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Traumaarbeit | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Traumaarbeit

Karin Griese

/ 9 Minuten zu lesen

Eine Folge gewaltsamer Konflikte und Diktaturen sind schwere seelische Verletzungen eines Großteils der Bevölkerung. Unterstützungsangebote müssen auf verschiedenen Ebenen ansetzen, um erfolgreich zu sein. Unbearbeitete Folgen traumatischer Gewalterfahrungen sind eine schwere Bürde für Wiederaufbau und Versöhnung.

Zu sehen, wie andere Menschen misshandelt, vergewaltigt und getötet werden, liegt jenseits "normaler" menschlicher Erfahrungen. Solche traumatischen Ereignisse lösen existentielle Bedrohung und Todesangst aus. (© picture-alliance/AP)

Gewalt und Grausamkeit bewaffneter Konflikte überschreiten oft das, was Menschen individuell oder als Gemeinschaft psychisch und sozial verkraften und verarbeiten können. Große Teile der Bevölkerung erleben in Krisensituationen wiederholt schwere traumatische Ereignisse. Hinzu kommt die nachhaltige Zerstörung sozialer und gesellschaftlicher Beziehungen und Strukturen, Armut und unzureichende gesundheitliche Versorgung. Die psychische Stabilisierung mit Hilfe von stress- und traumasensiblen Unterstützungsangeboten, psychosozialer Traumaarbeit und Selbsthilfegruppen schafft in der Zeit nach der Beendigung gewaltsamer Konflikte für viele Menschen überhaupt erst die Möglichkeit, sich aktiv an der friedensfördernden Bewältigung gesellschaftspolitischer Konflikte und dem gesellschaftlichen Wiederaufbau zu beteiligen.

Traumatisierung durch Gewalt im Konfliktkontext

Vergewaltigungen und Folter zu erleiden oder mit ansehen zu müssen, wie andere Menschen getötet werden, liegt jenseits "normaler" menschlicher Erfahrung. Es handelt sich um traumatische Ereignisse, die existenzielle Bedrohung und Todesangst auslösen. Weil der Körper in eine Art Notfallmodus umschaltet, greifen aufgrund des extremen (Überlebens-)Stresses die normalen Prozesse der Erfahrungsverarbeitung nicht mehr. In der Folge können Traumafolgereaktionen, wie Panikattacken, Depressionen, chronische Schmerzen, Schlafstörungen oder eine negative Veränderung der Selbst- und Weltsicht, das Leben der Betroffenen über Jahre hinweg dauerhaft beeinträchtigen. Dies ist umso wahrscheinlicher, als es sich meist nicht nur um einzelne traumatische Erlebnisse handelt, sondern um längere Traumatisierungsprozesse im Verlauf von Diktaturen und/oder länger andauernden bewaffneten Konflikten mit multiplen Gewalterfahrungen.

Dabei hängen die Verarbeitungsmöglichkeiten traumatischer Gewalterfahrungen elementar von den Hilfsangeboten und dem umsichtigen Handeln der Fachkräfte ab. Mit guter sozialer Anbindung, sicherem Umfeld und medizinischer Versorgung schaffen es viele Menschen, traumatische Erfahrungen zu bewältigen, ohne dass es zu langanhaltenden Beschwerden kommt, die ihren Alltag stark beeinträchtigen. Doch auch nach Kriegsende können Gewalterfahrungen, z.B. in der Familie und Partnerschaft, oder als bedrohlich wahrgenommene Situationen in Geflüchtetenlagern oder Polizeistationen, Befragungen in Gerichtsverfahren oder auch Untersuchungen in Kliniken zu erneuten Ohnmachtserfahrungen und Retraumatisierungen führen. Durch eine solche "sequentielle Traumatisierung" (Keilson 2005) können sich schwerwiegende Traumafolgen verfestigen und chronifizieren und oftmals auch in die nächsten Generationen hineinwirken.

Gleichzeitig ist es essenziell, keine rein klinische Perspektive einzunehmen und die Betroffenen nicht zu pathologisieren. Die psychischen und physischen Folgen von konfliktbedingter, auch geschlechterspezifischer Gewalt und politischer Repression müssen immer im Zusammenhang mit den konkreten politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen betrachtet und behandelt werden, unter denen diese möglich wurden und entstanden sind. Das bedeutet zum Beispiel, dass auch die strukturellen und kontextspezifischen Ursachen und Ermöglichungsbedingungen systematischer politischer und geschlechtsspezifischer Gewalt Gegenstand der Konfliktnachsorge und der Aufarbeitung der Vergangenheit sein müssen.

