das trägt der Tatsache Rechnung, dass Arbeit dem Leben auch Inhalt gibt und das Leben bzw. den Alltag strukturiert und dass im Ruhestand neue Betätigungen gefunden werden müssen. Psychologen empfehlen sogar – und vereinzelt gibt es das auch – Wochenendseminare etc., in denen diesbezügliche Ratschläge erteilt und in Rollenspielen gelernt wird (evtl. sogar − Loriot's "Papa ante portas" lässt grüßen – zusammen mit dem Partner).

Betriebliche Aspekte

Schließlich und nicht zuletzt wird gleitenden Übergängen in der Theorie auch ein Vorteil für die Betriebe zugeschrieben. Diesen ermöglichen es solche Altersübergänge vor allem, den Transfer des Erfahrungswissens absehbar ausscheidender Mitarbeiter/Innen an Jüngere gezielter anzugehen. Die Organisation von Tandems, Patenmodellen etc. gehört demgemäß auch zum Standardwerkzeug von Maßnahmen, mit denen Betriebe für den demografischen Wandel fit gemacht werden sollen. Dabei spielt selbstverständlich auch die Überlegung eine Rolle, dass bei einer reduzierten Arbeitszeit eventuell gesundheitlich eingeschränkter Beschäftigter die Belastungen noch eher getragen werden können und so die Produktivität gehalten werden kann.

Genereller gesehen sind solche gleitenden Übergänge durch reduzierte Arbeitszeiten Teil der für alle Altersgruppen geforderten flexiblen Arbeitszeitmodelle, um die berufliche Tätigkeit besser mit Familie bzw. Privatleben vereinbaren zu können (von der Geburt von Kindern und deren Erziehung über Weiterbildungszeiten oder Auszeiten – so genannte Sabbaticals – bis hin zur in einer alternden Gesellschaft immer wichtiger werdenden Pflege von Angehörigen). Zentral ist dabei der Hinweis, dass solche Vereinbarkeitsmaßnahmen sich geschlechterneutral darstellen sollten, um zu vermeiden, dass die Vereinbarkeitslösungen nicht einseitig auf die Frauen zielen und so wiederum eine Geschlechterlücke bei Karrieremöglichkeiten, Einkommen und schließlich den Renten entsteht.

Zunächst unbenommen der Frage wie ein gleitender Übergang in den Ruhestand konkret ausgestaltet wird, ob über eine wirkliche langsame Reduzierung der Arbeitszeit oder in Form des Übergangs von Vollzeit- in Teilzeitarbeit, über Arbeitszeitkonten etc., ist festzuhalten: Einschlägige Umfragen zeigen, dass solche Maßnahmen auf abstrakter Ebene durchaus eine große Befürwortung bei den Beschäftigten finden (vgl. Kasten).

Mehr arbeitnehmerbestimmte Flexibilität bei Arbeitszeitumfang und -lage

"Befragt nach den Voraussetzungen und konkreten Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um ihrer gegenwärtigen Arbeit bis zum 65. Lebensjahr nachgehen zu können, sprachen sich in einer repräsentativen Umfrage 75 Prozent der Erwerbstätigen für bessere Möglichkeiten zur Vereinbarung von beruflichen und privaten Verpflichtungen aus. 70 Prozent plädierten für eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit ab einem bestimmten Lebensalter".

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2010a), S. 78

Sonderregelungen

Hinzuweisen ist an dieser Stelle darauf, dass es in der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) historisch gesehen fast immer "besondere Altersgrenzen" gab (vgl. Interner Link: Grundlagen der Gesetzlichen Rentenversicherung und Interner Link: Geschichte der Rentenversicherung in Deutschland), die zwar nicht im eigentlichen Sinne als flexibel zu bezeichnen sind, die generelle "starre" Altersgrenze aber aufgelockert haben.

Neben den fallabhängigen früheren Invalidenrenten bzw. heutigen Renten wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung sind z. B. zu erwähnen:

  • die Rente an Arbeitslose ab 60 Jahren in der Angestelltenversicherung (1929 eingeführt, ab 1957 auch für Arbeiter)

  • die Frauenrenten ab 60 Jahren (1946).

Diese Regelungen eines vorzeitigen Rentenbezugs (unter bestimmten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen) sind längst abgeschafft. Es bleibt aber die Möglichkeit eines vorzeitigen Rentenbezugs für Schwerbehinderte.

Spezielle Berufs-/branchenbezogene Altersgrenzen gibt es in der deutschen Alterssicherung traditionell für Bergleute in der Knappschaft und im Bereich der Beamtenversorgung für verschiedene Berufe wie Polizisten, Feuerwehrleute etc. und insbesondere Soldaten sowie die im folgenden Kapitel angesprochenen Renten in Abhängigkeit von einer langen Versicherungs-/Tätigkeitsdauer.

In der GRV wurden darüber hinaus in den 1970'er und 1980'er Jahren (insbesondere aus arbeitsmarktpolitischen Gründen) weitere Formen des vorgezogenen Rentenzugangs eingeführt, die einen früheren Ruhestand ermöglichten (vgl. Interner Link: Altersgrenzen, Alterserwerbstätigkeit), z. B. 1972 das flexible Altersruhegeld für langjährig Versicherte (35 Versicherungsjahre). In eine ähnliche Richtung zielte 1984 das Vorruhestandsgesetz, das 1989 durch das Altersteilzeitgesetz abgelöst wurde.

Weitere Inhalte

Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee ist Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.