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Gender-reflektierte Präventionsarbeit Mädchen im Blick

Silke Baer

/ 17 Minuten zu lesen

Welche Rollen spielen Frauen und Gender-Aspekte in der Prävention? Welche gender-reflektierten Ansätze müssen in den Blick genommen werden, um ein weiteres Erstarken von religiös begründetem Extremismus zu verhindern?

Bitte beachten Sie: Dieser Beitrag ist älter als fünf Jahre. Forschung, Fachdebatte oder Praxisansätze haben sich möglicherweise in der Zwischenzeit weiterentwickelt.

Juni 2014: Eine verschleierte Frau trägt auf einer Kundgebung des radikalen Salafistenpredigers Pierre Vogel in Offenbach am Main eine Umhängetasche mit der Aufschrift "Islam. Ist. In", die zusammen das Wort "Islamistin" ergeben. (© picture-alliance/dpa)

In der Präventions- und Distanzierungsarbeit sowie in der Terrorismusbekämpfung waren Frauen als Gefährderinnen bis vor kurzem kaum im Blick – weder in der Forschung noch in der Praxis. In den meisten Fällen wurden Frauen höchstens als friedvoll-ausgleichende Präventionsarbeiterinnen im familiären und kommunalen Raum im Betracht gezogen. Im Rahmen der Präventionsarbeit werden sie darin unterstützt, männliche Familienangehörige vor den Verblendungen durch militante Rekrutierer zu bewahren. Das Erscheinungsbild von militantem, religiös begründetem Extremismus in der Öffentlichkeit ist dagegen martialisch, brutal und vor allem: männlich.

Jedoch lässt sich ein islamistischer Gottesstaat nicht ohne Frauen errichten. Denn es bedarf auch der überzeugten Kriegerinnen, die ihren Kampf in Familie und Kommune kämpfen, den Männern den Rücken frei halten und die Kinder im fundamentalistischen Sinne erziehen. Ein Bericht des Bundeskriminalamtes zu diesem Thema aus dem Jahr 2015 zeigt, dass sich der Anteil der Frauen an den Ausreisen nach Syrien nach der Ausrufung des sogenannten Kalifats am 29. Juni 2014 signifikant erhöht hat: von 15 % vor der Ausrufung auf 38 % danach.

Prävention muss Frauen auch als mögliche Ideologinnen, extremistische Familienarbeiterinnen und Täterinnen im Blick haben. Darüber hinaus muss Prävention aber vor allem erkennen, dass in allen Extremismen Gender-Aspekte und -Dynamiken virulent sind. Sie muss die Geschlechterrollen-Vorstellungen einbeziehen, die definieren, was es für die jeweilige "Bewegung" bedeutet, ein Mann oder eine Frau zu sein beziehungsweise männlich oder weiblich zu sein. Das ist eine Voraussetzung für erfolgreiche Prävention, denn auch die Angebote und Rekrutierungsstrategien von muslimisch-extremistischen Gruppen sind Gender-spezifisch. Zudem sind persönliche Vorstellungen zu Männlichkeit und Weiblichkeit entscheidend, bei der Frage, ob sich jemand – Frauen wie Männer - von bestimmten Szenen angesprochen fühlt oder nicht. Der Fachdiskurs bewegt sich nur langsam auf diese Einsicht zu.

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Rekrutierungsstrategien und Hinwendungsmotive gender-reflektiert analysieren


Präventions- und Distanzierungsarbeit hat verschiedene Dimensionen und Grundfragestellungen im Blick, um an den richtigen Orten mit erfolgsversprechenden Zugängen einer religiös oder politisch begründeten Radikalisierung entgegenwirken zu können. Zu den Orten zählen zum Beispiel Schule, offene Jugendarbeit, Gemeinwesen, Moscheen oder das Internet. Mögliche Zugänge sind zum Beispiel Beratung und Fortbildung von Angehörigen und Fachkräften, präventive Gruppenangebote und Intensiv-Trainings beziehungsweise Mentoring.

