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Was ist politische Bildung?

Wolfgang Sander

/ 11 Minuten zu lesen

Wie hat sich die politische Bildung in Deutschland entwickelt? Welche Ziele verfolgt sie? Und welcher Methoden bedient sie sich? Eines steht fest: Politische Bildung ist im schulischen und außerschulischen Bereich längst etabliert. Dennoch gibt es Tendenzen, die aktuell kontrovers diskutiert werden.

Zum Begriff der "politischen Bildung"

Politische Bildung ist die im deutschsprachigen Raum gebräuchliche Bezeichnung für Lernangebote, die in pädagogischer Absicht Fähigkeiten und Wissen von Menschen im Umgang mit Politik entwickeln wollen. In jüngerer Zeit bezieht sich politische Bildung hierfür auf Erkenntnisse und Methoden der Sozialwissenschaften. Allerdings ist politische Bildung als Aufgabe des Bildungssystems älter als die sozialwissenschaftlichen Disziplinen im Wissenschaftssystem. So gehörte politische Bildung schon seit Beginn des neuzeitlichen Schulsystems im 16. Jahrhundert zu den Aufgaben der Schule – zunächst im Rahmen der religiösen Erziehung, später als Element des Geschichts-, Geografie- oder Deutschunterrichts. Eine eigenständige Fachdiskussion über politische Bildung, auf die im Folgenden Bezug genommen wird, begann erst im späten 19. Jahrhundert.

Im Englischen entsprechen dem deutschen Begriff der politischen Bildung in erster Linie die Bezeichnungen Civic Education oder Citizenship Education. Der Begriff Political Education findet sich ebenfalls in der Literatur, ist aber bislang weniger gebräuchlich, weil sich mit ihm in manchen Ländern die Assoziation einer im politischen Sinn einseitigen, manipulativen Erziehung verbindet. So schreibt beispielsweise Ingrid Halbritter über eine Reihe von südosteuropäischen Staaten, dass angesichts einer verbreiteten Politikverdrossenheit "politische Bildung" dort "ein schwieriger Begriff ist, denn ihr Gegenstand ist ja die ungeliebte Politik. Außerdem wird mit ihm noch immer die Indoktrinierung verbunden, die den Bürgern in dieser Region unter der kommunistischen Herrschaft aufgezwungen wurde." Auch deshalb lautete der Titel eines Förderprogramms des Europarats für politische Bildung vorsichtiger "Education for Democratic Citizenship".

In den Schulen ist politische Bildung in vielen Ländern Teil eines weiter gefassten integrativen Faches oder Lernbereichs (in Verbindung insbesondere mit Geschichte, Geografie, Wirtschaft und Ethik), für den in Anlehnung an das Modell der USA die Bezeichnung Social Studies (bzw. entsprechende Übersetzungen) häufig verwendet wird.

Entwicklungsphasen der politischen Bildung in Deutschland


Eine eigenständige Fachdiskussion zur politischen Bildung begann in Deutschland wie auch in anderen Ländern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Hintergrund war die Entstehung der modernen (National-)Staaten, mit der sich die Frage nach einer angemessenen Vorbereitung der (jungen) Menschen auf die neue Rolle als Staatsbürger – an Stelle der Rolle des fürstlichen Untertanen – stellte. Staatsbürgerliche Erziehung oder Staatsbürgerkunde waren denn auch die in Deutschland im Wilhelminischen Kaiserreich, in der Weimarer Republik und kurioserweise auch wieder in der DDR die dominierenden Bezeichnungen für die entsprechenden, nach und nach entstandenen Schulfächer.

Die Bezeichnung politische Bildung für diese neue Bildungsaufgabe wurde wohl zuerst im Jahr 1891 von dem damals neu gewählten Rektor der Universität Wien, Adolf Exner, geprägt . In Deutschland erschien erstmals 1908 eine Monografie, die "politische Bildung" im Titel führte. Trotz solcher frühen Ansätze kam es in Deutschland bis 1945 (bzw. im Osten bis 1989) nicht zur breiten Durchsetzung einer demokratischen orientierten politischen Bildung. In den deutschen Diktaturen wurden frühere Ansätze durch eine massive Indoktrinationspolitik in Schule und außerschulischer Bildung ersetzt.

