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Rückkehrer und "Homegrown Terrorists" | Infodienst Radikalisierungsprävention | bpb.de

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Rückkehrer und "Homegrown Terrorists" Umgang mit dem Sicherheitsrisiko

Holger Münch

/ 12 Minuten zu lesen

Nach den militärischen Niederlagen des "IS" wird die Sicherheitslage in Deutschland komplexer. Wie gehen die Sicherheitsbehörden mit der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus um? Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes, beschreibt die Lage und erläutert Maßnahmen der Terrorismusabwehr in Deutschland und Europa.

Ein Hinweisschild am Gebäude des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums GTAZ in Berlin. (© picture-alliance, /dpa | Kay Nietfeld)

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Der Beitrag erschien ursprünglich unter dem Titel “Radikalisierung, Ausreise, Rückkehr – Lage und Handlungserfordernisse" im Sammelband "Sie haben keinen Plan" in der Schriftenreihe der bpb. Der Band kann im Shop der bpb Interner Link: bestellt werden. Für die Veröffentlichung im Infodienst Radikalisierungsprävention wurde der Beitrag gekürzt.

Seit 2012 sind mehr als 970 Personen aus Deutschland nach Syrien und in den Irak ausgereist, um dort auf Seiten des "IS" und anderer terroristischer Gruppierungen zu kämpfen oder diese in sonstiger Weise zu unterstützen. Etwa ein Drittel davon ist mittlerweile nach Deutschland zurückgekehrt. Von Teilen dieser "Dschihad-Rückkehrer" geht unter Umständen eine langfristige, kaum kalkulierbare Gefahr aus. Ein besonderes Sicherheitsrisiko stellen Personen dar, die während ihres Aufenthaltes in den Konfliktregionen weiter ideologisch indoktriniert, militärisch im Umgang mit Waffen und Sprengstoffen geschult wurden oder Kampferfahrung gesammelt haben und gegebenenfalls mit dem Auftrag, Anschläge zu begehen, nach Europa zurückgeschickt werden.

Zudem sind durch die "Dschihad-Reisenden" aus aller Welt und ein verbindendes Internet internationale Netzwerke von Dschihadisten entstanden, die die Sicherheitsbehörden in Europa und weltweit vor neue Herausforderungen stellen. Aufgrund der militärischen Zurückdrängung des "IS" im Nahen Osten werden "Dschihad-Reisende" zunehmend auch nach Europa zurückkehren – nicht aber unbedingt in ihre Herkunftsländer. Das bedeutet: Wir bekommen es in Deutschland nicht nur mit unseren eigenen Rückkehrern zu tun, sondern unter Umständen auch mit "Dschihad-Reisenden" aus anderen europäischen wie auch außereuropäischen Ländern. Das islamistische Personenpotenzial in Deutschland wird somit absehbar größer, komplexer und internationaler.

Zielsetzung und Vorgehensweisen terroristischer Gruppierungen

Mit abnehmenden militärischen Erfolgen in Syrien und im Irak dürfte der "IS" künftig verstärkt darauf setzen, seine Handlungsfähigkeit mit Anschlägen vor allem in "westlichen" Ländern unter Beweis zu stellen. Gleichzeitig sind Anschlagsplanungen und -versuche anderer terroristischer Gruppierungen weiterhin einzukalkulieren.

Aufträge für Anschläge an Zellen werden weltweit erteilt oder Zellen agieren autonom im Namen von oder mit Bezug auf eine bestimmte Organisation. So besteht unverändert die Gefahr, dass Anschläge von Einzeltätern (sogenannten lone actors) oder konspirativen Kleinstgruppen begangen werden, die zuvor keinen unmittelbaren Bezug zu terroristischen Gruppierungen hatten, sondern sich z.B. von deren Internetpropaganda inspirieren lassen.

Wir müssen weiterhin mit gezielten und koordinierten Anschlägen wie in Paris im November 2015 oder in Brüssel im März 2016 rechnen. Planung, Vorbereitung und logistische Unterstützung der Anschläge von Paris erfolgten durch ein grenzübergreifendes Netzwerk französischer und belgischer Islamisten. Die Täter waren sogenannte homegrown terrorists – Personen, die in Frankreich bzw. Belgien aufgewachsen waren und sich dort radikalisiert hatten –, "Dschihad-Rückkehrer" sowie gezielt für diese Anschläge vom "IS" entsandte und als Flüchtlinge getarnt eingeschleuste Dschihadisten aus dem Nahen Osten.