Bei der Präventions- und Distanzierungsarbeit werden sogenannte Push- und Pull-Faktoren unterschieden, die von Bedeutung sein können:

  • Wie und wo gewinnen extremistische Gruppen neue Anhängerinnen und Anhänger? Welche Rekrutierungsstrategien haben sie? Welche Mitwirkungs- und Aktivitätsangebote machen sie? Welche Themen greifen sie auf?

  • Mit Fokus auf Menschen, die als anfällig für eine Hinwendung zu militanten extremistischen Szenn gelten, stellt sich die Frage: Welche Motive haben sie? Welche Verbesserungsmöglichkeiten bringt ihnen der Anschluss an eine extremistische Gruppe im Hinblick auf soziale Aufwertung, Geltung in der Peer-group, neue Freiräume, verlässliche Gruppenzugehörigkeit?

  • Mit Fokus auf die gesellschaftlichen Rahmenbindungen: Wie respektiert ist der Islam als Religion in den westlichen Gesellschaften? Wie sind die Teilhabebedingungen etwa für muslimisch geprägte junge Frauen?

Dabei lohnt es sich, diese Grundfragen von vornherein unter Gender-reflektierten Gesichtspunkten zu stellen.

Rollenangebote durch muslimisch-fundamentalistische Gruppierungen im Kontext realer oder wahrgenommener Benachteiligung


Muslimisch-fundamentalistische Gruppen halten spezifische Rollenangebote für Männer und Frauen bereit, die eine starke Gender-Komponente haben. Diese Rollenangebote wirken zwar vormodern, aber sie zielen auch auf einen aktuellen Konflikt ab, in dem sich viele muslimisch geprägte junge Menschen im "Westen" befinden: Viele der Versprechen der westlichen Welt werden für Muslime nicht eingelöst.

Chancengleichheit bei der Arbeitssuche? Sie besteht nur formal. Zum Beispiel hat eine Studie an der Universität Konstanz von 2010 gezeigt, dass bei gleicher Qualifizierung Arbeitssuchende mit türkisch oder arabisch klingenden Namen seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden als diejenigen, die Müller oder Meier heißen. Emanzipiertes Leben für muslimische Frauen? Nur mit Einschränkungen. Frauen, die einen Hidschab tragen sind in vielen Kontexten nicht gern gesehen. Teilweise gibt es Vorschriften, die das Tragen des Kopftuchs als unvereinbar mit einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst sehen.

Neben vielen anderen Ansatzpunkten nutzen extremistische Gruppen diese Widersprüche, um eine elementare Botschaft zu untermauern: "Der Westen mag keine Muslime", und die angeblich so unverbrüchlichen Werte der Toleranz, Religionsfreiheit und Gleichberechtigung gelten nur sehr eingeschränkt für Migrantinnen und Migranten und Muslime.

Wie die Rekrutierungsstrategien, so sind auch die Rollenverteilungen in religiös motivierten extremistischen Gruppen geschlechtsspezifisch ausgerichtet. Frauen agieren dort mehr von zu Hause aus, setzen sich als Öffentlichkeitsarbeiterinnen oder Übersetzerinnen von Informationsmaterialien ein, oder als streitbare Diskutantinnen in den "weicheren" gesellschaftlichen Kampfarenen von Internet oder Fernseh-Talkshows. In sozialen Räumen wie zum Beispiel der Schule, dem Jugendklub oder der Moschee agieren sie als Bekehrerinnen für eine strenge traditionalistische Lesart des Islam. Vor allem sprechen sie andere Frauen an, um sie ebenfalls als aktive Kämpferinnen für den Gottesstaat zu gewinnen. Gerade bei den jungen Frauen erfolgen diese Missionierungen keinesfalls immer gewaltfrei. Schulsozialarbeiterinnen etwa berichten von handgreiflichen "Religionskämpfen", in denen Mädchen körperlich angegriffen werden, die kein Kopftuch tragen.

