Mecklenburg-Vorpommern: Akteure und Organisation der Islamismusprävention
Im Vergleich zu anderen Bundesländern spielt Islamismus in Mecklenburg-Vorpommern eine untergeordnete Rolle. Die Präventionsarbeit ist primär auf den Bereich Rechtsextremismus ausgerichtet. Eine landeseigene Präventionsstrategie zur Bekämpfung des religiös begründeten Extremismus befindet sich zurzeit in der Aufbauphase. Die Koordinierung der Islamismusprävention in Mecklenburg-Vorpommern wurde 2017 der Landeskoordinierungsstelle Demokratie und Toleranz übertragen, die in der Landeszentrale für politische Bildung angesiedelt ist. Wichtigster Akteur hierbei ist die Fachstelle Bidaya – Prävention von religiös begründetem Extremismus.Inhalt
- Gibt es eine landeseigene Präventionsstrategie im Bereich Islamismus?
- Wie ist die Präventionsarbeit organisiert?
- Welche Rolle spielen die Akteure der Bundesebene in Mecklenburg-Vorpommern?
- Wie arbeiten Landesebene und kommunale Ebene zusammen?
- Welche zivilgesellschaftlichen Akteure sind aktiv und wie arbeiten staatliche Akteure mit ihnen zusammen?
- Welche Besonderheiten gibt es in Mecklenburg-Vorpommern hinsichtlich der Präventionsarbeit?
- Quellen, Anlaufstellen und Präventionsprojekte in Mecklenburg-Vorpommern
1. Gibt es eine landeseigene Präventionsstrategie im Bereich Islamismus?
Der Landtag Mecklenburg-Vorpommern hat im Oktober 2017 die Landesregierung mit der Überarbeitung und Fortschreibung des 2006 verabschiedeten Landesprogramms Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken! beauftragt.[1] Hierbei wird die Islamismusprävention als Aufgabenbereich in das Gesamtprogramm eingebunden. Die Fortschreibung des Landesprogramms wurde im Oktober 2019 im Landtag vorgestellt und von diesem beschlossen.[2] Im Rahmen der Umsetzungsstrategie soll auch die Strategie zur Islamismusprävention behandelt werden.
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2. Wie ist die Präventionsarbeit organisiert?
2.1 IMAG Handlungsrahmen für Demokratie und ToleranzDie Radikalisierungsprävention in Mecklenburg-Vorpommern wird im Rahmen des Landesprogramms Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken! von der Interministeriellen Arbeitsgruppe Handlungsrahmen für Demokratie und Toleranz (IMAG) gesteuert. Mitglieder der IMAG sind
- die Staatskanzlei,
- das Bildungs-, Innen-, Wirtschafts-, Justiz-, Finanz- und Sozialministerium,
- die Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur sowie
- die Landeszentrale für politische Bildung.
Im Jahr 2017 wurde die Einrichtung der Unterarbeitsgruppe (UAG) Islamismusprävention innerhalb der IMAG beauftragt.[3] Mitglieder der UAG Islamismusprävention sind
- das Ministerium für Inneres und Europa Mecklenburg-Vorpommern,
- das Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern,
- das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern sowie
- das Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Mecklenburg-Vorpommern.
2.2 Landeskoordinierungsstelle Demokratie und Toleranz
Die Koordinierung der Islamismusprävention in Mecklenburg-Vorpommern übertrug die IMAG 2017 der Landeskoordinierungsstelle Demokratie und Toleranz, die in der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern angesiedelt ist. Diese befindet sich im Geschäftsbereich des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur.
