* Überarbeitung der Version, die 2018 von Reinhard Pollak erstellt wurde.
Für viele Menschen in Deutschland und Europa werden der Alltag und das Berufsleben zunehmend komplex. Die sich rasant entwickelnde Digitalisierung und die weiter voranschreitende Internationalisierung machen die Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben anspruchsvoller. Das einst erlernte Wissen reicht in vielen Bereichen nicht mehr aus, um mit den gestiegenen Anforderungen Schritt halten zu können. Der Schlüssel für eine erfolgreiche gesellschaftliche Teilhabe liegt in einer kontinuierlichen Weiterbildung im Sinne der Idee des lebenslangen Lernens. Dies gilt aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung mehr denn je auch für Menschen jenseits des Rentenalters. Doch wie viele Menschen in Deutschland nehmen an Weiterbildung teil? Welche Personen bilden sich häufig weiter, welche mitunter gar nicht? Aus welchen Gründen nehmen die Menschen an Weiterbildung teil und wer bietet sie an? Bevor in diesem Kapitel auf die einzelnen Entwicklungen eingegangen wird, gilt es zunächst zu klären, was überhaupt unter Weiterbildung oder lebenslangem Lernen verstanden wird.
Die in der Forschung verwendete Definition von Weiterbildung ist weiter gefasst als das, was in Deutschland zumeist im Alltag darunter verstanden wird. Hierzulande wird Weiterbildung oft verstanden als "die Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Bildungsphase und in der Regel nach Aufnahme einer Erwerbs- oder Familientätigkeit" (Definition der Kultusministerkonferenz 2001). Im internationalen Kontext hat sich hingegen ein Begriff durchgesetzt, der drei verschiedene Lernaktivitäten umfasst: Formales Lernen meint Lernaktivitäten im Rahmen des üblichen Bildungssystems, an deren Ende eine formale Qualifikation steht, etwa ein Schul- oder Berufsabschluss oder ein Meister- oder Technikerabschluss. Formales Lernen ist daher abschlussbezogen. Nonformales Lernen findet außerhalb von Schulen und Hochschulen statt. Es gibt dabei aber eine klar strukturierte Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden. Beispiele sind Kurse und Lehrgänge, Schulungen, Seminare oder auch Privatunterricht. Falls es ein Zertifikat für die Teilnahme gibt, ist dies kein allgemein anerkannter Bildungsabschluss. Informelles Lernen schließlich umfasst alle absichtsvollen Lerntätigkeiten, bei denen es keine klare Lehrenden / Lernenden-Beziehung und keine klare Kursstruktur gibt, etwa beim Lesen von Fachbüchern, beim Austausch mit Kolleginnen und Kollegen oder bei der Nutzung von Lernprogrammen. Bei dieser Lernform erfolgt die Aneignung des Wissens also selbstgesteuert.
Auch in Deutschland wird die Unterscheidung zwischen formalem, nonformalem und informellem Lernen zunehmend wichtiger in der Berichterstattung zu Weiterbildung. Daher werden im Folgenden diese drei Lernformen für Erwachsene dargestellt.
Die Bildungsbeteiligung von Erwachsenen findet in sehr unterschiedlichen Kontexten statt, unter anderem in Betrieben, in Meisterschulen, Hochschulen, Volkshochschulen oder bei privaten Weiterbildungsanbietern. Die Erfassung von Weiterbildungsaktivitäten kann daher – anders als bei der Erstausbildung – nicht über Bildungsstatistiken von Schulen oder Hochschulen erfolgen. Üblicherweise werden in Bevölkerungsumfragen die Menschen direkt danach gefragt, ob sie in den vergangenen zwölf Monaten an formalem, nonformalem oder informellem Lernen teilgenommen haben. Für Deutschland gibt es zwei wichtige Datenquellen hierfür: den Adult Education Survey (AES) und das Nationale Bildungspanel (NEPS).
Autor(en): Martin Ehlert – Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)
Herausgeber: WZB / SOEP