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Burundi | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Burundi

Julia Grauvogel

/ 8 Minuten zu lesen

Spätestens seit dem Konflikt um eine dritte Amtszeit 2015 unterdrückt das burundische Regime Opposition und Zivilgesellschaft. Der neue Präsident Ndayishimiye hat bisher keinen Kurswechsel vorgenommen. Anders als in den 1990er Jahren sind die aktuellen Auseinandersetzungen vor allem politischer und nicht ethnischer Natur.

Geflüchtete aus Burundi bei ihrer Rückkehr aus Ruanda in Gasenyi/Burundi, 27.08.2020. Infolge der Krise im Jahr 2015 flohen mehr als 430.000 Menschen in die Nachbarländer DR Kongo, Ruanda, Tansania und Uganda. Bis heute sind mehr als 330.000 von ihnen nicht zurückgekehrt. (© picture-alliance, ASSOCIATED PRESS | Berthier Mugiraneza)

Aktuelle Konfliktsituation

Am 20. Mai 2020 fanden in Burundi trotz der Bedrohung durch COVID-19 die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Der Kandidat der Regierungspartei Evariste Ndayishimiye gewann mit knapp 69% der Stimmen, sein größter Herausforderer Agathon Rwasa erhielt gut 24%. Es gab keine internationale Wahlbeobachtung. Lokale Augenzeugen berichteten von Unregelmäßigkeiten: Akkreditierte Wahlbeobachter der Opposition wurden aus Wahllokalen verwiesen, soziale Medien gesperrt und Stimmen mehrfach oder im Namen Verstorbener abgegeben. Bereits im Vorfeld der Wahlen wurden Mitglieder der größten Oppositionspartei CNL ("Congrès National pour la Liberté") von den Jugendmilizen der Regierungspartei, den Imbonerakure, bedroht.

Wenige Wochen vor der geplanten Machtübergabe des scheidenden Präsidenten an dessen designierten Nachfolger Evariste Ndayishimiye starb Pierre Nkurunziza Anfang Juni 2020. Die Vereidigung seines Nachfolgers wurde daraufhin vorgezogen. Der Wechsel an der Spitze des Staates beendet nach 15 Jahren die Herrschaft des einflussreichen ehemaligen Rebellenführers. Auch wenn Nkurunziza zu den Wahlen am 20. Mai 2020 nicht mehr angetreten war, galt seine Macht hinter den Kulissen weiterhin als sehr groß. Der Verzicht Nkurunzizas auf eine erneute Präsidentschaftskandidatur sorgte zunächst für Überraschung. Am 17. Mai 2018 stimmte die Bevölkerung bei einem von staatlichen Einschüchterungen und Gewalt begleiteten Referendum für eine Verfassungsreform. Diese hätte Nkurunziza ermöglicht, bis zum Jahr 2034 im Amt zu bleiben. Um der Kritik an der Verfassungsänderung den Wind aus den Segeln zu nehmen, kündigte er jedoch an, bei den nächsten Wahlen nicht mehr anzutreten.

Ndayishimiye, der bis zu seiner Wahl Generalsekretär der Regierungspartei CNDD-FDD ("Conseil National pour la Défense de la Démocratie - Forces de Défense de la Démocratie") gewesen war, schlug nach einer Nominierung Anfang 2020 zunächst versöhnliche Töne gegenüber der Opposition und internationalen Gemeinschaft an. Doch gegen einen Kurswechsel spricht sein von Hardlinern dominiertes Kabinett, das er nach seinem Wahlsieg benannte. Es umfasst zwei Minister, die auf den Sanktionslisten der EU und USA stehen. Der neue Premierminister Alain-Guillaume Bunyoni war zuvor Minister für Innere Sicherheit und als solcher in das Vorgehen gegen Demonstranten während der Krise im Jahr 2015 involviert. Dem neuen Innenminister Gervais Ndirakobuca, der zuvor Chef des Geheimdienstes war, werden ebenfalls Gewalttaten gegen Regimekritikerinnen und -kritiker vorgeworfen. Erstmals seit dem Jahr 1993 gehört außerdem kein Mitglied der Opposition dem Kabinett an.

