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Somalia | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Somalia

Dominik Balthasar

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Die Hoffnung, dass der im Februar 2017 gewählte Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmajo" dem Land zu Frieden, Stabilität und Entwicklung verhelfen kann, haben sich kaum erfüllt. Zahlreiche Herausforderungen mit Blick auf eine Friedenslösung, den Staatsaufbau und die Armutsreduzierung bleiben bestehen.

Somalische Soldaten am Ort eines Selbstmordattentats mit einer Autobombe in der Nähe des Hafens von Mogadischu, 04.07.2020. Extremistische Organisationen – allen voran die al-Shabaab Miliz – stellen nach wie vor ein wesentliches Hindernis für Frieden und Sicherheit dar. (© picture-alliance/AP, Farah Abdi Warsameh)

Aktuelle Konfliktsituation

Seit der Präsidentschaftswahl vom 8. Februar 2017 konnte Mohamed Abdullahi Mohamed, genannt "Farmajo", zahlreiche Erfolge verbuchen. Besonders bedeutsam sind dabei die Fortschritte im Bereich der öffentlichen Finanzverwaltung. Diese waren ausschlaggebend für einen Schuldenerlass im Rahmen der Initiative für hochverschuldete arme Länder (HIPC). Zu Beginn des Jahres 2020 tilgten die Weltbank, die Afrikanische Entwicklungsbank, der Internationale Währungsfonds und die Gläubiger des Pariser Clubs mit 800 Mio. US-Dollar einen Großteil der Schulden Somalias. Dadurch kann das Land auf neue Entwicklungsfinanzierungen zugreifen, um die Stabilisierung, den Wiederaufbau und die Armutsreduzierung voranzutreiben.

Somalia - Politische Situation. (mr-kartographie) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Trotzdem bleibt die Situation im Land hochgradig volatil. Eine zentrale Bedeutung kommt dabei dem schwierigen politischen Prozess hin zur Konsolidierung des Bundesstaates zu. Nachdem der Zusammenschluss der Regionen Hiraan und Shabelle Dhexe zur Interimsadministration HirShabelle am 9. Oktober 2016 den Prozess der Etablierung eines föderalen Systems beendet hatte, bestand die zentrale Herausforderung für die neue Regierung in der Fertigstellung und Ratifizierung einer Verfassung und der Formalisierung der Arbeits- und Gewaltenteilung zwischen der Bundesregierung und den sechs föderalen Gliedstaaten.

Während die Bundesregierung gute Beziehungen zu den Bundesstaaten Hirshabelle und Galmudug unterhält (nachdem sie Verbündete in die dortigen Regierungen eingesetzt hat), bestehen erheblich Spannungen mit Puntland, Jubaland und dem Südweststaat. Diese wurden noch dadurch verschärft, dass die Bundesregierung versuchte, die Ergebnisse der dortigen Wahlprozesse zu beeinflussen. So löste im Dezember 2018 die Verhaftung eines Präsidentschaftskandidaten des Südweststaates, Mukhtar Robow, im Vorfeld der Wahlen breite Proteste in Baidoa aus, bei denen 15 Zivilisten starben. Im August 2019 führte der Streit wegen Manipulationsvorwürfen bei den Regionalwahlen in Jubaland zum Abbruch der Kooperation zwischen der Bundesregierung und dem wiedergewählten Präsidenten von Jubaland Ahmed Mohamed Islam Madobe.

Die föderalen Gliedstaaten stehen verschiedenen Herausforderungen gegenüber. So sah sich Puntland mit einem massiven Einbruch der Steuereinnahmen, politischen Spannungen mit seinen Nachbarn Somaliland und Galmudug, der Ausbreitung terroristischer Gruppierungen sowie wiederholten Protesten angesichts ausbleibender Bezahlung des Sicherheitspersonals konfrontiert. Derweil durchlebten die Verwaltungen in Galmudug und dem Südweststaat interne Machtkämpfe und Phasen der politischen Destabilisierung, die in Misstrauensvoten gegen die jeweiligen Präsidenten gipfelten. In Somaliland wurden die anvisierten Präsidentschafts-, Parlaments- und Oberhaus-Wahlen wiederholt verschoben. Dies und die 25-jährige Verpachtung des Flughafens in Berbera an die Vereinigten Arabischen Emirate lösten massive Kritik und öffentliche Proteste aus.