Darüber hinaus müssen wir uns auf weitere mehr oder minder spontan begangene Gewalthandlungen gegen unmittelbar zur Verfügung stehende Ziele einstellen. Der "IS" ruft seine Anhänger immer wieder dazu auf, Menschen weltweit "mit allen Mitteln" anzugreifen, sie z.B. zu überfahren. Ein ähnlicher Aufruf erfolgte in der Vergangenheit bereits durch al-Qaida. Die Anschläge mit Lkw in Berlin und Nizza oder auch Angriffe mit Alltagsgegenständen wie in Würzburg und Hannover zeigen, dass diese Aufrufe Wirkung entfalten.

Die Art und Weise, wie diese Taten begangen wurden, zeigt das Ausmaß der Bedrohung, die vom islamistischen Terrorismus ausgeht, und beeinträchtigt das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung. Das Risiko der Täter, im Vorfeld von Anschlägen entdeckt zu werden, sinkt, denn je geringer Planung und Koordination ausfallen, desto weniger Ansätze haben Sicherheitsbehörden, Anschlagspläne rechtzeitig zu erkennen und zu stoppen. Zugleich wird die Zahl der Personen, die in der Lage sind, solche weniger komplexen Anschläge auszuführen, größer, wodurch wiederum die Gefahr von Nachahmungstaten steigt.

Wie begegnen die Sicherheitsbehörden dieser wachsenden Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus in Deutschland und Europa?

Grundlage erfolgreicher Terrorabwehr ist es, die notwendigen Informationen zu Personen, Sachverhalten, Verbindungen und Strukturen zu gewinnen, zusammenzuführen, auszuwerten und verfügbar zu machen. Grundsätzlich sind wir diesbezüglich – das zeigen nicht zuletzt mehrere von den Sicherheitsbehörden verhinderte Anschlagsversuche – auf nationaler und internationaler Ebene gut aufgestellt. Die hohe Dynamik des Phänomens erfordert aber, dass wir unsere Maßnahmen immer wieder kritisch prüfen und gegebenenfalls anpassen.

Terrorismusbekämpfung in Deutschland

Die Grundlagen unserer heutigen Terrorismusabwehr wurden vor dem Hintergrund des 11. September 2001 gelegt und seitdem ständig fortentwickelt. 2004 wurde das Gemeinsame Terrorismus-Abwehrzentrum – kurz GTAZ – gegründet, das bis heute das Herzstück der Terrorismusbekämpfung in Deutschland bildet. Auf dieser Plattform tauschen Vertreterinnen und Vertreter von 40 Behörden aus Bund und Ländern unter anderem in täglichen Lagebesprechungen ihre Erkenntnisse aus, nehmen Gefährdungsbewertungen vor und stimmen operative Maßnahmen ab. Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass Informationen umfassend und schnell länder- und behördenübergreifend zusammengeführt werden.

Die zunehmende Dynamik und Komplexität der terroristischen Bedrohung zeigt aber auch diesen bewährten Strukturen Grenzen auf. Die Gefährdungssachverhalte haben in den vergangenen Jahren analog zum wachsenden Personenpotenzial der islamistischen Szene deutlich zugenommen. Ihre Bearbeitung und die in diesem Zusammenhang zu veranlassenden polizeilichen Maßnahmen bedeuten eine deutlich höhere personelle Belastung. Bundesregierung und Bundestag haben dies erkannt und dem Bundeskriminalamt einen beträchtlichen Stellenaufbau bewilligt. Da es gute Kriminalbeamtinnen und -beamte jedoch zunächst zu gewinnen und auszubilden gilt, wird es mehrere Jahre dauern, bis dieses Mehr an Personal in Gänze zum Tragen kommt. Bis dahin werden wir weiter durch intelligente Konzepte und organisatorische Schwerpunktsetzungen unserem Auftrag zum Schutz der Bevölkerung vollumfänglich nachkommen.

