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Versicherungsfremde Leistungen | Rentenpolitik | bpb.de

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Versicherungsfremde Leistungen Finanzierung der Gesetzlichen Rentenversicherung

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 3 Minuten zu lesen

Die Zuschüsse des Bundes an die Rentenversicherung werden üblicherweise mit dem Argument der Erstattung versicherungsfremder Leistungen begründet. In der wissenschaftlichen Debatte ist es dagegen bis heute unklar geblieben, wie "versicherungsfremde" Leistungen in der Sozialversicherung zu definieren sind.

Eltern mit Kindern auf der Leipziger Buchmesse. Bei der Leistungsberechnung der Rente werden auch Zeiten berücksichtigt, für die keine Beiträge gezahlt worden sind, z. B. Kindererziehungszeiten. (© dpa)

Denn Charakteristikum der Sozialversicherung im Unterschied zur Privatversicherung ist es gerade, dass das versicherungsförmige Äquivalenzprinzip durch Elemente des sozialen Ausgleichs ergänzt wird. Abweichungen vom reinen Risikoausgleich zeigen sich in mehrfacher Hinsicht:

  • Die Beiträge werden nicht nach dem individuellen Risiko, sondern nach dem Arbeitseinkommen bemessen.

  • Leistungsansprüche haben zum Teil auch jene, die nicht zum Kreis der Versicherten und Beitragspflichtigen zählen. Dies betrifft zum Beispiel Rentenzahlungen an Spätaussiedler.

  • Die Rentenversicherung zahlt auch Unterhaltsleistungen (Hinterbliebenenrenten), ohne dass beim Beitrag zwischen Verheirateten und Nicht-Verheirateten unterschieden wird.

  • Bei der Leistungsberechnung werden auch Zeiten berücksichtigt, für die keine Beiträge gezahlt worden sind; dies gilt für die Anerkennung von Ersatz-, Zurechnungs- und Anrechnungszeiten in der Rentenversicherung.

  • Die Leistungsanwartschaften bzw. die späteren Leistungen werden für Versicherte, die sich in besonderen Lebensphasen befinden, höher bewertet als es aufgrund der gezahlten Beiträge gerechtfertigt wäre. So werden in der Rentenversicherung die individuellen Renten durch die Höherbewertung von Zeiten der Berufsausbildung und der Kindererziehung angehoben.

Die offene Frage ist, ob diese Leistungen des Sozialausgleichs zum originären, versicherungstypischen Aufgabenspektrum einer Sozialversicherung zählen, oder ob es sich um allgemeine Staatsaufgaben handelt, die der Staat der Sozialversicherung lediglich übertragen hat. Ist das letztere der Fall, ist eine Finanzierung dieser "versicherungsfremden" Aufgaben aus Beitragsmitteln problematisch. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass die Solidargemeinschaft der Versicherten nur einen Teil der Bevölkerung erfasst, die versicherungspflichtigen Arbeitnehmer:innen, während andere - in der Regel bzw. im Durchschnitt besser verdienende - Beschäftigtengruppen (wie Beamt:innen, Selbstständige) eigenständige Sicherungssysteme aufweisen, nicht beitragspflichtig und von daher auch nicht in den Solidarausgleich eingebunden sind. Infolge der Beitragsmessungsgrenze kommt es überdies dazu, dass Beschäftigte im höheren Einkommensbereich nicht mehr mit ihrem vollen Einkommen zum Solidarausgleich beitragen. Aus ordnungs- und verteilungspolitischen Gesichtspunkten ist es deshalb geboten, allgemeine Staatsaufgaben auch durch die Allgemeinheit zu finanzieren. Das angemessene Finanzierungsinstrument ist die Einkommensteuer, da diese alle Personen und Einkommen erfasst und die Belastung nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit erfolgt.

Um zu einer Beurteilung zu kommen, ob die steuerfinanzierten Zuschüsse derzeit ausreichend hoch sind, um die versicherungsfremden Leistungen abzudecken, muss entschieden werden, wie versicherungskonforme von versicherungsfremden Leistungen abzugrenzen sind. Hierbei kommt man nicht ohne politische Werturteile aus. Wird nämlich allein die Privatversicherung mit ihrem Grundsatz der Beitragsäquivalenz als Maßstab genommen, gewährt die Sozialversicherung im großen Umfang versicherungsfremde Leistungen. Dann würden genuine Aufgaben der Sozialversicherung wie u.a. die Hinterbliebenenrente, die (um Abschläge geminderte) Möglichkeit eines vorzeitigen Rentenbezugs als versicherungsfremd bewertet werden. Werden hingegen der soziale Ausgleich und das Solidaritätsprinzip als Wesenselemente der Sozialversicherung angesehen, werden Leistungen, die der Privatversicherung fremd sind, geradezu konstitutiv für die Sozialversicherung.

Der Aufgabe einer sachgemäßen Abgrenzung zwischen versicherungskonformen und versicherungsfremden Leistungen in der Sozialversicherung kommt man näher, wenn unterschieden wird zwischen Maßnahmen des internen sozialen Ausgleichs, die sich auf die Versichertengemeinschaft beschränken, und Maßnahmen des externen sozialen Ausgleichs, die an außen stehende Personen gehen, ohne dass diese einen eigenen Beitrag bezahlt haben: In der Rentenversicherung sind für den internen Ausgleich Zurechnungs- und Anrechnungszeiten sowie Höherbewertungen charakteristisch. Für den externen Ausgleich stehen insbesondere Kindererziehungszeiten, Ansprüche nach dem Fremdrentengesetz und die Kriegsfolgelasten. Die Dimensionen dieser Leistungen werden durch den gegenwärtigen Bundeszuschuss (allgemeiner Bundeszuschuss und zusätzliche Bundeszuschüsse) und die Beitragszahlungen des Bundes für Kindererziehungszeiten mehr als abgedeckt.

Zu berücksichtigen ist aber auch, dass die Rentenversicherung allein aufgrund ihrer Größe eine allgemeine Stabilitäts- und Gestaltungsfunktion für die Gesellschaft wahrnimmt und zu positiven externen Effekten führt, von denen auch jene profitieren, die nicht versichert bzw. unmittelbar betroffen sind. So kann niemand vom Nutzen einer ausreichenden Absicherung der älteren Generation ausgeschlossen werden. Auch dieser Aspekt begründet den Bundeszuschuss.

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Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee, verstorben 2021, war Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.