Aufgaben der Landeskoordinierungsstelle Demokratie und Toleranz sind:
- Organisation des Beratungsnetzwerks Demokratie und Toleranz und Koordinierung der Arbeit der Projekte des Beratungsnetzwerks (siehe Abschnitt 5.1)
- Förderung von Projekten zur Demokratiestärkung
- Zentrale Anlaufstelle für Einzelpersonen, Vereine, Verbände etc. bezüglich aller Anfragen und Beratungswünsche zu den Themen Demokratiestärkung sowie Rechtsextremismus und Islamismus
- Zuständige Kontaktstelle des Landes für alle Bundesprogramme zur Stärkung von Demokratie und Toleranz (Demokratie leben! und Zusammenhalt durch Teilhabe)
Wichtigster Akteur im Rahmen der Islamismusprävention in Mecklenburg-Vorpommern ist die Fachstelle Bidaya – Prävention von religiös begründetem Extremismus. Bidaya wurde Ende 2017 auf Beschluss der IMAG beim Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands e. V. (CJD) eingerichtet und wird durch das Bundesprogramm Demokratie leben! gefördert.
Bidaya bietet Beratungen, Fortbildungen, Workshops und Vorträge an – diese reichen von allgemeinen Informationen zu den Themen Islam und Prävention bis hin zu Umgangsstrategien und Handlungskompetenzen im Kontakt mit Jugendlichen, die eine Nähe zur religiös begründet extremistischen Szene aufweisen. Das Angebot von Bidaya richtet sich an Bezugspersonen, Angehörige und Familien, an Mitarbeitende in pädagogischen Einrichtungen und staatlichen Institutionen sowie an Akteure der Zivilgesellschaft.
Bidaya ist darüber hinaus zuständig für die Qualifizierung und Sensibilisierung pädagogischer Fachkräfte im Themenfeld "Islamistische oder islamfeindliche Radikalisierungen". Zudem soll die Abstimmung von Abläufen bei meldepflichtigen Vorkommnissen eine erhöhte Handlungssicherheit im Schulbereich gewährleisten.
Die im Bereich "Demokratie und Toleranz in Mecklenburg-Vorpommern" etablierten fünf Regionalzentren für demokratische Kultur dienen als mögliche Erstkontaktstellen und vermitteln Beratungssuchende an die Fachstelle Bidaya weiter.
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3. Welche Rolle spielen die Akteure der Bundesebene in Mecklenburg-Vorpommern?
3.1 Arbeitsgruppen der BundesländerDie Behörden und besonders die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern stimmen sich bereits seit 2009 in der Arbeitsgruppe Deradikalisierung des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) über islamistischen Extremismus ab. Des Weiteren existieren verschiedene Bund-Länder-Arbeitsgruppen im Rahmen der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK).
3.2 Kooperationsnetzwerk der Beratungsstelle Radikalisierung des BAMF
Auch das Kooperationsnetzwerk der Beratungsstelle Radikalisierung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) dient als Plattform für den Austausch zwischen Bund und Ländern. In Mecklenburg-Vorpommern übernimmt die Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern die Funktion der Landeskoordinierungsstelle im Rahmen des BAMF-Netzwerks. Die Fachstelle Bidaya – Prävention von religiös begründetem Extremismus ist als zivilgesellschaftlicher Partner vor Ort mit der aktiven Fallarbeit befasst.
3.3 BMFSFJ: Bundesprogramm Demokratie leben!
Über das Bundesprogramm Demokratie leben! des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) kofinanziert der Bund einen Teil der Präventionsarbeit auf den Ebenen der Länder und Kommunen.
Im Rahmen von Demokratie leben! werden in Mecklenburg-Vorpommern 19 Partnerschaften für Demokratie gefördert. Dabei handelt es sich um lokale und regionale Bündnisse, die vor Ort passende Strategien für die konkrete Situation entwickeln.
In jedem Bundesland unterstützen Landes-Demokratiezentren die Weiterentwicklung von Konzepten und Strategien zur Förderung von Demokratie und Vielfalt. Sie sorgen für eine Vernetzung der lokalen Aktivitäten – insbesondere der Partnerschaften für Demokratie. In Mecklenburg-Vorpommern ist das Landes-Demokratiezentrum bei der Landeskoordinierungsstelle Demokratie und Toleranz bei der Landeszentrale für politische Bildung angesiedelt. Über das Landes-Demokratiezentrum wird auch die Fachstelle Bidaya – Prävention von religiös begründetem Extremismus gefördert.