Internationale Zusammenarbeit und Informationsmanagement

Ein rein nationaler Ansatz trägt in der Terrorismusbekämpfung jedoch nicht. Wir haben es mit einem transnationalen Phänomen und hochmobilen, international vernetzten Tätern zu tun. Dementsprechend müssen auch die Sicherheitsbehörden in Europa und darüber hinaus grenzübergreifend zusammenarbeiten. Dies geschieht z.B. durch anlassbedingte bilaterale Zusammenarbeit, durch phänomenbezogene Kooperationen wie die Police Working Group on Terrorism (PWGT), in der sich die Staatsschutzbehörden auf europäischer Ebene austauschen, im Rahmen von Europol und Interpol oder auch durch die Verbindungsbeamten des Bundeskriminalamtes, die an über 50 Standorten weltweit vertreten sind, um für einen engeren polizeilichen Austausch mit den dortigen Behörden zu sorgen und gleichzeitig im Sinne einer Früherkennung Erkenntnisse über die Kriminalitätsentwicklung vor Ort liefern zu können.

Einen zentralen und wachsenden Stellenwert nimmt darüber hinaus das Informationsmanagement auf europäischer Ebene ein. Wenn Straftäter sich in einem Europa ohne Binnengrenzen unkontrolliert von einem Mitgliedsstaat in den anderen bewegen können, muss gewährleistet sein, dass Informationen, die in den einzelnen Mitgliedsstaaten zu diesen Personen vorliegen, ausgetauscht werden bzw. abrufbar sind. Mit dem Wegfall der Binnengrenzen im Schengen-Raum wurden daher Ausgleichsmaßnahmen geschaffen, die einen solchen Informationsaustausch gewährleisten und auf diese Weise mögliche Beeinträchtigungen für die innere Sicherheit der Vertragsstaaten minimieren sollen. Eine dieser Maßnahmen war der Aufbau des Schengener Informationssystems (SIS) und des korrespondierenden Kommunikationsnetzwerks SIRENE (Supplementary Information Request at the National Entry) als gemeinsamer Fahndungsverbund der Vertragsstaaten.

Grundsätzlich ist das SIS eine Erfolgsgeschichte: Polizeibeamte aus 30 Staaten haben Zugriff auf rund 77 Millionen Fahndungsdaten, davon rund eine Million Personendatensätze. Im Schnitt hatten wir 2017 neun Festnahmen mit Deutschlandbezug pro Tag. Allerdings – und das ist ein wichtiger Optimierungsansatz – sind biometrische Daten, z.B. Fingerabdrücke, die im SIS hinterlegt sind, bislang nicht recherchierbar. Personenabfragen im SIS finden nach wie vor anhand der Personaldaten statt. Das bedeutet, dass im Falle der Nutzung von Alias-Personalien durch Straftäter oder auch nur bei unterschiedlichen Schreibweisen desselben Namens keine Treffer im System erzielt werden. Derartige Sicherheitslücken müssen wir schließen. Eine eindeutige Identifizierung und Zusammenführung unterschiedlicher Personalien ist derzeit einzig über den Fingerabdruck möglich. Daher muss das SIS unter anderem dringend um ein Automatisches Fingerabdruck-Identifizierungssystem ergänzt werden. Auch darüber hinaus weist die europäische Informationsarchitektur Schwachstellen auf. Die unterschiedlichen Systeme und Datentöpfe sind nicht miteinander vernetzt. Einen Kriminalaktennachweis wie in Deutschland, der Einträge aus verschiedenen Erfassungssystemen verknüpft, gibt es auf europäischer Ebene noch nicht. Zudem sind die Abfragen in den verschiedenen Systemen in Teilen zu kompliziert und führen nicht schnell genug zu einem verwertbaren Ergebnis.

Der 2005 abgeschlossene Vertrag von Prüm beispielsweise regelt den Austausch von Fingerabdruck- sowie von DNA- und Kfz-Daten durch die Teilnehmerstaaten in Europa. Derzeit haben 22 Staaten den Vertrag ratifiziert, nicht jeder tauscht aber alle im Prümer Verfahren möglichen Daten aus. Wichtige Partner wie Griechenland und Italien fehlen. Zudem liefert die Datenabfrage aus Datenschutzgründen zunächst nur eine anonymisierte Trefferanzeige. Was konkret dahinter steckt, muss in einem mehr oder weniger langwierigen schriftlichen Rechtshilfeverkehr erfragt werden.

