Frühkindliche Erziehung und kulturelle Bildung
In der frühen Kindheit ist kulturelle Bildung eine zentrale Form des Lernens, des Spielens und Gestaltens. Dieser Prozess wird mithilfe von unterschiedlichen Künsten und mit verschiedenen Materialien unterstützt - für die Persönlichkeitsbildung von Kindern die beste Voraussetzung. Daher sollte ihnen von Anfang an die Möglichkeit geboten werden, vielfältige kulturelle Kompetenzen zu entwickeln.
Bildung in der frühen Kindheit
Nicht erst seit den PISA-Studien sind die Kindertagesstätten und Krippen Orte der Betreuung und Erziehung. Sie sind vor allem auch Bildungsorte. Geht es in den PISA-Studien um die Überprüfung von Lernergebnissen, die sich auf den Aufbau spezifischer Wissensstrukturen beziehen, so muss Bildung in der frühen Kindheit über die Förderung kognitiver Kompetenzen hinaus eine vielfältige und breite Ausrichtung haben. In den einzelnen Bundesländern wurden Bildungspläne für den Kindergartenbereich erarbeitet, und in wenigen Jahren sind mehr als 60 Studiengänge entstanden, die Bildungsaufgaben von Frühpädagoginnen und -pädagogen zum Thema haben.Immer mehr Kinder auch unter drei Jahren verbringen viel Zeit in pädagogischen Institutionen. Die vertraglich vereinbarte Betreuungszeit liegt für Kinder unter drei Jahren in Kindertageseinrichtungen bei bis zu fünf Stunden für 24,2 Prozent. Für weitere 24,4 Prozent der betreuten Kinder sind fünf bis sieben Stunden vereinbart und für 48,4 Prozent mehr als sieben Stunden pro Tag.[1] Der Einfluss der Familie auf die kindliche Entwicklung ist deutlich höher anzusetzen als derjenige einer besuchten Einrichtung. Gleichwohl kann eine qualtitativ hochwertige Einrichtung kompensatorische Funktionen einnehmen und so ein wichtiges Moment auf dem Weg zu mehr Chancengleichheit darstellen. Themen der Sprachförderung und der naturwissenschaftlich-technischen Bildung stehen derzeit im Vordergrund. Worin aber besteht der Wert kultureller Bildung in der frühen Kindheit?
Kulturelle Bildung als Teilhabe an kulturellen Lebensformen
Kulturelle Bildung im weiteren Sinn kann als das Hineinwachsen in kulturelle Lebensformen und das Sich-Auseinandersetzen mit deren Sinngestaltungen verstanden werden. Der Ablauf eines gemeinsamen Mittagessens oder auch Formen der Begrüßung wären hier ebenso zu nennen wie etwa Gewohnheiten und Aufmerksamkeiten im Alltag. Wollen wir über Kultur sprechen, so müssen wir die Gestaltungen pluraler Lebensformen in der jeweiligen Form- und Bedeutungsvielfalt betrachten und einbeziehen. Wie aber wird kultureller Sinn erzeugt? Wie können junge Kinder an dieser Sinnentstehung beteiligt werden?Zweifellos müssen sie dafür viel lernen, angefangen von den Praktiken des täglichen Lebens. Aber: Ist Bildung das Gleiche wie Lernen? Kulturelle Bildung ist ein eigen- und interaktiver (begleiteter, herausgeforderter oder selbstinitiierter) Prozess der Aufnahme, Auseinandersetzung, Verarbeitung und Beantwortung von Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsformen kultureller Umwelt durch Kommunikation und Artikulation in Worten, Gesten, Handlungen und "Werken". Kulturelle Bildung ist zentral, um sich in einer Gruppe von Menschen bewegen, mit ihnen diskutieren, sich einbringen und mitgestalten zu können. Kinder, die den Rhythmus eines Gesprächs nicht gut mitvollziehen können, bringen sich immer wieder an Stellen ein, an denen dies von den anderen Kindern als Störung empfunden wird. Sie werden aus dem Spiel ausgeschlossen, wenn sie sich in den Ideenfluss nicht sinnvoll einklinken können. So bleiben ihnen auch weitere Lerngelegenheiten, die sich aus dem gemeinsamen Spiel ergeben könnten, verschlossen. Gerade Kinder mit Migrationshintergrund haben die Chance, wenn sie schon mit etwa einem Jahr eine Krippe oder Tagesstätte besuchen können, neben dem Spracherwerb auch diese kulturellen Praktiken im Alltag kennenzulernen.