Burundi. (mr-kartographie) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Ursachen und Hintergründe

Burundi gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Knapp 75% der Bevölkerung gelten als arm. Hoher Bevölkerungsdruck und extreme Landknappheit sowie schlechte Chancen für die Mehrheit der auf dem Land lebenden Bevölkerung sind die drängendsten Probleme. Das Bevölkerungswachstum von über drei Prozent übersteigt das Wirtschaftswachstum deutlich, sodass selbst gut ausgebildete Fachkräfte keine berufliche Perspektive haben.

Der Jahrzehnte andauernde ethnopolitische Konflikt zwischen den Bevölkerungsgruppen der Hutu (ca. 85%) und Tutsi (ca. 15%) mündete in den 1990er Jahren in einen Bürgerkrieg, der mit dem Abkommen von Arusha (2000) beendet wurde. Der Friedensvertrag legte den Grundstein für eine umfassende Machtteilung zwischen beiden Gruppen in Regierung, Parlament, Verwaltung, Polizei und Armee. Die Konfliktlinien haben sich seitdem verschoben. Sie verlaufen nicht mehr primär zwischen Hutu und Tutsi, sondern zwischen dem Regime einerseits und oppositionellen Kräften andererseits.

Nach dem Ende des Bürgerkriegs galt die erste Amtszeit Nkurunzizas (2005-2010) als Phase des Ausgleichs zwischen den verschiedenen (ethnischen) Gruppen in Politik und Gesellschaft. Die ökonomische Lage für große Teile der ländlichen Bevölkerung verbesserte sich jedoch kaum. Insbesondere Landknappheit und Korruption behinderten die Armutsbekämpfung. Spätestens mit der Wiederwahl Nkurunzizas 2010 begann die CNDD-FDD mit dem systematischen Ausbau ihrer Vorherrschaft. Nkurunzizas trat im Jahr 2015 trotz der Beschränkung der Präsidentschaft auf zwei Amtszeiten erneut zur Wahl an. Proteste gegen diese umstrittene Kandidatur wurden durch das Regime brutal niedergeschlagen; ein Putschversuch hochrangiger Generäle scheiterte im Vorfeld der Wahl. Nkurunziza und seine Partei gewannen die von Gewalt geprägten Abstimmungen. Die im Kontext der Proteste und des Putsches entstandenen Rebellengruppen verfügen jedoch nicht über ausreichende Kapazitäten, um das Regime nennenswert zu gefährden.

Infolge der Krise im Jahr 2015 flohen mehr als 430.000 Menschen in die Nachbarländer DR Kongo, Ruanda, Tansania und Uganda. Bis heute sind mehr als 330.000 von ihnen nicht zurückgekehrt , da ihnen in Burundi nach wie vor Repression, Folter und Vergewaltigung drohen. Statt gewaltsame Auseinandersetzungen, wie 2015, prägt mittlerweile massive Repression die politische Situation. Regimekritische Parteien werden systematisch unterdrückt. Während die reibungslose Neuregistrierung der wichtigsten Oppositionspartei unter dem Namen Congrès National pour la Liberté (CNL) kurzzeitig für einen Lichtblick sorgte, kam es in der Folge wieder regelmäßig zu Übergriffen auf Parteimitglieder in Form von Verhaftungen, Folter und außergesetzlichen Hinrichtungen sowie der Verstörung von Bürogebäuden.

Die Handlungsspielräume der Zivilgesellschaft sind durch gesetzliche Regelungen und gewaltsame Übergriffe stark eingeschränkt. Ein Gesetz aus dem Jahr 2016 erweiterte den Rechtsrahmen der Regierung für die Überwachung und Kontrolle lokaler NGOs und führte in der Folge zu zahlreichen Verboten, insbesondere von politisch und menschenrechtlich tätigen Organisationen. Die Arbeit internationaler NGOs wird durch Vorgaben zur Offenlegung der ethnischen Zugehörigkeit lokaler Angestellter beeinträchtigt, die viele Organisationen ablehnen.

Zudem belegt Burundi einen der hinteren Plätze in der Rangliste der Pressefreiheit. Die meisten Radiosender sind seit dem Jahr 2015 geschlossen, viele Journalistinnen und Journalisten befinden sich im Exil. Die verbleibenden unabhängigen Medien werden durch die nationale Medienaufsichtsbehörde NCC verwarnt oder zensiert, die auch internationale Presse, wie die BBC, suspendiert hat.