Ein weiteres Beispiel ist EURODAC, in dem unter anderem die Fingerabdruckdaten von Asylsuchenden gespeichert werden. Auch dieses System ermöglicht lediglich die Feststellung, wann und wo in einem anderen Staat bereits ein Asylantrag gestellt oder eine Außengrenze illegal überquert wurde. Weitere Hinweise zu genutzten Personalien und Mitreisenden sind nicht abrufbar und müssen zeitaufwendig separat erfragt werden. Zudem ist die Nutzung von EURODAC für Zwecke der Strafverfolgung bisher nur eingeschränkt möglich. Wie wichtig dieses System allerdings auch für Sicherheitsbehörden ist, verdeutlicht die Festnahme zweier Personen, die dem Pariser Attentäterkreis zuzurechnen sind, in Österreich Anfang 2016 – der Hinweis auf ihren Aufenthaltsort ging unter anderem auf einen EURODAC-Treffer zurück.

Diese Schwachstellen im europäischen Informationsaustausch müssen wir beseitigen. Das Bundeskriminalamt setzt sich daher aktiv für eine zügige Verbesserung der Abläufe und Systeme ein.

Umgang mit Gefährdern

Darüber hinaus benötigen wir vor dem Hintergrund des in den letzten Jahren zahlenmäßig stark angestiegenen islamistischen Personenpotenzials ein Instrument für eine verbesserte Einschätzung des von diesen Personen ausgehenden akuten Risiko- bzw. Gewaltpotenzials. Die Vorstellung, man müsse nur jeden bekannten Gefährder rund um die Uhr observieren, wird der Komplexität dieser Aufgabe nicht gerecht und ist sowohl rechtlich als auch personell nicht realisierbar. Sie lässt zudem die Tatsache aus den Augen, dass in der Vergangenheit oftmals Anschläge von Personen geplant oder begangen wurden, die den Sicherheitsbehörden zuvor nicht bekannt waren und die somit auch nicht unter eine solche Maßnahme gefallen wären.

Es gibt bereits eine abgestimmte, bundesweit einheitliche polizeiliche Definition von "Gefährdern" und "Relevanten Personen" sowie ein einheitliches Handlungskonzept. Für die Bewertung des von einer Person ausgehenden akuten Risikos für die Begehung einer schweren Gewalttat in Deutschland gab es bislang hingegen keine abgestimmten Standards. Das Bundeskriminalamt hat deshalb ein Instrument zur einheitlichen Bewertung von Personen des militant-salafistischen Spektrums entwickelt, das im vergangenen Jahr bundesweit eingeführt wurde. RADAR-iTE (Regelbasierte Analyse potenziell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos – islamistischer Terrorismus) soll zum einen den Bewertungsprozess harmonisieren und zum anderen eine Unterscheidung des Risikopotenzials der Personen auf einer dreistufigen Risikoskala ermöglichen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um bei einem insgesamt wachsenden islamistischen Personenpotenzial priorisieren und sicherstellen zu können, dass im Rahmen der verfügbaren Ressourcen die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden.

Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass die Maßnahmen, die auf Basis dieser Bewertungen erfolgen, bundesländerübergreifend vergleichbar sind. Dafür erfolgen gemeinsame Bewertungen von Personen und die Abstimmung entsprechender Maßnahmen seit dem vergangenen Jahr im GTAZ, so wie es in Bezug auf Gefährdungssachverhalte bereits seit Längerem der Fall ist.

