In den letzten Jahrzehnten sind sowohl die Ausgaben als auch die Einnahmen der öffentlichen Haushalte kontinuierlich gestiegen. In fast allen Jahren zwischen 1950 und 2013 übertrafen dabei die Ausgaben die Einnahmen. Entgegen dieser Entwicklung wurde von 2014 bis 2019 sechsmal in Folge ein Finanzierungsüberschuss erzielt. Durch die Corona-Pandemie sind allerdings die Ausgaben stark gestiegen und die Einnahmen zurückgegangen. Entsprechend hoch war 2020 das Finanzierungsdefizit (-189,5 Mrd. Euro) und auch die Verschuldung erreichte mit 2.173 Milliarden Euro den höchsten jemals gemessenen Stand.
Fakten
Die öffentlichen Haushalte in Deutschland gaben im Jahr 2020 – bereinigt um Zahlungen der öffentlichen Haushalte untereinander – für die Erfüllung ihrer vielfältigen Aufgaben 1.679 Milliarden Euro aus. Die höchsten Ausgaben (nicht bereinigt) entfielen auf den Bereich der Sozialversicherung mit 749 Milliarden Euro, gefolgt vom Bund (512 Mrd. Euro), den Ländern (487 Mrd. Euro) sowie den Gemeinden und Gemeindeverbänden (293 Mrd. Euro). Die EU-Anteile lagen bei 32 Milliarden Euro.
Das notwendige Geld zur Finanzierung ihrer Aufgaben erhalten die öffentlichen Haushalte aus Steuern, Gebühren, Beiträgen, Erlösen aus dem Verkauf von Vermögen oder – wenn die Einnahmen nicht ausreichen, um die Ausgaben zu decken – über Kredite. Insgesamt beliefen sich die Einnahmen der öffentlichen Haushalte (ohne Kredite) im Jahr 2020 auf 1.489 Milliarden Euro.
Insgesamt sind zwischen 1950 und 2019 sowohl die Ausgaben als auch die Einnahmen der öffentlichen Haushalte kontinuierlich gestiegen. Allein zwischen 2000 und 2019 erhöhten sich die Ausgaben bzw. Einnahmen um 55,9 bzw. 57,5 Prozent. Durch die Corona-Pandemie stiegen die Ausgaben der öffentlichen Haushalte von 2019 auf 2020 um 181 Milliarden Euro – was einem Plus von 12,1 Prozent in nur einem Jahr entspricht. Gleichzeitig sanken die Einnahmen um 53 Milliarden Euro (minus 3,5 Prozent).
In fast allen Jahren seit 1950 übertrafen die Ausgaben der öffentlichen Haushalte die Einnahmen. In den Jahren 1991 bis 2007 gab es nur in zwei Jahren einen Finanzierungsüberschuss – 2000 und 2007. Das Jahr 2000 (plus 18,6 Mrd. Euro) stellt zudem einen Sonderfall dar, da der Bund einmalige Einnahmen aus der Versteigerung der UMTS-Mobilfunklizenzen in Höhe von 50,8 Milliarden Euro erzielte. Im Jahr 2008 wiesen die öffentlichen Haushalte ein Finanzierungsdefizit von 4,2 Milliarden Euro aus, das im Jahr 2009 – vor allem bedingt durch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise – auf 101,7 Milliarden Euro stieg. 2010 folgte mit einem Minus von 75,0 Milliarden Euro das bisher dritthöchste Finanzierungsdefizit.
Hingegen lagen die Einnahmen der öffentlichen Haushalte 2014 und 2015 das erste Mal seit den 1950er-Jahren in zwei aufeinanderfolgenden Jahren über den Ausgaben (8,1 bzw. 29,1 Mrd. Euro). 2019 wurde zum sechsten Mal in Folge ein Finanzierungsüberschuss erzielt (45,2 Mrd. Euro) – 2017 wurde dabei mit 61,9 Milliarden Euro sogar ein neuer Spitzenwert erreicht. Durch die Corona-Pandemie wurde diese Entwicklung allerdings vorerst gestoppt: 2020 lag der Finanzierungssaldo bei -189,5 Milliarden Euro. Dies ist das bislang höchste Finanzierungsdefizit der öffentlichen Haushalte.