Extremistische Organisationen – allen voran die al-Shabaab Miliz – stellen nach wie vor ein wesentliches Hindernis für Frieden und Sicherheit dar. Seit Februar 2012 verübt die mit al-Qaida liierte Gruppierung regelmäßig Anschläge sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes. Aber auch wiederkehrende Klan-Konflikte führten u.a. in Galmudug und HirShabelle zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die Präsenz der rund 18.000 Soldaten umfassenden Mission der Afrikanischen Union (AU) in Somalia (AMISOM), deren Kontingente nach dem Abzug äthiopischer Truppen im Jahr 2016 hauptsächlich von Burundi, Uganda, Kenia, und Djibouti gestellt werden, konnte daran bislang nicht viel ändern.

Somalia- Ernährungssituation und Naturkatastrophen. (mr-kartographie) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Schließlich sieht sich Somalia weiterhin mit extremen ökologischen und humanitären Herausforderungen konfrontiert. Dürren und Überschwemmungen haben dazu geführt, dass 5,2 Mio. Menschen auf externe Hilfe angewiesen sind. Der schlimmste Heuschreckenausbruch der letzten 25 Jahre und die Corona-Pandemie dürften diese Zahl weiter in die Höhe treiben. Gleichzeitig war der Humanitäre Hilfsplan für 2020 zum 31. Mai erst zu weniger als 25 Prozent finanziert.

Ursachen und Hintergründe

Seit dem Kollaps des Zentralstaats (1991) tobt in Somalia ein erbitterter Kampf um die politische und wirtschaftliche Macht. Während in den 1990er Jahren vornehmlich Kriegsherren mithilfe ihrer Klan-Milizen Führungsansprüche stellten, steht seit Mitte der 2000er der Kampf gegen extremistische Islamisten im Mittelpunkt. Verschiedene islamistische Gruppen, wie die "Union der Islamischen Gerichtshöfe" (UIC), vermochten ihren Einfluss immer wieder zu erweitern, indem sie sich wiederkehrende Rivalitäten zwischen diversen Klans und politischen Fraktionen zunutze machten und den Islam als übergeordnetes Identitätsmerkmal aller Somalier betonten. Nach dem gescheiterten Stabilisierungsversuch der UIC im Jahr 2006, die von intervenierenden äthiopischen Streitkräften zerschlagen wurden, etablierte sich al-Shabaab als schlagkräftigste Gruppe; sie agierte zwischen 2009 und 2011 in weiten Teilen Süd- und Zentralsomalias sogar als De-facto-Regierung.

Während der Hungersnot von 2011, die nicht zuletzt aufgrund der Verhinderung humanitärer Hilfsleistungen durch die Al-Shabaab-Milizen rund 260.000 Menschenleben kostete, verlor die Miliz massiv an Rückhalt in der Bevölkerung. Die militärische Offensive der AMISOM zwischen August 2011 und Februar 2012 verdrängte al-Shabaab aus der Hauptstadt und in der Folge aus weiteren wichtigen Städten. Dennoch konnte die Gruppierung auch in den Folgejahren weite Landesteile kontrollieren. Heute dominiert sie insbesondere in der südlichen Landeshälfte, verübt aber nach wie vor auch landesweit Anschläge. Mit der Attacke am 5. Januar 2020 auf ein Militärcamp in Lamu, Kenia, stellte al-Shabaab abermals seine Fähigkeit unter Beweis, auch über die Landesgrenzen hinaus zu agieren.