Inwiefern traumatische Erlebnisse und Erfahrungen die Bewältigung des Lebensalltags, die Gesundheit und auch das Vertrauen in sich selbst und andere dauerhaft beeinträchtigen, hängt maßgeblich davon ab, wie diese gesellschaftlich und individuell bewertet und bearbeitet werden. Allzu oft bleiben die politischen Verantwortlichen für Gewalt und Folter auch nach dem Ende von Diktaturen und Bürgerkriegen in einflussreichen Positionen. Sie behindern sowohl die Aufarbeitung der Vergangenheit als auch die Überwindung politischer Strukturen und gesellschaftlicher Einstellungen, die die intersektionale Diskriminierung und Herabsetzung u.a. von Frauen, Angehörigen bestimmter ethnischer Gruppierungen und Oppositionsgruppen ermöglichen und begünstigen. Das macht die Verarbeitung von extrem erniedrigenden und stigmatisierenden Gewalttaten, wie Vergewaltigungen, so problematisch. Auch eine Politik der Straflosigkeit steht der nachhaltigen Verarbeitung traumatischer Erlebnisse entgegen.

Stress- und traumasensible Unterstützungsangebote

Die Frauenrechtsorganisation medica mondiale unterstützt durch die Förderung und den Aufbau von Frauenorganisationen seit mehr als 25 Jahren Frauen und Mädchen in Konflikt- und Postkonfliktregionen, die von sexualisierter oder anderen Formen geschlechterbasierter Gewalt betroffen sind. Bewährt hat sich dabei die Kombination von gemeindeorientierten und multi-sektoriellen Unterstützungsangeboten, die auf die Bedarfe von Gewalt betroffenen und oft traumatisierten Frauen an psychosozialer, medizinischer und rechtlicher Beratung, Schutz und solidarischer Begleitung eingehen. Schutznetzwerke in den Gemeinden engagieren sich für Aufklärung und Prävention, Aktivistinnen bieten solidarische Ersthilfe und schaffen einen niedrigschwelligen Zugang zu weiterführenden Hilfsangeboten.

medica mondiale hat zudem in enger Zusammenarbeit und basierend auf praktischen Erfahrungen mit Partnerorganisationen, u.a. aus dem Kosovo, Bosnien und Herzegowina, Afghanistan und Liberia, einen niedrigschwelligen Ansatz zur Unterstützung von Gewaltüberlebenden entwickelt, den STA – stress- und traumasensibler Ansatz®. Er wird in Fortbildungen geteilt und im jeweiligen professionellen und regionalen Kontext adaptiert und weiterentwickelt. Eine stress- und traumasensible Haltung und Praxis ermöglichen es, in unterschiedlichen Kontexten und Situationen, wie z.B. während medizinischer Untersuchungen oder bei Befragungen mit von Gewalt betroffenen Personen, zusätzlichen Stress zu vermeiden, einer Reaktivierung von Belastungsreaktionen vorzubeugen und auch in akuten Krisensituationen zur Stabilisierung beizutragen.

Die Grundprinzipien des STA – stress- und traumasensibler Ansatz® geben eine handlungsleitende Orientierung. Sie wirken den psychischen und sozialen Dynamiken entgegen, die durch existenziell bedrohliche traumatische Erfahrungen ausgelöst wurden, und tragen so auch zur Stabilisierung von Frauen und Mädchen bei, die sexualisierte oder geschlechterbasierte Gewalt erlebt haben:

Sicherheit vermitteln

Durch die Vermittlung von Sicherheit werden posttraumatischer Stress und Angst reduziert, um Menschen, denen Gewalt angetan wurde, zu stabilisieren und ihr Vertrauen in sich und andere zu stärken. Dies betrifft innere und äußere Sicherheit gleichermaßen. Innere Sicherheit zu fördern, kann beispielsweise bedeuten, sie dabei zu unterstützen, den eigenen Körper (mit seinen Empfindungen, Emotionen und Gedanken) wieder als sicheren Ort zu erleben und stärkende Beziehungen zu anderen Menschen zuzulassen. Äußere Sicherheit bezieht sich auf die Verhinderung äußerer Bedrohungssituationen und kann auf verschiedenen Ebenen gefördert werden: etwa durch die Schaffung sicherer Räume, durch transparente Kommunikation – und nicht zuletzt durch Schutzmaßnahmen vor Tätern oder Täterstrukturen auf gesellschaftlicher Ebene.

