SchulKino Wochen
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Die SchulKino Wochen der VISION KINO sind eine Erfolgsgeschichte. Immer mehr Lehrkräfte und Schüler entdecken das Kino als Lernort, um sich mit Themen und Geschichten zu beschäftigen.
SchulKinoWoche in Frankfurt: Stumme Bilder animierter Scherenschnitte flackern auf der Leinwand, Grundschüler sitzen gebannt im Saal, kommentieren leise tuschelnd die Bilder. Nach einer kurzen Pause wird der Film noch einmal gezeigt; diesmal setzt ein Grundschulchor ein, die Schüler singen eigene Texte, andere begleiten auf Instrumenten. Wir werden Zeuge einer Live-Vertonung des Stummfilms "Däumelinchen" von Lotte Reiniger. Eine außergewöhnliche Begegnung mit Filmkultur im Kinosaal.
Die Däumelinchen-Veranstaltung war einer der letztjährigen Höhepunkte, der mit dazu beitrug, dass die in allen 16 Ländern stattfindenden SchulKinoWochen zu den populärsten Angeboten kultureller Bildung in den Schulen zählen.
Bundesweit fast 800 Kinos verwandeln sich jedes Jahr in Lernorte, über 20 Prozent der Schulen nehmen daran teil. Seit 2006 besuchten fast 2,5 Millionen Schülerinnen und Schüler Veranstaltungen der SchulKinoWochen. Jedes Jahr werden zudem fast 1.000 Lehrkräfte im Vorfeld der SchulKinoWochen fortgebildet, die ihre neu gewonnenen Kompetenzen zur Filmvermittlung in den Unterrichtsalltag einbringen.
Veranstalter: VISION KINO
Beeindruckende Zahlen für ein kulturelles Angebot für Schulen. Doch wer steckt dahinter? Die SchulKinoWochen werden von VISION KINO veranstaltet, dem 2005 vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Filmförderungsanstalt und der Filmwirtschaft in Form einer Public-Private-Partnership gegründeten Netzwerk für Film- und Medienkompetenz. VISION KINO kooperiert mit regionalen und bundesweiten Partnern wie der Bundeszentrale für politische Bildung und wird intensiv von den Kultusministerien der Länder unterstützt.
Methodensteckbrief
Kurzbeschreibung | Die SchulKinoWochen sind ein bundesweites Angebot zur Filmbildung, das VISION KINO in Kooperation mit Partnern in allen 16 Bundesländern organisiert. Sie finden in jedem Bundesland für die Dauer einer bzw. mehrerer Wochen statt. In diesem Zeitraum können Schulklassen zu einem ermäßigten Eintrittspreis bestimmte Kinovorstellungen in einem nahegelegenen Kino besuchen. |
Ziele | Vermittlung von Filmkompetenz von Kindern und Jugendlichen; Kino als Ort kultureller Bildung stärken |
Teilnehmerzahl | 640.000 (bundesweit) |
Altersstufe | Grundschule, Sekundarstufe 1 und 2 |
Zeitbedarf | mindestens ein Vormittag |
Raum | Kinosaal + ggf. zusätzlicher Raum für Vor- und Nachbesprechung |
Benötigte Ausstattung / Materialien | Film wird vom Kino beschafft, Unkostenbeitrag pro Schüler/-in: 3 €. |
Sparte / Bereich / Feld | Film / Video |
Kino als Lernort
Die SchulKinoWochen verfolgen das Ziel, Film als Teil schulischer Bildungsarbeit zu popularisieren und Kinos langfristig als Orte ästhetischer Bildung zu etablieren. Der Vorteil des Kinos: Gerade bei Schülerinnen und Schülern ist dieses ein äußerst positiv besetzter Lernort, an dem sich verschiedenste Unterrichtsinhalte auf nachhaltige, abwechslungsreiche und innovative Art und Weise vermitteln lassen.
Im Vergleich zum Klassenzimmer bietet das Kino nicht nur die Möglichkeit einer "Ganz-Film-Rezeption", wie sie im getakteten Schulunterricht fast nicht möglich ist, sondern zugleich auch ein emotional berührendes Filmerlebnis, das sich in dieser optischen und akustischen Qualität in keiner Schule herstellen lässt.
Die Neuverfilmung von "Die Welle" (D, 2008) beispielsweise erreicht dank der Verortung der Protagonisten in der aktuellen Jugendkultur auch Schülerinnen und Schüler aus so genannten bildungsfernen Schichten und bietet aus Sicht der Lehrkraft die Möglichkeit, niedrigschwellig die Entstehung totalitärer Strukturen zu vermitteln. Ebenso fasziniert der Science-Fiction-Film "Gattaca" (USA, 1997) Schüler primär durch seine mitreißende Inszenierung und die Opulenz der Bilder, kann jedoch zugleich auch im Biologie- und Ethikunterricht eingesetzt werden, um über mögliche Folgen von Genetic Engineering oder Fragen der Präimplantationsdiagnostik zu diskutieren.
