Eine Grundannahme der empirischen Gerechtigkeitsforschung lautet, dass Ungleichheit vor allem dann mit negativen gesellschaftlichen Konsequenzen verbunden ist, wenn die Ungleichheit als ungerecht bewertet wird. Ein Blick auf die normativen Vorstellungen in Bezug auf eine gerechte Verteilung in Europa zeigt: Die individuelle Leistung und der individuelle Bedarf sind anerkannte Prinzipien für eine gerechte Einkommensverteilung. Die Zustimmung in Deutschland für diese beiden Verteilungsprinzipien liegt noch einmal deutlich über dem insgesamt schon hohen Niveau des europäischen Durchschnitts. Bei der Zustimmung zum Gleichheitsprinzip, also einer gleichmäßigen Verteilung von Gütern und Lasten, zeigen sich zum Teil deutliche Länderunterschiede. Dabei findet eine Verteilung nach dem Prinzip der Gleichheit in Deutschland eine vergleichsweise niedrige Zustimmung. Nimmt man individuelle Einkommen in den Blick, so waren 2017 und 2019 knapp die Hälfte der Erwerbstätigen in Deutschland der Meinung, dass ihre Bruttoeinkommen gerecht sind. Mit diesen Werten liegt Deutschland im Bereich des europäischen Durchschnitts. Nachbarländer wie die Schweiz, Österreich, die Niederlande und Belgien schneiden jedoch deutlich besser ab. Obwohl viele Menschen in Deutschland ihr Einkommen als ungerecht bewerten, würde eine Einkommensverteilung, die sich daran orientiert, welches Einkommen Erwerbstätige für sich selbst als gerecht ansehen, nach wie vor große Unterschiede aufweisen. Allerdings würden in einer solchen "gerechten" Welt vor allem diejenigen mit niedrigen und mittleren Einkommen mehr verdienen. Auch in Bezug auf die Frage, wie gerecht oder ungerecht die Einkommen am oberen und unteren Ende der Einkommensverteilung wahrgenommen werden, zeigt sich, dass vor allem die niedrigen Einkommen als ungerecht eingestuft werden. Demgegenüber fällt die Ungerechtigkeitswahrnehmung in Bezug auf hohe Einkommen nur schwach aus.
Zusammenfassung und Fazit
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