Im Zentrum des bundesrepublikanischen Sozialstaats steht die soziale Absicherung, die vor allem über Sozialversicherungssysteme wie Renten-, Arbeitslosen-, Unfall- und Krankenversicherung geregelt ist. Die Zustimmung zu diesem sogenannten institutionellen Kern des Sozialstaats wird mit der Frage erfasst, ob der Staat für die Versorgung von Kranken sowie für den Erhalt des Lebensstandards von älteren Menschen und Arbeitslosen verantwortlich sein soll. Die in Abbildung 3 enthaltenen Befunde zeigen zunächst, dass sich die Zustimmung zur Verantwortlichkeit des Staates im Bereich der Gesundheits- und Altersversorgung zwischen 1990 (für Ostdeutschland Daten ab 1996) und 2016 in beiden Teilen Deutschlands auf einem stabil hohen Niveau befand. Sie lag im Mittel stets bei mindestens 93 %. In beiden Landesteilen sah damit fast die gesamte Bevölkerung den Staat dafür verantwortlich, bei Krankheit und Alter für die Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Von 1990 bis 2016 zeigt sich fast keine Veränderung in diesen Werten.
Zuständigkeit des Staates für soziale Absicherung
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Ein anderes Bild zeigt sich, wenn man die dem Staat zugeschriebene Verantwortung, den Lebensstandard von Arbeitslosen zu erhalten, betrachtet. Im Jahr 1996 sahen im Osten 90 % die Verantwortung hierfür beim Staat, während im Westen lediglich 81 % diese Ansicht teilten. Die Anteile lagen damit nicht nur unter den Zustimmungswerten in den Bereichen Gesundheit und Alter, sondern es zeichnete sich auch eine unterschiedliche Wahrnehmung zwischen Ost- und Westdeutschland ab. Der Anspruch an den Staat nahm in den folgenden zehn Jahren ab und sank im Jahr 2006 im Westen Deutschlands auf 66 % und im Osten auf 80 %. Damit vertiefte sich die Lücke zwischen Ost- und Westdeutschen hinsichtlich der Meinung zur staatlichen Versorgung von Arbeitslosen. Nach 2006 zeigt sich jedoch eine konträre Entwicklung in den beiden Landesteilen. In Ostdeutschland setzte sich der Negativtrend fort: 2016 schrieben nur noch 71 % dem Staat eine Verantwortung zu, den Lebensstandard von Arbeitslosen zu erhalten. Im Gegensatz dazu stieg der Anteil in Westdeutschland wieder leicht auf 73 % an, sodass die Anteile in Ost- und Westdeutschland sich annäherten. Ganz offenbar haben die Bürgerinnen und Bürger auf die sozialen Leistungskürzungen und Abbaumaßnahmen im Zuge der Agenda 2010 zumindest temporär mit einer Reduktion ihrer Ansprüche im Bereich der Versorgung von Arbeitslosen reagiert. Die Stabilität der Einstellungen zur Versorgung von Kranken und Alten markiert, dass die Bürgerinnen und Bürger in diesen Bereichen nicht zu einer Anpassung ihrer Ansprüche nach unten bereit sind und die staatliche Verantwortung hier weiterhin stark einfordern.
Insgesamt waren bei der Aufgabe der sozialen Absicherung die Ost-West-Unterschiede von Beginn an vergleichsweise gering; lediglich bei der Versorgung von Arbeitslosen zeigten sich merkliche Unterschiede, die 2016 allerdings ebenfalls nivelliert erschienen. Das dürfte daran liegen, dass gerade bei der Versorgung von Kranken und Alten der bundesdeutsche Sozialstaat und der sozialistische Sozialstaat der DDR ähnliche Regelungen und Programme entwickelt hatten. Im Mittelpunkt des sozialistischen Sozialstaats der DDR standen ebenfalls Sozialversicherungssysteme, die Risiken wie Krankheit, Unfall und Alter abdeckten.
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