Ein demokratischer Neubeginn wurde in der politischen Bildung nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst in Westdeutschland von den Alliierten zwischen 1945 und etwa 1950 mit einer Politik der Re-education, der demokratischen Neuerziehung, angestoßen. In den 1950er-Jahren standen zunächst Rückbezüge auf die staatsbürgerliche Erziehung von vor 1933 und Versuche eines Neubeginns mit einer sozialerzieherisch ausgerichteten "Partnerschaftserziehung" im Wettstreit miteinander. In den 1960er- und frühen 1970er-Jahren geriet die politische Bildung dann in die Konflikte im Umfeld der Studentenbewegung und wurde zeitweise selbst zu einem politischen Kampffeld. So standen z.B. in Hessen und Nordrhein-Westfalen neue Schulbücher und Lehrpläne für das Fach im Zentrum von Landtagswahlkämpfen. Innerhalb der Fachdiskussion der politischen Bildung wurde die damalige politische Polarisierung 1976 mit dem "Beutelsbacher Konsens" beendet, der in drei Prinzipien klarstellte, dass politische Bildung strikt von jeder Indoktrination unterschieden werden muss und nicht die Aufgabe haben darf, für bestimmte politische Positionen zu werben:

  1. Überwältigungsverbot. Es ist nicht erlaubt, den Schüler ... im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der 'Gewinnung eines selbstständigen Urteils' (Minssen) zu hindern. ...

  2. Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muß auch im Unterricht kontrovers erscheinen. ...

  3. Der Schüler muß in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen."

Der Beutelsbacher Konsens gilt im Kern bis heute als akzeptiert und ist inzwischen auch international wirksam geworden. Im Osten Deutschlands wurde nach der demokratischen Revolution in der DDR sehr schnell, noch im Herbst 1989, das in der Bevölkerung völlig diskreditierte Fach Staatsbürgerkunde in den Schulen abgeschafft. In der Folgezeit kam es in der politischen Bildung zu einer Übernahme westlicher Konzepte und Traditionen.

Die Infrastruktur der politischen Bildung in Deutschland


Anders als in der Weimarer Republik ist in der Bundesrepublik Deutschland der nachhaltige Aufbau einer demokratischen politischen Bildung gelungen. In den Schulen gibt es in allen Bundesländern ein Unterrichtsfach für politische Bildung, wenn auch unter verschiedenen Fachbezeichnungen und teilweise in Kombination mit anderen Fächern. Die wissenschaftlichen Grundlagen für Lehren und Lernen in der politischen Bildung werden in der Politikdidaktik (resp. Didaktik der politischen Bildung) erarbeitet, die sich seit den 1960er-Jahren als eigene Wissenschaftsdisziplin an Hochschulen etabliert hat. Die Fachlehrerschaft hat sich in der 1965 gegründeten Deutschen Vereinigung für politische Bildung (DVPB) organisiert. Ergänzend wurde als wissenschaftlicher Fachverband für die Politikdidaktik 1999 die Gesellschaft für Politikdidaktik und politische Jugend- und Erwachsenenbildung (GPJE) gegründet.

In der außerschulischen Jugend- und Erwachsenenbildung in der Bundesrepublik Deutschland werden Veranstaltungen zur politischen Bildung von unterschiedlichen öffentlichen und privaten Trägern angeboten. Neben gesellschaftlichen Großorganisationen wie den Kirchen, den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften gibt es auch zahlreiche kleine Träger. Ein großer Teil der Träger ist im "Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten" zusammengeschlossen. Bei einigen Trägern – z.B. bei den parteinahen Stiftungen oder bei kirchlichen Akademien – spielt politische Bildung im Gesamtspektrum ihrer Angebote zur Erwachsenenbildung eine herausragende, bei anderen – etwa den Volkshochschulen oder den Sportverbänden – eine eher marginale Rolle.

In Gestalt der Bundeszentrale und der Landeszentralen für politische Bildung existiert ein bedeutsames staatliches Unterstützungssystem, das unter anderem kostenfreie Lernmaterialien sowie Weiterbildungsangebote für das pädagogische Personal in allen Praxisfeldern politischer Bildung zur Verfügung stellt und Veranstaltungen außerschulischer politischer Bildung durch Zuschüsse fördert. Von der Bundeszentrale für politische Bildung erhalten derzeit zwischen 300 und 400 Träger finanzielle Förderung für Veranstaltungen.