Um bundesweit einheitliche Maßnahmen durchführen zu können, bedarf es darüber hinaus eines einheitlichen rechtlichen Rahmens. Derzeit verfügt die Polizei in zwölf Bundesländern über die rechtliche Befugnis, Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen (TKÜ) zur Gefahrenabwehr durchzuführen. Die "Quellen-Telekommunikationsüberwachung" für die auch von Gefährdern häufig genutzte verschlüsselte Kommunikation ist explizit nur in sechs, die Onlinedurchsuchung nur in zwei Bundesländern rechtlich erlaubt. In den Polizeigesetzen der jeweils übrigen Bundesländer sind die notwendigen Ermächtigungen für diese Maßnahmen nicht vorhanden. Praktisch bedeutet das, dass Überwachungsmaßnahmen im Zweifel nicht durchgeführt werden können oder abgebrochen werden müssen, wenn die Zielperson ihren Wohnsitz in ein Bundesland ohne entsprechend vorhandene Regelungen verlegt. Gerade im Bereich des islamistischen Terrorismus haben wir es immer wieder mit hochmobilen Personen zu tun, die ihren Wohnort wechseln und teilweise im gesamten Bundesgebiet und darüber hinaus vernetzt sind. Fehlende Rechtsgrundlagen, an denen Überwachungsmaßnahmen solcher Personen gegebenenfalls scheitern, können wir uns nicht mehr leisten. Hier sind die Bundesländer gefragt, die notwendigen Eingriffsermächtigungen in ihren Polizeigesetzen zu schaffen.

Darüber hinaus ist es für erfolgreiche Polizeiarbeit grundlegend wichtig, dass die Gesetzgebung mit der technischen Entwicklung und dem Wandel von Kriminalitätsphänomenen Schritt hält. Angesichts der wachsenden Rolle des Internets bei der Planung, Verabredung und Begehung von Straftaten muss durch eine Weiterentwicklung des Rechts sichergestellt werden, dass Ermittlungen auch im digitalen Raum effektiv durchgeführt werden können. Ein Beispiel ist die verschlüsselte Kommunikation von Straftätern, auf die die Ermittlungsbehörden mit den Mitteln der klassischen Telekommunikationsüberwachung keinen Zugriff mehr haben. Um auch hier auf Basis klarer rechtlicher Grundlagen auf die für die Ermittlungen relevanten Kommunikationsdaten zugreifen zu können, wurden z.B. Regelungen für die Quellen-TKÜ und die Online-Durchsuchung in der Strafprozessordnung geschaffen.

Die Polizei muss darüber hinaus in der Lage sein, ihre Ermittlungsinstrumente auf die »digitale Welt« zu übertragen bzw. für diesen Bedarf geeignete Instrumente neu zu entwickeln. Das Bundeskriminalamt wird diesbezüglich die Rolle eines zentralen Dienstleisters übernehmen und Instrumente vor allem im IT-Bereich entwickeln, die wir der gesamten deutschen Polizei zur Verfügung stellen.

Prävention und Deradikalisierung

Angesichts eines hohen und weiter wachsenden Personenpotenzials der gewaltbereiten islamistischen Szene in Deutschland reichen polizeiliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung auf Dauer jedoch nicht aus, um Extremismus und Terrorismus nachhaltig entgegenzutreten. Vielmehr müssen wir als Gesellschaft Maßnahmen ergreifen, um dieses Personenpotenzial langfristig zu reduzieren. Das bedeutet, dass wir mit Maßnahmen der Prävention und der Deradikalisierung dafür Sorge tragen müssen, dass sich extremistische Szenen jedweder Couleur in Deutschland nicht immer wieder neu speisen und vor allem Jugendliche für ihre menschenverachtenden Ansichten und Ziele gewinnen können.

Es gibt in Deutschland zahlreiche, sehr engagierte Präventionsinitiativen. Damit diese effektiv und flächendeckend arbeiten können, bedarf es einer sinnvollen Koordination, einer gesicherten finanziellen Basis für erfolgreiche Ansätze und Projekte sowie eines verbesserten Erfahrungsaustausches und Wissensmanagements von Präventionsakteuren und Multiplikatoren.

