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Polizei und Extremismusprävention | Infodienst Radikalisierungsprävention | bpb.de

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Polizei und Extremismusprävention "Vertrauen ist wichtig"

Heidrun Hassel

/ 9 Minuten zu lesen

Welche Rolle kann die Polizei bei der Vorbeugung von religiös motiviertem Extremismus spielen? Ein Beispiel für ein polizeiliches Präventionskonzept wurde in Mannheim umgesetzt. Im Interview erklärt Heidrun Hassel die Ziele des Konzepts und welche Maßnahmen dazugehören. Heidrun Hassel leitet das Referat "Prävention" im Polizeipräsidium Mannheim.

Januar 2016: Polizeieinsatz in einem Café im Düsseldorfer Stadtteil Oberbilk. (© picture-alliance/dpa)

Bitte beachten Sie: Dieser Beitrag ist älter als fünf Jahre. Forschung, Fachdebatte oder Praxisansätze haben sich möglicherweise in der Zwischenzeit weiterentwickelt.

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Infodienst Radikalisierungsprävention: Wann kommt die Polizei mit religiös motiviertem Extremismus in Berührung? Erst dann, wenn Straftaten in dem Bereich passieren?

Heidrun Hassel: Nein, nicht nur. Natürlich ermittelt die Polizei zusammen mit der Staatsanwaltschaft, wenn sich Straftaten in dem Bereich ereignet haben. Aber wir versuchen mit unserem gesamtgesellschaftlichen Präventionskonzept zu verhindern, dass es überhaupt so weit kommt. Unser Konzept bezieht sich nicht nur auf die Einschränkung des religiös motivierten Extremismus. Das greift viel zu kurz. Bevor man ein Präventionskonzept erstellt, muss man im Vorfeld der Frage nachgehen, warum Menschen sich radikalisieren und worin die Ursachen liegen. Und diese Erkenntnisse muss man dann entsprechend berücksichtigen.

Wovon gehen Sie dabei aus, warum radikalisieren sich Menschen?

Da gibt es vielfältige Gründe. Über Menschen, die sich radikalisieren, weiß man, dass sie – zumindest aus ihrer Sicht – Ausgrenzungserfahrungen gemacht haben oder immer noch erleben. Da muss die Gesellschaft hinschauen und auch sich kritisch fragen, ob und gegebenenfalls wo sie daran ihren Anteil hat.

Die Polizei muss – als Teil der Gesellschaft – ebenfalls darauf achten und ihren Beitrag dazu leisten, dass es nicht zu solchen Ausgrenzungen kommt. Denn: Wer, wenn nicht die Polizei, hat die Aufgabe, den Gleichheitsgrundsatz durchzusetzen? Deswegen hat unser polizeiliches Präventionskonzept einen tiefer gehenden Ansatz. Wir haben ihm den Titel gegeben: "Präventionskonzept für Maßnahmen zur Reduzierung von religiös motiviertem Extremismus sowie zur Stärkung der interkulturellen Kompetenz und Abbau von Vorurteilen im gegenseitigen Umgang zwischen Polizei und Muslimen". Ein sperriger Titel, in dem aber ganz viel drinsteckt. Im Fokus stehen hier auch die Berührungsängste hinsichtlich des Islams bis zur Islamfeindlichkeit. Deren Auswirkungen führen immer wieder zu einem problembehafteten sowie auch nicht vorurteilsfreien gegenseitigen Umgang zwischen Nicht-Muslimen und Muslimen.

Gab es in Mannheim besondere Probleme, die ein solches Konzept erforderlich gemacht haben?

Nein, besondere Probleme gab es nicht. Und an der Stelle ist es auch wichtig nochmals zu verdeutlichen, dass dieses Konzept nicht geschrieben wurde, weil die muslimische Bevölkerungsgruppe uns besonders negativ auffällt. Was man aber sagen kann, ist, dass die tägliche Polizeiarbeit im Präsidialbereich, insbesondere in einzelnen Stadtteilen Mannheims, im Hinblick auf die Vielzahl von muslimischen Migranten nicht selten eine Herausforderung für die Polizeibeamten darstellt.

