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Moldau | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Moldau

Anastasia Pociumban

/ 11 Minuten zu lesen

Die hybride Kriegsführung Russlands zielt darauf ab, die Republik Moldau wieder in seinen imperialen Einflussbereich einzugliedern. Moskau unterstützt dafür prorussische Parteien und Oligarchen und beeinflusst durch Propaganda und Stimmenkauf die nationalen Wahlen.

Der Regierungspalast in Chisinau, Moldau, am 18.10.2024. (© picture-alliance, SZ)

Aktuelle Konfliktsituation

Als im Februar 2022 der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine begann, war die moldauische Präsidentin, Maia Sandu, erst etwas mehr als ein Jahr im Amt und die von der „Partei Aktion und Solidarität“ (PAS) geführte Regierung seit sechs Monaten. Regierung und Präsidentin traten mit einer starken Reformagenda an, die auf die Bekämpfung der Korruption, die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, die Entwicklung und Modernisierung der Wirtschaft und die Annäherung an die Europäische Union (EU) gerichtet ist.

Der Krieg hat die Rahmenbedingungen für die Implementierung der Reformagenda drastisch verschlechtert. Seitdem ist Moldau mit sich verschärfenden Sicherheitsrisiken und Energiekrisen, mit wirtschaftlicher Instabilität und seit Anfang 2022 mit einer beispiellosen Migration ukrainischer Flüchtlinge konfrontiert. Steigende Energiepreise und wirtschaftliche Probleme wirken sich negativ auf den Lebensstandard der Bevölkerung aus, von der rund 30 % unter der Armutsgrenze leben. Auch die schwachen Verwaltungskapazitäten und die immer noch hohe Korruption beeinträchtigen die Umsetzung der Reformagenda. Die Folgen sind eine wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung und zunehmende Kritik an den Behörden.

Russland nutzt die Situation, um das Land zu destabilisieren, die demokratischen Institutionen zu schwächen und die proeuropäische Regierung zu diskreditieren. Zum Repertoire der hybriden Kriegsführung gehören u.a. eine erpresserische Energiepolitik, verdeckt finanzierte prorussische Parteien und russischsprachige Massenmedien sowie inszenierte Demonstrationen und die Beeinflussung von Wahlen. Ein Druckmittel war seit der Unabhängigkeit die vollständige Abhängigkeit von russischem Gas. Bereits 2022 hatte Moskau die Lieferungen um mehr als die Hälfte reduziert.

Nachdem der russische Lieferant Gazprom wegen eines Rechtsstreits über angeblich ausstehende Zahlungen die Lieferungen im Januar 2025 komplett eingestellt hat, geriet Moldau in eine akute Energiekrise. Die Strompreise stiegen um 70 %, der Strom wurde zeitweise abgeschaltet und die öffentlichen Dienste arbeiteten nur noch eingeschränkt. Durch die Integration in den europäischen Strommarkt, Investitionen in erneuerbare Energien und Projekte zur Schaffung von Hochspannungsleitungen nach Rumänien wurden zwar erhebliche Fortschritte bei der Diversifizierung der Energieversorgung erreicht, doch bei der Umsetzung ist Moldau weitgehend von externer Unterstützung abhängig. Um der Instrumentalisierung der hohen Strompreise durch die prorussische Opposition und Moskau entgegenzuwirken, wurden benachteiligte Bevölkerungsschichten entlastet.

Der Stopp der russischen Gaslieferungen traf zunächst auch die Region Transnistrien, die sich 1992 von Moldau abgespalten hat. Doch de transnistrischen Behörden lehnten nach einer kurzen Übergangsregelung die von der moldauischen Regierung vorgeschlagene langfristige Lösung und damit einhergehende EU-Hilfen ab. Sie verwiesen auf die damit verbundenen Bedingungen, insbesondere die Erhöhung der Energiepreise. Derzeit erhält Transnistrien über ein kompliziertes System Gas aus Ungarn, das von Russland bezahlt wird. Diese Vereinbarung ist jedoch nur von kurzer Dauer; eine langfristige Lösung ist nicht in Sicht.