Um eben diese Integration des Films in den regulären Unterricht zu erleichtern, erhält jede Lehrkraft, die an den SchulKinoWochen teilnimmt, zur Vor- und Nachbereitung des Films Materialien für den Unterricht. Damit besteht die Möglichkeit, auch ohne vorherige Sichtung, den Film thematisch vorzubereiten.
Thema des Films bestimmt die Auswahl
Die Konzentration der didaktischen Handreichungen auf die Themen des Films hat einen einfachen Grund: Die SchulKinoWochen können sich in den meisten Fällen nicht– das unterscheidet sie von ähnlichen Angeboten im Nachbarland Frankreich – auf eine Verankerung von Film im Sinne ästhetischer Erziehung im Lehrplan verlassen. Ein Lehrer orientiert sich bei der Auswahl des Films, den er sich im Kino mit seiner Klasse anschaut, daher eher am thematischen Fokus des Films, filmästhetische Fragestellungen sind nachrangig. Insbesondere ästhetisch herausfordernde Filmklassiker, die neben filmhistorischen Vorkenntnissen auch ein filmästhetisches Grundvokabular der Lehrkraft voraussetzen, gehören daher zu den selten gebuchten Filmen – hier herrschen große Berührungsängste.
Die Favoriten
Sehr erfolgreich hingegen sind deutschsprachige Kinderfilme im Allgemeinen und Literaturverfilmungen für Grundschüler im Besonderen. Neben den Verfilmungen von Erich-Kästner-Romanen, die auch zehn Jahre nach Kinostart noch für volle Säle sorgen, eröffnen die SchulKinoWochen gerade auch originären Kinderfilmen eine langfristige Auswertungsperspektive. Der mehrfach ausgezeichnete Kinderfilm "Blöde Mütze" (Deutschland, 2006) beispielsweise hat das Gros seiner Zuschauer nicht über seine reguläre Kinoauswertung, sondern erst über die SchulKinoWochen erreicht.
Großer Anklang bei Förderschulen
Doch auch auf einem anderen Feld sind die Verdienste der SchulKinoWochen groß: Über 17 Prozent der beteiligten Schulen sind Förderschulen. Das Angebot trifft offenbar den Nerv einer Zielgruppe, die in einer häufig auf Elitenförderung abzielenden kulturellen Bildungslandschaft eher ein Randdasein führt. Gerade Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf an Filme jenseits gängiger Formate heranzuführen, sie zu fordern ohne zu überfordern, ist einer der großen Erfolge des Projekts. Insbesondere aus Sicht der Förderschulen ist der Kinobesuch zudem eine gute Möglichkeit, kulturelles und soziales Handeln zu erleben. Die Abläufe im Kino vom Ticketverkauf über den Besuch der Getränke-Theke bis hin zum Erlöschen des Saallichtes sind dem Filmerlebnis gleichgestellt. Darüber hinaus machen Schüler mit und ohne gesonderten Förderbedarf im Rahmen der SchulKinoWoche gemeinsame Lernerfahrungen, wie sie im Zuge der Debatte um ein inklusives Schulsystem gefordert werden.
Die vielen positiven Erfahrungen, die Lehrkräfte durch die SchulKinoWochen mit "Unterricht im Kinosaal" gemacht haben, führten dazu, dass sich die Schulen langsam hin zu einem weiteren Ort außerschulischer kultureller Bildung öffneten. 100 Jahre nach seiner Geburt als Kunstform hat sich das Kino endlich von seinem Image als Jahrmarktsvergnügen befreien können und wird nun endlich – das eingangs beschriebene Beispiel mit dem Lotte Reiniger Film ist hierfür ein wunderbares Beispiel – als "Schule des Sehens" und "Schule des Lebens" genutzt. Lehrkräfte, die mit ihrer Schulklasse an Veranstaltungen im Rahmen der SchulKinoWochen teilnehmen möchten, finden eine Übersicht über die Ansprechpartner und Termine in den Bundesländern unter www.schulkinowochen.de. Die konkreten Programme der Kinos vor Ort finden sich auf den Homepages der jeweiligen SchulKinoWoche.
Michael Jahn, geb. 1975, ist Kultur-, Kommunikations- und Medienwissenschaftler und bereits seit Beginn seines Studiums im weitesten Sinne "Film vermittelnd" publizistisch und organisatorisch tätig. Seit 2006 ist er Projektleiter der SchulKinoWochen beim bundesweiten Netzwerk für Film- und Medienkompetenz VISION KINO in Berlin und dort verantwortlich für das größte kinobezogene Filmbildungsangebot in Deutschland.
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