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Einführung: Wie ein neues globales Politikfeld entsteht | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Einführung: Wie ein neues globales Politikfeld entsteht

Cornelia Brinkmann

/ 8 Minuten zu lesen

Mit der "Agenda für den Frieden" der UNO (1992) wurde ein neues Handlungsfeld der internationalen Politik etabliert. Es reicht von der Konfliktprävention über Verhandlungen und Sanktionen bis hin zur Versöhnung. Angesichts des zunehmenden Egoismus der Staaten sind die Errungenschaften gefährdet.

Ein Soldat der Bundeswehr, Teil der Friedensmission in Bosnien-Herzegowina, beklebt ein Fahrzeug mit dem Schriftzug EUFOR in der Kasere in Rajlovac, nahe Sarajevo, am 30. November 2004. (© ddp/AP)

Die starke Zunahme innerstaatlicher Konflikte Anfang der 1990er Jahre und die grausamen Menschenrechtsverbrechen wie im ehemaligen Jugoslawien oder Ruanda in den 1990er Jahren, wirkten ernüchternd. Denn das Ende des Ost-West-Konflikts führte nicht zu dem erhofften weltweiten Frieden. Auch erwiesen sich die bisher angewandten internationalen und nationalen Interventionsinstrumente für den Umgang mit zwischenstaatlichen Konflikten, wie beispielsweise klassische Diplomatie, Sanktionen, verdeckte Operationen und Militäreinsätze, als unzureichend oder ungeeignet für die Beilegung innerstaatlicher Konflikte.

Die alten Konzepte greifen nicht mehr

Neue Konzepte und Politikansätze waren notwendig, weil Befreiungs- und Guerillabewegungen, von Warlords geführte Milizen oder terroristische Netzwerke nicht in nationalstaatliche Strukturen eingebunden sind, so dass Regulierungsbemühungen in Form von nationalen oder internationalen Verhandlungen und Vereinbarungen nicht greifen. Auch militärische Interventionen von Staaten und Bündnissen erwiesen sich regelmäßig als kostspielig und weitgehend wirkungslos.

Dadurch wachgerüttelt, suchte seit Anfang der 1990er Jahre ein breites Akteursspektrum aus Politik, Think Tanks, Nichtregierungsorganisationen sowie Friedens- und Konfliktforschung nach neuen geeigneten Konzepten, Strategien und Handlungsfeldern, um präventiv, deeskalierend und transformativ auf innerstaatliche Konflikte einzuwirken. Ihr gemeinsamer Nenner ist die Erkenntnis, dass innerstaatliche Konflikte eine eigene Wirklichkeit und Dynamik besitzen und deshalb nicht mit dem Instrumentarium zwischenstaatlicher Kriege "bearbeitet" und schon gar nicht entschieden werden können. Diese Einsicht wurde vor allem deshalb möglich, weil innerstaatliche Konflikte nun nicht mehr als "Stellvertreterkriege" der Supermächte wahrgenommen und behandelt wurden.

Das Ende der Ost-West-Konfrontation, das Scheitern der ersten Lösungsbemühungen (u.a. in Ex-Jugoslawien, Interner Link: Somalia, Ruanda) und auch die hohe Rückfallquote notdürftig befriedeter Konflikte schufen Raum für differenziertere Analysen und die gemeinsame Suche nach geeigneten Konzepten und Strategien. Interner Link: In Bezug auf die Konfliktursachen wechselten sich über die Jahre verschiedene Erklärungen ab. Allen gemeinsam ist der Befund, dass innerstaatliche Konflikte ihre Ursache meist in sozialen Missständen und Frustrationen sowie in der mangelnden Problemlösungsfähigkeit und Akzeptanz der staatlichen Institutionen haben. Flankierende Ursachen sind Kämpfe zwischen Anhängern und Gegnern des sozialen Wandels.

Mit Blick auf die Bearbeitung innerstaatlicher Konflikte zeichneten sich insbesondere zwei neue Trends ab: Zum einen wurde die Rolle von gesellschaftlichen Akteuren gegenüber staatlichen und internationalen Organisationen deutlich aufgewertet. Wenn Gesellschaften tief zerrissen und gespalten sind, müssen die involvierten Gruppen und ihre Repräsentanten auch in die Ursachensuche, die Bearbeitung und die Lösung gewaltförmiger Konflikte einbezogen werden. Zum anderen rückte die Bedeutung einer sorgfältigen Konfliktnachsorge und ihr Beitrag zu einem nachhaltigen Frieden in den Fokus. Das Beispiel des Völkermords in Ruanda (1994) verdeutlicht nicht nur, in welchem Ausmaß innergesellschaftliche Konflikte eskalieren können, sondern auch, wie schwer und aufwendig es ist, von massiver Gewalt tiefgreifend traumatisierte Gesellschaften wieder zu heilen und zu versöhnen.