Deutlich anders verhält es sich mit den Spannungen zwischen der moldauischen Regierung und der autonomen Region Gagausien im Süden des Landes, die sich seit der Wahl von Evghenia Guțul zur Gouverneurin („Bashkan“) 2023 deutlich verschärft haben. Der Grund sind die anhaltenden Forderungen der Regionalverwaltung nach erweiterter Autonomie. Guțul, die von dem flüchtigen Oligarchen Ilan Shor unterstützt wird, gewann die Wahl mit dem Versprechen, weiterhin für die Lieferung von billigem Gas aus Russland zu sorgen. Weil gegen Gutul ein juristisches Verfahren wegen Korruption läuft, verweigert ihr die Zentralregierung die Anerkennung als Gouverneurin und lehnt es ab, mit ihr zusammenzuarbeiten. Auch die EU hat Sanktionen gegen sie verhängt.

Ungeachtet des russischen Drucks haben Präsidentin und Regierung Kurs gehalten. Maia Sandu hat am 3. November 2024 die Stichwahl gegen den prorussischen Kandidaten klar mit 55,3 % gewonnen. Auch im EU-Referendum am 20. Oktober konnten sich die proeuropäischen Kräfte mit 50,4 % knapp durchsetzen. Gegenstand der Volksbefragung war die Ergänzung der Verfassung, in der nun die „Unumkehrbarkeit des europäischen Kurses der Republik Moldau“ und die „Integration in die Europäische Union als strategisches Ziel der Republik Moldau“ festgeschrieben wurden. Ilan Shor und die ihm nahestehenden russlandfreundlichen Parteien hatten versuchten, das Referendum und die Wahlen durch illegal ins Land geschmuggelte Gelder zu beeinflussen. Schätzungen zufolge hat Moskau allein 39 Mio. Dollar zur Störung des Wahlprozesses bereitgestellt. In Moldau wurden rund 140.000 Personen als Empfänger illegaler Gelder identifiziert.

Ursachen und Hintergründe

Politik und Gesellschaft der Republik Moldau werden insbesondere von drei Konflikten geprägt, die durchweg auch eine regionale Dimension haben: (1) die tiefe Kluft zwischen den Befürwortern einer EU-freundlichen Reformagenda und den Anhängern einer eher pro-russischen Politik; (2) der Territorialkonflikt um die separatistische Region Transnistrien sowie (3) die Spannungen zwischen der Zentralregierung in Chişinău und der autonomen Region Gagausien. Die Verschärfung der Konflikte in den letzten Jahren erklärt sich in hohem Maße aus der massiven Einflussnahme Russlands. Moskau versucht, das Land gezielt zu destabilisieren, um es möglichst ohne die Anwendung direkter militärischer Gewalt in seinen imperialen Einflussbereich zurückzuholen. Zwischen der Ukraine und dem EU- und NATO-Land Rumänien gelegen, hat die Republik Moldau für Russland ein großes geopolitisches Gewicht.

(1) Nach der letzten Volkszählung von 2024 setzt sich die moldauische Bevölkerung (ohne Transnistrien) wie folgt zusammen: 77,2 % Moldawier und 7,9 % Rumänen, 4,9 % Ukrainer, 4,2 % Gagausen, 3,2 % Russen und 1,6 % Bulgaren. Weil Moldau bis zu seiner Unabhängigkeit im Jahr 1991 Bestandteil der Sowjetunion war, sprechen und/oder verstehen noch etwa 90 % der Bevölkerung Russisch und rund ein Viertel bis ein Drittel identifiziert sich stark mit Russland (Hockenos 2024). Russland aktiviert seit einigen Monaten seine hybride Kriegsführung gegen die Republik Moldau, um den Zusammenhalt der Bevölkerung mit ihren unterschiedlichen Identitäten und Loyalitäten zu untergraben.

