"Kulturtransfers" – Methoden einer Praxis im Zwischenraum
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Gegenstände aus einem Kontext in einen anderen versetzen, sich darüber austauschen, selbst recherchieren, praktisch tätig werden und das "Gemachte" von Ausstellungen erkennen, sind zentrale Punkte im "Kulturtransfers"-Projekt. Dabei werden gewohnte Sichtweisen und bekannte Handlungsmuster verlassen, und neue Zwischenräume entstehen.
Kunstvermittlung beschreibt das Feld der Arbeit mit Dritten im Kontext von Kunst und ihren Institutionen. Ausstellungen werden dabei als ein produktives Experimentierfeld für Bildungsprozesse begriffen, das dem Publikum Räume des Sprechens und Handelns eröffnet. Dabei versteht sie sich vielfach als eine "Fortsetzung von Kunst"
Die Frage nach einer Methode (von griech. metá "zwischen, hinter" und hodós "Weg") der Kunstvermittlung richtet die Aufmerksamkeit weniger auf das Was als auf die Art und Weise, wie man etwas tut, um ein Ziel zu erreichen. Dieses Ziel ist in der Kunstvermittlung häufig schwer zu greifen – es entzieht sich, wenn man es anstrebt, es verändert sich unterwegs, versteckt sich hinter der nächsten Ecke, stellt sich einem in den Weg oder überfällt einen hinterrücks. Diese Schwierigkeit des Zugriffs hat zum einen mit dem Gegenstand zu tun, der den Impuls für die Vermittlungssituation liefert: Kunst wird erst durch die aktive, gestaltende Teilhabe der Rezipientinnen und Rezipienten zur Erfahrung, durch ihr Wahrnehmen, Mitdenken und Mithandeln. Was sich dabei zeigt – oder auch nicht zeigt –, ist subjektiv und je nachdem, wer da wahrnimmt/denkt/handelt, unterschiedlich. Zum anderen ist die Kunstvermittlung durch eine zwischenmenschliche Beziehung gekennzeichnet, in der unterschiedliche Begehren und Erwartungen aufeinandertreffen: jene der Besucherinnen und Besucher, jene der Kunstvermittlerin bzw. des Kunstvermittlers und jene der Institution. Gerade in diesem Verhältnis aber, so die Kunstvermittlerin Nora Sternfeld
Methodensteckbrief
Kurzbeschreibung | Vor dem Hintergrund der Ausstellung "Kulturtransfers #1: Another Country – Eine andere Welt" in der ifa-Galerie Berlin lud das begleitende Kunstvermittlungsprojekt junge Migrantinnen und Migranten ein, verschiedene Formen und Richtungen kultureller Transfers in ihrem Berliner Lebensumfeld zu untersuchen und den Blick auf Kulturtransfers mit eigenen ästhetischen Positionierungen zu erweitern. |
Ziele | ästhetische Auseinandersetzung mit kultureller Aneignung und Differenz; Sensibilisierung für Allgegenwärtigkeit kultureller Übersetzungen im lokalen Kontext; Wahrnehmungsübung; Entwickeln eigener künstlerischer Ausdrucksformen und Versprachlichung ästhetischer Erfahrung. |
Teilnehmerzahl | 10 |
Altersstufe | 16-26 |
Zeitbedarf | ca. 6 Wochen, 3-4 Workshoptermine |
Raum | Galerie/Atelier/Seminarraum, Stadtraum |
Benötigte Ausstattung / Materialien | Fotoapparat, Drucker, einfaches Zeichenmaterial, diverse Materialien für Collagearbeit (Papier, Scheren, Klebstoff, Stempel, etc.) |
Sparte / Bereich / Feld | Bildende Kunst |
Kunstvermittlungsprozesse lassen sich also nur bedingt planen. Die Art und Weise, wie ein Zwischenraum geöffnet und gestaltet werden kann, muss jeweils neu gefunden und ausgehandelt werden. Denkt man diesen Prozess jedoch "von Kunst aus"
1. Übersetzungen
"Kulturtransfers" suchte nach Gelenkstellen, an denen das, was in der Ausstellung im globalen Kontext thematisiert wurde, für die Teilnehmenden eine persönliche Relevanz bekam. Diese Suche lässt sich als eine Übersetzungspraxis auffassen, als ein "Hinübertragen"
2. Begriffliches begreifbar machen
Zu Anfang des Projekts waren die Teilnehmenden gebeten, einen Gegenstand mitzubringen, der von ihrer Kultur erzählt. Die Einladung war bewusst offen gehalten, um den Raum für das, was sich als Kultur zeigen kann und jeweils unterschiedlich konnotiert wird, nicht frühzeitig mit abstrakten Konzepten zu verstellen. Mit dem Objekt brachten die Jugendlichen ihren eigenen Kontext mit in den institutionellen Raum und zugleich ein für alle Wahrnehmbares und Begreifbares, das es ermöglichte, den Austausch über abstrakte Begriffe sinnlich an die eigene Erfahrungswelt anzubinden. Die Objekte selbst erfuhren durch diesen Kontextwechsel eine neue Aufladung: Jenseits ihrer eigentlichen Funktion standen sie sinnbildlich für eine bestimmte Form der kulturellen Transferpraxis.