Ein innovativer Ansatz: "Agenda für den Frieden"

Schon sehr früh fasste der damalige UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali die neuen Erfahrungen und Erkenntnisse und die daraus abgeleiteten praktischen Schlussfolgerungen in einem Bericht an den Sicherheitsrat zusammen. Das am 17. Juni 1992 veröffentlichte Dokument "Agenda für den Frieden" stellt einen Paradigmenwechsel im Umgang mit gewaltträchtigen Konflikten und Kriegen dar:

  • Gewaltförmige Konflikte werden als Prozess verstanden, die durch kluges präventives Handeln der internationalen Gemeinschaft zu einem möglichst frühen Zeitpunkt gestoppt und durch Verhandlungen überwunden werden können.

  • Wenn der Konflikt bereits eskaliert ist, gilt der Grundsatz, die Gewalt durch eine begrenzte Intervention einer vom Sicherheitsrat mandatierte Friedensmission aus Militär, Polizeikräften und zivilen Expert/innen möglichst schnell und wirksam zu stoppen.

  • Nach dem Ende der Gewalt wird durch die Friedensmission ein Rahmen geschaffen, um den ausgehandelten Frieden zu erhalten und die Umsetzung der von Vermittlern und Friedensstiftern erreichten Übereinkommen zu unterstützen.

  • Die Schaffung und Sicherung eines nachhaltigen Friedens verlangt besondere Anstrengungen in Form des Wiederaufbaus der Institutionen und Infrastrukturen der von Bürgerkrieg und bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zerrissenen Nationen sowie die Herstellung von friedlichen und gerechten Beziehungen zwischen den vormals kriegführenden Parteien.

Um ein Wiederaufleben der Gewalt zu verhindern, müssen die tiefliegenden Konfliktursachen bearbeitet werden, z.B. wirtschaftliche Not, soziale Ungerechtigkeit und politische Unterdrückung. Weitere Eckpunkte sind die Einhaltung des Völkerrechts und die Achtung der Menschenrechte.

Die "Agenda für den Frieden" macht deutlich, dass eine ganzheitliche Bearbeitung von gewaltförmigen Konflikten nur Erfolg haben kann, wenn sie durch eine Vielzahl von Akteuren der internationalen Gemeinschaft unterstützt wird. Die Maßnahmen müssen in ein breites Verständnis von Friedensarbeit eingebettet sein, das zum Beispiel auch Initiativen in den Bereichen Umwelt, Entwicklung, Bevölkerung, Gesundheit und Abrüstung sowie zur Weiterentwicklung des Völkerrechts und die Einhaltung der Menschenrechte einschließt.

Kein Akteur, auch nicht die Vereinten Nationen und die Regierungen, können diesem Anspruch allein gerecht werden. Die "Agenda für den Frieden" hebt in Ziffer 84 hervor, dass sie auf die Mitwirkung von nichtstaatlichen Organisationen, Bildungseinrichtungen, Parlamentariern, der Geschäftswelt und Berufsorganisationen sowie der Medien und der breiten Öffentlichkeit angewiesen sind.

Die vier Handlungsfelder der Konfliktbearbeitung, die von der "Agenda für den Frieden" in Ziffer 15 definiert werden, decken den gesamten Konfliktzyklus ab:

  1. Gewaltprävention, u.a. durch vorbeugende Diplomatie ("preventive diplomacy"),

  2. Friedensschaffung bzw. Friedenserzwingung ("peacemaking", "peace-enforcement"),

  3. Friedenssicherung bzw. -erhaltung ("peace-keeping"),

  4. Friedenskonsolidierung bzw. -förderung ("post-conflict peace-building").

Ein breites Repertoire an Handlungsansätzen, Strategien und Methoden

Dank der langjährigen Forschungen, Diskussionen und vor allem der praktischen Erfahrungen "im Feld" hat sich nach und nach ein breites Repertoire an Handlungsansätzen und Methoden für den Umgang mit innerstaatlichen Konflikten entwickelt, das alle Stadien der Konfliktregulierung von der Gewaltprävention über die Bearbeitung und Überwindung innerstaatlicher Konflikte bis hin zur Konfliktnachsorge und Friedensförderung abdeckt.