Der Trägerpluralismus in der außerschulischen politischen Bildung führt einerseits zu einem breiteren und auf unterschiedliche Adressatengruppen bezogenen Angebot, erschwert andererseits aber die Entwicklung einer von den weltanschaulichen Hintergründen der Träger unabhängigen fachlichen Professionalität. Historisch spielt bei der Etablierung von politischen Lernangeboten für Erwachsene das Interesse der Träger, ihre weltanschaulichen und politischen Positionen in das eigene politisch-kulturelle Milieu wie in die Gesellschaft insgesamt zu kommunizieren, eine wichtige Rolle. Erst in der jüngeren Geschichte der politischen Erwachsenenbildung setzt sich die Erkenntnis durch, dass die fachliche Identität und Qualität politischer Bildung eine pädagogische Autonomie gegenüber allen durch Trägerinteressen determinierten politisch-weltanschaulichen Vorgaben erfordert.

Das fachliche Profil politischer Bildung: Ziele, Inhalte, didaktische Prinzipien

In einem Entwurf der GPJE für nationale Bildungsstandards für den schulischen Fachunterricht in der politischen Bildung wird einleitend das heutige Selbstverständnis politischer Bildung treffend wie folgt beschrieben:

"In einer Demokratie gehört es zu den Bildungsaufgaben der Schule, alle Menschen zur Teilnahme am öffentlichen Leben zu befähigen. Durch politische Bildung fördert die Schule bei jungen Menschen die Fähigkeit, sich in der modernen Wirtschaft und Gesellschaft angemessen zu orientieren, auf einer demokratischen Grundlage politische Fragen und Probleme kompetent zu beurteilen und sich in öffentlichen Angelegenheiten zu engagieren. Sie leistet damit einen wichtigen Beitrag zur stets neu zu schaffenden Demokratiefähigkeit junger Menschen. Zusammenfassend lässt sich diese Zielperspektive politischer Bildung als Entwicklung politischer Mündigkeit bezeichnen."

Diese allgemeine Zielperspektive lässt sich im Wesentlichen mit den Zielbereichen der politischen Urteilsfähigkeit, der politischen Handlungsfähigkeit, fachbezogenen methodischen Fähigkeiten sowie dem dafür erforderlichen Wissen konkretisieren . Diese Ziele sind heute kaum umstritten; lediglich in Teilbereichen der außerschulischen politischen Bildung gibt es, wie oben angedeutet, noch Tendenzen, auch trägerbezogene Interessen in Zielen politischer Bildung zur Geltung zu bringen, was jedoch in der Politikdidaktik überwiegend kritisch gesehen wird, weil dies mit dem Beutelsbacher Konsens und der Leitidee der Mündigkeit der Lernenden in Konflikt geraten kann.

Inhaltlich bezieht sich politische Bildung, auch dies ist innerfachlich unbestritten, auf Politik. Allerdings finden sich in Theorie und Praxis politischer Bildung unterschiedlich weit oder eng gefasste Politikbegriffe. Ansätze auf der Grundlage eines engeren Politikbegriffs stützen sich meist auf die Politikwissenschaft als Referenzdisziplin und wollen politische Bildung in erster Linie auf politische Entscheidungsprozesse und das politische System mit seinen verschiedenen Ebenen fokussiert sehen; weitere Politikbegriffe betrachten auch andere Sozialwissenschaften wie Soziologie, Wirtschaftswissenschaften, Sozialpsychologie und (Zeit-)Geschichte als relevant für politische Bildung und präferieren ein entsprechend weiter gefasstes Themenspektrum.