Des Weiteren werden im Rahmen von Demokratie leben! Modellprojekte zur Extremismusprävention in den Bereichen "Islamistischer Extremismus", "Phänomenübergreifende Prävention: Wechselwirkungen einzelner Phänomene, Deeskalationsarbeit" sowie "Prävention und Deradikalisierung in Strafvollzug und Bewährungshilfe" gefördert.
In Mecklenburg-Vorpommern ist es das folgende Projekt: PräRaDEx – Prävention von Radikalisierung, Distanzierung vom Extremismus (Christliches Jugenddorfwerk Deutschlands gemeinnütziger e. V.; CJD)
3.4 Jugendmigrationsdienste: Respekt Coaches
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) finanziert auch das Programm Respekt Coaches. Es wird von den Jugendmigrationsdiensten (JMD) an rund 190 Standorten in allen Bundesländern umgesetzt. Die JMD kooperieren dafür mit Schulen und weiteren Partnern. Das Programm soll in Gruppenangeboten demokratische Werte für junge Menschen erlebbar machen und sie in ihrer Persönlichkeit stärken. Schülerinnen und Schüler sollen den Wert einer vielfältigen Gesellschaft erfahren und lernen, unterschiedliche Weltanschauungen und Lebensweisen besser zu verstehen. Dies soll auch der Extremismusprävention dienen. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es acht Standorte der Respekt Coaches.
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4. Wie arbeiten Landesebene und kommunale Ebene in Mecklenburg-Vorpommern zusammen?
Die Geschäftsführerin des Landesrates für Kriminalitätsvorbeugung Mecklenburg-Vorpommern ist dem Innenministerium unterstellt und gehört der Unterarbeitsgruppe Islamismusprävention der Interministeriellen Arbeitsgruppe (IMAG) an (siehe Abschnitt 2.1).Projektbezogene Arbeitsgruppen des Landesrates erarbeiten Handlungsempfehlungen. Die Zusammenarbeit mit den Kommunen wird unter anderem in der AG Kommunale Prävention abgestimmt. Die Kommunalen Präventionsräte sind zentraler Bestandteil der gesamtgesellschaftlichen Kriminalprävention in Mecklenburg-Vorpommern.
Die Präventionsarbeit von religiös begründetem Extremismus wird primär mit zivilgesellschaftlichen Akteuren abgestimmt (siehe Abschnitt 5).
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5. Wie arbeitet das Land Mecklenburg-Vorpommern mit zivilgesellschaftlichen Akteuren zusammen?
5.1 Beratungsnetzwerk Demokratie und ToleranzDas Landesprogramm Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken! hat das Beratungsnetzwerk Demokratie und Toleranz gegründet. Dieses unterstützt Personen, Kommunen sowie Institutionen wie Schulen, Organisationen und Betriebe bei der Bekämpfung demokratiefeindlicher Bestrebungen in den Bereichen "Rechtsextremismus" und "Religiös begründeter Extremismus". Das Beratungsnetzwerk zielt auf einen engen Austausch zwischen staatlichen Behörden und zivilgesellschaftlichen Trägern ab. Das Beratungsnetzwerk kommt mehrmals im Jahr im Plenum oder in Arbeitsgruppen zusammen, um Informationen auszutauschen, Kompetenzen zu bündeln und Strategien abzustimmen.
