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Iran | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Iran

Sara Bazoobandi

/ 10 Minuten zu lesen

Nach den landesweiten Protesten, der Schwächung der „Achse des Widerstands“ im arabischen Raum und den militärischen Drohungen der Trump-Regierung steht das islamistische Regime im Iran an einem Scheideweg. Alles deutet jedoch auf eine Verhärtung des bisherigen Kurses hin.

Am 7. November 2022 protestieren Menschen in Marivan (kurdische Provinz/Iran) wegen des gewaltsamen Todes von Jina Mahsa Amini. Amini starb am 16. September, nachdem sie Tage zuvor von der Sittenpolizei festgenommen worden war, weil sie ihr Kopftuch nicht korrekt getragen haben soll. (© picture-alliance, abaca)

Aktuelle Situation

Die Nachwahlen im Juli 2024, die nach dem Tod von Präsident Raisi bei einem Hubschrauberabsturz angesetzt wurden, waren von einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung von rund 40 Prozent geprägt (2021: 48,8 %; 2017: 73,3 %). Dies ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die iranische Bevölkerung kein Vertrauen mehr in Fairness und Transparenz der Wahlen hat. Ebenso fehlt das Vertrauen in die Fähigkeit und den Willen der Politiker, die Interessen der Menschen im Land zu vertreten und zu schützen. Die wachsende Wahlverweigerung spiegelt eine tiefe Krise des politischen Systems im Iran wider.

Die vagen Reformversprechen des neuen Präsidenten Masoud Peseschkian, etwa „der Sittenpolizei ein Ende zu setzen“, weckten Hoffnungen auf die Abschaffung des Hidschab-Gesetzes. Es gibt auch die Erwartung, dass eine Annäherung an die USA eine Lösung der Nuklearkrise und ein Ende der westlichen Sanktionen einleiten könnten. Tatsächlich dienten seine Aussagen bislang nur dem Zweck, dem Regime ein moderates Image zu verleihen. In der Praxis folgt er strikt Khameneis Vorgaben, ohne echte Reformen umzusetzen.

Die wirtschaftliche Situation im Iran hat sich in den letzten zehn Jahren aufgrund der internationalen Sanktionen, aber vor allem wegen Misswirtschaft, Korruption und strukturellen Problemen erheblich verschlechtert. Mehrere Runden der Währungsabwertung, hohe Inflation, langsames Wachstum und hohe Arbeitslosigkeit haben den Lebensstandard beeinträchtigt und Millionen von Iranern in die Armut getrieben. Frauen sind davon besonders betroffen. Die Erwerbsarbeit von Frauen ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Nach Angaben der Weltbank hat der Iran eine der niedrigsten Frauenerwerbsquoten im gesamten Nahen Osten und in Nordafrika – einer Region mit einer der niedrigsten Quoten – weltweit.

Infolge der wirtschaftlichen Krise sind Arbeitslosigkeit und Armut drastisch gestiegen. Laut offiziellen Angaben leben mindestens 30 % der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Der sogenannte Elendsindex, der Arbeitslosigkeit und Inflation kombiniert, lag 2023 bei über 60 %. In der Provinz Lorestan erreichte er mit 69,5 % den Höchstwert – eine Region, die in den letzten Jahren durch gewaltsame Proteste wegen Wassermangels auffiel. Der Index gilt als Indikator für wirtschaftliche Stagnation, soziale Unruhen und Kriminalität.

Regionen mit ethnischen Minderheiten sind seit Jahrzehnten stark vernachlässigt, mit deutlich weniger staatlichen Investitionen als die zentraliranischen, persisch dominierten Provinzen. Die daraus resultierende Unterentwicklung zeigt sich in schlechter Infrastruktur, unzureichender Bildung, Gesundheitsversorgung und Verkehrsanbindung. Diese strukturelle Benachteiligung hat tiefe Unzufriedenheit mit der Zentralregierung und ein wachsendes Gefühl der Entfremdung ausgelöst. Viele Minderheiten sehen darin eine bewusste Strategie des Regimes, ihre Gemeinschaften zu schwächen und abhängig zu halten.

