Am 20. Juni 2018 trafen sich Präsident Salva Kiir Mayardit und Oppositionsführer Riek Machar zum ersten Mal seit zwei Jahren. Am 12. September unterzeichneten sie ein neues Friedensabkommen, um den fünfjährigen Bürgerkrieg zu beenden. Das Abkommen ebnete den Weg für die Bildung einer Regierung nach dem Prinzip der Machtteilung, die nach einem konfliktreichen Verhandlungsmarathon und mehrfacher Fristverlängerung im Februar 2020 zustande kam. Am 22. Februar 2020 wurde Machar erneut als erster Vizepräsident vereidigt. Zentrale Knackpunkte in den Verhandlungen waren die Festlegung von Staatsgrenzen, die Schaffung einer einheitlichen nationalen Armee und der Schutz von Machar.
Noch offene Fragen sollten von der neuen Regierung ausgehandelt und geklärt werden. Zehntausende rivalisierende Kämpfer und ihre Einheiten müssen nun zu einer einzigen Armee zusammengeschlossen werden. Die Vereinten Nationen kritisieren, dass der Prozess hinter dem Zeitplan zurückliegt und schlecht umgesetzt wird. Es scheint eine Pause in den Bürgerkriegskämpfen seit 2018 zu geben, aber der derzeitige Frieden ist äußerst fragil, warnten Berichte an den UN-Sicherheitsrat (UN-Sicherheitsrat 2018 und 2020).
Das Land steht vor enormen strukturellen Herausforderungen, wie einer desolaten (Verkehrs-)Infrastruktur, einem sehr niedrigen Bildungsniveau, einem fast vollständigen Mangel an staatlichen Institutionen sowie völlig unzureichenden Grundversorgungsleistungen, insbesondere in den Bereichen Wasser, sanitäre Einrichtungen und Gesundheit. Bis auf die höchste Ebene grassiert Korruption. Die wirtschaftliche Situation hat sich seit der Dschuba-Krise und dem damit einsetzenden Einbruch der Erdölförderung weiter verschlechtert. Sie wird noch dadurch verschärft, dass die Regierung ihre Einnahmen vorwiegend in Waffen und militärische Ausrüstung investiert. Obwohl bisher weniger als hundert Fälle bestätigt wurden, belastet COVID-19 die bereits sehr angespannte humanitäre Situation und erschwert die Hilfeleistungen.
In Folge des Bürgerkriegs gab es allein im Jahr 2018 schätzungsweise 400.000 Tote. Die UN-Flüchtlingsagentur UNOCHA geht für das Jahr 2017 von fast 4 Mio. Vertriebenen aus, darunter 1,9 Mio. Binnenflüchtlinge und 2 Mio. Flüchtlinge, die ins Ausland geflohen sind. Ihre Häuser und wirtschaftlichen Vermögenswerte wurden zerstört. Dies bedeutet, dass ein Drittel der Bevölkerung entwurzelt wurde. Die UNO schätzt, dass 50% der Vertriebenen Frauen und Kinder sind.
Ursachen und Hintergründe
Südsudan erreichte im Januar 2011 nach einem Jahrzehnte währenden Konflikt zwischen dem Norden und dem Süden und zwei Bürgerkriegen seine Unabhängigkeit. Doch seitdem kommt das jüngste Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft nicht zur Ruhe. 2013 brach der Konflikt aus. Präsident Salva Kiir warf seinem damaligen Vizepräsidenten und Führer der Oppositionspartei SPLM-IO (Sudan People`s Liberation Movement in Opposition) Riek Machar vor, einen Putsch zu planen. Eine Vereinbarung zwischen beiden Konfliktparteien über die Aufteilung der Macht im Jahr 2015 konnte die Kämpfe nicht beenden. Nach Zusammenstößen in Dschuba im Juli 2016 ging Machar ins Exil.
Im Laufe des Konfliktes haben beide Seiten Verstöße begangen, die unter Kriegsverbrechen fallen, darunter Plünderungen, wahllose Angriffe auf Zivilisten und die Zerstörung von zivilem Eigentum, willkürliche Verhaftungen, Schläge und Folter, Verschwindenlassen von Menschen, (Gruppen-)Vergewaltigungen und außergerichtliche Hinrichtungen. Einige dieser Verstöße stellen Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar.
Der bewaffnete Konflikt breitete sich 2017 von den Bundesstaaten Unity, Jonglei und Upper Nile auf die Bundesstaaten Greater Upper Nile, West-Bahr al Ghazal und Equatoria aus. Es kam zu äußerst gewalttätigen Operationen seitens der Regierung. Der Konflikt erfasste neben den Volksgruppen der Dinka, zu denen Kiir gehört, und der Nuer, zu denen Machar gehört, auch andere Volksgruppen, wie die Shilluk. Die Regierungstruppen führten eine Reihe von Offensiven in Upper Nile durch, bei denen Soldaten Dörfer und Städte der Shilluk, Fertit und Luo angriffen, viele Zivilisten töteten, Häuser abbrannten und plünderten und Zehntausende zwangen, in von der Opposition kontrollierte Gebiete oder in den benachbarten Sudan zu fliehen.
Humanitäre Akteure, wie die UNOCHA berichteten, dass sich die humanitäre Lage in mehreren Gebieten zuspitzte, was zum großen Teil auf den Konflikt, den wirtschaftlichen Niedergang und die Erosion der Bewältigungskapazitäten zurückzuführen war. Ernährungsunsicherheit und Mangelernährung stiegen auf einen neuen Höchststand, Krankheiten grassierten, und die Armut in urbanen Gebieten nahm zu.
Die Ursachen für die Konflikte sind hauptsächlich in der historisch gewachsenen unfairen, an geographischen und ethnischen Gesichtspunkten ausgerichteten Verteilung von Machtpositionen und Ressourcen im Südsudan zu suchen. In der ethnisch und kulturell hochdifferenzierten südsudanesischen Gesellschaft dominieren bisher die Dinka zulasten der ca. 64 anderen ethnischen Gruppen.
Dinka-Repräsentanten dominierten auch schon die regionale Regierung des Südsudan, die bereits seit den 1970er Jahren eine relative Autonomie genoss. Sezessionsbestrebungen waren die Folge. "Kokora!" riefen südsudanesische Intellektuelle 1973. Kokora bedeutet in der Sprache der Bari-Ethnien "Trennung". Die Bewegung zielte auf die Abspaltung marginalisierter ethnischer Gebiete.
Die ethnopolitischen Machtkämpfe erfassten auch die Befreiungsarmee SPLA. Von fünf ständigen Mitgliedern des Politisch-Militärischen Oberkommandos (PMHC) gehörten vier den Dinka und nur eines den Nuer an. Ethnische Minderheitengruppen wurden von den Führungspositionen ausgeschlossen und in subalterne Bereiche (z.B. als Waffenträger o.ä.) abgedrängt. Bis heute ziehen sich diese ethnischen Ungleichheiten durch die südsudanesische Politik und spiegeln sich auch in der Zusammensetzung der neuen Regierung unter Präsident Kiir wider. Dem Politbüro der Regierungspartei Sudanesische Befreiungsbewegung (SPLM/A) gehören ebenfalls ausschließlich Dinka an.