In den vom IS okkupierten Gebieten in Syrien und Irak haben Frauen dann noch weitergehende Funktionen. Der IS wirbt Mädchen mit dem "romantischen" Angebot an, Gefährtinnen und Ehefrauen von "heldenhaften Soldaten" des Kalifats zu werden. Junge Männer präsentieren sich im Internet als unerschrockene Recken des heiligen Staats und nehmen so Kontakt zu Mädchen auf. Diese fühlen sich aufgewertet und kokettieren auf den Schulhöfen damit, mit "IS-Soldaten" in Beziehung zu stehen. Fallanalysen zeigen, dass manche junge Frauen vor ihrer Ausreise als Motiv angaben, sich einem guten, "wahrhaften" islamischen Leben zuwenden zu wollen. Mädchen, die bereits nach Syrien gegangen sind, werden dann angehalten beziehungsweise gezwungen, über soziale Medien entsprechende Eindrücke zurück zu spiegeln. Dort wird etwa das gottgefällige Leben als Familie und Schwesternschaft von Muslimas beschworen, aber auch Normalität suggeriert. Ein Tweet einer Britin meldet den Freundinnen: Die Mädels möchten doch mal nachkommen. "I'm making pancakes, and there's Nutella, come up in a bit”

Jedoch ist die Realität in den Konflikt- und Kampfgebieten weniger romantisch. Denn der IS rekrutiert Mädchen unter anderem für den "sexuellen Dschihad". Ihre Rolle darin ist es, den Kämpfer vor Ort das Leben zu "verschönern". Da der IS "Ehen auf Zeit" ermöglicht und das Recht gewährt, Sklavinnen zu halten, ist jeglicher religiöse Konflikt ausgeräumt. Auch wird auf viele unverheiratete "Brüder" verwiesen, die gerne eine Familie gründen würden, so heißt es, oder auf verdiente Dschihadisten, die bereit seien, "ehrenhafte Schwestern als zweite, dritte oder vierte Ehefrau anzuheiraten". Unerwähnt bleibt freilich, dass das z.B. das Leben als Witwe im IS von großer Unsicherheit und weiterer Entrechtung geprägt ist.

Darüber hinaus werden Frauen mitunter in terroristische Anschläge eingebunden. Denn es fällt ihnen leichter, die Fahndungsraster der Sicherheitsbehörden zu umgehen. Hierbei fungieren sie als Botinnen, Besorgerinnen oder auch als Selbstmordattentäterinnen.

Subjektive Motive für die Beteiligung am militanten Dschihad


Es wirkt verstörend, dass junge Frauen, die in Deutschland aufgewachsen sind, sich nicht nur ideologisch, sondern auch aktiv mit Leib und Leben am militanten Dschihad beteiligen. Denn trotz aller (jugend-)subkultureller Propaganda, die sehr an den Lebenswelten westlicher Jugendlicher anschließt, scheint doch offensichtlich, dass sich die Mädchen in absolute Abhängigkeit zu Männern und Strukturen begeben, die sie kaum kennen. Um diesem Sog präventiv entgegen zu wirken, müssen die subjektiven Hinwendungsmotive verstanden werden.

Für Mädchen mit bestimmten Vorerfahrungen mag es durchaus Sinn haben, sich für extremistische Gruppierungen und Ideologien einzusetzen. Als Kämpferin für den "wahren" Islam können sie sich als Teil einer globalen und wirkungsvollen Bewegung mit hehren Zielen begreifen. Religiös argumentierende Extremisten versprechen die Machtergreifung durch Muslime weltweit und damit eine individuelle und kollektive Aufwertung. Dass die jungen Menschen dabei ihre bürgerlichen Rechte und Freiheiten aufgeben, mag ihnen umso weniger wichtig sein, je mehr sie mit diesen Freiheiten negative Erfahrungen und quälende Entscheidungsdilemmata verbinden.

IS und Neo-Salafisten bieten Orientierung und Zugehörigkeitserfahrungen insbesondere für jene jungen Menschen, die in einer persönlichen Wertekonfusion aufgewachsen sind – zwischen den Traditionen und Werten ihrer Herkunftsfamilien und den Werten und Lebensweisen der westlichen Welt.