Die staatlichen Mitglieder des Beratungsnetzwerks sind:
- Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern / Landeskoordinierungsstelle Demokratie und Toleranz
- Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur
- Ministerium für Soziales, Integration und Gleichstellung
- Justizministerium
- Ministerium für Inneres und Europa (Verfassungsschutz, Landeskriminalamt und Landesrat für Kriminalitätsvorbeugung)
- Fachstelle Bidaya – Prävention von religiös begründetem Extremismus
- Fünf Regionalzentren für demokratische Kultur
- LOBBI e. V. (Landesweite Opferberatung, Beistand und Information für Betroffene rechter Gewalt)
- Betriebliches Beratungsteam
- JUMP – Sozialraumorientierte Ausstiegsarbeit in Mecklenburg-Vorpommern
5.2 PräRaDEx – Prävention von Radikalisierung, Distanzierung vom Extremismus
Das Justizministerium hat zusammen mit dem Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands e. V. (CJD) das Modellprojekt PräRaDEx – Prävention von Radikalisierung, Distanzierung vom Extremismus geschaffen, das phänomenübergreifend (Rechtsextremismus und religiös begründeter Extremismus) angelegt ist. Das Projekt widmet sich Personen im Strafvollzug und in der Bewährungshilfe.
Im Projekt werden Multiplikatoren aus Jugendanstalten, Justizvollzugsanstalten und den Sozialen Diensten ausgebildet. Außerdem werden Einzelgespräche zur Deradikalisierung geführt. Zudem sollen Handlungsempfehlungen zur Prävention und Intervention entwickelt werden. Das Projekt wird im Rahmen des Bundesprogramms Demokratie leben! gefördert.
6. Welche Besonderheiten gibt es in Mecklenburg-Vorpommern hinsichtlich der Präventionsarbeit?
Im Vergleich zu anderen Bundesländern spielen islamistische Bewegungen in Mecklenburg-Vorpommern eine untergeordnete Rolle. Die zentrale Herausforderung stellt in diesem Bundesland nach wie vor der Rechtsextremismus dar. Eine landeseigene Präventionsstrategie für religiös begründeten Extremismus befindet sich daher zurzeit in der Aufbauphase. Vor allem die Fachstelle Bidaya soll die Sensibilisierung und Handlungssicherheit in diesem Bereich erhöhen und die Auseinandersetzung mit islamistischen oder islamfeindlichen Orientierungen fördern.> Zum Anfang der Seite
7. Weiterführende Links: Quellen, Anlaufstellen und Präventionsprojekte in Mecklenburg-Vorpommern
7.1 Wichtige Quellen und WebsitesBeratungsnetzwerk Demokratie und Toleranz:
Grundlagen und Berichte der Landesregierung
Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern:
Broschüre "Nicht meckern – sondern MACHEN"
Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern:
Landeskoordinierungsstelle: Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken
Landtag Mecklenburg-Vorpommern (2019):
Kleine Anfrage des Abgeordneten Nikolaus Kramer (AfD), Thema: Radikalisierungsprävention gegenüber dem islamistischen Terrorpotenzial in Mecklenburg-Vorpommern
Landtag Mecklenburg-Vorpommern:
Unterrichtung durch die Landesregierung – Bericht der Landesregierung zur Umsetzung des Landesprogramms "Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken!" vom 25.5.2018
Landtag Mecklenburg-Vorpommern:
Unterrichtung durch die Landesregierung – Landesprogramm "Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken!" (Erste Fortschreibung) vom 29.3.2019
7.2 Anlaufstellen und Präventionsprojekte
Christliches Jugenddorfwerk Deutschlands e. V. (CJD):
Fachstelle Bidaya
Christliches Jugenddorfwerk Deutschlands e. V. (CJD):
PräRaDEx – Prävention von Radikalisierung, Distanzierung vom Extremismus

Die Infografik als

Stand: Februar 2020
Präventionsarbeit ist ein dynamischer Bereich mit vielen aktuellen Entwicklungen. Die Redaktion freut sich daher über Ihre Hinweise auf Akteure, Aktivitäten oder Zusammenhänge, die in diesem Beitrag bislang nicht berücksichtigt worden sind. Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an:
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