Fazit

Der islamistische Terrorismus wird auf nicht absehbare Zeit eine der zentralen Herausforderungen für die Sicherheitsbehörden, aber auch für uns als Gesellschaft bleiben. Wir haben es mit Personen und mit einer Ideologie zu tun, die unseren Rechtsstaat, unsere Werte und unsere Art zu leben verachten und mit allen Mitteln zu bekämpfen versuchen. Die Handlungsfähigkeit der Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus hängt maßgeblich davon ab, dass wir neue Trends und Entwicklungen schnell erkennen und unsere Maßnahmen und Bekämpfungsansätze entsprechend anpassen. Voraussetzung dafür ist eine enge Zusammenarbeit und Abstimmung aller relevanten Akteure, national und international, sowie ein effektiver und effizienter Informationsaustausch. Terrorismusabwehr kann nur in einem starken europäischen Verbund funktionieren.

Darüber hinaus müssen wir die Wehrhaftigkeit unseres Rechtsstaates stärken, durch die Schaffung starker und vor allem einheitlicher rechtlicher Grundlagen für eine effektive Terrorismusbekämpfung sowie durch erfolgreiche präventive Ansätze.

Trotz wachsender Bedrohungen ist Deutschland nach wie vor eines der sichersten Länder der Welt. Die deutsche Polizei wird alles daran setzen, dass das auch so bleibt. Das anhaltend hohe Vertrauen der Bevölkerung in unsere Arbeit ist für uns dabei Bestätigung und Verpflichtung zugleich.

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Fussnoten

Fußnoten

  1. Stand: März 2018

  2. Dies sind das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst, die Bundespolizei, das Zollkriminalamt, der Militärische Abschirmdienst, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Vertreter des Generalbundesanwaltes, 16 Landeskriminalämter sowie 16 Landesämter für Verfassungsschutz.

  3. Das Bundeskriminalamt führt im Rahmen seiner Zentralstellenfunktion im Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität Gefährdungsbewertungen von Einzelsachverhalten durch, die den zuständigen Länderdienststellen zur Verfügung gestellt werden und diesen die Möglichkeit bieten, auf Grundlage einer fachlich fundierten Bewertung des BKA zeitnah eigene Erkenntnisse in ihre abschließende Bewertung einzubringen. Auf dieser Basis leiten die zuständigen Behörden Schutzmaßnahmen ein, führen Schwachstellenanalysen durch und legen den Grad der Gefährdung für Personen und Objekte fest. Diese sogenannten Gefährdungssachverhalte, also bekanntgewordene Sachverhalte, die auf ein konkretes Schadensereignis hindeuten, werden dabei anhand bestimmter Kriterien bewertet. Im Ergebnis wird eine Wahrscheinlichkeitsaussage hinsichtlich des potenziellen Schadenseintrittes getroffen.

  4. Die PWGT ist ein informelles Netzwerk von Staatsschutz-Dienststellen der EU-Mitgliedsstaaten sowie Islands, Norwegens und der Schweiz.

  5. Zum Schengen-Raum gehören Deutschland, Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Island, Italien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik und Ungarn.

  6. Stand: März 2018

  7. Der Inhalt des Vertrags von Prüm wurde mit den EU-Ratsbeschlüssen 2008/615/JHA und 2008/616/JHA in den Rechtsrahmen der EU überführt und ist somit für die Teilnehmerstaaten in Europa bindend.

  8. Eine Person ist als relevant anzusehen, wenn sie innerhalb des extremistischen/terroristischen Spektrums die Rolle a) einer Führungsperson, b) eines Unterstützers/Logistikers, c) eines Akteurs einnimmt und tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des §100a StPO, fördert, unterstützt, begeht oder sich daran beteiligt, oder d) es sich um eine Kontakt- oder Begleitperson eines Gefährders, Beschuldigten oder Verdächtigen einer politisch motivierten Straftat von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des §100a StPO, handelt.

  9. Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens v. 17.08.2017, in Kraft getreten am 24.08.2017.

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Holger Münch für bpb.de

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Holger Münch ist Präsident des Bundeskriminalamtes. Nach seiner Ausbildung zum Polizeibeamten und dem späteren Studium an der Polizeiführungsakademie in Münster nahm er verschiedene Leitungsfunktionen bei der Polizei sowie beim Senator für Inneres in Bremen wahr. Vor seiner Ernennung zum Präsidenten des Bundeskriminalamtes 2014 war er bereits Polizeipräsident Bremens sowie Staatsrat beim Senator für Inneres und Sport in Bremen.