Fachleute gehen davon aus, dass Jugendliche sich mit der Radikalisierung zweifach loslösen wollen:

  • Von den oft willkürlich-patriarchalen Traditionen ihrer Herkunftsfamilien. Diese mögen zwar stark religiös und rigide ausgeprägt sein, lassen aber jegliche Wirkmächtigkeit im aktuellen Weltgeschehen vermissen.

  • Von der westlichen Welt, in der sie von einer gleichberechtigten Teilhabe vielfach ausgeschlossen sind.

Wenn man zudem die Konfliktzonen muslimischer Lebensweise in den vergangenen Jahren Revue passieren lässt – Schwimmunterrichtspflicht, Kopftuchdebatte, Zwangsheirat, Ehrenmorde etc. – wird schnell offensichtlich, dass hier im Grunde immer wieder um die Lebensgestaltung von muslimischen Mädchen gefochten wurde. Allerdings ohne diese zu beteiligen.

Gender-reflektierte Präventionsansätze


Im Folgenden werden Möglichkeiten und vielversprechende Ansätze der Prävention für gefährdete Mädchen/Frauen sowie Gender-fokussierte Interventionen behandelt.

Grundsätzlich sollten Prävention und Ausstiegsbegleitung getragen sein von einem wertschätzenden – narrativen – Gestus des persönlichen Austauschs. Das heißt vor allem, dass sie zunächst möglichst wenig argumentativ sein sollten. Wertevermittlung und Resilienzbildung erfolgen am besten auf der Basis einer persönlichen (Arbeits-)Beziehung sowie dadurch, dass die Fachkräfte im Umgang mit gefährdeten Jugendlichen ihre menschenrechtlichen und demokratischen Haltungen im Alltag und im direkten Umgang selbst praktizieren, so dass ihre persönliche Überzeugung erkennbar wird.

Prinzipiell ist wichtig, dass eine Interventionsberechtigung gegenüber den Adressat_innen besteht. Das bedeutet, dass Fachkräfte eine tragfähige Beziehung zu dem Jugendlichen haben, bevor heikle Themen angesprochen und Haltungen hinterfragt werden. Dazu gehört aus genderreflektierter Perspektive die Frage, ob jemand auf Grund seines Geschlechts, seines biografischen, sozialen oder kulturellen Kontextes eher durch eine Frau oder einen Mann ansprechbar sind. Die Gesprächsführung ist dabei von offenem Interesse sowie persönlicher Neugier getragen, wie auch von Menschenvertrauen, Verständnis, aber auch Konfrontation sowie von der Bereitschaft, sich selbst in Frage zu stellen. Zur Selbstreflektion der Fachkräfte gehört auch das Hinterfragen der eigenen Geschlechterrollenvorstellungen.

Mädchen-Empowerment


Um Mädchen und junge Frauen in ihrer Identitätsbildung und bei der Suche nach Lösungswegen im Konflikt zwischen häuslichen Anforderungen und der westlich-modernen Gesellschaft zu unterstützen, sind flächendeckende Angebote der Mädchenarbeit nötig. Dies gilt insbesondere in Quartieren, die als Brennpunkte der religiös begründeten extremistischen Radikalisierung gelten.

Die Ansätze der Mädchenarbeit haben ihre Wurzeln in der feministischen Bewegung der 1970er-Jahre. Ziel war, die gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten für junge Frauen durch genderspezifische Freiräume und Kompetenzstärkung zu verbessern. Es wurden- Mädchenzentren - geschützte Räumen der Jugendarbeit eingerichtet, die es teilweise heute noch gibt. Dort können persönliche Erfahrungen, Wertvorstellungen und Lebensumstände reflektiert, Konflikte verhandelt, Wünsche artikuliert und Zukunftsperspektiven erarbeitet werden. Vorstellungen der Mädchen zu Geschlechterordnungen und Hierarchien werden dabei aufmerksam durch die Sozialarbeiterinnen hinterfragt. Den Mädchen werden Perspektivwechsel ermöglicht, indem sie alternative Formen des Frauseins erfahren, etwa durch Peer-Learning-Settings. In dieser Arbeit ist es sehr hilfreich, junge Frauen mit ähnlichem Erfahrungshintergrund als Rollenvorbilder im Team zu haben. Das können gläubige Muslimas sein, die zeigen, dass für sie eine demokratische Gesellschaft mit pluralen Lebensentwürfen nicht im Widerspruch zur Religionsausübung steht. Das können aber auch nicht-muslimisch geprägte Frauen sein, die den Mädchen mit Respekt und Empathie begegnen.