Solidarität und Verbindung fördern

Traumatische – und insbesondere sexualisierte – Gewalt führt für viele Menschen, die diese Erfahrung durchlebt haben, zu hochbelastenden Scham- und Schuldgefühlen, manchmal ein Leben lang. Sie machen zudem oft nach der erlittenen Gewalt die Erfahrung des Alleingelassen-Werdens, weil sich ihr Umfeld mit den hoch tabuisierten Erfahrungen nicht auseinandersetzt – und sie selbst aus Angst vor Stigmatisierung und Diskriminierung schweigen. Die logische Folge ist innere und äußere Isolation. Die Förderung von Solidarität und Verbindung wirkt der posttraumatischen Isolation entgegen und soll eine soziale Wieder-Teilhabe der Überlebenden an der Gemeinschaft und ihrer Gesellschaft ermöglichen. Mögliche Wege dahin sind die Anerkennung des Leids (Solidarität – in der persönlichen Begegnung, aber auch gesellschaftlich und politisch) und durch das Erleben von Verbundenheit – sowohl mit sich selbst als auch mit anderen (Verbindung).

Überlebende stärken (Empowerment)

Beim Grundprinzip Empowerment geht es darum, eine Gegenbewegung zur erlebten Gewalt und Unterdrückung zu ermöglichen. Empowerment im traumapsychologischen Kontext zielt darauf ab, dass Menschen, die durch Gewalt traumatisiert wurden, Autonomie und ein Gefühl der Kontrolle über die eigene Situation und das eigene Leben (zurück-)erlangen und nimmt deshalb eine zentrale Rolle bei der Traumaverarbeitung und -integration ein. Das bedeutet beispielsweise, in der unterstützenden Begleitung oder auch bei Gesundheitsdienstleistungen Entscheidungsmöglichkeiten und verschiedene Optionen anzubieten, sodass Personen, die beraten oder behandelt werden, informierte und selbstbestimmte Entscheidungen treffen können.

Personal- und Selbstfürsorge etablieren

Aktivistinnen und Aktivisten sowie Fach- und Führungskräfte, die mit von Gewalt betroffenen Menschen arbeiten, sind vielfältigen Belastungen ausgesetzt, die ihre psychosoziale Stabilität beeinträchtigen können. Sie können selbst indirekt traumatisiert werden oder auch eine Mitgefühlserschöpfung entwickeln, was sich u.a. in Schlafstörungen, hoher Reizbarkeit, Vertrauensverlust in sich und andere, Entwicklung einer negativen Weltsicht ausdrücken kann. Oft kommt es in der Folge auch zu Spannungen und Konflikten, die ganze Organisationen oder Teams destabilisieren. Deshalb ist es wichtig Organisationen darin zu unterstützen, Konzepte zur Personalfürsorge zu entwickeln. Dabei gilt es, eine Arbeitskultur zu fördern, die Maßnahmen zur Selbstfürsorge ermöglicht und den negativen Auswirkungen von Stress- und Traumadynamiken vorbeugt. medica mondiale hat dazu das Konzept "Achtsame Organisationskultur©" zuerst angewendet und erprobt.

Auf verschiedenen Ebenen ansetzen

medica mondiale verfolgt in der Zusammenarbeit mit ihren Partnerorganisationen in den Schwerpunktregionen, wie Südosteuropa, Große Seen Afrikas, Westafrika, Irak-Kurdistan und Afghanistan, die Umsetzung eines Mehrebenen-Ansatzes.

Mehrebenen-Ansatz von medica mondiale zur Prävention von und zum Schutz vor Gewalt.

Das Ziel besteht darin,

  • weiterer Gewalt gegen Frauen und sequenzieller Traumatisierung vorzubeugen,

  • Frauen Schutz und adäquate Unterstützung zukommen zu lassen,

  • gemeinsam mit anderen Akteurinnen und Akteuren auf gesellschaftliche Transformation und mehr Geschlechtergerechtigkeit und friedliche Konfliktlösung hinzuwirken.

Dafür müssen die Angebote und Aktivitäten auf verschiedenen Ebenen ansetzen, um eine nachhaltige Veränderung für Frauen zu bewirken:

  • bei den Betroffenen selbst (individuelle Ebene), u.a. durch psychosoziale Beratung und Selbsthilfegruppen, ökonomisches Empowerment, Gesundheitsberatung, Rechtshilfe;

  • beim sozialen Umfeld Gewaltbetroffener (soziale Ebene), u.a. durch Aufklärung zu Frauenrechten, Gewaltursachen und -folgen mittels Rundfunk und Theater; Einbindung lokaler Autoritäten; Familienberatung, Mediation; Gemeindedialog-Foren, Jugendclubs;

  • bei zivilgesellschaftlichen Organisationen und staatlichen Institutionen (institutionelle Ebene), u.a. durch Fortbildungsangebote zum stress- und traumasensiblen Umgang mit Gewaltbetroffenen, Förderung von Personal- und Selbstfürsorge;

  • bei den politischen Verantwortlichen in den Kommunen, Regionen und in der nationalen Regierung (politische Ebene), Advocacy-Arbeit für Frauenrechte, Strafverfolgung und auch für Reparationen;

  • bei gesellschaftlichen und sozio-kulturellen Grundüberzeugungen, Wertvorstellungen und Narrativen (gesamtgesellschaftliche Ebene Ebene): u.a. durch Kampagnen und Öffentlichkeitsarbeit zur Veränderung von Geschlechterbildern und -stereotypen und gegen Sexismus; Bewusstseinsbildung zu sexualisierter (Kriegs-)Gewalt und zu (Langzeit-)Folgen traumatischer Erfahrungen.

