Für die Gesamtwirtschaft sind die mindestlohnbedingten Lohnerhöhungen von vergleichsweise geringer Bedeutung. Das Statistische Bundesamt ermittelte für das Jahr 2015 für den Fall einer vollständigen Umsetzung des gesetzlichen Mindestlohns und gleichbleibender Arbeitszeit einen mindestlohnbedingten Anstieg der jährlichen Bruttolohnsumme um 5,2 Milliarden Euro, was einer Zunahme von 0,43 % bezogen auf alle Bruttolöhne und -gehälter entspricht. Die erste Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns auf 8,84 Euro pro Stunde zum 1. Januar 2017 hat, wenn man eine vollständige Umsetzung und gleichbleibende Arbeitszeit unterstellt, laut dem Statistischen Bundesamt zu einem Anstieg der jährlichen Lohnsumme um rund 856 Millionen Euro geführt, was 0,07 % aller Bruttolöhne und -gehälter entspricht. Die zweite Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns auf 9,19 Euro pro Stunde zum 1. Januar 2019 hatte einen Anstieg des Lohnsummenvolumens von rund 790 Millionen beziehungsweise 0,06 % zur Folge, die Anpassung auf 9,35 Euro zum 1. Januar 2020 von grob geschätzt 360 Millionen beziehungsweise 0,02 %.
Betriebliche Anpassungsmaßnahmen
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Für einzelne Betriebe kann, soweit sie Beschäftigte unter Mindestlohnniveau hatten, die Einführung beziehungsweise Anpassung des Mindestlohns gleichwohl zu deutlichen Steigerungen der Arbeitskosten führen. Arbeitgeber haben darauf mit einer Reihe von Maßnahmen reagiert. Das zeigt auch die Befragung von Betrieben, die von der Einführung beziehungsweise Anpassung des Mindestlohns betroffen waren. Diese wurden im Rahmen der Verdiensterhebung 2015, 2016 und 2017 danach gefragt, welche Anpassungsmaßnahmen sie ergriffen hätten. Besonders häufig wurde in allen drei Erhebungen genannt, dass die Arbeitszeiten reduziert und die Preise erhöht wurden.
Ein deutlicher Rückgang der Arbeitszeit ist seit Einführung des Mindestlohns insbesondere bei geringfügig Beschäftigten zu beobachten. Bei Voll- und Teilzeitbeschäftigten im Mindestlohnbereich liegen die Arbeitszeiten nach einem Rückgang unmittelbar nach Einführung des Mindestlohns inzwischen tendenziell wieder auf dem Niveau des Jahres 2014.
Was die Erhöhung von Preisen betrifft, stiegen laut Verbraucherpreisstatistik die Preise für Waren und Dienstleistung in zahlreichen Branchen, die vom gesetzlichen Mindestlohn besonders betroffen waren, unmittelbar nach Einführung des Mindestlohns überdurchschnittlich stark an. Beispiele hierfür sind Taxifahrten, bei denen die Preise zwischen 2014 und 2016 um insgesamt 15,2 % stiegen, Zeitungen und Zeitschriften (+ 10,1 %), die Preise in Restaurants, Cafés, Straßenverkauf und Ähnlichem (+ 5,0 %) oder von Beherbergungsdienstleistungen (+ 3,8 %). Der Anstieg fällt insbesondere im Vergleich zur geringen Inflation in der Gesamtwirtschaft deutlich aus, nach der die Preise zwischen 2014 und 2016 nur um 0,8 % gestiegen sind. Auf den gesamten Verbraucherpreisindex wirkte sich die Einführung des Mindestlohns also kaum aus. Für die Folgejahre 2017 bis 2019 sind hingegen keine derart deutlichen und systematischen Preisanstiege erkennbar.
Die dritte sichtbare Auswirkung in den Betrieben war ein Rückgang der Gewinne. Das IAB-Betriebspanel, eine jährliche repräsentative Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung von rund 16.000 Betrieben mit mindestens einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, weist für die vom Mindestlohn betroffenen Betriebe einen Gewinnrückgang von 12 % im Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2017 im Vergleich zu ähnlichen, nicht betroffenen Betrieben aus. Trotz dieses Gewinnrückgangs ist allerdings weder gesamtwirtschaftlich noch in den vom gesetzlichen Mindestlohn besonders betroffenen Branchen eine veränderte Unternehmensdynamik und Wettbewerbsintensität zu beobachten. Es ist weder ein Anstieg von Marktaustritten in Form von Gewerbeabmeldungen oder Insolvenzen noch eine Abnahme von Markteintritten, gemessen in Form von Gewerbeanmeldungen, erkennbar.
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