Als sinnvoller Mittelweg zeichnet sich laut GPJE ein Verständnis von Politik als "Regelung von grundlegenden Fragen und Problemen des gesamtgesellschaftlichen Zusammenlebens" ab . Hiernach können fast alle sozialen Situationen Gegenstand politischer Bildung werden – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass in ihnen Probleme des Zusammenlebens zum Ausdruck kommen, die zumindest von relevanten Gruppen der Gesellschaft als politisch regelungsbedürftig definiert werden. Das kann beispielsweise Kopftücher, Kinderbetreuung, Verbreitung von Texten, Bildern und Musik im Internet oder bestimmte Formen von Jugendkultur betreffen – aber immer unter der Perspektive, welche politischen Positionen, Handlungen oder Entscheidungsalternativen hierbei jeweils zum Ausdruck kommen oder in anderer Weise von Bedeutung sind, etwa durch die Frage nach einem politischen Regulierungsbedarf. Dennoch ergeben sich aus dieser hier nur an Beispielen angedeuteten Vielfalt möglicher Themen große Chancen für fächerübergreifende Kooperationen in der politischen Bildung – nicht zuletzt auch mit dem Bereich der kulturellen Bildung.

Hinsichtlich der Ansprüche an die didaktische Qualität praktischer politischer Bildung gibt es in der Politikdidaktik ebenfalls einen faktischen Basiskonsens, zumindest aber keine völlig gegensätzlichen Vorstellungen. So gelten heute die didaktischen Prinzipien der Adressatenorientierung, des exemplarischen Lernens, der Problemorientierung, der Kontroversität sowie der Handlungs- und Wissenschaftsorientierung als besonders wichtig für die Planung von Lernangeboten in der politischen Bildung , wobei von Fall zu Fall unterschiedliche Gewichtungen sowie Ergänzungen durch weitere Prinzipien möglich sind.

Aktuelle Tendenzen in der Fachdiskussion zur politischen Bildung

Grundsätzliche Kontroversen über gegensätzliche Aufgabenverständnisse gibt es in der wissenschaftlichen Fachdiskussion zur politischen Bildung derzeit kaum mehr. Dies gilt für die schulische politische Bildung noch deutlich mehr als für die außerschulische. Was auf den ersten Blick als langweilig erscheinen mag, ist aber bei näherer Betrachtung Folge zunehmender Professionalisierung des Faches: Die Gegenstände fachlicher Kontroversen verlagern sich von der Ebene weltanschaulicher Überzeugungen und politischer Meinungen auf die weitaus konkretere Ebene von prinzipiell der Forschung und der wissenschaftlichen Argumentation zugänglichen Fragen. Hier allerdings gibt es eine Vielzahl von Tendenzen, die oft auch mit Kontroversen verbunden sind, von denen abschließend nur eine Auswahl angesprochen werden kann:

In der schulbezogenen Forschung und Fachdiskussion stehen seit dem kompetenzorientierten Entwurf der GPJE für nationale Bildungsstandards, der an entsprechende Vorgaben und Entwicklungen der Kultusministerkonferenz für andere Fächer anschließt, Aspekte und Probleme der Kompetenzorientierung in der politischen Bildung stark im Fokus der Debatte . Wie andere schulische Fachgebiete auch beschreibt die politische Bildung seither ihre Leistung in Form von Kompetenzmodellen. Die GPJE definiert hierbei drei Kompetenzbereiche für das Fach: Politische Urteilsfähigkeit, Politische Handlungsfähigkeit und Methodische Fähigkeiten. Diesen Kompetenzbereichen werden dann konkrete Kompetenzen als Standards zugeordnet, die Schüler/innen an bestimmten Abschnitten ihrer Schullaufbahn erreicht haben sollen. Dieser neue Ansatz hat eine Fülle von Forschungen und Theorieentwicklungen ausgelöst, beispielsweise zum Verhältnis von Kompetenzen und Wissen, zu kompetenzförderndem Unterricht und zur Frage der Test- bzw. Evaluierbarkeit von fachbezogenen Kompetenzen.

Ebenfalls in der schulbezogenen Diskussion gab es in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts eine teils heftige Kontroverse um Ansätze des Demokratie-Lernens aus der Schulpädagogik, insbesondere im Umfeld eines Förderprogramms der BLK zum Thema "Demokratie leben und lernen". Solche Ansätze verbanden mit einem auf Alltagssituationen bezogenen, stark von sozialem Lernen geprägten Demokratiebegriff die Erwartung, auf diese Weise besser politisches Interesse und Demokratieverständnis entwickeln zu können als mit fachlich-inhaltlichen Lernvorhaben zu politischen Gegenständen. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien, die in aller Klarheit zeigen, dass dieser Anspruch (unbeschadet anderer positiver Effekte) nicht eingelöst werden kann, weil Partizipationserfahrungen im Alltag (z.B. in Familie und Schule) nicht zu Lernerfahrungen führen, die auf die Ebene des politischen Systems übertragbar sind .