Bearbeitungs- und Lösungsansätze

Regionale und internationale Lösungsansätze, allen voran wiederholte militärische Interventionen globaler und regionaler Mächte, führten tendenziell zu einer Verschärfung der Konflikte. Die großangelegte Intervention der UNO unter Führung der USA (1992-95) erwies sich als ebenso kontraproduktiv wie die Invasionen Äthiopiens (2006-09) und der Afrikanischen Union (2011-17). Auch die mehr als ein Dutzend im Ausland organisierten Friedenskonferenzen verfehlten weitgehend ihre Ziele, u.a. da sie entweder nicht die relevanten Akteure berücksichtigten und/oder von internen Kräften torpediert wurden. Seit 2012 verstärkte die internationale Gemeinschaft ihr politisches und diplomatisches Engagement in Somalia, was sich u.a. darin äußerte, dass die britische Regierung in den Jahren 2012, 2013 und 2017 zu Konferenzen nach London einlud, in deren Rahmen die EU ihre finanzielle Hilfe signifikant erhöhte.

Seit Ende der 1990er Jahre verfolgt die internationale Gemeinschaft den "Baustein-Ansatz" ("building blocks approach"). Der erste Erfolg war die Formierung von Somaliland und Puntland als relativ befriedete und stabile politische Entitäten im Norden Somalias. Seither wurde dieses Vorgehen als mögliche Strategie in Richtung eines geeinten Somalia angesehen. Für die Umsetzung nutzte die internationale Gemeinschaft seit Beginn der 2000er Jahre vermehrt Friedensverhandlungen, die zunächst unter Ausschluss der verachteten lokalen Milizführer stattfanden. Erst Ende des Jahrzehnts wuchs die Bereitschaft, auch Vertreter bewaffneter Gruppen in die Gespräche einzubeziehen – allerdings mit Ausnahme islamistischer Gruppen.

Inzwischen kam es auch diesbezüglich zu einer gewissen Kurskorrektur. Die Übergangsregierung unter Sheikh Sharif Ahmed (2009-2012) versuchte, "moderate" Islamisten zu integrieren, um so den Extremisten "das Wasser abzugraben" – jedoch ohne Erfolg. Die im Jahre 2012 eingesetzte "permanente" Regierung unter Mahamoud band dann im Rahmen eines maßgeblich von der UNO vorangetriebenen Prozesses der Regierungsbildung verstärkt sogenannte traditionelle Älteste mit ein. Aber auch dieser Ansatz war problembehaftet: Die Ältesten agierten intransparent, vertraten Partikularinteressen und erwiesen sich als bestechlich. Auch deshalb rangiert die Korruptionsbekämpfung weiterhin unter den politischen Prioritäten der Regierung.

Zu den wichtigsten neuen Herausforderungen zählt die für Ende 2020 vorgesehene Einführung der Ein-Stimmen-Wahl. Bisher basierten die Parlamentswahlen auf Wahlgremien, in denen die 275 Parlamentarier von 14.025 Wahlmännern gewählt wurden. Die nun anstehenden Parlamentswahlen sind ein Lackmustest für die erreichen Fortschritte, u.a. in den Bereichen Sicherheit, Administration und Demokratie.

Als nächste Schritte sind der Abzug der Friedenstruppen der Afrikanischen Union und die Verlagerung der Verantwortung auf die Somalische Nationalarmee (SNA) vorgesehen. Dafür spricht auch der starke Rückgang von Piratenangriffen vor der somalischen Küste. Wurden im Zeitraum 2010-14 noch insgesamt 358 Angriffe gezählt, sind im Vergleichszeitraum 2015-2019 lediglich acht Attacken registriert worden. Die Antipiraterie-Operation der NATO, die Tätigkeit des Marineverbands von EU-Staaten (EU Naval Force Operation Atlanta) und Maßnahmen zur Bekämpfung der Piraterie seitens der Regierungen in Puntland waren für diesen Erfolg ausschlaggebend.