Maia Sandu erklärte die für den Sommer 2025 anstehenden Parlamentswahl zur „letzten Schlacht“ auf dem Weg zur zukünftigen EU-Mitgliedschaft, weil die Russland und die von Moskau unterstützten Parteien wieder alles versuchen werden, den Kurs der aktuellen Regierung zu ändern. Starke Stimmenverluste der Regierungspartei könnten den EU-Integrationskurs gefährden, da die größten Oppositionsparteien eine prorussische und EU-kritische Politik verfolgen. Dabei werden vermutlich wieder Versprechungen über die Lieferung billiger Energie aus Russland Teil der Kampagne sein.

(2) Transnistrien hat 1990 seine Unabhängigkeit erklärt, ist aber international nicht anerkannt, auch nicht von Russland. Fast alle rund 370.000 Einwohner besitzen auch die moldauische Staatsbürgerschaft. Sie eröffnet einen leichteren Zugang zu ärztlicher Versorgung, Studienplätzen und Auslandsreisen. Trotz gelegentlicher bilateraler Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen Chișinău und Tiraspol waren die Beziehungen lange stabil. In den seit über drei Jahrzehnte andauernden Verhandlungen wurden jedoch nur begrenzte Fortschritte erreicht. So wurden das Assoziierungsabkommen mit der EU von 2014 und das Abkommen über eine vertiefte und umfassende Freihandelszone (DCFTA) auch auf transnistrische Unternehmen ausgedehnt, sofern diese auch in der Republik Moldau registriert sind, was Möglichkeiten für eine weitere wirtschaftliche Integration der Region eröffnet.

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat die Situation grundlegend verändert. Die Ukraine schloss ihre Grenze zur Republik Moldau auf der transnistrischen Seite, sodass nun alle Ein- und Ausfuhren durch die Republik Moldau geleitet werden müssen. Die transnistrischen Ausfuhren in die EU stiegen bis Ende 2024 um 83 %. Da Moldawien Gas und Strom vom europäischen Markt bezieht, hat Russland nur noch begrenzte Möglichkeiten, Energie als Druckmittel einzusetzen. Nun versucht Chișinău seinerseits, den Druck auf transnistrische Unternehmen und Behörden zu erhöhen. 2023 wurde ein Gesetz gegen „Separatismus“ verabschiedet. Es sieht Strafen für die Finanzierung und Anstiftung zum Separatismus, Verschwörungen gegen die Republik Moldau und die Sammlung und den Diebstahl von Informationen vor, die der Souveränität, Unabhängigkeit und Integrität des Landes schaden können. Bislang gab es jedoch noch keine Anklagen.

Ein weiterer Streitpunkt ist die Präsenz von rd. 1.500 russischen Soldaten in Transnistrien. Sie wird von Moskau mit der Bewachung eines Munitionsdepots in Cobasna begründet. Hier werden umfangreiche alte Waffenbestände der sowjetischen Armee gelagert. Die Anwesenheit russischer Truppen ist ein potenzielles Instrument, das Russland zur Destabilisierung der Region nutzen könnte.

(3) Das Verhältnis zwischen der moldauischen Regierung und der Provinz Gagausien ist von gegenseitigem Misstrauen und Vorurteilen geprägt. Gagausien strebt zwar keine Unabhängigkeit an, drängt aber weiterhin auf eine größere Selbstverwaltung innerhalb Moldaus. Eine Mehrheit der rund 160.000 Einwohner fremdelt mit der dominanten rumänischen Sprache und Kultur und fühlt sich eher mit Russland und der Türkei verbunden. Beide Länder sind auch die Hauptziele der regionalen Arbeitsmigration. Der starke Einfluss der russischen Kultur und Sprache macht Gagausien zu einem Einfallstor für die Propaganda und hybride Kriegsführung Moskaus.

