Kulturelle Bildung als Ziel und Methode in der Entwicklungszusammenarbeit
Kunst und kultureller Bildung wird im aktuellen internationalen Diskurs um "Kultur und Entwicklung" ein großes Potenzial zur Gesellschafts- und Persönlichkeitsentwicklung zugesprochen. Doch in der Realität der konkreten Entwicklungszusammenarbeit scheint diese Erkenntnis nur in einzelnen Fällen angekommen zu sein.
Kunst und Entwicklungszusammenarbeit
Im gegenwärtigen internationalen Diskurs um "Kultur und Entwicklung" wird den künstlerischen Ausdrucksformen eine wichtige und positive gesellschaftspolitische Rolle zugesprochen. Kunst verkörpert die Freiheit der Gedanken und spricht somit gerade den von Gefühlen geleiteten Verstand an. Da Kunst häufig kollektive Fragen auf persönlicher Ebene behandelt, kann sie zwischen Individuum und Gemeinschaft vermitteln. Weil Kunst nicht nur darstellt, was ist, sondern auch, was sein könnte, wohnt ihr gleichzeitig ein gewisses utopisches Potenzial inne.Die Erfahrungen von über fünfzig Jahren Entwicklungszusammenarbeit, sprich der Hilfe, der Förderung, des Austauschs, des Dialogs und des Gesprächs zwischen "Nord" und "Süd", haben eine Vielfalt an Konzepten und Ansätzen hervorgebracht. Nicht gerade neu, aber nach wie vor schwierig in der Umsetzung, sind Konzepte zur Teilhabe der Menschen vor Ort in Entwicklungsprozessen. Es gilt das Ziel, Entwicklung aus den Menschen, aus den jeweiligen Gesellschaften oder den jeweiligen Regierungen heraus definieren und entstehen zu lassen beziehungsweise derartige Tendenzen und Initiativen zu fördern und dadurch zu stärken. Dies beschreibt der Begriff "Ownership", für den es weiterhin keine stichhaltige deutsche Übersetzung gibt. Während des Prozesses sollen die Menschen vor Ort eigenständig Verantwortung für ihre eigene Entwicklung übernehmen. Es soll nicht darum gehen, alleinig von außen Ziele und Wege zu bestimmen und somit die so genannten Entwicklungsländer zu einer unreflektierten den Industrieländern nachfolgenden beziehungsweise nachholenden Entwicklung zu bewegen. Dies ist der Anspruch, der auf vielfacher Ebene und nicht allein, aber doch maßgeblich durch die internationalen Wirtschaftsbeziehungen beeinflusst, allzu selten der konkreten Realität entspricht.
Wie können Kunst und künstlerische Betätigungen als Teil der internationalen Entwicklungszusammenarbeit, auf globaler wie auch auf regionaler Ebene integriert und auf ihre spezifische Weise weit stärker und besser für einen solchen Ansatz genutzt werden? Wie lassen sich universelle Verständnisse von Entwicklung, wie sie beispielsweise durch die allgemeinen Menschenrechte umschrieben sind, mit individuellen verbinden, wie sie etwa im Kontext von Schutz und Förderung der kulturellen Vielfalt zum Ausdruck kommen? Diese Fragen bleiben bisher weitgehend offen.
Kulturelle Bildung und ihr Mehrwert für die Menschen
Nicht allein die professionellen Künstler und Kulturschaffenden als Produzenten sollten bei der Frage nach der Rolle von Kunst und Kultur in Entwicklungszusammenhängen berücksichtigt werden. Elementarer Bestandteil von Kunst ist kulturelle Bildung. Unter dem Schlagwort "kulturelle Bildung" widmet sich der internationale kulturpolitische Diskurs dem Empfänger, an den sich Kunst und Kultur wenden, und den Wechselwirkungen zwischen diesen Positionen. Ein zentrales Dokument ist die so genannte "Road Map for Arts Education", die nach der ersten UNESCO-Weltkonferenz für Kulturelle Bildung 2006 formuliert wurde:- "Kultur und Kunst sind unerlässliche Bestandteile einer umfassenden Bildung, die es jedem Einzelnen ermöglicht, sich voll zu entfalten. Kulturelle Bildung ist dabei ein grundlegendes Menschenrecht, das für alle Lernenden gilt, einschließlich für die oft von Bildung ausgeschlossenen. (...) Kulturelle Bildung ermöglicht es auch einem Staat die Humanressourcen hervorzubringen, die zum Erschließen seines wertvollen kulturellen Kapitals notwendig sind."[1]