Kulturelle Bildung im Übergang Schule-Beruf
Jedes Jahr stecken rund 500.000 junge Menschen im Übergang von der Schule in den Beruf fest – entmutigt und ohne Perspektive. Viele Programme, die Kultur- und Bildungsträger in der Jugendbildung zusammenarbeiten lassen, leiden zudem unter mangelnder Ausstattung. Dennoch gibt es Lösungsansätze, die über individuelle Kompetenzförderung weit hinausgehen.
Keine anderen Sorgen?
Eine knappe Million junger Menschen werden in Deutschland jährlich aus den allgemeinbildenden Schulen entlassen. Zusammen mit Absolventen der beruflichen Schulen, Schulabsolventen vergangener Jahre und abzüglich derer, die studieren wollen, Wehr- oder Zivildienst leisten oder jobben, treten sie auf dem Ausbildungsmarkt als Bewerber auf. 60 Prozent dieser Bewerber nimmt die reguläre berufliche Bildung auf. Der Rest, gut 500.000 junge Menschen jährlich, bleibt erst einmal stecken: im Übergang von der Schule in den Beruf. Sechs Prozent der Deutschen, 22 Prozent der Ausländerinnen und Ausländer unter ihnen, finden auch nach vier Jahren keine Ausbildungsstelle. [1]Knapp zwei Fünftel der – wiederum eine knappe Million – Grundsicherungsempfänger ("Hartz IV") unter 25 Jahren befanden sich im Jahresdurchschnitt 2007 in den Maßnahmen der sogenannten "aktivierenden" Arbeitsmarktpolitik. In den Jahren 2005 bis 2006 fanden 70 Prozent der von der Grundsicherung abhängigen 18- bis 29-Jährigen auch nach zwei Jahren nicht aus dem Hilfebezug heraus. [2]
Und diese jungen Leute – unter ihnen ein hoher Anteil von Hauptschülern und von Einwanderern bzw. ihren Kindern – hätten nun keine anderen Sorgen, als sich auch noch "kulturell bilden" zu lassen? Hatte nicht Hartmut von Hentig schon 1993 geschrieben: "Nein, unsere Probleme verlangen politische und pädagogische Antworten, nicht ästhetische?" [3] Und ein paar Jahre später einem schwachen Begriff von Kreativität misstraut? [4]
In der Tat ist Skepsis angebracht. Je weniger die deutsche Bildungspolitik in der Lage ist, ihren Problemen mit einem wirklichen Paradigmenwechsel des schulischen Lehrens und Lernens zu begegnen, desto mehr spricht sie derzeit von "Kunst und Kultur". So erfreulich es auch ist, dass Programme aufgelegt werden, die Kultur- und Bildungsträger in der Jugendbildung zusammenarbeiten lassen: Ihre geringe materielle Ausstattung und die gleichzeitige Abwicklung von Einrichtungen der Jugendhilfe lassen bei den betroffenen Einrichtungen den Verdacht aufkommen, hier solle die traurige Lebens- und Lernwirklichkeit der bildungsbenachteiligten Kinder und Jugendlichen hinter ein paar leuchtenden Events dem Blick der Öffentlichkeit entzogen werden. Wer glaubt, die "Kunst als solche", wenn man sie hier und da, mit möglichst großem Bahnhof und kurzen Fristen, betreibe, könne an dieser Wirklichkeit irgendetwas nachhaltig ändern, der irrt. Aber darum geht es nicht.