Geschichte des Konflikts

Nachdem das britische Protektorat Somaliland und die italienische Kolonie Somalia 1960 ihre Unabhängigkeit erlangt hatten, vereinigten sie sich zur Republik Somalia. Die parlamentarische Demokratie endete in Korruption und Nepotismus und führte 1969 zum Putsch von General Siad Barre, der eine sozialistische Fortschrittsdiktatur etablierte. Um die unter nicht-somalischer Jurisdiktion lebenden Somali im Horn von Afrika "zu befreien" und ein "Groß-Somalia" zu etablieren, griff Somalia 1977 Äthiopien an. Als Reaktion entzog die Sowjetunion der somalischen Regierung die Unterstützung, woraufhin sich diese den USA zuwandte. Es folgte einer der größten Stellvertreterkriege des Kalten Krieges, der mit der Niederlage Somalias (1978) endete. Um sich der bewaffneten Oppositionsbewegungen zu erwehren, sicherte Barre seine Macht mithilfe einer Allianz aus verschiedenen Darood-Klans und westlicher Unterstützung.

Der Guerillakrieg gegen das Barre-Regime eskalierte 1988 und führte drei Jahre später zum Regierungssturz. Im nachfolgenden Bürgerkrieg versuchten verschiedene Klan-Gruppen, die Macht an sich zu reißen. Da sich das in Nordsomalia vorherrschende Somali National Movement (SNM) politisch übergangen fühlte, erklärte sie den Unionsvertrag zwischen dem ehemals britischen Protektorat und der italienischen Kolonie für nichtig und rief 1991 die Unabhängigkeit der Republik Somaliland aus. Das international nicht anerkannte aber vergleichsweise stabile und friedliche Staatsgebilde gilt – trotz aller Probleme –als Musterbeispiel für Frieden und Wiederaufbau.

Im Gegensatz zum Nordwesten dauerte der Bürgerkrieg in Süd- und Zentralsomalia unvermindert an. Dürre, Krieg und Staatszerfall kosteten 1991/92 rund 300.000 Menschen das Leben. Zwar konnte eine humanitäre Intervention die Verteilung der Hilfsgüter sichern und zur Beendigung der Hungersnot beitragen, sie geriet aber aufgrund einer völlig verfehlten Politik ab Juni 1993 zum Debakel.

In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre wurden viele Gebiete von Warlords oder Ältesten kontrolliert; insgesamt nahm das Ausmaß der Gewalt jedoch allmählich ab. Auf der Arta-Konferenz in Dschibuti (1999-2000) wurde mit Unterstützung der UNO eine erste "Nationale Übergangsregierung" (TNG) unter Abdiqassim Salad Hassan etabliert, die jedoch weitgehend machtlos blieb. Einer weiteren "Friedenskonferenz" in Kenia (2002-04) entsprang die erste "Föderale Übergangsregierung" (TFG) unter Abdullahi Yusuf. Diese Regierung galt als von Mitgliedern des Darood-Klans dominiert und von Äthiopien gesteuert, weshalb einflussreiche Mitglieder des Hawiye-Klans und Islamisten sie ablehnten. Ab 2008 versuchte die internationale Gemeinschaft, die islamistische Opposition zu schwächen und zu spalten, weshalb man viel Hoffnung in die Wahl Sheikh Sharif Ahmeds zum Präsidenten setzte. Diese wurde jedoch angesichts politischer Stagnation und grassierender Korruption enttäuscht.

Im Jahr 2012 gab sich Somalia eine neue, provisorische Verfassung und aufgrund militärischer Erfolge gegen al-Shabaab konnte im gleichen Jahr eine gemeinsame somalische Regierung gewählt werden – die erste international anerkannte seit dem Sturz des Siad Barre Regimes anno 1991. Die Regierung läutete einen Föderalisierungsprozess ein, in dessen Rahmen sich neben den bereits existierenden Somaliland und Puntland vier weitere Bundesstaaten (Galmudug, Hirshabelle, Jubaland, Südweststaat) herausbildeten.

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Dominik Balthasar, geb. 1980, ist seit Mai 2019 Sektorökonom für Frieden und Fragilität bei der KfW Entwicklungsbank und Associated Researcher der Schweizer Friedensstiftung swisspeace. Zuvor arbeitete er für verschiedene Think Tanks in Europa, den USA, und Afrika und war als Konsulent für die Vereinten Nationen, Weltbank und andere Organisationen der internationalen Zusammenarbeit tätig. Balthasar wurde an der London School of Economics and Political Science promoviert. Internet: Externer Link: http://www.swisspeace.ch/