Die Finanzierungsdefizite wurden vor allem über eine Ausweitung der Verschuldung finanziert. Der Schuldenstand stieg dementsprechend von 9,6 Milliarden Euro im Jahr 1950 auf 538 Milliarden Euro im Jahr 1990 (Westdeutschland). Am 31. Dezember 2009 lagen die Kreditmarktschulden der öffentlichen Haushalte bei 1.694 Milliarden Euro – gegenüber dem Jahr 1991 entspricht das einer Erhöhung des Schuldenstandes um rund 183 Prozent (Deutschland). Durch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 stiegen die Schulden im Jahr 2010 sprunghaft auf mehr als zwei Billionen Euro und erhöhten sich bis 2012 weiter auf 2.068 Milliarden Euro.
Entgegen dieser jahrzehntelangen Entwicklung war die Verschuldung zwischen 2012 und 2019 insgesamt rückläufig und lag 2019 bei 1.899 Milliarden Euro. Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank der öffentliche Schuldenstand in diesem Zeitraum von 81,2 auf 59,7 Prozent. Durch steigende Ausgaben und sinkende Einnahmen im Zuge der Corona-Pandemie erreichte die Verschuldung Ende 2020 mit 2.173 Milliarden Euro allerdings den höchsten jemals gemessenen Stand. Im Verhältnis zum BIP stieg der öffentliche Schuldenstand im selben Jahr auf 69,8 Prozent.
Werden die Ausgaben der öffentlichen Haushalte in Relation zum Bruttoinlandsprodukt gesetzt, ergibt sich die sogenannte Staatsquote (Ausgaben des Staates in der Abgrenzung des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen). Die Staatsquote stieg zwischen 1991 und 1996 von 46,5 auf 49,4 Prozent. Insgesamt war die Staatsquote in den Folgejahren rückläufig und erreichte in den Jahren 2007 und 2008 mit 43,4 bzw. 44,2 Prozent die niedrigsten Werte seit 1990. Im Zuge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise erhöhte sich die Staatsquote 2009 und 2010 sprunghaft auf 48,2 bzw. 48,1 Prozent. Während die Staatsquote in den Jahren 2011 bis 2019 leicht um 44,6 Prozent schwankte, wurde 2020 mit 51,3 Prozent ein neuer Höchstwert erreicht.
Begriffe, methodische Anmerkungen oder Lesehilfen
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Die öffentlichen Haushalte umfassen den Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die Sozialversicherung, die Finanzanteile der Europäischen Union (EU-Anteile), die kommunalen Zweckverbände sowie Sondervermögen des Bundes und der Länder. Die EU-Anteile sind die aus Deutschland direkt an die EU abgeführten Einnahmen (Mehrwertsteuer-Eigenmittel der EU, Bruttonationaleinkommen-Eigenmittel der EU, Zölle, Abschöpfungen) sowie die Marktordnungsausgaben der EU an Inländer. Je nach Erhebung sind die öffentlichen Haushalte unterschiedlich abgegrenzt.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst den Wert der im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen (Wertschöpfung), soweit diese nicht als Vorleistungen für die Produktion anderer Waren und Dienstleistungen verwendet werden. Das BIP ist gegenwärtig das wichtigste gesamtwirtschaftliche Produktionsmaß.
Die Nettokreditaufnahme entspricht der Differenz von Schuldenaufnahme und Schuldentilgung am Kreditmarkt.