Die humanitäre Situation im Land ist prekär. Die burundische Wirtschaft ist seit dem Beginn der Krise in eine schwere Rezession geschlittert. Der Bildungs- und Gesundheitssektor leiden unter massiven Ausgabenkürzungen, wie eine Malaria-Epidemie mit 5,7 Mio. Betroffenen Anfang 2019 exemplarisch belegt. Trotz der Corona-Epidemie fanden die Präsidentschaftswahlen im Mai 2020 statt. Zuletzt hat die Regierung sogar Experten der Weltgesundheitsorganisation ausgewiesen.

Bearbeitungs- und Lösungsansätze

International und insbesondere regional geleitete Friedensverhandlungen trugen maßgeblich dazu bei, den Bürgerkrieg der 1990er Jahre zu beenden. Die Konfliktparteien einigten sich im Vertrag von Arusha auf die Entwaffnung der Rebellen, die Integration von Kombattanten in die Nationale Armee und eine Übergangsregierung, die eine neue Verfassung ausarbeiten sollte. Das Abkommen stieß auf große Zustimmung bei der kriegsmüden Bevölkerung: Beim Referendum 2005 votierten mehr als 90% der registrierten Wählerinnen und Wähler für die neue Verfassung. Ihr Kernpunkt ist ein 60:40-Proporz zwischen Hutu und Tutsi in Regierung, Parlament und öffentlicher Verwaltung, der eine ausreichende Repräsentation der Tutsi-Minderheit sicherstellen soll.

Zusätzlich war in der Verfassung aus dem Jahr 2005 auch eine Beschränkung auf zwei Amtszeiten des Präsidenten festgeschrieben. Daran entzündete sich im Jahr 2015 die politische Krise, deren Folgen bis heute andauern. Der Westen reagierte spät und zögerlich auf die zunehmend autoritäre Herrschaft Nkurunzizas. Burundis politische Stabilität nach dem verheerenden Bürgerkrieg galt lange als Erfolgsgeschichte, die zentrale Geberländer nicht durch zu starke Kritik am Regime gefährden wollten. Mit Beginn der massiven Gewalt gegen Demonstranten im Jahr 2015 wurden die polizeiliche Zusammenarbeit und die Budgethilfen dann doch ausgesetzt. Außerdem verhängten die EU und USA Sanktionen gegen Individuen, denen eine direkte Beteiligung an schweren Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen wird. Der drastische Rückgang der internationalen Zuwendungen, die bis zum Jahr 2015 ungefähr 50% des Staatshaushaltes ausmachten, hat jedoch nicht zum Einlenken des Regimes geführt. Während Burundi international weitgehend isoliert ist, hat Frankreich im August 2019 seine bilaterale Beziehung zu Burundi im Alleingang wieder aufgenommen, was bei den anderen EU-Ländern für Verwunderung sorgte.

Die Gewalteskalation während der Krise im Jahr 2015 wurde bisher nicht aufgearbeitet. Verschiedene nationale und internationale Institutionen, die dazu beitragen könnten, haben kein entsprechendes Mandat oder wurden des Landes verwiesen. Im Jahr 2014 hat die burundische Wahrheits- und Versöhnungskommission CVR ("Commission Vérité et Réconciliation") nach langen Diskussionen ihre Arbeit aufgenommen. Ihr seitdem erweiterter Untersuchungszeitraum klammert den aktuellen Konflikt jedoch immer noch aus. Straflosigkeit ist in Burundi weit verbreitet: Die Justiz ist nicht unabhängig und trägt daher nicht zur Aufklärung der Übergriffe auf Oppositionelle, Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sowie zivilgesellschaftliche Akteure bei. Außerdem trat Burundi im Jahr 2017 aus dem internationalen Strafgerichtshof aus, nachdem dieser umfassende Untersuchungen der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition eingeleitet hatte.