Eine entsprechende interkulturelle Kompetenz und "Kultursensibilität" im Umgang mit dem "fremden" polizeilichen Gegenüber scheint unerlässlich. Aufgrund der hervorgehobenen Rolle der Polizei ist ihr Handeln von besonderer Bedeutung, damit Systemvertrauen entstehen kann. Dieses ist wiederum aus polizeilicher Sicht wichtig, da die Polizei Dienstleister für alle Bürger ist – unabhängig von Religion und Herkunft. Insofern ist es von zentraler Bedeutung, genau dieses Systemvertrauen der Muslime in die Polizei – und damit in den Staat – aktiv zu fördern. Zudem ist davon auszugehen, dass der Abbau von Misstrauen und der Aufbau von Vertrauen in die Polizei auch die Zeugen- und Anzeigenbereitschaft von Muslimen erhöht. Das ist gerade für die Ermittlungsarbeit im Allgemeinen und insbesondere im Bereich des religiös motivierten Extremismus anzustreben.

Welche Ziele verfolgen Sie konkret mit Ihrem Präventionskonzept?

Wir möchten natürlich den religiös motivierten Extremismus eindämmen und Radikalisierungen entgegenwirken. Aber wir möchten auch Vorurteile abbauen, die es zwischen Polizisten und Muslimen auf beiden Seiten gibt. Damit wollen wir integrationsfördernde Impulse setzen und auch Diskriminierungsgefühle reduzieren.

Unser Ziel ist es, die interkulturelle Kompetenz von Polizeibeamten zu fördern, das Vertrauen von Muslimen in die Polizei zu stärken und deren Umgang miteinander zu verbessern. Zudem möchten wir Muslime – genau wie andere Bürger auch – in die kommunale Kriminalprävention einbinden. Muslime sollen sich viel mehr als bislang mit "ihrer Polizei“ identifizieren. Wir verfolgen also einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz, bei dem es vorrangig um Vertrauen und Dialog geht.

Wie möchten Sie diese Ziele erreichen?

Wir haben zum Beispiel ein Begegnungsprojekt initiiert mit dem Titel „Sicherheit gemeinsam gestalten – Polizei und Migranten im offenen Gespräch“. Dort treffen sich pro Projektdurchgang zehn Polizisten und zehn Muslime an zwei Abenden innerhalb einer Woche. Am ersten Abend nehmen alle an einer Moscheeführung teil und lernen sich reihum bei einem Speeddating kennen. Bei den Gesprächen – zwischen je einem Polizist und einem Muslim – geht es um alltägliche Themen, wie Arbeit, Familie oder Dinge, die sie gerne in der Freizeit machen.

Worum geht es Ihnen dabei? Sicher um mehr, als nur einen schönen Abend zu verbringen?

Ja, natürlich. Mit diesem ersten Abend schaffen wir die Basis, um offen über tatsächliche Probleme im gegenseitigen Umgang sprechen zu können. Dabei geht es zum Beispiel um fehlenden Respekt, das Machoverhalten junger männlicher Muslime, um häusliche Gewalt oder die vermeintliche "Machtposition der Polizei".

Um aber in einer gewissen Tiefe Vorurteile und Probleme benennen zu können, müssen sich die Menschen erst einmal auf eine konstruktive Art und Weise begegnen und einander kennenlernen. Nur dann vertrauen sie sich gegenseitig soweit, dass eine konstruktive Kritik geübt oder eben einfach über die zahlreichen gegenseitigen Vorurteile offen diskutiert werden kann. Damit dies auch in relativ kurzer Zeit – in jeweils zwei mal vier Stunden – gelingt, haben wir dieses spezielle Begegnungsformat konzipiert.

Nach dem ersten Abend in der Moschee findet der zweite Abend bei der Polizei statt. Dort geht es um die Schwierigkeiten und Probleme, die es im Umgang zwischen Polizei und Muslimen gibt. Alle Teilnehmer berichten gleichermaßen über ihre Erfahrungen, die sie miteinander gemacht haben. Oft wird den Polizisten und Muslimen erst durch diese wertschätzende Kommunikation bewusst, wie sie sich gegenseitig wahrnehmen und erleben. Häufig zeigt sich auf beiden Seiten eine große Betroffenheit und Selbstreflexion.