Vor allem in den städtischen Quartieren gibt es nach wie vor gute Projekte und Strukturen der Mädchenarbeit, auf denen man für die Präventionsarbeit aufbauen kann. Dabei sollten deren Ressourcen für diesen Bereich gestärkt werden. In der Prävention von Fundamentalismus bieten diese Angebote den großen Vorteil, dass sie von traditionell-muslimisch geprägten jungen Frauen angenommen werden (dürfen) und somit eine wichtige Zielgruppe tatsächlich erreichen. In der Prävention von Rechtsextremismus hingegen werden geschlechtsspezifische Angebote oft verweigert, weil sich die angesprochenen Mädchen nicht von ihren männlichen Freunden lösen wollen.

Kultursensible Schulen und primäre Präventionsangebote


Für Prävention an Schulen zeichnen sich zwei Bereiche ab: Zum einen der gesamte Bereich des interkulturellen Selbstverständnisses im Schulalltag und zum anderen gezielte Maßnahmen der Prävention, die von externen Kräften angeboten werden. In Schulen mit einem hohen Anteil muslimisch geprägter Schülerinnen und Schüler sollten zunächst alle schulischen Regeln im Sinne einer kultursensiblen Herangehensweise überprüft werden. Über Themen wie "Pflicht zum Deutschreden in der Pause", Turn- und Schwimmunterricht, Umkleidesituation, Duschpflicht und so weiter kommt es vielfach zum Konflikt. Im Interesse eines gleichberechtigten Zugangs zu bestehenden Bildungsangeboten ist es häufig geboten, solche Regeln entschieden zu vertreten. Doch wie so häufig, kommt es hier auf das "Wie" an.

Empfehlenswert sind interkulturelle Eltern-Schul-Dialoge, in denen ein verständnisvoller Perspektivwechsel möglich ist und Regeln erklärt und nicht einfach "durchgedrückt" werden können. Das gewährleistet nicht, dass alle Eltern zukünftig den Schwimmunterricht für ihre Töchter unterstützen – aber es signalisiert gegenseitiges Verständnis. Indem Schulangehörige erklären, warum manche Belange für den Bildungs- und Erziehungsprozess, gerade auch im Hinblick auf Integration, wichtig sind, können sie Menschen aus muslimischen Gemeinden gewinnen, die bislang wenig Verständnis für die deutsche "Mehrheitsgesellschaft" hatten.

Dagegen stößt eine Haltung Menschen vor den Kopf, die ausdrückt: "Das ist eben bei uns so, und ihr habt euch anzupassen." Eine solche Haltung verstärkt Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrungen und spielt genau dem Opfermythos von jenen militanten Extremisten in die Hände, die behaupten, die Welt habe den Muslimen den Kampf angesagt, und als aufrechter Muslim müsse man sich wehren.

Für die menschenrechtlich geprägte Identitätsstärkung und primäre Prävention liegen zahlreiche für die Schule geeignete Materialien in den Themenbereichen Demokratie, Islam, Vorurteilsbearbeitung vor. Zum Beispiel hat der Verein Ufuq.de als bundesweit tätiger Fachträger im Themenbereich Islamismus und Islamfeindlichkeit Filmmaterialien entwickelt, die von Peer-Trainerinnen und Trainern mit muslimischem Hintergrund in Schulklassen gezeigt und unter Moderation diskutiert werden. Einer dieser Filme behandelt die Frage nach Frauenrechten und Islam. Er zeigt, dass sich ein modernes Frauenbild, die Regeln des Korans und muslimische Religionsauslegung nicht widersprechen müssen. Da es in vielen Fällen bei den Jugendlichen genau um die Auseinandersetzung mit einem starken Zwiespalt zwischen dem gesellschaftlichen Umfeld und den religiösen Werten mit denen sie aufwachsen geht, sind religionsbasierte Ansätze wichtig, in denen die Jugendlichen offen über Religion und ihre Perspektiven sprechen können.

