UNESCO und die kulturelle Bildung
Seit dieser ersten programmatischen Äußerung des damaligen UNESCO-Generaldirektors Mayor hat die internationale Organisation Symposien und Konferenzen zum Thema kulturelle Bildung veranstaltet, die schließlich in der ersten World Conference on Arts Education 2006 in Lissabon gipfelten (Bei solchen Titeln ist immer zu bedenken, dass der weite Begriff "Kulturelle Bildung", den wir in der deutschen Sprache mittlerweile vorrangig nutzen, nicht identisch mit dem engeren, trennschärferen und auch pragmatischeren Begriff der "Arts Education" ist, einer "Erziehung mit den und durch die Künste", einer künstlerischen Bildung).In Lissabon diskutierten ca. 1000 Expertinnen und Experten aus etwa 100 Ländern vier Tage lang Fragen der künstlerischen bzw. kulturellen Bildung. "Dass das geschehen ist ..., ist von großer Bedeutung. Denn alleine dieses Stattfinden belegt die hohe Relevanz, die man international der Rolle von Kunst und Kultur in Bildungs- und Erziehungsprozessen zubilligt. Diese Anerkennung kultureller Bildung wird noch dadurch verstärkt, dass die Weltkonferenz keine einmalige Veranstaltung war, sondern eingebettet ist in einen mehrjährigen Prozess, der seit den späten 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts deutlich an Fahrt gewonnen hat", so Max Fuchs, Vorsitzender des Deutschen Kulturrats und Direktor der Akademie Remscheid [2].
Die UNESCO Weltkonferenz 2010 von Seoul
Bereits 2010 trafen sich dann wiederum Experten und Regierungsvertreter zu einer zweiten UNESCO-World Conference on Arts Education, dieses Mal in Seoul, Südkorea. Titelte Max Fuchs noch 2006 "Rückenwind für die kulturelle Bildung", so konnte er 2010 schon von einer "dauerhaften Brise" sprechen. Seitdem hat die kulturelle Bildung in Deutschland und weltweit mit der UNESCO einen mächtigen Partner gewonnen, der gerade durch die Internationalisierung der Projekte und Debatten wichtige fachliche und inhaltliche Impulse bringt.So war in Seoul z. B. deutlich zu spüren, dass die hierzulande weit verbreiteten Legitimationsdiskurse im Bereich der kulturellen Bildung weltweit kaum eine Rolle spielen. In Deutschland herrscht dagegen oft genug ein Jammern über die Marginalisierung auf der einen Seite oder aber ein inflationäres Glaubensbekenntnis zur überhöhten Bedeutung kultureller Bildung auf der anderen. In Seoul behauptete sich die kulturelle Bildung selbstbewusst und selbstverständlich – gerade auch im Blick auf extrem kritische Felder: etwa in Ländern mit Kriegs- oder Bürgerkriegsverhältnissen, in sozialen Brennpunkten oder in posttraumatischen Situationen. Diese Themen waren auch im Konferenzprogramm als "Tagesthemen" prominent platziert. In diesem Sinne trat auch die 2006 noch dominierende Schulorientierung zurück. Kulturelle Bildung wird - vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern - zunehmend unabhängig von Trägern im Kontext politischer Bildung verstanden: weg von glänzenden Highlights hin zu elementaren Fragestellungen. "Education for all", "Bildung für nachhaltige Entwicklung" oder "Bildung im Zeitalter der Globalisierung" erhalten so in der UNESCO-Perspektive eine wichtige inhaltliche und qualitative Füllung. Es geht darum, den Menschen elementare und fundamentale Wahrnehmungs-, Darstellungs-, Gestaltungs- und Ausdrucksmöglichkeiten zugänglich zu machen, und zwar im Kontext der globalen und der regionalen Kulturen.
Ein gutes Beispiel für die Breite der inhaltlichen und methodischen Ansätze lieferte auch das Gastgeberland. Bei einem Besuch des Nationalmuseums für Moderne Kunst in Seoul empfing der Direktor, dessen Biografie allein zunächst Verwunderung auslöste. In den 1960er- und 1970er-Jahren als Ingenieur auf Baustellen im Mittleren Osten, während der großen Asienkrise Minister für Telekommunikation, ist er seit der Gründung vor gerade mal fünf Jahren der Leiter des Nationalmuseums. Er formulierte den Kontext der aktuellen Bemühungen der koreanischen Regierung um die kulturelle Bildung: "Wenn Sie schauen, aus welcher Region in den letzten Jahren die meisten Innovationen kamen und unter welchen Umständen sie dort entstanden, dann stellen Sie fest, dass es die Underground- und Hippiekultur und dass es ein spezifischer Umgang mit Kunst und Kultur waren, die in Kalifornien eine Atmosphäre von Kreativität prägten. Diese machte Silikon-Valley erst möglich. Auch Korea muss zunehmend auf Kreativität setzen. Nur der Verkauf billiger technischer Geräte trägt nicht mehr lange."