3. Räume besetzen
Indem die Teilnehmenden ihre Objekte im Ausstellungsdisplay platzierten, veränderte die Ausstellung ihr Bild als Ganzes. Temporäre Interventionen wie diese entsakralisieren den musealen Raum und legen das Format Ausstellung als etwas "Gemachtes" offen; – zugleich machen sie deutlich, dass sich das "Gemachte" transformieren lässt. Die Institution wird zum Handlungsraum: zu einem Ort, der sich durch das Mitwirken des Publikums verändert.
4. Versuchsanordnungen
Die Inszenierung eines Kulturtransfers innerhalb unserer Gruppe schaffte eine Laborsituation, die komplexe gesellschaftliche Prozesse im Kleinen nachvollziehbar werden ließ. Die Bedingungen und Parameter kultureller Transfers können in solch einer experimentellen Versuchsanordnung wie durch ein Brennglas beobachtet und befragt werden. Sichtbar werden dabei auch Lücken – im Projekt "Kulturtransfers" etwa in Gestalt mitunter leerer Seiten im Logbuch. Auch solche Leerstellen sind Teil künstlerischer Prozesse; sie können ein Verhältnis zum Anderen zur Sprache kommen lassen, das nicht immer und von vorneherein von mitteilsamer Offenheit gekennzeichnet ist.
5. Visuelle Forschung
Mit der Recherche sichtbarer Spuren von Kulturtransfers im Stadtraum vollzog das Projekt einen Schritt von der Fokussierung persönlicher Erfahrungen hin zu den gesellschaftlichen Strukturen. Eine solche visuelle Materialsammlung ist zugleich eine Wahrnehmungsübung: Sie sensibilisiert für Facetten im Lebensumfeld, lässt genauer hinschauen und so Dinge und Details in den Blick geraten, die uns im Alltag oft entgehen. Was sonst nur am Rande gestreift wird, kann nun "anders" gesehen werden – und eine neue Bedeutung gewinnen.
6. Setzungen
Die Formulierung eines künstlerischen Produkts (das nicht den Anspruch haben muss, selbst Kunstwerk zu sein) ermöglicht es, selbst zur Aussage zu kommen und unterschiedliche Diskursebenen für sich "auf den Punkt" zu bringen. Eine solche künstlerische Setzung erfordert immer auch eine Stellungnahme: Material in eine bestimmte Form zu überführen heißt, eine Entscheidung zu treffen und diese – wenn sie öffentlich wird – gegenüber anderen zu vertreten. Künstlerische Zugänge bieten hierfür sensible und differenzierte Ausdrucksmöglichkeiten – gerade für Migrantinnen und Migranten, die noch nicht oder nicht so gut Deutsch sprechen, können sie ein Weg sein, eine eigene ästhetische Sprache zu entwickeln und damit in den öffentlichen Diskurs einzutreten.
Zwischenräume entstehen vor allem dann, wenn wir das sichere Ufer gewohnter Sichtweisen und bekannter Handlungsmuster verlassen. Die beschriebenen Zugänge sind insofern weniger als "Anleitung" zu lesen, denn als Anregung, sie dichtend in eigene Projektkontexte zu übersetzen – und dabei umzuschreiben. Sie verstehen sich weniger als Methode denn – mit Eva Sturm – als "Un-Methode", da "keine der erwähnten Vorgangsweisen (...) sich ihres Erfolges sicher [ist], keine ist ein Lösungsvorschlag, und genau das charakterisiert sie, denn jedes Mal muss der Weg, das Vorgehen, die Methode entwickelt werden" .
Annika Niemann, *1976, Kunstvermittlerin und Kuratorin; Leitung der Kunstvermittlung der ifa-Galerie Berlin/ Institut für Auslandsbeziehungen sowie des Pilotprojekts Kunst im Parlament! für den Kunst-Raum des Deutschen Bundestages; wiss. Mitarbeiterin am Institut für Kunsttherapie und Forschung der Fachhochschule Ottersberg.
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