Diese systematische Benachteiligung hat zu mehreren Protestwellen in den betroffenen Regionen geführt. In der Wahrnehmung der lokalen Bevölkerung reagieren die iranischen Sicherheitskräfte auf Proteste in den Minderheitsgebieten massiver als in anderen Landesteilen, was die Spannungen weiter verschärft und separatistische Tendenzen verstärkt. Ein weiterer Faktor, der das Misstrauen gegenüber der Zentralregierung vertieft, ist die Praxis, nur selten Gouverneure, Regierungsbeamte oder Leiter lokaler Militär- und Verwaltungseinrichtungen aus der einheimischen Bevölkerung zu rekrutieren.

Auf regionaler und internationaler Ebene ist der Iran nach den Kriegen in Gaza und im Libanon sowie dem Sturz Assads in Syrien deutlich geschwächt. Die mit erheblichen Kosten aufgebaute „Achse des Widerstands“, ein vom Iran finanziertes Bündnis von schiitischen, aber auch sunnitischen Milizen im arabischen Raum, entpuppt sich als Fassade ohne Substanz. Symptomatisch dafür war die Ermordung von Hamas-Führer, Ismail Haniyeh, in Teheran durch den israelischen Geheimdienst. Dieses Versagen schürte Spannungen innerhalb der iranischen Elite und beschleunigte den Ansehensverlust der islamistischen Führung in der Bevölkerung.

Nach der Erklärung von US-Präsident Trump, wonach der Iran entweder einem Abkommen mit den USA zustimmen oder mit Bombardierungen rechnen müsse, haben sich die Spannungen zwischen Washington und Teheran deutlich verschärft. Die direkte militärische Drohung stellt den Iran vor ein strategisches Dilemma und erhöht das Risiko einer bewaffneten Konfrontation. In der Situation besteht wenig Aussicht auf einen Abbau der Sanktionen, was die wirtschaftliche Lage weiter verschärfen dürfte.

Ursachen und Hintergründe

Die Innen- und Außenpolitik des Iran wird von mehreren innerstaatlichen und regionalen Konflikten geprägt: (1) den Auseinandersetzungen zwischen der islamistischen Elite und den oppositionellen Milieus; (2) den Differenzen zwischen fundamentalistischen und gemäßigteren Fraktionen des islamistischen Regimes; (3) den Spannungen zwischen dem iranischen Zentralstaat und den religiösen und ethnischen Minderheiten (z.B. Sunniten, Kurden, Aseri) sowie (4) den regionalen und internationalen Konflikten mit den schiitischen Regionalmächten, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate, sowie mit Israel und den USA.

(1) Als Reaktion auf die Innen- und Regionalpolitik der Islamischen Republik haben Unzufriedenheit und Kritik in der iranischen Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Dies hat sich in mehreren Protestphasen im ganzen Land manifestiert (vor allem seit 2009). Wirtschaftliche Not, Korruption, Missbrauch öffentlicher Gelder und zahlreiche Fälle von Veruntreuung, in die hohe Beamte und ihre Kumpane verwickelt waren, haben dazu beigetragen, dass immer mehr iranische Bürger das Vertrauen in den Staat verloren haben.

Dem eigenen Verständnis der herrschenden Mullahs nach wurde die islamistische Ideologie ursprünglich als Kitt für eine sozial, kulturell und ethnisch diverse Gesellschaft konzipiert. Sie hat sich aber zu einem großen Hindernis für die soziale Mobilität im Iran entwickelt. Berufliche Beförderungen, das Recht auf Hochschulbildung und der Zugang zu hohen Regierungsämtern sind inzwischen nur noch auf diejenigen beschränkt, die absolut loyal gegenüber dem Regime sind und sich der Staatsideologie uneingeschränkt unterordnen. In der Folge wurde die konfessionell überformte Loyalität gegenüber dem Regime von immer mehr Iranerinnen und Iranern aufgekündigt.

(2) Im Machtkampf zwischen fundamentalistischen und gemäßigteren Fraktionen des Regimes wurden in den letzten Jahren die eher moderaten Elemente schrittweise marginalisiert und aus hohen Ämtern verdrängt. Diese systematische Schwächung der sogenannten Reformer begann bereits nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl 2009. Doch selbst die moderatesten Elemente stehen nach wie vor loyal zum Establishment und fühlen sich der Aufrechterhaltung einer islamischen Herrschaft verpflichtet. Ihre Vorstellung von „Reformen“ beschränkt sich auf kosmetische Änderungen innerhalb des Systems. Die enttäuschenden Präsidentschaften von Khatami und Rouhani, die trotz moderater Rhetorik keine substanziellen Veränderungen bewirkten, haben das Misstrauen weiter verstärkt.

(3) Die iranische Führung betreibt eine Sozial- und Wirtschaftspolitik, die sich auf Entwicklungsprojekte in den zentralen Regionen konzentriert und die Grenzprovinzen benachteiligt, in denen mehrheitlich religiöse (d.h. sunnitische) und ethnische (z.B. kurdische, belutschische) Gemeinschaften leben. Besonders drastisch zeigt sich diese Vernachlässigung in der Provinz Sistan-Belutschistan. Nach den Daten des Iranischen Statistikzentrums rangiert die Region beim Human Development Index, der Lebenserwartung, Bildung und Pro-Kopf-Einkommen berücksichtigt auf dem letzten Platz.

Auch andere Indikatoren zeichnen ein düsteres Bild: Mehr als 3.000 Dörfer haben keinen Zugang zu Trinkwasser und werden von Tankwagen versorgt. Nach Angaben eines lokalen Beamten in der Hafenstadt Tschabahar am Golf von Oman haben nur 21 % der Einwohner Zugang zu Trinkwasser über das Wassersystem. Ein Parlamentsmitglied erklärte, dass 75 % der Menschen in Sistan und Belutschistan keine Ernährungssicherheit haben. Im Frühjahr 2018 lag die offizielle Arbeitslosenquote in der Provinz bei 18,6 %, die dritthöchste im Land. Ein Parlamentsmitglied aus Sistan-Belutschistan bezifferte sie auf 39 %.

(4) Dem messianischen Impetus der schiitisch-islamistischen Ideologie folgend hat der Iran in den letzten Jahrzehnten sein Engagement in der Nahost-Region erheblich ausgeweitet. Trotz der erdrückenden Sanktionen des Westens hat das Regime u.a. in den Aufbau der „Achse des Widerstands“ investiert, sie ausgebildet und ausgerüstet. Dahinter steht eine Strategie der „strategischen Tiefe“, die auf die Schaffung eines schiitisch-iranischen Einflussbereichs vom Iran bis zum Mittelmeer abzielt. Die Hauptziele sind: Absicherung gegen westliche Interventionen, Schwächung regionaler Rivalen (besonders Saudi-Arabien und Israel), Durchbrechung der internationalen Isolation sowie Etablierung des Iran als dominante Regionalmacht im Nahen Osten.

Um seine regionale Macht und seinen Einfluss zu stärken, inszeniert sich die iranische Führung als Speerspitze des Kampfes gegen Israel und als Sachwalter der palästinensischen Sache. Begleitet von einem extremen Antisemitismus, wird das Existenzrecht Israels grundsätzlich geleugnet. Um sich gegen etwaige Angriffe seitens der USA und Israels zu verteidigen, arbeitet Teheran seit Jahrzehnten daran, die Fähigkeit zum Bau eigener Atomwaffen (sowie umfangreiche Raketen- und Drohnenprogramme) zu erlangen. Diese Politik trifft auf massive Kritik und Gegenwehr seitens Israels, der USA und anderer westlicher Staaten (vgl. z.B. ZDF 2024).