Das Projekt "HEROES gegen Unterdrückung im Namen der Ehre" von Strohhalm e.V. verfolgt einen Ansatz ohne Rückbezug auf Religion. Vielmehr arbeitet HEROES mit Genderbasierten und Milieuspezifischen Kategorien um das Thema Ehre und Patriarchat. Dabei werden junge Männer zu Multiplikatoren ausgebildet. Diese gehen in Schulklassen und zeigen kleine Theaterszenen, zum Thema Umgang von Jungen/Männern mit Mädchen/Frauen in patriarchal-archaisch geprägten Milieus. Der Zugang, junge Männer mit in die Verantwortung zu nehmen, ist prinzipiell wegweisend, um auf das gleichberechtigte Zusammenleben der Geschlechter hinzuwirken. Dergleichen Ansätze eignen sich für eine menschenrechtlich geprägte Identitätsstärkung und primäre Prävention.

Jugendliche, die bereits Kontakt mit fundamentalistischen Gruppen aufgenommen haben, werden durch solche Maßnahmen jedoch kaum erreicht, da moderne Interpretationen des Korans mindestens ebenso stark abgelehnt werden wie die Ansichten von sogenannten "Ungläubigen".

Die Frage, inwieweit die Prävention von religiös begründetem Extremismus auf religiösen Argumenten basieren sollte, ist nicht einfach zu beantworten. Die Bedürfnisse der Zielgruppen sind sehr unterschiedlich und sollten zunächst vor Ort geklärt werden. Brauchen die Jugendlichen Orientierung darüber, wie der Islam zur westlichen Welt passt? Hilft eine Reflexion über konkrete Zukunftsperspektiven, demokratische Werte und gleichberechtigte Lebensmöglichkeiten? Oder ist angesichts aggressiver Provokationen im Schulalltag eine kritische Intervention gefragt?

Prinzipiell sollte ermöglicht werden, dass an Schulen interne und externe Pädagoginnen und Pädagogen mit muslimischem Hintergrund vertreten sind. Diese können Rollenvorbilder sein und "Wir"/"Die"-Dichotomien auflösen. Das pädagogische Neutralitätsgebot als Begründung eines Kopftuchverbots für Lehrerinnen, von dem an manchen Schulen auch externe Fachkräfte betroffen sind, hat sich dabei nicht bewährt; es schwächt die Stellung muslimischer Frauen in Deutschland, da diese damit selten sichtbar repräsentiert sind.

Sekundäre und tertiäre Prävention durch Familien- und gemeinwesenorientierte Hilfen


Mit HAYAT, beRATen, Kitab und Legato haben sich Beratungsangebote etabliert, die auf einen systemischen Familienansatz beruhen. Die Teams sind gemischtgeschlechtlich, um auf die unterschiedlichen Bedarfe der anfragenden Familien reagieren zu können. Neben der Beratung für Angehörige von radikalisierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen werden Ausstiegsbegleitung sowie Selbsthilfegruppen für Eltern und Betroffene angeboten. Auch in diesem Bereich, der familienorientierten Prävention beziehungsweise Distanzierungsarbeit, spielen gender-reflektierte Ansätze eine wichtige Rolle. Es existieren zum Beispiel sowohl Ansätze zur Stärkung der Mütter als auch für die Arbeit mit Vätern.

Für Mädchen aus muslimisch-patriarchalen Kontexten kann die Beteiligung am Dschihad eine legitime Möglichkeit darstellen, der familiären Enge zu entkommen. Einige fundamentalistische Prediger behaupten, dass die Pflicht zum Dschihad auch gegen den Widerstand der Eltern und der Ehemänner Bestand habe. Umso wichtiger ist es, dass Eltern den Kontakt zu ihren Kindern halten – trotz deren Abkehr, vielfacher Provokationen und ihrer Verachtung gegenüber dem bisherigen Leben. Eine Beratung ermittelt Ressourcen und mögliche Anknüpfungspunkte, um die Jugendlichen zu erreichen, und berät, wie man als Familie im Gespräch bleiben beziehungsweise die Kinder zurückgewinnen kann.