Kapitel 4 des Online-Dossiers stellt eine repräsentative Auswahl an Konzepten, Strategien und Tätigkeitsfelder vor. Die Beiträge gehen sowohl auf die Geschichte und die konzeptionellen Grundlagen des jeweiligen Ansatzes ein als auch auf aktuelle Entwicklungen und Probleme. Das wird immer an konkreten Beispielen anschaulich verdeutlicht. Dabei lassen sich die vorgestellten Handlungsansätze nicht immer einer Phase der Konfliktbearbeitung zuordnen. Übergreifende Ansätze sind in mehreren Phasen nützlich und sinnvoll. Die folgende Grafik zeigt die Breite möglicher Maßnahmen innerhalb des gesamten Interventionsfeldes auf.

Handlungsansätze in gewaltsamen Konflikten

Phasenübergreifende Themen und Ansätze sind z.B. konfliktsensibler Journalismus, Verhandlung und Vermittlung, Menschenrechtsarbeit, inklusive Identitätspolitik sowie die Beachtung der Gendergerechtigkeit. Eine flankierende Unterstützung für staatliche Akteure, u.a. in Bezug auf die Früherkennung gewaltsamer Konflikte oder die Absicherung internationaler Verhandlungen und Friedensmissionen, können Geheimdienste leisten. Allzu oft agieren Geheimdienste jedoch eher konfliktverschärfend.

Die Phase der Gewaltprävention umfasst all jene Maßnahmen, die gewaltvorbeugend, -verhindernd oder deeskalierend auf Konflikte wirken können. Der Beitrag Krisen- und Gewaltprävention stellt den aktuellen Stand der Diskussion und Praxis in dem Bereich vor. Einschlägige Ansätze der Krisen- und Gewaltvorsorge sind eine aktive Menschenrechtsarbeit, konfliktsensibler Journalismus, Verhandlung und Vermittlung, Sanktionen, eine inklusive Identitätspolitik sowie eine auf Verständigung und den Abbau von Feindbildern gerichtete Bildungsarbeit und Friedenserziehung.

In der Phase der Friedensschaffung geht es darum, die Gewalt möglichst schnell zu stoppen und die betroffenen Menschen zu schützen. Hier sind wiederum Verhandlung und Vermittlung das Instrument der Wahl. Medienberichte im Sinne eines konfliktsensiblen Journalismus können den Weg zu Verhandlungen bereiten. Durch eine möglichst intelligente Sanktionspolitik können Gewaltakteure symbolisch wirksam bestraft und am Zugang zu Waffen und anderen kriegswichtigen Ressourcen gehindert werden. Der Artikel zur internationalen Schutzbegleitung als eine besondere Form der Menschenrechtsarbeit zeigt auf, dass die Verteidigung von Menschenrechts- und Friedensaktivisten und die Förderung von Rechtstaatlichkeit auch unter Bedingungen eskalierter Gewalt möglich und nötig sind. Bedingung ist das enge Zusammenwirken von lokalen, nationalen und internationalen Akteuren. Militärische Interventionen zur Friedenserzwingung – auch in Form von UN-Friedensmissionen – kommen erst dann in Betracht, wenn politische und wirtschaftliche Mittel sich als unzureichend erwiesen haben.

Nach dem Ende der heißen Konfliktphase, z.B. nach einem Friedensschluss, greifen die Maßnahmen der Friedenssicherung bzw. -erhaltung (Peace-keeping). Schwerpunkte sind zum einen die Verbesserung der Lebensumstände von Menschen in Not (humanitäre und Nothilfe) und zum anderen der (Wieder-)Aufbau handlungsfähiger und verlässlicher staatlicher Strukturen (Institutionenaufbau). Mit beiden Maßnahmenbündeln werden die Weichen gestellt, um aus dem Kreislauf der Gewalt herauszukommen. Priorität hat die Reform des Sicherheitssektors. Erfolgskritisch ist außerdem die Demokratisierung der Verwaltung und der politischen Entscheidungsprozesse.

Die Phase der Friedensförderung (Peace-building) umfasst alle Handlungsansätze, die darauf gerichtet sind, eine gerechte und stabile Friedensordnung aufzubauen und einen erneuten Rückfall in die Gewalt zu verhindern. Auch in dieser Phase bleiben die bereits erwähnten Ansätze, wie Institutionenaufbau, Sicherheitssektorreform und Demokratisierung, relevant. Die Nothilfe wird durch eine langfristig angelegte Entwicklungszusammenarbeit abgelöst. Weitere Schwerpunkte sind die Heilung der zerstörten gesellschaftlichen Beziehungen und die Bearbeitung individueller Traumata als Folge von Kriegs- und Menschenrechtsverletzungen. Das sind die Felder der Versöhnungs-, der Vergangenheits- und der Traumaarbeit.