Bei den Präsidentschaftswahlen und im EU-Referendum im Herbst 2024 stimmte eine überwältigende Mehrheit der Einwohner der Provinz sowohl gegen die EU-Orientierung des Landes (94,84 %) als auch gegen eine zweite Amtszeit für die amtierende Präsidentin, Maia Sandu. Im zweiten Wahlgang wurden 97,04 % der Stimme für den prorussischen (gagausischen) Kandidaten, Alexandru Stoianoglo, abgegeben. Die Ergebnisse sind auch eine Reaktion auf das nur begrenzte Engagement der Zentralregierung in der Region. Seit dem Winter 2023 sind die Beziehungen faktisch eingefroren. Das Vakuum wurde von externen Akteuren, wie Russland und der Türkei, schnell ausgefüllt.

Bearbeitungs- und Lösungsansätze

Der einzige ernsthafte Versuch Moskaus, die Transnistrien-Frage zu lösen, war der Kozak-Plan von 2003, der eine Föderalisierung der Republik Moldau mit einem Vetorecht für Transnistrien und Gagausien mit Blick auf strategische Fragen der nationalen und internationalen Politik vorsah. Der damalige moldauische Präsident, Wladimir Woronin, lehnte den Plan unter dem Druck von Massendemonstrationen in Chişinău und seiner internationalen Partner schließlich ab. Ein Grund war auch die Forderung Moskaus nach Beibehaltung der russischen Militärpräsenz in Moldau. Seitdem wird kaum noch verhandelt. Das 5+2-Format (Moldau, Transnistrien, EU, OSZE, Russland, Ukraine, USA) ist aufgrund des Ukraine-Kriegs nicht mehr möglich. Nur zwischen der moldauischen Regierung und Transnistrien gibt es noch Gespräche – allerdings mit begrenzten Ergebnissen. Bisher liegt kein Konzept für die Wiedereingliederung in die Republik Moldau vor.

Der Beitritt zur EU gilt als Königsweg, um der russischen Einmischung entgegenzuwirken und mittelfristig die Wiedereingliederung Transnistriens zu erreichen. Der Beitrittsprozess, einschließlich der kürzlich beschlossenen Reform- und Wachstumsfazilität für die Republik Moldau, soll die Umsetzung wichtiger Reformen unterstützen, die u.a. auf die Förderung des Wirtschaftswachstums und die Verbesserung des Lebensstandards, auch in Gagausien, gerichtet sind. Transnistrien profitiert bereits wirtschaftlich von der „Vertieften und Umfassenden Freihandelszone“ (DCFTA) mit der EU. Auch die EU-Hilfe in der Energiekrise Anfang 2025 war ein Schritt hin zu einer verstärkten Zusammenarbeit.

Die Zukunft der russischen Militärpräsenz und des Munitionsdepots in Cobasna sind Schlüsselfragen mit Blick auf eine politische Lösung. Die moldauische Führung hat bereits mehrfach signalisiert, dass sie substanzielle Fortschritte im bilateralen Verhältnis vom Abzug der Truppe abhängig macht. Sie schlägt vor, dass ihre Aufgaben von einer internationalen Mission übernommen werden. Die transnistrischen Behörden sind jedoch wegen ihrer Abhängigkeit von Russland in ihrer Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit eingeschränkt.

In Bezug auf die Streitigkeiten mit der gagausischen Regionalregierung herrscht Stillstand. Die moldauische Regierung hat sich von direkten Verhandlungen zurückgezogen. Sie steht vor einem Dilemma. Einerseits birgt die Zusammenarbeit mit einer von Ilan Shor kontrollierten Verwaltung das Risiko, diese zu legitimieren, andererseits würde ein vollständiger Kontaktabbruch Raum für prorussische Akteure schaffen, die bestehenden Spannungen für ihre Zwecke auszunutzen. Ein Ausweg wäre ein stärkeres Engagement auf lokaler Ebene, insbesondere über die Bürgermeister und die Zivilgesellschaft. Die Entwicklung von lokalen Netzwerken zur Unterstützung der Reformagenda der Regierung und des EU-Beitritts könnte den Beziehungen zwischen Chișinău und der gagausischen Provinzhauptstadt Komrat zugutekommen.