Ähnlich wie bei den Elternberatungen im Rechtsextremismus sind es zum größten Teil Mütter, die um Hilfe nachsuchen. Mütterspezifische Ansätze sind ein wichtiger Baustein zur Prävention und zur Stärkung der Stellung von Frauen. Um die Frauen in ihrem Selbstverständnis zu stärken und darin zu unterstützen, sich gegen gewalttätigen Extremismus zu positionieren, wären Ansätze wie die der "Mothers Schools" von "Frauen ohne Grenzen" hilfreich, die es innerhalb Europas noch nicht gibt. Das Konzept, das bisher etwa in Pakistan und Indonesien umgesetzt wird, umfasst zum einen die Ausbildung von Trainerinnen und Trainern sowie zum anderen die Bildung lokaler Müttergruppen. Ein spezifisches Curriculum unterstützt die Frauen darin, kritische Dialoge in ihren Familien und im Gemeinwesen zu führen und frühe Warnsignale einer Radikalisierung ihrer Kinder zu erkennen.

Die Müttergruppen des Vereins "Aufbruch Neukölln e.V." verfolgen einen ähnlichen Ansatz. Das Angebot wird von Pädagoginnen und Psychologinnen angeleitet. Die Teilnehmerinnen bestimmen mit darüber, welche Themen aus schulischen, erzieherischen, familiären und sozialen Bereichen während der wöchentlichen Treffen besprochen werden. Dabei spielen auch Fragen des religiösen Zwiespalts und eine zunehmende Isolierung bzw. Radikalisierung ihres lokalen Umfelds eine Rolle.

Vielversprechend ist aber auch die Arbeit mit Vätern. Denn militant radikalisierte Menschen sind erfahrungsgemäß in einer signifikanten Mehrheit biografisch von der Erfahrung betroffen, dass ihre Väter physisch oder psychisch absent waren. Umso erstaunlicher ist es, wie wenig in den bisherigen Präventions- und Interventionsangebote die Väter ausdrücklich berücksichtigt werden.

In den Vätergruppen von "Aufbruch Neukölln" werden Männer darin gestärkt, sich der Erziehung ihrer Kinder anzunehmen und sie mit ihren Problemen nicht allein zu lassen. Hauptziele der wöchentlichen Treffen sind: Väter und Männer für Bildung und Erziehung zu sensibilisieren, sie für eine gewaltfreie und demokratische Familie und Gesellschaft zu stärken, Vorurteile abzubauen, Vielfalt als Reichtum zu erleben und Aufklärung über Frauen- und Kinderrechte zu vermitteln. Das Modellprojekt "Vaterzeit im Ramadan?" in Leipzig hat sich ebenfalls der Thematik angenommen und sensibilisiert dafür, dass muslimische Väter als zentrale Bezugspersonen ihrer Kinder gestärkt werden.

Bisher fand die Thematik "absente Väter" vor allem mit Blick auf deren Söhne Beachtung. Jedoch hängen wichtige Persönlichkeitsaspekte wie Selbstwertgefühl und die Fähigkeit, konstruktiv-gleichberechtigte und-respektvolle Beziehungen einzugehen, natürlich auch bei Mädchen in hohem Maße davon ab, welche Rolle der Vater im Familienleben eingenommen hat. Junge Frauen, die hier keine Vorbilder erlebt haben oder nur Zeuginnen von abhängigen Müttern und Frauen wurden, sind sicherlich anfälliger dafür, sich im Sinne der Rekrutierungsbemühungen militanter Gruppen unbekannten Männern "auszuliefern".