Wie nachhaltig sind diese Begegnungen denn?

Am Ende des Projekts wird über die Frage gesprochen, was diese beide Abenden nun für die Zukunft gebracht haben. Das Ergebnis ist, dass die Teilnehmer sich künftig proaktiv in Diskussionen einmischen wollen, in denen undifferenziert und vorurteilsbelastet gegen die Polizei beziehungsweise gegen Muslime argumentiert wird. Das haben wir inzwischen tatsächlich so wahrgenommen: Wenn beispielsweise Kollegen oder Familienangehörige der Polizisten abschätzig über Muslime sprechen, dann lassen die Teilnehmer solche Aussagen nicht mehr so undifferenziert stehen.

Das zeigt sich auch auf muslimischer Seite, wenn in ihrem Umfeld abwertend über die Polizei geredet wird. Damit leisten Muslime und Polizisten Präventionsarbeit, ohne dass sie es bewusst merken. Die Begegnungen führen dazu, dass sich Muslime dazugehörig fühlen und der Polizei vertrauen. Anfangs war es wirklich schwierig, Muslime zum Mitmachen zu bewegen. Deswegen braucht man Menschen in der muslimischen Community, die einem die Tür öffnen. Inzwischen hat sich dort herumgesprochen, dass es ein gutes Projekt ist, und viele wollen dabei sein.

Und wie hilft das neu gewonnene Vertrauen bei der Prävention von religiös motiviertem Extremismus?

Das Vertrauen erhöht die Chance, dass sich Muslime an "ihre" Polizei wenden, wenn sie in Schwierigkeiten geraten oder sich jemand im persönlichen Umfeld möglicherweise radikalisiert. Die Polizei hat die Aufgabe, Straftaten zu verfolgen, aber dazu brauchen wir auch Bürger, die uns mitteilen, wenn sie eine mögliche Radikalisierung wahrnehmen. Die müssen bereit sein, als Zeuge auszusagen oder eine Anzeige zu erstatten. Deswegen ist es wichtig, dass es ein Systemvertrauen in die Polizei gibt. Denn die Menschen wenden sich nur an uns, wenn sie sicher sind, dass sie ernst genommen werden und am Ende nicht noch selbst Probleme bekommen.

Führt die Polizei außer dem Begegnungsprojekt noch andere Maßnahmen durch?

Ja, insgesamt bedienen wir 15 Zielgruppen mit verschiedenen Maßnahmen zur Radikalisierungsprävention. Wir arbeiten mit vielen Partnern in einem Netzwerk zusammen, zum Beispiel mit der Stadt, mit Schulen und Vereinen, aber vor allem mit Moscheegemeinden und deren Imamen. Netzwerkpartner sind in der Prävention wichtig und unerlässlich.

Gemeinsam mit dem Mannheimer Institut für Integration und interreligiösen Dialog e.V. beteiligen wir uns zum Beispiel an dem Projekt zur Jugendleiter-Card "Juleica". Das ist eine bundesweite Initiative, die sich an ehrenamtliche Mitarbeiter der Jugendarbeit richtet. Angehende ehrenamtliche Jugendleiter nehmen an zahlreichen Fortbildungen teil, um sich zu qualifizieren und bekommen anschließend die Jugendleiter-Card als Nachweis. Im Rahmen der Qualifikation besuchen sie verschiedene Institutionen. Sie verbringen auch einige der Stunden bei der Polizei. Viele Jugendleiter sind Muslime und arbeiten in Moscheegemeinden. Deswegen sind sie für uns als Multiplikatoren eine wichtige Zielgruppe.

Und was machen Sie mit den angehenden Jugendleitern?

Wir sprechen mit ihnen über den religiös motivierten Extremismus und geben ihnen Hinweise, woran sie eine Radikalisierung erkennen und was sie dann machen können. Zudem arbeiten wir auch mit einem Medienpaket, der Titel lautet "Mitreden! Kompetent gegen Islamfeindlichkeit, Islamismus und dschihadistische Internetpropaganda". Es ist wichtig, die Jugendleiter aufzuklären, denn sie könnten zukünftig zu einer Bezugsperson von jemandem werden, der sich möglicherweise radikalisiert. Dann müssen sie wissen, was sie tun können und an wen sie sich wenden können.