In der außerschulischen politischen Bildung ist die Frage, ob, inwieweit und in welcher Form sich politische Bildung offensiv auf die Rahmenbedingungen eines Bildungsmarktes einlassen soll, ob also beispielsweise Marketing und Kundenorientierung sinnvolle Leitbegriffe auch für die politische Bildung sein können, zeitweilig äußerst kontrovers diskutiert worden. Inzwischen zeichnen sich hier allerdings auch vermittelnde Positionen ab .

In der wissenschaftlichen Diskussion über politische Bildung zeichnet sich im letzten Jahrzehnt eine zunehmende, im Vergleich zu anderen Wissenschaften aber auch nachholende Internationalisierung ab. Politische Bildung ist – nicht nur in Deutschland – im Kontext des Nationalstaats entstanden und hat sich lange von ihrem Aufgabenverständnis her in diesem Rahmen bewegt. Mit der immer dichter werdenden Internationalisierung der Politik wie der Wissenschaft, mit Europäisierung und Globalisierung, wird diese nationalstaatliche Orientierung der politischen Bildung immer deutlicher zu einem Anachronismus. Mit der Verdichtung internationaler Diskurse und Kooperationen hat die Politikdidaktik begonnen, die notwendige Konsequenz aus dieser Situation zu ziehen. Es ist zu hoffen, dass auch in der Praxis politischer Bildung eine internationale Öffnung sich zunehmend durchsetzen wird.

Literatur

Bastian, Hannelore/Wolfgang Beer/Jörg Knoll: Pädagogisch denken – wirtschaftlich handeln. Zur Verknüpfung von Ökonomie und Profession in der Weiterbildung, Bielefeld 2002.

Detjen, Joachim/Wolfgang Sander: Konstruktivismus und Politikdidaktik: Ein Chatinterview, Moderatorin: Kerstin Pohl, in: Politische Bildung 4/2001.

Exner, Adolf: Über politische Bildung. Rede gehalten bei der Übernahme der Rektoratswürde an der Wiener Universität, 3. Ausg., Leipzig 1892.

Gagel, Walter: Geschichte der politischen Bildung in der Bundesrepublik Deutschland 1945 – 1989/90, 3. überarb. u. erweit. Aufl., Wiesbaden 2005.

GPJE: Nationale Bildungsstandards für den Fachunterricht in der Politischen Bildung an Schulen, Schwalbach 2004.

Halbritter, Ingrid: Politische Bildung in Südosteuropa – ein Entwicklungsprojekt, in: kursiv – Journal für politische Bildung 4/2004.

Reinhardt, Sibylle: Ist soziales Lernen auch politisches Lernen? Eine alte Kontroverse scheint entschieden, in: Gesellschaft – Wirtschaft – Politik 1/2009.

Rühlmann, Paul: Politische Bildung. Ihr Wesen und ihre Bedeutung – eine Grundfrage unseres öffentlichen Lebens, Leipzig 1908.

Sander, Wolfgang: Politik in der Schule. Kleine Geschichte der politischen Bildung in Deutschland, Marburg 2004.

Ders.: Politik entdecken – Freiheit leben. Didaktische Grundlagen politischer Bildung, 3. Aufl., Schwalbach 2008.

Ders.: Über politische Bildung. Politik-Lernen nach dem "politischen Jahrhundert", Schwalbach 2009.

Wehling, Hans-Georg: Konsens à la Beutelsbach?, in: Siegfried Schiele/Herbert Schneider (Hrsg.): Das Konsensproblem in der politischen Bildung, Stuttgart 1977.

Siebert, Horst: Pädagogischer Konstruktivismus. Lernzentrierte Pädagogik in Schule und Erwachsenenbildung, 3., überarb. u. erweit. Aufl., Weinheim und Basel 2005.

Weitere Inhalte

Prof. Dr. Wolfgang Sander, derzeit Professor für Didaktik der politischen Bildung an der Universität Wien sowie beurlaubter Professor für Didaktik der Gesellschaftswissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen.