Der zeitliche Verlauf des Anteils großer Sorgen um die allgemeine wirtschaftliche Situation ist ähnlich wie bei den Sorgen um die eigene wirtschaftliche Situation, jedoch auf einem deutlich höheren Niveau. Im Jahr 2005, als die Zahl der arbeitslos Gemeldeten bei rund 5 Millionen lag, machte sich etwas mehr als die Hälfte (53 %) der Bevölkerung in Westdeutschland große Sorgen um die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung. In Ostdeutschland betrug der Anteil mit großen Sorgen 60 %. Seitdem ist – mit Ausnahme von 2009, dem Jahr der Auswirkungen der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise – der Anteil derer, die sich große Sorgen machen, jährlich deutlich gesunken, bis der Anteil im Jahr 2019 in Westdeutschland dann bei 13 % und in Ostdeutschland bei 16 % lag – und damit nur etwas über dem niedrigsten Niveau seit der Vereinigung Deutschlands aus dem Jahr 2018.
Sorgen im öffentlichen Bereich
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Bei den Sorgen um den Schutz der Umwelt zeigt sich in den letzten zehn Jahren (2009 bis 2018) kein klarer Trend. Der Anteil derer mit großen Sorgen bewegte sich in diesem Zeitraum sowohl in West- wie auch in Ostdeutschland überwiegend zwischen einem Viertel (24 %) und einem Drittel (33 %). Im Vergleich zu den frühen 1990er-Jahren ist allerdings ein starker Rückgang beim Anteil der Menschen mit großen Sorgen um den Schutz der Umwelt zu verzeichnen. Im Jahr 2019 ist der Anteil in beiden Teilen Deutschlands hingegen signifikant angestiegen und lag in Westdeutschland bei 45 % und in Ostdeutschland bei über 40 %.
Dass sich die Menschen in Westdeutschland in Bezug auf die Umwelt häufiger große Sorgen machen als Menschen in Ostdeutschland, zeigt sich auch im Bereich der Sorgen hinsichtlich der Folgen des Klimawandels. Dieser Indikator wird seit nunmehr zehn Jahren im Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) jährlich erfragt. In Westdeutschland machten sich 2019 annähernd die Hälfte der Befragten (49 %) große Sorgen wegen des Klimawandels, aber auch in Ostdeutschland stieg der Anteil mit großen Sorgen auf nunmehr 41 %. Der jährliche Anstieg betrug in Ost- wie Westdeutschland mehr als 10 Prozentpunkte und stellt damit in beiden Landesteilen die markanteste Erhöhung aller 2019 im SOEP erfragten Sorgen-Items innerhalb eines Jahres dar. Die vor allem 2019 gewachsenen Sorgen um den Schutz der Umwelt wie auch hinsichtlich der Folgen des Klimawandels dürften vor allem den von der Fridays-for-Future-Bewegung organisierten Schulstreiks und Protesten geschuldet sein, die im Frühjahr 2019 begonnen haben (siehe
Große Sorgen bezüglich der Kriminalitätsentwicklung äußerten im ersten Erhebungsjahr 1994 in Ostdeutschland noch drei Viertel (75 %) der Befragten, während der Anteil in Westdeutschland damals bei lediglich rund der Hälfte (53 %) lag. Seitdem sank in beiden Landesteilen der Anteil mit großen Sorgen nahezu kontinuierlich bis zum Jahr 2014 und lag in Westdeutschland bei 30 % und in Ostdeutschland bei 39 %. Der Anteil der Menschen, die sich große Sorgen bezüglich der Kriminalitätsentwicklung machten, stieg dann in den Jahren 2016 und 2017 sowohl in West- wie Ostdeutschland signifikant um mehr als zehn Prozentpunkte an. Seitdem sind die Sorgen in beiden Landesteilen wieder signifikant gesunken und lagen 2019 in Westdeutschland bei rund einem Drittel (34 %) und in Ostdeutschland bei 44 %. Die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland bleiben damit auch im Vergleich zu den Vorjahren deutlich ausgeprägt.
Seit 2015 werden im Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) auch Sorgen um den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft erfragt. Zu diesem Thema machten sich 2015 in Westdeutschland rund ein Viertel (26 %) der Befragten und in Ostdeutschland sogar knapp ein Drittel (31 %) große Sorgen. Der Anteil derer mit großen Sorgen um den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft stieg im Jahr 2016 in beiden Landesteilen um rund 10 Prozentpunkte an und sank anschließend, sodass er 2019 in Westdeutschland nunmehr bei 31 % und in Ostdeutschland bei 37 % lag.
Neben Klima- und Umweltschutz gibt es drei weitere öffentlichen Bereiche, um die sich die Menschen in Ost- und Westdeutschland auch im Jahr 2019 besonders große Sorgen machten. Hier sind der Erhalt des Friedens, die Zuwanderung nach Deutschland sowie Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass in Deutschland zu nennen. Um den Erhalt des Friedens machten sich 2019 in Westdeutschland 50 % und in Ostdeutschland 52 % der Befragten große Sorgen. Im Vergleich zu 2016 und 2017 ist der Anteil der Bevölkerung, der sich große Sorgen um den Erhalt des Friedens machte, um rund 6 Prozentpunkte in Ost- wie Westdeutschland gesunken. Der Krieg in der Ostukraine, die seit 2014 wahrgenommene Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat sowie der nicht enden wollende Krieg in Syrien dürften damals in den gewachsenen Sorgen um den Erhalt des Friedens ihren Niederschlag gefunden haben.
In Bezug auf Zuwanderung nach Deutschland machten sich 2019 noch 27 % der Befragten in Westdeutschland und 40 % der Befragten in Ostdeutschland große Sorgen. Im Vergleich zum Jahr 2016, als knapp eine Million Geflüchtete in Deutschland Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte stellten, ist der Anteil mit großen Sorgen bezüglich der Zuwanderung in West- wie Ostdeutschland um rund 15 Prozentpunkte gesunken. Interessant ist, dass sich gleichzeitig vor allem in Westdeutschland mit 37 %, aber auch in Ostdeutschland mit 33 % die Menschen große Sorgen hinsichtlich Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass machten.
Jedoch lässt sich aus diesem Befund nicht ableiten, dass eine Polarisierung der Bevölkerung dahingehend erfolgt, dass ein großer Teil der Bevölkerung sich große Sorgen bezüglich der Zuwanderung machte und der andere Anteil große Sorgen aufgrund von Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass. 2019 hatten 15 % in Westdeutschland und 17 % in Ostdeutschland sowohl große Sorgen bezüglich der Zuwanderung nach Deutschland als auch große Sorgen bezüglich Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass. Weitere 24 % in Westdeutschland und 28 % in Ostdeutschland gaben an, sich in jeweils einem der Bereiche große und im anderen Bereich einige Sorgen zu machen. Dies legt die Vermutung nahe, dass nicht allein die Zuwanderung, sondern vor allem auch der Umgang mit der Zuwanderung Auslöser von Sorgen war und ist. So könnte zum Beispiel eine als misslungen wahrgenommene Eingliederung von früheren Zugewanderten Sorgen um weitere Zuwanderung auslösen.