Der STA - stress- und traumasensibler Ansatz® kann dabei auf allen Ebenen und von verschiedenen Akteurinnen und Akteuren angewendet werden.

Projektbeispiel Liberia

In Liberia (Westafrika) haben 14 Jahre Bürgerkrieg bis heute ihre Spuren hinterlassen. Während des Krieges erlitten Schätzungen zufolge 50 bis 70 % aller Frauen sexualisierte Gewalt (UNFPA 2006; UNMIL 2008). Genaue Zahlen sind nicht bekannt. Wie in anderen Projektländern beobachtet medica mondiale auch in der Nachkriegszeit die Fortsetzung von Gewalt gegen Frauen. Dies macht es schwer bis unmöglich, die belastenden Kriegstraumatisierungen zu verarbeiten.

medica mondiale engagiert sich seit 2006 im strukturschwachen Südosten Liberias in einem Kooperationsprojekt mit der Welthungerhilfe für Frauenrechte. Seit 2015 wird die Frauenrechtsarbeit von der liberianischen Organisation medica Liberia weitergeführt. medica Liberia unterstützt von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen durch traumasensible psychosoziale und rechtliche Beratung, medizinische Hilfe und einkommensschaffende Maßnahmen bei der Verarbeitung ihrer traumatischen Erfahrungen. Frauenunterstützungsgruppen ("Women Support Groups"), bestehend aus Gemeindeangehörigen, informieren zu Frauenrechten, organisieren Schutz und niedrigschwellige Beratung und vermitteln bei Bedarf weiter an z.B. Gesundheitsfachkräfte, psychosoziale Beraterinnen, u.a. in ambulanten Zentren ("One Stop Centern"). Girls’ Clubs und auch engagierte Männergruppen tragen durch Aufklärungsarbeit zur Vorbeugung von geschlechterspezifischer Gewalt bei.

Die Arbeit hat auch eine direkte Friedenskomponente. So tragen die Ältestenräte in den Gemeinden dazu bei, in den Gemeinden Streitigkeiten zu schlichten. Sie wurden dafür in speziellen Schulungen ausgebildet. Darüber hinaus berät medica Liberia das Gender-Ministerium auf nationaler Ebene und in den Provinzen bei der Koordinierung der Arbeitsgruppen gegen geschlechtsspezifische Gewalt und bietet regelmäßig Fortbildungen zum Umgang mit Gewalt und Trauma an. Teilnehmende sind u.a. Gesundheitsfachkräfte sowie Polizei- und Gerichtspersonal. Mitarbeiterinnen von medica Liberia sind auch am Monitoring der Umsetzung politischer Leitlinien, wie des UN-Aktionsplans "Frauen, Frieden und Sicherheit" auf der Grundlage der Resolution 1325 des Sicherheitsrates und an der Erarbeitung neuer Gesetze gegen innerfamiliäre Gewalt, aktiv beteiligt.

Das Ergebnis einer Projektevaluierung aus 2019 zeigt: "Das Sicherheitsempfinden der Frauen hat sich durch die Arbeit von medica Liberia in ihren Gemeinden deutlich verändert. Sie nehmen das Leben als friedlicher wahr - Männer und Frauen können in Frieden leben, und die Gewalt in den Häusern ist zurückgegangen."

Weitere Inhalte

Karin Griese, geboren 1964, Soziologin, ausgebildet in Traumafachberatung und systemischer Therapie, ist Leiterin des Bereichs Trauma-Arbeit bei der Frauenrechtsorganisation medica mondiale e.V. Ihre Schwerpunkte sind die fachliche Begleitung der traumasensiblen psychosozialen Arbeit von medica mondiale in Kriegs- und (Post-)Konfliktregionen sowie die Entwicklung und Umsetzung von Qualifizierungsprogrammen. Buchpublikationen: medica mondiale e.V./Karin Griese (Hrsg.) (2007): Sexualisierte Kriegsgewalt und ihre Folgen. Handbuch zur Unterstützung traumatisierter Frauen in verschiedenen Arbeitsfeldern, 2. Auflage, Frankfurt/M.; Böhmer, Martina / Griese, Karin / Paula e. V. (Hrsg.) (2016): Ich fühle mich zum ersten Mal lebendig. Traumasensible Unterstützung für alte Frauen, Frankfurt/M.