Bearbeitungs- und Lösungsansätze

Der Ansatz der Konflikteindämmung durch konfessionelle, soziale und nationale Integration ist spätestens seit den landesweiten Protesten 2022 gescheitert. In der Folge wurde die ideologische Bindekraft der Religion und Revolution, zunehmend durch ein engmaschiges System der Überwachung, Einschüchterung und Repression ersetzt. Von Präsident Peseschkian sind trotz anfänglich geäußerter Reformversprechen keine substanziellen Akzente zu erwarten, da er unter direkter Kontrolle Khameneis steht.

In den letzten zehn Jahren hat der Oberste Führer des Iran, Ayatollah Khamenei, mit direkten Befehlen und Kommuniqués zunehmend Einfluss auf die iranische Innen- und Außenpolitik genommen. Diese Bemühungen zielen auf eine „Re-Revolutionierung“ des Landes. Der erste Faktor ist die politische Ideologie. Eine schiitische Auslegung des Islams, die auf dem Konzept der „Velayat Faghih“ (Herrschaft des Obersten Rechtsgelehrten) beruht, hat sich in der politischen Propaganda und Politik des Iran durchgesetzt. Es rechtfertigt die autoritäre Herrschaft der obersten Führer des Landes, die rigorose Unterdrückung jeder Form von politischer Opposition sowie die Kontrolle der Menschen bis hinein in ihr Privatleben.

Khameinei versucht auch, die Wirtschaftspolitik zu beeinflussen, indem er den „wirtschaftlichen Dschihad“ und „wirtschaftlichen Widerstands“ propagiert, der von „Dschihad-Managern“ aus der jungen Generation in wichtigen Wirtschaftspositionen und Regierungsämter getragen werden soll. Trotz der sich weiter verschlechternden sozioökonomischen Lage im Iran ist die Regierung entschlossen, die staatlichen Ressourcen vorrangig in Bereichen einzusetzen, die der Machterhaltung und -ausdehnung des Regimes auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene dienen. Wichtige Machtinstrumente sind die Ausweitung der Cyberkapazitäten für die internetgestützte Einflussnahme auf die Bevölkerung und die Unterdrückung von Dissidenten.

Auf regionaler und internationaler Ebene wird der Iran bis auf Weiteres an der Unterstützung der „Achse des Widerstands“ festhalten. Rückendeckung erhält er durch die strategische Partnerschaft mit China und Russland im Rahmen des „Eisernen Dreiecks“. Die Abhängigkeit von China hat Teheran in den letzten Jahren einen sicheren Puffer verschafft, der es erlaubt, die Sanktionen zu umgehen. Dazu trägt auch die Zusammenarbeit mit Russland beim Aufbau und der Unterhaltung einer Schattenflotte für den Transport von Erdöl und Erdgas bei. Als Gegenleistung für die Durchbrechung der internationalen Isolierung liefert der Iran u.a. Shahed-Drohnen an Russland.

Die geopolitischen Umwälzungen infolge des Zusammenbruchs der Hisbollah im Libanon, des Sturzes des Assad-Regimes in Syrien und der Rückkehr von Trumps „Maximum Pressure"-Politik haben das Risiko eines israelischen oder amerikanischen Militärschlags gegen Irans Nuklearanlagen erhöht. Ein Berater des Obersten Führers warnte bereits, dass der Iran eine Atomwaffe erwerben müsse, wenn ein Angriff der USA oder von deren Verbündeten drohe. Militärexperten und Sicherheitsanalysten aus verschiedenen Ländern, darunter auch Russland, haben vor den potenziell katastrophalen Folgen eines solchen Angriffs gewarnt. Zweifellos könnten die Konsequenzen verheerend sein, aber die aggressive Rhetorik und der militärische Aufbau signalisieren, dass Trump möglicherweise bereit ist, dieses Risiko einzugehen.

