Deutschland ist wirtschaftlich und politisch eines der führenden Länder in Europa. Dennoch erreicht es im Hinblick auf die Geschlechtergerechtigkeit, gemäß dem Gender-Gap-Index des Weltwirtschaftsforums, lediglich einen Platz im oberen Mittelfeld. Insbesondere hinsichtlich der gesellschaftlichen Verteilung von Geld (zum Beispiel Einkommen, Vermögen), Macht (wirtschaftliche und politische Leitungsfunktionen) und gesellschaftlicher Teilhabe (öffentliche Debattenbeiträge, Leitungsfunktionen in Interessenvertretungen) sind Frauen gegenüber Männern strukturell benachteiligt.
Der Ursprung eines bedeutenden Teils dieses Ungleichgewichts ist die innerfamiliäre Arbeitsteilung nach der Familiengründung. Diese bestimmt einerseits die Zeitverwendung in Familie und Beruf, wobei typischerweise nur Letzterer zu einem Zugewinn an Geld, Macht und gesellschaftlicher Teilhabe führt. Andererseits spiegelt und reproduziert die innerfamiliäre Arbeitsteilung aber auch die normativen Rollenerwartungen, die in die Gesellschaft und damit auch an die Kinder vermittelt werden. Tragen hauptsächlich Frauen die Verantwortung für betreuende, pflegende und / oder unbezahlte Tätigkeiten, äußert sich dies auch in den gesellschaftlichen Erwartungen, die an alle Frauen und Mädchen herangetragen werden. Umgekehrt sehen sich alle Männer und Jungs Erwartungen an ihren individuellen beruflichen Erfolg und die materielle Versorgung der Familie ausgesetzt, wenn dies typischerweise in der Verantwortung von Männern liegt. Diese Erwartungen tragen dann wiederum zur empirischen Wirklichkeit bei.
Die Politik hat vor diesem Hintergrund in den letzten Jahren ihre Bemühungen um die Gleichberechtigung der Geschlechter auch in der Familie intensiviert. Den familienpolitischen Regelungen der 1990er-Jahre, die einen Höhepunkt der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung motivierten (zum Beispiel der dreijährige Erziehungsurlaub), stehen aktuelle familienpolitische Elemente gegenüber. So setzen beispielsweise Elterngeld und ElterngeldPlus gezielt auch normative Anker, die Mütter und Väter in die Verantwortung für sowohl familiäre als auch berufliche Tätigkeiten ziehen. Diese Entwicklungen in der Familienpolitik markierten einen Paradigmenwechsel, der jedoch nicht umfassend war und neben den neueren, stärker egalitären Regelungen auch solche älteren bestehen ließ, die eine traditionelle Arbeitsteilung fördern, zum Beispiel Ehegattensplitting und Familienversicherung.
Im vorliegenden Kapitel wird ein Blick auf die Entwicklungen geworfen, die sich parallel zu den politischen Reformen in der innerfamiliären Arbeitsteilung seit der deutschen Vereinigung vollzogen haben. Der Fokus liegt dafür auf den beruflichen Biografien von Müttern und Vätern, sowohl in Hinblick auf die familienbedingten Erwerbsunterbrechungen als auch auf die Erwerbsmuster nach dem beruflichen Wiedereinstieg. Darüber hinaus wird ein Schlaglicht darauf geworfen, welche langfristigen beruflichen und damit ökonomischen Folgen diese unterschiedlichen Verhaltensweisen zur Folge haben. Die Untersuchungen basieren auf den Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS, siehe Interner Link: Kapitel 3.2, Info 1) sowie auf denen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP, siehe Interner Link: Abschnitt Datengrundlagen).
Autor(en): Uta Brehm
Herausgeber: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB)