Der Vielvölkerstaat Jugoslawien 1981
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Der Vielvölkerstaat Jugoslawien 1981
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Mazedonien hat 1991 im Zuge des Zerfalls der Jugoslawischen Föderation ohne Waffengewalt seine Unabhängigkeit erreicht. Lange schien es, als könnte sich das Land aus den jugoslawischen Nachfolgekriegen heraushalten. Doch in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre verschärften sich im Gefolge des Bürgerkriegs im benachbarten Kosovo auch in Mazedonien die Spannungen zwischen der slawo-mazedonischen Mehrheit (58,4 %) und der albanischen Minderheit (ca. 24,3 %). Die anderen ethnischen Gruppen sind Türken (3,9 %), Roma (2,5 %), Serben (1,3 %) sowie 0,9 % Bosniaken und 0,5 % Walachen.
Karte der Nachfolgestaaten in Jugoslawien 2017
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Karte der Nachfolgestaaten in Jugoslawien 2017
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Ermutigt durch die Erfolge der „Befreiungsarmee des Kosovo“ (UÇK) artikulierten insbesondere jüngere Albaner ihre Forderungen nach politischer, wirtschaftlicher und kultureller Gleichberechtigung zunehmend radikaler. Im mehrheitlich von Albanern bewohnten Norden und Westen Mazedoniens formierte sich die sogenannte „Nationale Befreiungsarmee“, deren Abkürzung nicht zufällig ebenfalls UÇK lautete. Die Führung übernahmen u.a. aus Mazedonien stammende Kommandeure der kosovarischen UÇK, die in ihre Heimat zurückgekehrt waren. Der Konflikt eskalierte zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen. So griffen am 11. März 2001 Aufständische in Tetovo eine Polizeistation mit Granaten an.
Der Weg zum Frieden
Die Kämpfe wurden nach massivem Druck seitens der USA, der NATO und der EU auf beide Seiten mit dem Rahmenabkommen von Ohrid (13. August 2001) beendet. Das Abkommen, das von den vier größten politischen Parteien unterzeichnet wurde, legt ein System der Machtteilung fest. Danach muss neben einer slawo-mazedonischen Partei immer auch mindestens eine albanische Partei in der Regierung vertreten sein. Zudem müssen Gesetze, die die albanische Volksgruppe betreffen, von mindestens 50 % der albanischen Abgeordneten akzeptiert werden. Neben Mazedonisch sollte Albanisch zur zweiten Amtssprache werden. Die albanische Universität in Tetovo wurde wiedereröffnet.
Weitere Festlegungen des Ohrid-Abkommens, wie die Dezentralisierung der staatlichen Verwaltung, die Neufestlegung von Gemeindegrenzen und Wahlbezirken unter Berücksichtigung der territorialen Verteilung der ethnischen Gemeinschaften sowie die Stärkung der lokalen Selbstverwaltung, sind heute in der Verfassung verankert und in nationale Gesetze gegossen. Dazu gehört auch der Grundsatz der Nicht-Diskriminierung und proportionalen Vertretung der ethnischen Gemeinschaften in der öffentlichen Verwaltung, der Armee, der Polizei und in staatlichen Unternehmen.
Erfolge und Fortschritte
Der durch das Ohrid-Abkommen eingeleitete Transitions- und Friedensprozess galt lange als Erfolgsgeschichte. Zwischen 2001 und 2024 fanden neun Parlamentswahlen statt, die viermal zu einem grundlegenden Machtwechsel zwischen den beiden großen (slawo-mazedonischen) Parteien geführt haben. Dies wird allgemein als erfolgreicher Demokratietest gewertet. Die beiden großen Parteien sind die Sozialdemokratische Union Mazedoniens (SDSM) und die nationalkonservative Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für die Mazedonische Nationale Einheit (VMRO-DPMNE).
Die tiefste Krise seit dem Beginn des Transitionsprozesses durchlebte das Land von 2015 bis 2017. Auslöser war ein Abhörskandal. Dem damaligen Oppositionsführer und Vorsitzenden der SDSM, Zoran Zaev, waren Anfang 2015 Telefonmitschnitte des Geheimdienstes zugespielt worden. Darauf war u.a. zu hören, wie sich Regierungsmitglieder und Politiker der VMRO-DPMNE im Stil von Mafiabossen über Wahlbetrug, Erpressungen und die Beeinflussung von Medien und Justiz austauschten. Daraufhin demonstrierten überall im Land zehntausende Menschen gegen die Regierung und verlangten ihren Rücktritt. Das war der Anfang vom Ende der systematischen Versuche der rechtskonservativen Regierung, in Mazedonien ein autoritäres Herrschaftssystem zu errichten (vgl. z.B. Dzankic 2018).
Seit dem Regierungswechsel im Sommer 2017 ist es der SDSM gelungen, insbesondere in den Bereichen staatliches Gewaltmonopol und Gewaltenteilung, Presse- und Meinungsfreiheit sowie Bürger- und Menschenrechte, signifikante Fortschritte zu erreichen (Bertelsmann-Stiftung 2024). Politische Meinungsverschiedenheiten zwischen unterschiedlichen Fraktionen der politischen Elite werden nicht mehr mit Gewalt ausgetragen. Der (politische) Hauptkonflikt verläuft nun zwischen den beiden großen slawo-mazedonischen Parteien. Albanische Politiker besetzen zunehmend hohe Posten, wie z.B. den des Parlamentspräsidenten. Im Januar 2019 trat ein Gesetz in Kraft, mit dem Albanisch offiziell zur zweiten Amtssprache erhoben wurde.
Nach den Erhebungen des Fragile State Index für das Jahr 2024 wird Nordmazedonien wegen leichter Verbesserungen im Vergleich zum Vorjahr nicht mehr in der Kategorie „warning“, sondern „stable“ geführt. Das Land belegt zwischen Kasachstan und Suriname den 114. Rang von insgesamt 179 Staaten, für die alljährlich die breitgefächerten zwölf Risiko-Indikatoren erhoben werden.
Auch die wirtschaftliche Entwicklung Nordmazedoniens weist eine insgesamt positive Tendenz auf.
Die soziale Situation bleibt trotz einiger Fortschritte prekär. So ist die offizielle Arbeitslosenrate seit 2005 (37,3 %) zwar rückläufig und bis zum ersten Quartal 2025 auf den bislang niedrigsten Wert gesunken. Sie beträgt aber immer noch 11,7 %.
Die beiden größten Erfolge auf außenpolitischem Gebiet sind zweifellos die Aufnahme in die NATO im März 2020 und die erste Regierungskonferenz mit der EU-Kommission zur Vorbereitung der EU-Beitrittsverhandlungen im Juli 2022. Der Beginn des Beitrittsprozesses wurde durch eine Einigung mit Griechenland im sogenannten Namensstreit freigemacht. Im Abkommen von Prespa (2018) akzeptierte die Regierung in Skopje die Umbenennung des Landes in „Republik Nordmazedonien“. Nationalisten in Griechenland hatten geargwöhnt, dass die Namensgleichheit mit der griechischen Region Makedonien früher oder später expansionistische Begehrlichkeiten bei den nördlichen Nachbarn wecken könnte.
Doch kaum war das Veto Griechenlands überwunden, erhob Bulgarien massive Einwände. Hintergrund ist ein inzwischen stark eskalierter identitätspolitischer Streit zwischen Sofia und Skopje. Zunächst konnte der bulgarische Widerstand gegen den NATO-Beitritt mit einer förmlichen Erklärung der nordmazedonischen Regierung gegenüber der UNO überwunden werden. Skopje versicherte darin, dass sich die Bezeichnung „Nordmazedonien“ nicht auf Gebiete im heutigen Bulgarien bezieht. An seinem Nein zum Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen hielt Sofia jedoch fest.
Unter der EU-Präsidentschaft Frankreichs im ersten Halbjahr 2022 wurde ein Kompromissvorschlag vorgelegt. Er erlaubt einerseits die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und bekräftigt andererseits das Recht Bulgariens, die Verhandlungen zu blockieren, wenn die zur Lösung des bilateralen Streits unternommenen Schritte nicht zufriedenstellend sind. Der „französische Vorschlag“ verlangt außerdem, dass Nordmazedonien in seiner Verfassung die auf seinem Territorium lebende „Gemeinschaft der Bulgaren” anerkennt.
Probleme und Defizite
Durch den erneut blockierten EU-Beitrittsprozess, den Streit mit Bulgarien, die Belastungen der Corona-Krise sowie die Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die gesamte Ukraine geriet die Reformpolitik der SDSM-Regierung seit 2021 zunehmend ins Stocken. Es fehlte aber auch an eigenem Veränderungswillen in zentralen Politikbereichen. Strukturelle Probleme, wie die Nähe der Justiz zur Politik und die weiterhin hohe Korruption, wurden nicht mit dem nötigen Nachdruck angegangen. Im Korruptionsindex von Transparency International für 2024 rangiert das Land zwischen Kasachstan und Surinam auf dem 88. Platz von 180 Ländern.
Die erneute Verzögerung der Beitrittsverhandlungen
Bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im April und Mai 2024 wurde die SDSM nach einer massiven Wahlschlappe von der nationalkonservativen VMRO-DPMNE sowohl aus der Regierungsverantwortung als auch aus dem Präsidentenamt verdrängt. Da die VMRO-DPMNE mit 43,23% und 58 von 120 Sitzen die absolute Mehrheit knapp verfehlte, ist sie auf die Unterstützung von zwei kleineren Parteien angewiesen. Koalitionspartner sind das aus fünf albanischen Parteien bestehende Bündnis VLEN
Die neue Regierung unter Ministerpräsident, Hristijan Mickoski, hat den EU-Beitritt zur Priorität erklärt. Um die Chancen zu erhöhen wurde eine ehrgeizige Reformagenda verkündet. Ganz oben stehen die Bekämpfung der Korruption, die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Justiz, die Reform der öffentlichen Verwaltung und die Verbesserung der Medienfreiheit. Zudem bekräftigte Mickoski anlässlich seines Amtsantritts, dass Nordmazedonien mit Blick auf Russlands Krieg gegen die Ukraine weiterhin auf Seite der Ukraine stehe (Braun 2024).
Es sieht ganz so aus, als wollte die Regierung in Skopje mit einem betont pro-europäischen Kurs ihre Handlungsspielräume im Streit mit Griechenland und Bulgarien erweitern. Denn in Bezug auf die beiden Nachbarländer ist keine Kompromissbereitschaft zu erkennen. Im Wahlkampf hat die VMRO-DPMNE gegen den Vertrag von Prespa mit Griechenland gewettert, in dem Skopje der Umbenennung in Nordmazedonien zustimmt. Mit einer scharfen antibulgarischen Rhetorik wurde die Anerkennung der in Nordmazedonien lebenden bulgarischen Minderheit durch eine Verfassungsänderung abgelehnt.
Seither zeichnet sich ein zweigleisiges Vorgehen ab. Während in offiziellen Texten und bei internationalen Kontakten die Bezeichnung „Nordmazedonien“ weiter verwendet oder nach Möglichkeit vermieden wird, findet nach innen nur noch die alte Bezeichnung „Mazedonien“ Verwendung. Dennoch halten wohlmeinende Beobachter eine Entschärfung des Konflikts mit Bulgarien weiter für möglich. Nach ihrer Einschätzung versucht Skopje, den Spieß umzudrehen, indem zwar eine Verfassungsänderung in Aussicht gestellt wird, diese aber erst nach dem EU-Beitritt in Kraft treten soll. So solle erreicht werden, dass Bulgarien keine neuen Gründe (er-)findet, um die EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedoniens zu blockieren (Braun 2024).
Wie geopolitisch labil die Situation im westlichen Balkan bleibt, verdeutlicht die Resolution des EU-Parlaments anlässlich der Verabschiedung des Berichts der Kommission über den Stand des Beitrittsprozesses. Danach ist das EU-Parlament zutiefst besorgt darüber, „dass Nordmazedonien und andere EU-Beitrittsländer im Westbalkan besonders stark von ausländischer Einmischung und Desinformationskampagnen betroffen sind“. Explizit genannt werden Ungarn und Serbien, denen die Förderung der geopolitischen Ziele Chinas und Russlands in der Region vorgeworfen wird (European Parliament 2025).