Handreichung: Schule und religiös begründeter Extremismus
Hintergrundwissen, Handlungsoptionen und Materialien für die pädagogische Praxis im Überblick
Redaktion Infodienst Radikalisierungsprävention
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Das Thema Islamismus bestimmt immer wieder öffentliche und mediale Debatten, häufig begleitet von Verunsicherung, Hysterie und fehlender Differenzierung. Diese Stimmungen werden auch in die Klassenzimmer getragen. Lehrkräfte müssen angesichts des aufgeheizten gesellschaftlichen Klimas kompetent mit dem Themenfeld Islamismus umgehen können und Handlungssicherheit erlangen. Doch wie können sie beispielsweise erkennen, ob ein Schüler oder eine Schülerin mit einer Aussage nur provozieren will oder ob tatsächlich mehr dahintersteckt? Wie können sie das Gespräch suchen, ohne ihre Schülerinnen und Schüler zu stigmatisieren? Und wie lassen sich "heiße Themen" wie Islamismus und Extremismus, aber auch Religion und antimuslimischer Rassismus konstruktiv im Unterricht bearbeiten?
Die Handreichung des Infodienst Radikalisierungsprävention möchte Lehrerinnen und Lehrern sowie Schulleitungen Orientierung bieten und damit die Grundlage für eine fachlich fundierte, qualifizierte Auseinandersetzung mit diesen Themen schaffen. Sie gibt erste Antworten auf häufige Fragen und vermittelt einen Überblick über aktuelle Publikationen und Materialien, die für die Schulpraxis relevant sind - ob als Hintergrundlektüre für Lehrkräfte oder zur konkreten Planung einer Unterrichtseinheit.
Im Oktober 2020 wurde der französische Lehrer Samuel Paty Opfer eines grausamen islamistischen Anschlags. Mit Bestürzung reagierten Menschen in aller Welt – Bestürzung herrschte nicht nur angesichts der im höchsten Maße menschenverachtenden Tat, sondern auch darüber, dass "ein Pädagoge in Wahrnehmung seines Bildungsauftrags" ermordet wurde. So formulierte es die Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik in ihrer Stellungnahme zum Anschlag. Es entspann sich eine Debatte darüber, wie Konflikte über Religions- und Meinungsfreiheit die Atmosphäre an Lern- und Bildungsorten zu vergiften drohen und wie man dem entgegenwirken kann. Die Tat und die Debatte verdeutlichten erneut, warum es so wichtig ist, Lehrerinnen und Lehrer bei der Auseinandersetzung mit Islamismus und Radikalisierung zu unterstützen.
Wenngleich es eine Zeit lang ruhiger um den sogenannten Islamischen Staat geworden war und in Teilen der islamistischen Szene ein Strategiewechsel beobachtet werden kann, war die Ideologie nie verschwunden. Seit den Anschlägen auf Paty und auf Menschen in Dresden, Nizza und Wien im Herbst 2020 hat das Thema auch in der öffentlichen Debatte wieder an Brisanz gewonnen. Doch obwohl Islamismus und Radikalisierung (wieder) allgegenwärtig sind und die Medienberichterstattung prägen, bleibt die sorgfältige Auseinandersetzung damit allzu oft auf der Strecke. Stattdessen trifft man auf Pauschalisierungen, Hysterie und unzulässige Gleichsetzungen. Dies sorgt für Angst, sät Misstrauen gegenüber anderen Kulturen und Religionen und schürt Verunsicherung.
Das Thema Islamismus in der Schule
Schulen sind schon lange mit diesen Themen konfrontiert, das zeigt nicht erst die grausame Ermordung von Paty. Die fachlich fundierte Auseinandersetzung mit Islamismus fällt auch hier angesichts der gesellschaftlich aufgeheizten Debatte schwer, sie ist aber unerlässlich: Woran können Lehrkräfte erkennen, ob sich ein Schüler oder eine Schülerin tatsächlich radikalisiert? Hat man es nur mit provokanten Äußerungen zu tun oder steckt mehr dahinter? Wie sollen Lehrkräfte reagieren, an wen können sie sich wenden? Schnell schließen sich daran weitere Fragen an: Wie können Lehrkräfte mit den Jugendlichen ins Gespräch kommen und diese Themen angehen, ohne sie zu stigmatisieren, zu diskriminieren oder sie in ihrer Religionsfreiheit einzuschränken? Wie kann ein konstruktiver und für alle Seiten angstfreier Austausch über Demokratie und Grundrechte gelingen? Wie können demokratische Werte, wie Toleranz und das Aushalten und Akzeptieren anderer Meinungen, vermittelt werden? Gerade vor dem Hintergrund der großen öffentlichen Aufmerksamkeit ist die Auseinandersetzung mit Islamismus und Radikalisierung für Lehrerinnen und Lehrer eine große Herausforderung.
Vielfältige Hilfsangebote – auch für Lehrkräfte
In den vergangenen Jahren sind bundesweit zahlreiche Hilfsangebote entstanden, die sich mit diesen Themen auseinandersetzen: Es gibt Förderprogramme in Bildung und Forschung, es werden Veranstaltungen und Fortbildungen organisiert, es wurden Beratungsstellen und Aussteigerprogramme geschaffen sowie Leitfäden, Handreichungen und Unterrichtsmaterialien entwickelt.
Mittlerweile ist das Angebot so groß, dass es schwerfällt, den Überblick zu behalten. Die vorliegende Publikation möchte Lehrerinnen, Lehrern und Schulleitungen dabei helfen, das für sie passende Angebot zu finden – ganz gleich, ob es darum geht, Kontakt zu einer Beratungsstelle aufzunehmen, eine Fortbildung für das Kollegium anzubieten oder eine Unterrichtseinheit zu planen.
Aus "Herausforderung Salafismus" wird "Herausforderung Islamismus"
Sichten und einordnen, einen Überblick ermöglichen und so Lehrkräften Klarheit und Handlungssicherheit in diesem dynamischen Themenfeld bieten – das war bereits 2018 unser Ziel, als wir die Erstauflage dieser Handreichung konzipierten. Seither hat sich sehr viel getan: Neben dem engeren Fokus auf Salafismus geht es immer öfter auch allgemeiner um Islamismus, und eine Fülle neuer Unterrichtsmaterialien und Publikationen sind erschienen. Mit dieser grundlegend überarbeiteten Neuauflage wollen wir diesen Entwicklungen Rechnung tragen und Lehrkräfte unterstützen.
In dieser Handreichung finden Sie deshalb erste Antworten auf häufige Fragen rund um die Themen Islamismus und Radikalisierung, Hintergrundinformationen, wichtige Kontaktadressen, einen Überblick über Leitfäden und Publikationen zur weiterführenden Lektüre für Lehrkräfte und Schulleitungen sowie eine umfangreiche Übersicht über Publikationen und Medien für die Unterrichtspraxis.
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