Geschichte des Konflikts

Die Islamische Revolution von 1979, angeführt von Ayatollah Ruhollah Khomeini, verwandelte den Iran von einer säkularen prowestlichen Monarchie in eine dezidiert US- und israelfeindliche Islamische Republik. Ein Schlüsselereignis dafür war die Besetzung der US-amerikanischen Botschaft und die Geiselnahme von 52 US-Diplomaten und Mitarbeitern durch radikal-islamistische Aktivisten von November 1979 bis Januar 1981. Die dadurch bewirkte Radikalisierung im Iran ermöglichte es den radikal-islamistischen Kräften, die moderaten und säkularen Kräfte zu marginalisieren, die die Revolution anfänglich maßgeblich mitgetragen und geprägt hatten (Bayat-Philipp 2004).

Die Aufnahme des Konzepts der „Velayat-e Faqih“ in die iranische Verfassung von 1979 sicherte den religiösen Führern des Landes weitreichende Befugnisse und schuf ein duales Regierungssystem mit theokratischen und republikanischen Elementen, in dem religiöse Autoritäten über gewählten Beamten stehen. Der achtjährige erste Golfkrieg (1980-1988), der mit dem Angriff des Irak auf den Iran begann, prägte die frühe Phase der Islamischen Republik entscheidend und half dem Regime letztlich, seine Macht zu konsolidieren. Trotz enormer menschlicher und wirtschaftlicher Verluste nutzte die Führung den Krieg, um die revolutionäre Ideologie im Land zu festigen und Dissens zu unterdrücken.

Seit den 1990er Jahren entwickelte der Iran zunehmend regionale Ambitionen, die im Kern auf eine Führungsrolle im Nahen Osten und die Schaffung eines Gegengewichts gegen westliche und israelische Interessen gerichtet sind. Während die Wirtschaft unter Schlendrian, Korruption und internationalen Sanktionen litt, flossen erhebliche Ressourcen in militärische und ideologische Projekte im Ausland. Diese Diskrepanz hat sich in Folge der verschärften Sanktionen als Reaktion gegen das iranische Atomprogramm und das Scheitern des internationalen Atomabkommens seit 2015 weiter vertieft.

Die iranische Politik und Gesellschaft wurden von wiederholten Protestwellen erschüttert. Die größte Mobilisierung erreichten die „Grüne Bewegung“ im Jahr 2009 und die landesweiten Proteste der „Frau, Leben, Freiheit-Bewegung“ nach dem Tod von Mahsa Amini im September 2022. Nach dem Tod von Präsident Raisi bei einem Hubschrauberabsturz und der Wahl von Masoud Peseschkian zu seinem Nachfolger im Jahr 2024 sucht das Regime nach einem Weg aus der inneren und regionalen Krise. Alles scheint jedoch auf eine Verhärtung des bisherigen Kurses hinzudeuten.

Weitere Inhalte

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel in Deutschland. Darüber hinaus ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Arab Gulf States Institute in Washington und am ISPI in Mailand. Sara Bazoobandi ist seit 2015 Mitglied der Higher Education Academy im Vereinigten Königreich. Sie hat einen Doktortitel in Arabistik und Islamwissenschaften von der Universität Exeter, einen MSc in Wirtschaftsentwicklung in Schwellenmärkten von der Universität Reading und spricht Persisch, Englisch, Deutsch und Arabisch. Ihre aktuellen Forschungsinteressen sind politische Ökonomie, Sicherheits- und Außenpolitik des Nahen Ostens und Nordafrikas, Iran, Informationskriege, kritische Diskursanalyse sowie die Beziehungen zwischen China und dem Nahen Osten und Nordafrika.