Auch regionale und internationale Vermittlungsbemühungen sind weitestgehend gescheitert. Die Afrikanische Union setzte zunächst auf ein robustes Vorgehen. Ihr Friedens- und Sicherheitsrat erwog zwischenzeitlich sogar die Entsendung einer 5.000 Mann starken Friedensmission nach Burundi, was letztlich an der zögerlichen Haltung der Staats- und Regierungschefs scheiterte. In der Folge übernahm die Ostafrikanischen Gemeinschaft EAC ("East African Community") eine zentrale Rolle im Konflikt. Spannungen innerhalb der EAC erschwerten jedoch ein gemeinsames Vorgehen. Die fünfte und letzte Gesprächsrunde zwischen der burundischen Regierung, Teilen der (Exil-)Opposition und dem EAC-Vermittler Benjamin Mkapa endete im Oktober 2018 ohne nennenswerte Ergebnisse. Auch der Ende Juni 2017 ernannte Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen für Burundi, Michel Kafando, beendete im Oktober 2019 seine Mission, nachdem es ihm trotz wiederholter Reisen nach Burundi nicht gelungen war, Gespräche zwischen Regierung und Opposition voranzubringen.

Geschichte des Konflikts

Die Geschichte Burundis ist seit der Unabhängigkeit von Belgien im Jahr 1962 gekennzeichnet von blutigen Auseinandersetzungen um die politische und wirtschaftliche Macht zwischen der Bevölkerungsmehrheit der Hutu und der Minderheit der Tutsi. Letztere dominierten unter den Präsidenten Micombero (1966-1976), Bagaza (1976-1987) und Buyoya (1987-1993) Politik und Wirtschaft des Landes.

Im Jahr 1972 wurden verschiedenen Schätzungen zufolge zwischen 100.000 und 250.000 Hutu nach einem missglückten Putschversuch gegen die Tutsi-Vorherrschaft ermordet. 1988 tötete die Tutsi-dominierte Armee erneut zehntausende Hutu als Reaktion auf ein Massaker an der Bevölkerungsminderheit der Tutsi. In der Folge zwang internationaler Druck den damaligen Präsidenten Pierre Buyoya, das politische System nach Jahrzenten der Tutsi-Alleinherrschaft zu öffnen. Die ersten demokratischen Wahlen nach der Unabhängigkeit, die im Jahr 1993 stattfanden, gewann die "Hutu-Partei" FRODEBU. Doch die Freude über den friedlichen Machtwechsel währte nicht lange, da der neu gewählte Präsident Melchior Ndadaye und die gesamte Führungselite einem Putschversuch zum Opfer fielen. Es folgte ein blutiger Bürgerkrieg zwischen der Tutsi-dominierten Armee und Hutu-Rebellengruppen, in dem mehr als 300.000 Menschen getötet und Hunderttausende zur Flucht in die Nachbarländer gezwungen wurden.

Erster Meilenstein in Richtung Frieden war das Arusha-Abkommen aus dem Jahr 2000. Mit dem Waffenstillstandsabkommen von 2003 trat die CNDD-FDD in die 2001 gebildete Übergangsregierung ein. Das Referendum über die neue Verfassung, Wahlen und die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit im Jahr 2005 trugen zur Stabilisierung des Friedens bei. Mit der Umwandlung der letzten aktiven Rebellenbewegung FNL ("Forces nationales de libération") in eine reguläre politische Partei im April 2009 und ihrer Integration in das politische System endeten auch die sporadischen Kampfhandlungen.

Durch die in der Verfassung festgelegte Machtteilung wurde die Polarisierung zwischen Hutu und Tutsi in Politik und Alltag stark abgeschwächt. Doch Burundier begreifen sich nach wie vor als Hutu oder Tutsi. Politische und historische Ereignisse werden vor dem Hintergrund der ethnischen Zugehörigkeit bewertet. Eine unabhängige Aufarbeitung und Versöhnung gab es bisher nicht. Die von der Regierung eingesetzte Wahrheits- und Versöhnungskommission CVR erfüllt diese Funktion nicht. Stattdessen hat die CVR damit begonnen, Massengräber zu öffnen, bei denen es sich laut ihres Leiters um Opfer von Massakern an Hutu aus dem Jahr 1972 handelt. Diese auf Twitter dokumentierten und von großem Medienecho begleiteten Funde bergen die Gefahr, die Bevölkerung erneut zu polarisieren und zu traumatisieren.

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Dr. Julia Grauvogel, ist Senior Research Fellow am GIGA German Institute of Global and Area Studies. Sie ist Sprecherin des Forschungsteams "Interventionen und Sicherheit". Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Autoritarismus, Legitimationsstrategien nichtdemokratischer Regime und internationale Sanktionen.