Geschichte des Konflikts

Der Transnistrien-Konflikt geht auf die letzten Jahre der Sowjetunion zurück. In der Republik Moldau gab es stärkere nationale Gefühle und das Bestreben, die kulturelle und politische Autonomie wiederzuerlangen. Im Jahr 1989 wurde die rumänische Sprache in lateinischer Schrift (damals Moldauisch genannt) als Staatssprache eingeführt. Dies schürte Ängste in der russischsprachigen Bevölkerung, insbesondere in der stark industrialisierten Region Transnistrien, in der ethnische Russen und Ukrainer die Mehrheit bildeten. Diese Ängste waren auch politisch motiviert, da die lokalen Eliten in Transnistrien den Verlust ihres Einflusses in einer unabhängigen moldauischen Staatsnation befürchteten.

Die Spannungen eskalierten 1990: Am 2. September riefen die lokalen Behörden in Tiraspol als Reaktion auf die zunehmende Zentralisierung durch Chișinău und die wahrgenommenen rumänischen Vereinigungsbestrebungen die „Cisnistrische Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik“ (PMSSR) aus. Obwohl dieser Akt weder von einem souveränen Staat noch von der UdSSR anerkannt wurde, war er ein entscheidender Schritt in Richtung Abspaltung. Die Republik Moldau erklärte daraufhin den Akt für null und nichtig, war jedoch nur begrenzt in der Lage, die verfassungsmäßige Ordnung in Transnistrien durchzusetzen, insbesondere aufgrund der Anwesenheit der in der Region stationierten sowjetischen 14. Armee.

Nach mehreren bewaffneten Zusammenstößen brachen im Frühjahr 1992 offene Feindseligkeiten aus. Vor allem in Dubăsari und später in Bender (Tighina) kam es zu heftigen Straßenkämpfen zwischen moldauischen Streitkräften und separatistischen Milizen, die von Teilen der 14. Armee unterstützt wurden. Die Kämpfe, die bis zur Unterzeichnung eines von Moskau vermittelten Waffenstillstandsabkommens am 21. Juli 1992 andauerten, forderten Hunderte von Toten und Zehntausende von Vertriebenen. Mit der Stationierung sogenannte russischer Friedenstruppen wurde die De-facto-Abtrennung Transnistriens formalisiert, auch wenn die Region international weiterhin als Teil der Republik Moldau anerkannt wird.

Trotz Verhandlungen im Rahmen verschiedener Formate, einschließlich der von der OSZE vermittelten „5+2“-Gespräche, wurde keine politische Lösung erzielt, und Russland hatte vor allem ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Status quo. Transnistrien entwickelte sich mit eigenen Institutionen, eigener Währung und eigenen militärischen Strukturen zu einem weiterhin international nicht anerkannten De-facto-Staat mit starkem Rückhalt seitens Russlands.

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ist seit April 2022 als Research Fellow sowie Projektmanagerin des Think Tank Network on the Eastern Partnership im Zentrum für Ordnung und Governance in Osteuropa, Russland und Zentralasien der DGAP tätig. Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt auf der EU-Erweiterung und den Beziehungen der EU zu ihren östlichen Nachbarn sowie auf der Außenpolitik der Länder der Östlichen Partnerschaft. Sie ist Expertin für Demokratisierung, Local Governance sowie Zivilgesellschaft in Osteuropa und Russland. Zuvor arbeitete Anastasia Pociumban als Programmmanagerin für Eurasien für Equal Rights & Independent Media (ERIM) in Lyon, als Programmbeauftragte Europa für Democracy Reporting International in Berlin sowie für die Europäische Stiftung für Demokratie (EED) in Brüssel.