Ein zentrales Thema in der Arbeit der Beratungsstellen ist die Betreuung von Angehörigen, wenn etwa ein/e Familienangehörige/r nach Syrien ausgereist ist oder als mutmaßlicher "Islamist" in Haft kommt. Hierbei muss vor allem der Gefahr von Co- beziehungsweise Folge-Radikalisierungen entgegengewirkt werden, zum Beispiel bei Geschwistern. Dabei kann das Vorgehen der Sicherheitsbehörden (Wohnungsdurchsuchungen etc.) Hindernisse aufbauen, die vermieden werden können. Ein konstruktiver Dialog zwischen Sicherheitsbehörden und Familie ist hier dringend angeraten und sollte natürlich auch die weiblichen Familienangehörigen einbeziehen. Die Polizei nimmt oft nur die Väter und Brüder in den Blick.

Ausstiegsangebote und Hilfe für Rückkehrerinnen aus Kampf- und Konfliktzonen


Auch Ausstiegsangebote sollten geschlechtsspezifisch angelegt sein und weibliche Ausstiegsbegleiterinnen für gefährdete Mädchen aufbieten können. Dabei ist die Auseinandersetzung mit Geschlechterrollenvorstellungen sowohl bei Aussteigerinnen als auch Aussteigern wichtig. Eine sensible Bearbeitung von quasi romantischen Motiven von Mädchen, die eine Beziehung zu einem Kämpfer/Märtyrer suchen, ist selbstverständlicher Teil dessen. Geschlechtsspezifische Motive der Hinwendung zum einem religiös motivierten Extremismus, die Suche nach Sinn- und Sinnes-Erleben in der Spiritualität oder auch das tiefempfundene Engagement für politische Ziele sollten ernst genommen werden.

Für Frauen und Männer, die aus den Kampfgebieten zurückkehren, mag die Aufarbeitung von traumatischen Ereignissen beziehungsweise die Umkehr von Verrohungsprozessen erforderlich sein. Auch besteht eine besondere Notwendigkeit, das Erleben von sexualisierter Gewalt und Missbrauch aufzuarbeiten. Hierfür müssen ausgewiesene Fachpersonen einbezogen werden.

Fazit


Genderaspekte – wie die Frage um Geschlechtergleichstellung – spielen eine wichtige Rolle in Diskussionen zu Islamismus, aber auch zum Islam. Umso mehr müssen Präventionsangebote diese Themen im Sinne einer gender-reflektierten und identitätsstärkenden politischen Bildung aufgreifen. Es gilt, gleichermaßen junge Frauen wie Männer anzusprechen und Rollenvorstellungen zu "Frau-sein" und "Mann-sein" gemeinsam und auf vielfältige Weise zu verhandeln.

Zudem ist ein verstärkter Fokus auf Mädchen und Frauen in der primären, sekundären und tertiären Prävention wünschenswert. Denn auch wenn Frauen deutlich weniger bei Gewaltakten aktiv sind als Männer, so nehmen sie doch wichtige Funktionen bei der Verbreitung von Ideologien in der Familie, im Gemeinwesen oder in (sozialen) Medien ein. Primäre und sekundäre Prävention kann auf Konzepte einer intersektionalen Mädchenarbeit, die generell Mehrfachdiskriminierungen beachtet, zurückgreifen.

Für das Feld der Distanzierung und Ausstiegshilfe haben Ergebnisse aus dem Projekt "WomEx – Frauen und Genderaspekte in Prävention und Intervention" gezeigt, dass Frauen an anderen Orten für einen Ausstieg ansprechbar sind als Männer. Hier sollten zukünftig verstärkt Einrichtungen der Familien und Jugendhilfe sowie des Gesundheitswesens – etwa Jugendämter, Frauenschutzhäuser, ambulante Jugendhilfeeinrichtungen – für diesen Bereich sensibilisiert und in überinstitutionelle (inter-agency) Ansätze einbezogen werden.

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Silke Baer ist pädagogisch-wissenschaftliche Leiterin von "cultures interactive e.V. - Verein zur interkulturellen Bildung und Gewaltprävention". Seit 2002 ist sie in der Rechtsextremismus- und Gewaltprävention tätig. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist der Genderaspekt in Jugendkulturen.