Eine nachhaltige Konfliktnachsorge, die auch die strukturellen Konfliktursachen angeht und bearbeitet, ist die beste Prävention von erneuten Gewaltkonflikten. Die Entwicklungszusammenarbeit kann dazu beitragen, die strukturellen Konfliktursachen, z.B. sozio-ökonomische Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, zu überwinden. Es bedarf aber auch erheblicher Anstrengungen, um die gegenseitige Feindschaft und die Mauern in den Köpfen zu überwinden. Dazu können eine inklusive Identitätsarbeit und eine fest in den Lehrplänen verankerte Friedenserziehung einen konstruktiven Beitrag leisten. Dies ist eine entscheidende Voraussetzung für einen offenen, demokratischen Prozess, in dem alle politischen und gesellschaftlichen Gruppen ohne Diskriminierung mitwirken können.

Ausblick

Die "Agenda für den Frieden" war sowohl Ergebnis als auch Ausgangspunkt eines intensiven Lern-, Reflexions- und Entwicklungsprozesses, der noch keineswegs abgeschlossen ist. Angesichts des erneuten Anstiegs bewaffneter Konflikte, ihrer zunehmenden Komplexität, Fragmentierung und Dauer sowie des Rückfalls einer immer größeren Zahl von Friedensprozessen in die Gewalt sehen sich die Staaten und internationalen Organisationen herausgefordert, die bisherigen Konzepte und Politikansätze einer Überprüfung zu unterziehen.

Die Ergebnisse liegen in Form wichtiger neuer programmatischer Dokumente zu den Themen Frieden und Entwicklung vor. Besonders hervorzuheben sind die "UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung" (2015), die Resolutionen der UN-Generalversammlung und des Sicherheitsrates "Überprüfung der Architektur der Friedenskonsolidierung der Vereinten Nationen" (2016) sowie die neuen Leitlinien der Bundesregierung "Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern" (2017).

Die Dokumente lesen sich wie eine Bekräftigung des bisher Erreichten. Als zentrale Eckpunkte der Unterstützung von Friedensprozessen werden u.a. genannt: die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit auf internationaler und nationaler Ebene, die Förderung dauerhaften und nachhaltigen Wirtschaftswachstums, Armutsbeseitigung, nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung, nationale Aussöhnung durch einen inklusiven Dialog und Vermittlung, Zugang zur Justiz und Unrechtsaufarbeitung, gute Regierungsführung und Demokratie, rechenschaftspflichtige Institutionen, Gleichstellung der Geschlechter sowie Achtung und Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (UN-Generalversammlung 27. April 2016: 2).

Neu ist der Ansatz "Aufrechterhaltung des Friedens" ("sustaining peace"). Der Imperativ der Friedensförderung soll sich künftig nicht mehr allein auf die Phase des Peace-building beschränken. Die internationale Staatengemeinschaft verpflichtet sich, deutlich mehr Anstrengungen zu unternehmen, um den Rückfall in alte und den Ausbruch neuer Konflikte zu verhindern. Dazu wird eine Reihe von Ansatzpunkten formuliert:

  • die Bearbeitung und Überwindung der tieferliegenden Konfliktursachen, wie soziale Ungleichheit, Armut, Diskriminierung, Marginalisierung und Exklusion,

  • die Entwicklung der Fähigkeiten der UNO, Regionalorganisationen und der Staaten zur Gewaltprävention und Vermittlung,

  • die stärkere Berücksichtigung der lokalen Bedingungen bei der Planung und Durchführung von UN-Missionen und die Aktivierung des Dialogs mit der Bevölkerung vor Ort,

  • die Verbesserung der Konfliktanalyse und der Strategieentwicklung im Vorfeld von UN-Operationen,

  • die aktivere Kooperation mit Regionalorganisationen, Staaten und anderen Akteuren, z.B. aus der internationalen und lokalen Zivilgesellschaft.

Weitere Inhalte

geboren 1957, ist Erziehungswissenschaftlerin und Organisationsentwicklerin. Sie arbeitet als freiberufliche Friedenspolitische Beraterin und Geschäftsführerin von Steps for Peace – Institut für Peacebuilding in Berlin. Sie war mit dem Zivilen Friedensdienst in Afghanistan tätig, hat das Förderprogramm zivik des Instituts für Auslandsbeziehungen mit aufgebaut, war Mitarbeiterin der Heinrich-Böll-Stiftung und wirkte als Gründungs- und Vorstandsmitglied des Forum Ziviler Friedensdienst beim Aufbau des Zivilen Friedensdienstes mit.