Entwicklung der öffentlichen Finanzen
In absoluten Zahlen, 1950 bis 2020
Bereinigte Einnahmen 1 | Bereinigte Ausgaben 1 | Finanzierungs- saldo 2 | Nettokredit- aufnahme / -tilgung 3 | Schulden- stand 4 | |
---|---|---|---|---|---|
in Mio. Euro | |||||
2020 | 1.489.365 | 1.678.622 | -189.228 | 220.998 | 2.172.888 |
2019 | 1.542.690 | 1.497.437 | 45.182 | 12.494 | 1.899.168 |
2018 | 1.482.112 | 1.428.512 | 53.639 | -18.162 | 1.914.050 |
2017 | 1.429.711 | 1.367.850 | 61.897 | -17.814 | 1.967.265 |
2016 | 1.351.851 | 1.326.142 | 25.797 | -13.171 | 2.006.813 |
2015 | 1.301.816 | 1.272.757 | 29.149 | -11.026 | 2.020.704 |
2014 | 1.244.589 | 1.236.659 | 8.080 | -6.781 | 2.043.918 |
2013 | 1.201.058 | 1.208.297 | -7.179 | 21.102 | 2.043.344 |
2012 | 1.163.357 | 1.174.449 | -11.031 | 20.961 | 2.068.289 |
2011 | 1.103.862 | 1.110.165 | -6.418 | 24.467 | 2.025.438 |
2010 | 1.030.908 | 1.105.876 | -74.989 | 63.955 | 2.011.677 |
2009 | 1.011.429 | 1.113.124 | -101.714 | 89.739 | 1.694.368 |
2008 | 1.051.605 | 1.055.965 | -4.213 | 20.477 | 1.577.881 |
2007 | 1.026.688 | 1.017.532 | 8.954 | 14.946 | 1.552.371 |
2006 | 990.134 | 1.004.943 | -14.705 | 39.309 | 1.545.364 |
2005 | 946.460 | 1.002.244 | -55.787 | 53.325 | 1.489.853 |
2000 | 979.322 | 960.788 | 18.552 | 19.763 | 1.210.918 |
1995 | 889.492 | 950.523 | -60.931 | 48.970 | 1.018.767 |
1990 | 557.977 | 585.228 | -27.147 | 37.120 | 538.334 |
1985 | 444.788 | 463.807 | -18.871 | 20.738 | 388.436 |
1980 | 352.796 | 379.188 | -26.505 | 27.659 | 238.897 |
1975 | 235.558 | 269.574 | -33.961 | 27.731 | 130.008 |
1970 | 96.279 | 100.382 | -4.081 | 3.222 | 64.210 |
1965 | 66.625 | 71.878 | -5.253 | 4.003 | 44.697 |
1955 | 27.506 | 26.196 | 1.314 | 690 | 21.357 |
1950 | 13.520 | 14.388 | -868 | 310 | 9.574 |
2020 5 | Einnahmen | Ausgaben |
---|---|---|
in Mio. Euro | ||
Bund | 381.831 | 511.713 |
EU-Anteile | 31.952 | 31.952 |
Länder | 453.773 | 487.220 |
Gemeinden/ Gemeindeverbände | 295.158 | 293.177 |
Sozialversicherung | 720.670 | 748.580 |
Fußnote: 1 bis einschließlich 1990: Früheres Bundesgebiet. 1950 Bundesgebiet ohne Berlin. Bis
einschließlich 1959 ohne Saarland. Ab 1974 erweiterter Berichtskreis. Ab 1998 ohne Krankenhäuser und
Hochschulkliniken mit kaufmännischem Rechnungswesen und ohne Zusatzversorgungskassen der
Sozialversicherung. Ab 2012 vierteljährliche Kassenstatistik (Kern- und Extrahaushalte, 2012: ohne
kommunale Zweckverbände); aufgrund der unterschiedlichen Berichtskreise sind die Ergebnisse mit den
Vorjahren nur eingeschränkt vergleichbar.
Fußnote: 2 Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen einschließlich haushaltstechnischer Verrechnungen
(- = Finanzierungsdefizit,
+ = Finanzierungsüberschuss); nicht identisch mit dem Finanzierungssaldo des Staates der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.
Fußnote: 3 negatives Vorzeichen = Nettotilgung.
Fußnote: 4 jeweils zum 31.12.; ab 2006 einschließlich ausgewählter öffentlicher Extrahaushalte; ab 2010
einschließlich aller Extrahaushalte. Bis 2009 Kreditmarktschulden einschließlich Kassenkredite; ab 2010
Schulden beim nicht-öffentlichen Bereich: Wertpapierschulden, Kredite und Kassenkredite.
Fußnote: 5 Ergebnisse der vierteljährlichen Kassenstatistik (Kern- und Extrahaushalte), nicht
addierbar.
Quelle: Statistisches Bundesamt: Finanzen und Steuern: Rechnungsergebnisse der öffentlichen Haushalte, Vierteljährliche Kassenergebnisse des Öffentlichen Gesamthaushalts, Schulden des Öffentlichen Gesamthaushalts