Also ist es Ihr Ziel, möglichst viele Menschen auf unterschiedlichen Ebenen bei der Prävention einzubinden?

Ja, genau. Wir möchten einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz bei der Prävention fördern. Unser Ziel ist es, alle Bürger zu sensibilisieren. Denn jeder kann ein Multiplikator sein und dazu beitragen, Radikalisierung zu reduzieren, und sollte das auch machen. Diesen Ansatz nennen wir bei der Polizei kommunale Kriminalprävention. Das bedeutet, möglichst alle Menschen, die in einer Gemeinde leben, also auch Muslime, als zivilgesellschaftliche Partner in die Prävention einzubinden.

Dieser Ansatz gilt aber für die Prävention von Straftaten allgemein und nicht nur für religiös motivierten Extremismus, richtig?

Ja, das stimmt, und das ist auch so gewollt. Denn Radikalisierungsprävention muss gar nicht immer als solche zu erkennen sein. Wenn die Polizei in die Moschee gehen und sagen würde, dass sie dort ein Programm zur Radikalisierungsprävention betreiben möchte, dann würden sich die Muslime völlig stigmatisiert vorkommen – und niemand würde mitmachen.
Radikalisierungsprävention läuft sehr subtil ab. Deshalb vermeiden wir es, in den Titeln unserer Veranstaltung Begriffe wie religiös motiviertem Extremismus oder Radikalisierung zu verwenden. Radikalisierungsprävention ist eben nicht offenkundig Radikalisierungsprävention. Da muss man tiefer ansetzen.

Welche Bedingungen sind für eine erfolgreiche Präventionsarbeit der Polizei wichtig?

Besonders entscheidend ist, dass man sich als Polizist seiner Rolle bewusst ist und eine offene Haltung gegenüber anderen hat. Man sollte auch wissen, wie man mit kulturellen Besonderheiten umgeht. Sich der eigenen Einstellung zu Menschen – auch aus fremden Kulturen – bewusst zu werden beziehungsweise diese konstruktiv zu hinterfragen, ist jedenfalls ein wesentlicher Schritt hin zu guter und professioneller Präventionsarbeit. Ein Polizist muss darauf vorbereitet sein, wie er reagiert, wenn beispielsweise eine Frau ihm nicht die Hand gibt oder ob er sich die Schuhe ausziehen soll, bevor er bei Ermittlungen eine Wohnung betritt. Um dieses Bewusstsein zu schärfen, nehmen unsere Polizeibeamten an Fortbildungen zur interkulturellen Kompetenz teil. Und als Ergänzung zur Theorie haben wir das Begegnungsformat initiiert. Damit Prävention jedenfalls langfristig erfolgreich ist, müssen sich die Akteure respektvoll, authentisch und auf Augenhöhe begegnen.

Die Polizei hat die Aufgabe, Straftaten zu verfolgen. Inwiefern unterscheidet sich die polizeiliche Prävention von der Arbeit anderer Präventionsakteure aus Beratungsstellen oder Schulen? Wann ist die Polizei der richtige Ansprechpartner und wann sollten sich Betroffene besser an andere Stellen wenden?

Die Repression, das heißt die Verfolgung von Straftaten, ist nur ein Teil unserer Aufgaben. Wir sind gleichermaßen aber auch dafür da, diese bereits im Vorfeld zu verhindern. Die Präventionsarbeit der Polizei zeichnet sich dadurch aus, dass wir sozusagen "nah an der Lage" sind. Wir sind nicht selten der Motor in der Präventionsarbeit, da wir die "Schieflagen" in der Gesellschaft mit als erstes wahrnehmen. Insofern übernimmt die Polizei zunächst häufig die Initiative, bindet aber möglichst schnell und umfassend sämtliche Netzwerkpartner ein. Denn so war es schon immer und wird es auch bleiben: Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe! Es gibt allerdings einen Unterschied zu anderen Präventionsakteuren: Polizeibeamte unterliegen dem sogenannten Legalitätsprinzip, das heißt sie sind bei Straftaten zu deren Verfolgung verpflichtet. Einem solchen Strafverfolgungszwang unterliegen hingegen Beratungsstellen nicht.

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